Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung zum Studiengang Tourismus-Management unter Härtefallgesichtspunkten

Aktenzeichen  M 3 E 15.3922

Datum:
23.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 I 2
BayHZG BayHZG Art. 5 III Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Bachelorstudiengang Tourismus-Management, erstes Fachsemester, im Wintersemester 2015/2016 an der Hochschule M. (im Folgenden: die Hochschule) innerhalb der festgesetzten Kapazität aufgrund von Härtefallgesichtspunkten sowie außerhalb der festgesetzten Kapazität.
Mit Bescheid vom 14. August 2015 lehnte die Hochschule die Bewerbung des Antragstellers um einen Studienplatz ab.
Am … September 2015 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München,
die Hochschule für angewandte Wissenschaften München im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, ihm vorläufig einen Studienplatz im Studiengang Tourismus-Management für das erste Semester im Wintersemester 2015/2016 zuzuweisen.
Zur Begründung führte der Antragsteller aus, er sei Vater eines sechsjährigen Sohnes. Zwar lebe sein Sohn bei der Mutter, dennoch nehme er an der Betreuung und Erziehung des Kindes teil. Ein Studium außerhalb Münchens sei ihm deshalb nicht möglich. Im Übrigen habe die Hochschule seines Erachtens die Kapazität an freien Studienplätzen nicht ausgeschöpft. Der Antragsteller legte ein Schreiben an die Hochschule vom … September 2015 vor, mit dem er einen Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität beantragt hatte; außerdem wies er die deutsche Staatsangehörigkeit nach.
Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2015 beantragte der Antragsgegner, vertreten durch die Hochschule, in allen Verfahren auf vorläufige Zulassung zum streitgegenständlichen Studiengang,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Hochschule habe nach der Zulassungszahlsatzung eine Kapazität von 129 Studienanfängern für das erste Fachsemester des Bachelorstudiengangs Tourismus-Management im Wintersemester 2015/2016 festgelegt. Bis zum 22. Oktober 2015 hätten sich 129 Studierende im Bachelorstudiengang Tourismus-Management immatrikuliert, so dass die festgesetzte Zulassungszahl erfüllt sei. Die zugrunde liegende Kapazitätsberechnung wurde vorgelegt.
Mit Schreiben vom 20. November 2015 wies das Gericht den Antragsteller darauf hin, dass für die Auswahl nach Härtefallgesichtspunkten grundsätzlich zusammen mit dem Zulassungsantrag ein gesonderter Antrag bei der Hochschule zu stellen sei. Das Gericht forderte den Antragsteller auf, bis zum 7. Dezember 2015 glaubhaft zu machen, dass und wann er einen vorherigen Härtefallantrag bei der Hochschule gestellt habe. Zum Antrag des Antragstellers auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität gab das Gericht dem Antragsteller Gelegenheit, bis zum 7. Dezember 2015 seine Hochschulzugangsberechtigung glaubhaft zu machen, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, dass er bislang keine Zulassung für den von ihm gewünschten Studiengang an einer anderen Hochschule in Deutschland erhalten habe, und den von ihm geltend gemachten Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium außerhalb der Kapazität zu begründen. Eine Reaktion des Antragstellers hierauf erfolgte nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Soweit der Antragsteller die Zulassung unter Härtefallgesichtspunkten beantragt, ist der Antrag unzulässig, im Übrigen unbegründet.
Für den Antrag auf Zulassung zum Studiengang Tourismusmanagement unter Härtefallgesichtspunkten fehlt mangels eines vorherigen Härtefallantrags bei der Hochschule das Rechtsschutzbedürfnis.
Die beantragte einstweilige Anordnung setzt nach dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus, dass zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner ein „streitiges Rechtsverhältnis“ besteht. Von einem streitigen Rechtsverhältnis kann erst dann ausgegangen werden, wenn aus einem Antrag und seiner Ablehnung eine bestimmte Rechtsbeziehung entstanden ist, um deren Bestand und Inhalt gestritten werden kann. Hat der Antragsteller sein Anliegen noch nicht einmal zuvor bei dem Antragsgegner selbst vorgetragen, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag an das Gericht (vgl. VGH BW, B. v. 9.7.1990 – NC 9 S 58/90 – juris Rn. 2 zum Antrag auf vorläufige Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität).
Vorliegend hat der Antragsteller auch auf das Hinweisschreiben des Gerichts nicht dargetan, dass er neben seinem Zulassungsantrag auch einen vorherigen Härtefallantrag beim Antragsgegner gestellt hätte; hierzu ist auch anderweitig nichts ersichtlich. Vorgelegt wurde lediglich der Bescheid der Hochschule vom 14. August 2015 über die Teilnahme und Ablehnung des Antragstellers im Auswahlverfahren.
Der Bachelorstudiengang Tourismusmanagement wird gemäß Art. 5 des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes (BayHZG) vom 9. Mai 2007 (GVBl S. 2007, 300), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2015 (GVBl S. 301), i. V. m. § 1 der Satzung über Zulassungszahlen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München im Wintersemester 2015/2016 und im Sommersemester 2016 vom 29. Juni 2015 in einem örtlichen Auswahlverfahren vergeben. Bei einem örtlichen Auswahlverfahren sind gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayHZG von den für einen Studiengang festgesetzten Zulassungszahlen 2 v. H. der zur Verfügung stehenden Studienplätze als Vorabquote abzuziehen für Bewerber, für die die Ablehnung des Zulassungsantrags eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Nach § 25 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. März 2015 (GVBl S. 74) finden die Vorschriften des Abschnitts 1 bei einem an der Hochschule durchzuführenden örtlichen Auswahlverfahren entsprechende Anwendung. Demnach sind im örtlichen Auswahlverfahren gemäß § 25 i. V. m. § 3 Abs. 5 Satz 2 HZV Anträge, die ergänzend zum Zulassungsantrag gestellt werden können, grundsätzlich mit dem Zulassungsantrag und somit gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HZV bis zum 15. Juli bei der Hochschule zu stellen. Hierzu zählt auch ein Antrag nach § 25 i. V. m. § 15 Satz 1 HZV; danach werden auf Antrag die Studienplätze der Härtequote an Bewerber vergeben, für die es eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, wenn sie für den genannten Studiengang keine Zulassung erhielten.
Mangels vorherigen Härtefallantrags beim Antragsgegner ist der diesbezüglich Antrag nach § 123 VwGO unzulässig und daher abzulehnen.
Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch in der Sache der Antrag keinen Erfolg hätte, da die vom Antragsteller vorgetragenen familiären Umstände die Anforderungen des § 25 i. V. m. § 15 Satz 2 HZV nicht erfüllen. Eine außergewöhnliche Härte liegt nach dieser Vorschrift vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums oder einen sofortigen Studienortwechsel zwingend erfordern. Die Zulassung aus Härtegründen hat rechtlich die Bedeutung einer Befreiung von den generellen Auswahlmaßstäben; sie ist nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die die Anwendung dieser Maßstäbe unzumutbar erscheinen lassen. Die in der eigenen Person des Bewerbers liegenden Gründe müssen deshalb so schwer wiegen, dass eine Verzögerung des Studienbeginns auch nur um ein Semester unzumutbar wäre (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2011 – 7 CE 11.10068 – juris Rn. 11). Die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände reichen an diese Schwelle nicht heran.
Der Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren. Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts besteht (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 294 ZPO) gemacht wird. Bei der Entscheidung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B. v. 5.8.1992 – 7 CE 92.1896 – BayVBl 1992, 659) in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen könnte.
Der Antragsteller hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d. h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum Bachelorstudiengang Tourismus-Management an der Hochschule nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016 zugelassen zu werden.
Mangels Vorlage einer aktuellen eidesstattlichen Versicherung über die fehlende anderweitige Zulassung des Antragstellers im streitgegenständlichen Studiengang hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Anordnungsanspruch (Anspruch auf Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität) zusteht.
Aus dem in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip folgt ein verfassungsmäßig gewährleistetes Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden („hochschulreifen“) Staatsbürgers auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl. Dieses Recht steht unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann (BVerfG, U. v. 8.2.1977 – 1 BvF 1/76 u. a. – juris Rn. 67; B. v. 9.4.1975 – 1 BvR 344/74 u. a. – juris Rn. 58, U. v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70 – juris Rn. 57 ff.). Aus der Verfassung folgt auch das Gebot, möglichst vielen Bewerbern möglichst rasch einen Studienplatz zu verschaffen (BVerwG, U. v. 7.6.1978 – VII C 63.76 – juris Rn. 55). Dieser Gesichtspunkt steht einer Weiterverfolgung eines auf mangelnde Kapazitätsauslastung gestützten Rechtsbehelfs entgegen, wenn ein Studienbewerber bereits an einer anderen Hochschule im betreffenden Studiengang zugelassen ist; die anderweitige Zulassung stellt einen Erledigungsgrund dar (vgl. BVerwG, U. v. 7.6.1978 – a.a.O – juris Rn. 55).
Vor diesem Hintergrund hat das Gericht mit Schreiben vom 20. November 2015 dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, bis zum 7. Dezember 2015 eine eidesstattliche Versicherung nachzureichen, dass er in dem betreffenden Studiengang noch keine Zulassung an einer anderen Hochschule in Deutschland erhalten habe. Dieser Aufforderung der Glaubhaftmachung ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Dem Gericht ist es im Eilverfahren auf außerkapazitäre Zulassung unmöglich, auf andere Weise aufzuklären, ob der Antragsteller zwischenzeitlich anderweitig zum Studiengang seiner Wahl zugelassen wurde. Die fehlende Glaubhaftmachung der bisher nicht erfolgten anderweitigen Zulassung geht zulasten des Antragstellers.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 Nrn. 1.1.1, 1.5, 18.1.

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