Verwaltungsrecht

Anwendbarkeit der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayLStVG

Aktenzeichen  20 ZB 16.1897

Datum:
17.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 55027
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
BayVwZVG Art. 36 Abs. 6 S. 1
GastG § 5

 

Leitsatz

1. Für die Frage, ob eine gegenüber der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayLStVG vorrangige Spezialbefugnis greift, ist maßgeblich, ob diese den Sachverhalt abschließend regelt, was anhand der konkreten Zielsetzung der Gefahrenbeseitigung zu beurteilen ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelsanktionierung liegt nicht vor, wenn die Behörde im Falle der Zuwiderhandlung gegen ein Rauchverbot ein Zwangsgeld fällig stellt und zugleich ein Bußgeld verhängt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 14 K 16.281 2016-06-10 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juni 2016 ist unzulässig, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wurde. Die Darlegungsanforderungen dieses Zulassungsgrundes sind nur erfüllt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und damit im Berufungsverfahren klärungsfähig ist sowie erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
1. Soweit die Klägerin im Antragsschriftsatz vom 13. September 2016 die Frage nach der Anwendbarkeit der sicherheitsrechtlichen Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG im Anwendungsbereich des Gesetzes zum Schutze der Gesundheit vom 23. Juli 2010 (Gesundheitsschutzgesetz, GSG) aufwirft, formuliert sie schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage.
2. Die Klägerin hat nicht dargelegt, inwieweit der im Schriftsatz vom 31. Oktober 2016 formulierten Frage:
„Wie weit reicht der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 LStVG, wenn der identische Lebenssachverhalt dazu führt, dass er auch mit dem Bay. Gesundheitsschutzgesetz geahndet werden kann ?“
eine über den konkreten Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt.
Das Verwaltungsgericht führt auf Seite 11 seiner Entscheidungsgründe unter Verweis auf Rechtsprechung und Kommentarliteratur aus, zwar gingen gemäß Art. 7 Abs. 2 LStVG den allgemeinen Befugnissen abschließende Spezialbefugnisse vor, im Verhältnis zu Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG sei jedoch das Eingreifen einer solchen vorrangigen Spezialbefugnis kaum denkbar, weil es anderweitige besondere gesetzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden zum Erlass von Einzelanordnungen, um Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden, nicht gebe. Jedenfalls enthalte auch § 5 GastG keine abschließende Regelung, so dass weitergehende Anordnungen nach allgemeinem und speziellem Polizeirecht möglich seien. Vorliegend diene die Zielsetzung der Gefahrenbeseitigung nicht vorrangig einem Regelungszweck des Spezialgesetzes, sondern der Bekämpfung konkreter Gefahren unabhängig von im Spezialgesetz angeknüpften Eigenschaften des Störers und der störenden Sache.
Inwieweit diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts eine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Aussage entnommen werden kann, hat die Klägerin nicht dargelegt. Denn für die Frage, ob eine gegenüber der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vorrangige Spezialbefugnis greift, ist maßgeblich, ob diese den Sachverhalt abschließend regelt. Dies wiederum ist anhand der konkreten Zielsetzung der Gefahrenbeseitigung zu beurteilen (Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand September 2015, Art. 7 Rn. 43). Das Verwaltungsgericht hat seine Rechtsauffassung auf die konkrete Zielrichtung der streitgegenständlichen Anordnungen gestützt und ist hiervon ausgehend zu dem Ergebnis gekommen, dass das von der Beklagten verfolgte Ziel die Verhütung oder Unterbindung von Ordnungswidrigkeiten, mithin die Abwehr konkreter Gefahren im Sinne des allgemeinen Sicherheitsrechts gewesen sei. Dies entzieht sich einer abstrakten Klärung in einem Berufungsverfahren. Es kommt damit vorliegend auch nicht entscheidungserheblich auf die ─ vom Verwaltungsgericht aufgeworfene ─ Frage an, ob im Verhältnis zu Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG überhaupt eine vorrangige Befugnisnorm im besonderen Sicherheitsrecht denkbar ist (vgl. Koehl a. a. O., Rn. 44 m. w. N.), abgesehen davon, dass das GSG auch keine Befugnisnormen zum Erlass von Anordnungen im Einzelfalle (belastenden Verwaltungsakten) enthält.
3. Soweit die Klägerin des Weiteren geklärt haben möchte, ob es gegen das Verbot der Doppelsanktionierung verstoße, wenn die Beklagte im Falle der Zuwiderhandlung gegen das Rauchverbot ein Zwangsgeld fällig stellen und zugleich nach Art. 9 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 Satz 2 GSG im Wege des Bußgeldverfahrens gegen die Klägerin vorgehen könne, fehlt es an der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit. Denn diese Frage lässt sich bereits aus dem Gesetz beantworten (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 38), weil nach Art. 36 Abs. 6 Satz 1 VwZVG Zwangsmittel auch neben einer Strafe oder Geldbuße angedroht werden können. Ein darüber hinausgehender Klärungsbedarf wurde von der Klägerin nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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