Verwaltungsrecht

Asyl – Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung, keine Tatsachen- oder Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung

Aktenzeichen  8 ZB 18.31246

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14586
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage nicht, wenn lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es bedarf in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (zB Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass die aufgeworfene Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ob ein äthiopischer Staatsangehöriger trotz Gefängnisaufenthalts in der Heimat hinreichend wahrscheinlich für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen können wird, ist einer generellen Klärung nicht zugänglich, weil sie das Vorliegen einer individuellen Gefährdung aufgrund eines vormaligen Gefängnisaufenthalts voraussetzt, das im jeweiligen Einzelfall im Rahmen der richterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO) zu beurteilen ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
4 Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen des Klägers zu seinem Gefängnisaufenthalt als widersprüchlich und unglaubhaft beurteilt. Soweit der Zulassungsantrag dies beanstandet, macht er im „Gewand“ der Grundsatzrüge in der Sache ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Dieser Zulassungsgrund ist jedoch in asylrechtlichen Streitigkeiten nach § 78 Abs. 3 AsylG gerade nicht gegeben. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 17.48408 2017-12-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Darzulegen sind mithin die konkrete Frage sowie ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung (vgl. OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 13 A 2841/17.A – juris Rn. 3 ff.).
Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage nicht, wenn lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass die aufgeworfene Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2007 – 1 ZB 07.30025 – juris Rn. 3; B.v. 13.6.2016 – 13a ZB 16.30062 – juris Rn. 5; OVG NRW, B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 4 f.; SächsOVG, B.v. 30.11.2017 – 1 A 1046/17.A – juris Rn. 5; OVG SA, B.v. 29.3.2017 – 3 L 249/16 – juris Rn. 14; HessVGH, B.v. 17.1.2017 – 3 A 2970/16.Z.A – juris Rn. 2).
Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht. Der Kläger zeigt hinsichtlich der im Zulassungsantrag für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Tatsachenfrage,
„ob die allgemeine humanitäre Lage in Äthiopien auch mit Stand 2018 trotz der urteilsweise dargebrachten harten Existenzbedingungen die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG weiterhin nicht rechtfertigen, oder ob ein solches Abschiebungsverbot äthiopischen Staatsangehörigen aus diesem Grund zugesprochen werden muss“,
keinen Klärungsbedarf auf. Er nennt keinerlei Tatsachen- oder Erkenntnisquellen, die nahelegten, dass sich die Existenzbedingungen in Äthiopien für Rückkehrer anders verhielten als vom Verwaltungsgericht auf Grundlage der Berichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien angenommen.
Die vom Kläger weiter für grundsätzlich bedeutsam erachtete Tatsachenfrage,
„ob ein äthiopischer Staatsangehöriger trotz Gefängnisaufenthalts in der Heimat hinreichend wahrscheinlich für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen können wird oder ob die individuelle Gefährdung bereits durch den vormaligen Gefängnisaufenthalt so konkret ist, dass hier vom Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG ausgegangen werden muss“,
ist einer generellen Klärung nicht zugänglich, weil sie das Vorliegen einer individuellen Gefährdung aufgrund eines vormaligen Gefängnisaufenthalts voraussetzt, das im jeweiligen Einzelfall im Rahmen der richterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu beurteilen ist. Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen des Klägers zu seinem Gefängnisaufenthalt als widersprüchlich und unglaubhaft beurteilt. Soweit der Zulassungsantrag dies beanstandet, macht er im „Gewand“ der Grundsatzrüge in der Sache ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Dieser Zulassungsgrund ist jedoch in asylrechtlichen Streitigkeiten nach § 78 Abs. 3 AsylG gerade nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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