Verwaltungsrecht

Asyl, Afghanistan: Verfolgung durch Taliban und kriminelle Banden wegen angeblicher Arbeit als Zivilfahnder für die Polizei nicht glaubhaft

Aktenzeichen  W 1 K 18.30634

Datum:
17.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25600
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Es ist von dem Kläger zu erwarten, dass er sich in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif niederlässt. Mit den in Europa erworbenen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen nicht vor. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2017 ist, soweit er noch Gegenstand dieses Verfahrens ist, einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt der Begründung des Bundesamts in dem angegriffenen Bescheid vom 16. Januar 2017, § 77 Abs. 2 AsylG. Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
1. Der Kläger hat vorliegend nicht glaubhaft machen können, dass er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes auffällt, insbesondere hat er bereits keine Vorverfolgung in Afghanistan glaubhaft darlegen können. Das geschilderte Verfolgungsvorbringen, wonach der Kläger aufgrund einer vierjährigen Tätigkeit als Zivilfahnder für die Polizei von Taliban und Drogenschmugglern gesucht und bedroht worden sei, erscheint – auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung – an mehreren Stellen ungereimt, widersprüchlich und nicht lebensnah nachvollziehbar, sodass das Gericht davon ausgeht, dass der Kläger bezüglich seiner Verfolgung nicht über tatsächliche Ereignisse im Heimatland berichtet hat. Das Verfolgungsvorbringen erscheint zudem insgesamt vage und unsubstantiiert, so dass es auch aus diesem Grunde nicht zu überzeugen vermochte.
So erscheint schon im Ausgangspunkt nicht glaubhaft, dass der Kläger tatsächlich als Zivilfahnder bei der Polizei gearbeitet hat. Diesbezüglich hat er beim Bundesamt zunächst angegeben, seine Brüder auf der Arbeit unterstützt zu haben. Auf die Frage, wer sein Arbeitgeber gewesen sei, hat er seinen Bruder N* … benannt. Auf eine dortige kritische Nachfrage erläuterte der Kläger sodann, dass er Gehalt vom Staat bekommen habe und das Verteidigungsministerium und die Regierung von seiner Tätigkeit gewusst hätten. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dagegen erklärt, dass er selbst Polizist gewesen sei und es einen diesbezüglichen Vertrag gegeben habe, sodass Arbeitgeber nicht sein Bruder gewesen sein kann, sondern vielmehr der afghanische Staat. In diesem Fall aber erscheint es schwerlich nachvollziehbar, dass er zwar die Kopien von Dienstausweisen seiner beiden bei den afghanischen Sicherheitsbehörden arbeitenden Brüder vorlegt, jedoch keinen eigenen Dienstausweis der afghanischen Polizei. Überdies weichen die Gehaltsangaben beim Bundesamt und vor Gericht voneinander ab. Bei ersterem hat der Kläger einen monatlichen Verdienst i.H.v. 15.000 Afghani angegeben, während es laut Aussage in der mündlichen Verhandlung 12.000 Afghani gewesen sein sollen. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, was den Kläger zu der vorgetragenen Art der Tätigkeit befähigt haben soll. Es erscheint vielmehr nicht lebensnah erklärbar, wie der Kläger in Erfahrung bringen konnte, wo etwa die Terrororganisation der Taliban ihre Minen legt, da dies notwendigerweise unter größter Geheimhaltung gegenüber Außenstehenden geschieht. Dass der Kläger auch mit der Aufklärung allgemeiner Kriminalität, insbesondere im Bereich des Drogenschmuggels beschäftigt war, hat der Kläger vor dem Bundesamt – im Gegensatz zur mündlichen Verhandlung – gar nicht erwähnt.
Widersprüchlich erscheint im Zusammenhang mit der angeblich verfolgungsauslösenden Tätigkeit zudem, dass der Kläger beim Bundesamt erklärt hat, dass er im Jahr 1390 nach afghanischen Kalender in der zwölften Klasse gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt habe er angefangen, die Polizeistation zu unterstützen. In der zwölften Klasse habe es auch angefangen mit der Verfolgung und Bedrohung (vgl. S. 3, 5 der Niederschrift über die Bundesamtsanhörung). Dem widerspricht, dass der Kläger ebenfalls beim Bundesamt geäußert hat, dass die ersten drei Jahre (seiner Tätigkeit) nichts vorgefallen sei; sie hätten gar nicht gewusst, was er mache. Er habe alles mit Vorsicht gemacht, was ihm gut gelungen sei. In Widerspruch zu dem Zeitpunkt des Beginns seiner Tätigkeit für die Polizei im Jahre 1390 steht auch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Dokument eines Belobigungsschreibens der rumänischen und afghanischen Regierung für seine Aufklärung von Talibanaktivitäten sowie Drogengeschäften. Denn ausweislich dieses Dokuments wurde ihm das Schreiben am 8. März 2008 überreicht, was dem 18. Dezember 1386 nach afghanischem Kalender entspricht. Dies lässt sich mit dem Beginn der Aufklärungstätigkeiten erst im Jahre 1390 nicht in Einklang bringen.
Widersprüchlich ist darüber hinaus, dass der Kläger beim Bundesamt ausgeführt hat, dass er während der Zeit seiner Verfolgung immer wieder seinen Wohnort habe wechseln müssen, zuletzt sei er auch noch zu Hause gewesen. Er sei mal bei seinem Onkel mütterlicherseits, mal bei seiner Schwester, mal bei einem Freund gewesen (vgl. S. 2, 5 der Niederschrift der Bundesamtsanhörung). In der mündlichen Verhandlung dagegen hat der Kläger auf die Frage, was es bedeute, dass er ein Jahr versteckt gearbeitet habe, angegeben, dass er versucht habe, möglichst wenig Kontakt mit Leuten zu haben. Obwohl er versucht habe viel zu Hause zu bleiben, hätten die Leute versucht, ihn zu verhaften. Er habe bis zur Ausreise zu Hause gelebt und habe dort an einem versteckten Platz geschlafen. Damit hat der Kläger im Gegensatz zu seinem Vorbringen beim Bundesamt klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich bis zur Ausreise stets zu Hause aufgehalten und dort (lediglich) versteckt geschlafen habe; von wechselnden Wohnorten hat der Kläger dagegen gerade nichts mehr berichtet. Ungereimt erscheint darüber hinaus, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht hat angeben können, wo seine Brüder mit ihren Familien nach dem Wegzug aus der Provinz Logar gelebt haben. Dies ist angesichts der familiären Nähe sowie der engen beruflichen Zusammenarbeit in keiner Weise lebensnah nachvollziehbar. In Widerspruch hierzu hat der Kläger dann auch beim Bundesamt berichtet, dass die Brüder aus Angst die Heimatprovinz verlassen und nach Kabul gezogen seien (vgl. Niederschrift der Bundesamtsanhörung S. 6), was sich überdies auch aus den vom Kläger selbst vorgelegten Unterlagen ergibt (vgl. Bl. 63, 64, 66, 67 der Bundesamtsakte). Wenig wahrscheinlich ist darüber hinaus, dass die Taliban einer Person, die sie tatsächlich der Spionage gegen ihre Organisation verdächtigen, trotz Suche nicht binnen eines Zeitraums von fünf oder sechs Monaten (vgl. dazu Niederschrift der Bundesamtsanhörung S. 6) habhaft werden konnten, obwohl sich diese Person lediglich bei Verwandten und Freunden oder aber (je nach Version der Schilderung) sogar bei sich zu Hause aufgehalten hat und auch ihrer bisherigen Tätigkeit weiter nachgegangen sein will. Dies alles erscheint vielmehr asyltaktisch konstruiert. Wäre der Kläger tatsächlich von den Taliban gesucht und bedroht worden, so erscheint es auch nicht plausibel, dass er trotz alledem noch mindestens fünf oder sechs Monate, ggf. sogar ein Jahr, bis zu seiner Ausreise im Heimatland verblieben und weiter der für ihn angeblich lebensbedrohlichen Tätigkeit nachgegangen sein will.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Hinsichtlich des Drohbriefes, der seiner Mutter ca. 20 Tage vor seiner Ausreise übergeben worden sein soll, ist festzustellen, dass darin die eigene Tätigkeit für die Polizei, auf die der Kläger seine Vorverfolgung stützt, in keiner Weise erwähnt wird. Vielmehr wird darin eine Drohung gegenüber dem Kläger aufgrund der beruflichen Tätigkeiten der Brüder für den Staat ausgesprochen. Eine derartige Bedrohung wiederum hat der Kläger bei der Angabe seiner Fluchtgründe vor dem Bundesamt – bestätigt in der mündlichen Verhandlung – mit keinem Wort erwähnt. Daraus ergibt sich demzufolge gerade keine Bestätigung der vom Kläger dargelegten Tätigkeit. Aus den beiden Anträgen der Brüder an staatliche Stellen lässt sich im Antwortteil dieser Behörden ebenfalls keine Bestätigung der konkret vorgetragenen Tätigkeit des Klägers für die Polizei entnehmen. Es wird darin lediglich ein Vorfall mit den Taliban im Zusammenhang mit den beiden Brüdern bestätigt und dass der Kläger gezwungenermaßen ins Ausland geflohen sei (vgl. Bl. 63 ff. der Bundesamtsakte). Soweit der Kläger nunmehr in der mündlichen Verhandlung ein Belobigungsschreiben der rumänischen und afghanischen Regierung vorgelegt hat, wonach ihm Anerkennung für seine Bemühungen und seine persönliche Beteiligung bei den Aktionen zur Bekämpfung der Feinde Afghanistans in der Provinz Logar ausgesprochen wird (vgl. S. 2 des Protokolls über die mündliche Verhandlung) so kommt diesem Dokument keine Überzeugungskraft zu, da – wie bereits ausgeführt – dieses am 8. März 2008 überreicht wurde, während der Kläger vor dem Bundesamt erläutert hat, dass er erst im Jahre 1390 nach afghanischem Kalender (März 2011 bis März 2012) mit seiner Aufklärungstätigkeit begonnen hat. Das Fehlen jeglicher Beweiskraft gilt auch für das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte angebliche Bestätigungsschreiben des Kommandeurs der Bezirksregierung, wonach Taliban und Drogenhändler den Kläger verfolgen würden. Denn diesbezüglich fällt auf, dass das Dokument sich widersprechende Ausstellungsdaten beinhaltet, nämlich im Kopf „11/1395“, während im Stempel auf der Unterschrift das Jahr „1392“ aufgeführt ist. Auf diese erhebliche Abweichung angesprochen hat der Kläger keine Erklärung liefern können. Ohne dass es rechtlich noch hierauf ankäme, ist diesbezüglich ebenfalls nicht nachvollziehbar, dass dieses Dokument erst in der mündlichen Verhandlung und damit selbst nach Ablauf einer vom Gericht gesetzten Frist nach § 87b Abs. 2 VwGO vorgelegt wurde, obwohl der Kläger dieses bereits nach seiner Anhörung beim Bundesamt von seiner Mutter erhalten haben will. Unter Berücksichtigung aller vorstehend benannten Auffälligkeiten und Ungereimtheiten misst der erkennende Einzelrichter sämtlichen vorgelegten Unterlagen (mit Ausnahme der Dienstausweise der Brüder) keinerlei Beweiskraft bei. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 31. Mai 2018 (vgl. dort S. 29), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in Afghanistan in erheblichem Umfang existieren und es daher kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe.
Dem Kläger kann allein geglaubt werden, dass er zwei Brüder hat, die – angesichts der vorgelegten überzeugenden Ausweisdokumente – bei der afghanischen Polizei bzw. der Nationalarmee tätig waren; aktuelle Informationen über andere Familienmitglieder als die Mutter habe der Kläger nicht, was das Gericht gleichfalls als asyltaktisch einstuft. Betreffend die berufliche Tätigkeit der Brüder hat der Kläger in seinem freien Vortrag zu seinen Fluchtgründen jedoch keine Vorverfolgung geltend gemacht. Zwar hat er – in Widerspruch hierzu – in diesem Zusammenhang einen Drohbrief vorgelegt, der sich auf die Tätigkeiten der Brüder für den afghanischen Staat bezieht, jedoch kommt diesem entsprechend obiger Ausführungen, auf die hier verwiesen wird, keine Beweiskraft zu. Daher ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger auch bezüglich der beruflichen Tätigkeiten seiner Brüder nicht vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist ist und es ist nichts dafür ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund dieser Tätigkeiten im familiären Umfeld mit einer Verfolgung rechnen müsste. Zwar kann aus derartigen Tätigkeiten nach der Erkenntnismittellage auch für Familienmitglieder eine Verfolgung drohen (vgl. UNHCR Richtlinien Afghanistan vom 19.4.2016, S. 47, EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 41). Allerdings lässt sich nach Überzeugung des Gerichts den einschlägigen Quellen auch entnehmen, dass es sich insoweit um eine überschaubare Zahl von Einzelfällen handelt, die es nicht beachtlich wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr nach Afghanistan verfolgt würde. Hierfür sind vorliegend auch keine besonderen Umstände ersichtlich, insbesondere auch nicht, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass seine Brüder höhere Positionen eingenommen und daher auch Bodyguards gehabt hätten. Diese Umstände hinsichtlich der Brüder können dem Kläger ebenfalls nicht abgenommen werden, da es sich nach Überzeugung des Gerichts insoweit um asyltaktisch gesteigertes Vorbringen handelt, nachdem der Kläger beim Bundesamt hierzu keine Angaben gemacht hat. Auf entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger lediglich erklärt, dass er beim Bundesamt nicht genug Zeit gehabt habe, dies zu erzählen; er habe damals von sich selbst erzählen sollen. Tatsache ist jedoch, dass der Kläger ausweislich der Niederschrift über die Bundesamtsanhörung ausreichend die Möglichkeit hatte, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern und alle sonstigen Hindernisse darzulegen, die einer Rückkehr in sein Heimatland entgegenstehen. Zudem hat der Kläger – wie sein jetziger Vortrag hierzu beweist – diesen Umständen in Bezug auf seine Brüder auch durchaus Bedeutung für seine eigene Person beigemessen, so dass ein Vorbringen hierzu auch bereits beim Bundesamt zu erwarten gewesen wäre. Überdies hat er unterschriftlich bestätigt, dass ihm die Niederschrift rückübersetzt worden sei, das rückübersetzte Protokoll seinen Angaben entspreche und diese vollständig und wahrheitsgemäß seien (Bl. 8 der Bundesamtsakte). Vor diesem Hintergrund erscheint der Vortrag zur Hochrangigkeit der Stellungen der Brüder sowie dahingehend, dass diese im Gegensatz zu ihm Bodyguards hätten, rein asyltaktisch motiviert und konstruiert.
Nach alledem ist der Kläger nicht vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist und es ist nichts dafür ersichtlich, dass ihm bei Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung nach § 3 AsylG drohen würde.
2. Unabhängig von vorstehenden Ausführungen bestünde jedoch für den Kläger in Afghanistan die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e AsylG in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, wenn man – entgegen obiger Ausführungen – davon ausginge, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist ist, nachdem er dort aufgrund einer Tätigkeit für die Polizei von den Taliban und kriminellen Banden bedroht worden ist.
Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen.
Das Gericht geht – auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie – davon aus, dass der Kläger in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat. Es sprechen nämlich stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger dort erneut von einer Verfolgung bedroht würde, wie er sie in seinem Asylverfahren vorgetragen hat. Denn bei dem Kläger handelt es sich nicht um ein hochrangiges Angriffsziel für die Taliban und kriminelle Banden, was sich bereits daran zeigt, dass der Kläger vor seiner Ausreise ein Jahr lang oder aber zumindest 5 oder 6 Monate verfolgt worden sein will und in dieser Zeit seiner Tätigkeit weiter nachgegangen sei. Er habe sich – je nach Version seiner Aussage – viel zu Hause aufgehalten bzw. bei Verwandten und Freunden. Unter diesen Umständen wäre es den genannten Organisationen ein Leichtes gewesen, den Kläger aufzuspüren, wenn sie denn tatsächlich ein ernsthaftes Interesse daran (gehabt) hätten, seiner habhaft zu werden. Aus der Tatsache, dass dies nicht geschehen ist, lässt sich ersehen, dass die genannten Organisationen der Ergreifung des Klägers keine Bedeutung beimessen. Dies gilt selbstverständlich erst recht in der jetzigen Situation, in der der Kläger seine frühere gegen diese Organisationen gerichtete berufliche Tätigkeit aufgegeben hat, diese bereits knapp drei Jahre zurückliegt, er betreffend die Zeit nach seiner Ausreise nicht mehr über eine Nachsuche nach seiner Person berichtet hat und der Kläger sich überdies nicht mehr in der Heimatregion aufhalten würde. Stichhaltige Gründe gegen eine Verfolgung im Rückkehrfalle ergeben sich nach Überzeugung des Gerichts zusätzlich daraus, dass auch die Brüder des Klägers, welche ebenfalls – und dies bedeutend länger als der Kläger (vgl. Bl. 63 ff. der Bundesamtsakte) – für den afghanischen Staat und dessen Sicherheitsorgane arbeiten, weiterhin offensichtlich unbehelligt in Afghanistan, mutmaßlich in Kabul, leben. Aus welchem Grunde dies dem Kläger nicht möglich sein sollte, erschließt sich nicht. Ein maßgeblicher Unterschied ergibt sich auch nicht daraus, dass die Brüder durch Bodyguards geschützt seien. Insoweit wird auf die mangelnde Glaubhaftigkeit dieses Elements des Vortrags und die diesbezüglichen obigen Ausführungen verwiesen. Überdies ist der Kläger unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation auch ohne eigenen Bodyguard in den genannten Großstädten im Sinne des internen Schutzes sicher. Der Kläger würde zudem seinen Wohnsitz nicht nur innerhalb seiner Heimatprovinz wechseln, sondern über die Provinzgrenze hinweg in eine der genannten Großstädte, was seine Sicherheit weiter signifikant erhöht. Nach alledem sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif erneut von einer Verfolgung der vorgetragenen Art bedroht wäre.
Der Kläger könnte darüber hinaus sicher und legal nach Kabul, Herat und Mazar-e Sharif reisen. Schließlich kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich dort niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Nicht zumutbar ist hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 6.6.2016 – 13 A 18182/15.A – juris).
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 31. Mai 2018 aus, dass Afghanistan trotz der Verbesserung der Lebensbedingungen für viele Afghanen in den letzten 15 Jahren weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2016 lediglich Rang 169 von 188 im Human Development Index belegt habe. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt von den Nachwirkungen des Abzugs bis 2014 in größerer Zahl präsenter internationaler Truppen, die schwierige Sicherheitslage sowie schwacher Investitionstätigkeit. Zugleich gebe es erhebliche Bemühungen internationaler Partner zur Wirtschaftsbelebung. In 2017 habe das Wirtschaftswachstum 2,6% betragen. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 39% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum von rund 2,4% im Jahr (d.h. Verdopplung der Bevölkerung innerhalb einer Generation) sowie die große Zahl der Binnenvertriebenen und Rückkehrer aus den Nachbarländern stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25% auf 39% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch (vgl. diesbezüglich: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 22). Die Ausweichmöglichkeiten würden maßgeblich vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage abhängen. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielten eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz (so auch BFA Österreich, Fact Finding Mission Report Afghanistan, April 2018). Die afghanische Regierung habe 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. IOM biete Unterstützung bei der Ankunft in Kabul mit bis zu zweiwöchiger Unterkunft und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits. Auch die Bundesrepublik Deutschland fördere Reintegrationsprojekte.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 14.09.2017, Seite 27 ff.) führt aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt bleibe, wobei der Anteil der notleidenden Bevölkerung im Verlaufe des Jahres 2016 um 13% angestiegen sei; 2017 benötigten 9,3 Millionen Afghanen dringend humanitäre Hilfe. Die Arbeitslosenquote sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch. Gleichzeitig seien die Löhne in Gebieten, welche von Rückkehrströmen betroffen seien, signifikant gesunken. Nach wie vor seien die meisten Menschen in der Land- und Viehwirtschaft oder als Tagelöhner tätig. Die zunehmenden Rückkehrströme hätten zu einem enormen Anstieg an Unterkunftsbedarf geführt, weshalb sich insbesondere in der Hauptstadt Kabul die Wohnraumsituation extrem verschärft habe. Rund 68% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu adäquaten Sanitätsinstallationen und ca. 45% keinen Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser. Rund 40% der Bevölkerung sei von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Die Zahl der von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffenen Menschen steige an und umfasse inzwischen 1,6 Millionen Personen. In Gebieten, die von hohen Rückkehrströmen betroffen waren, seien die Lebensmittelpreise stark angestiegen. Etwa 9 Millionen Menschen, in besonderem Maße Frauen und Kinder, hätten keinen oder nur beschränkten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, welchen es auch an angemessener Ausstattung mangele. Im Jahr 2016 sei der Druck zur Rückkehr auf afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan dramatisch angestiegen; Kabul sowie die Provinzen im Norden, Nordosten und Osten des Landes seien in besonderem Maße betroffen gewesen. Rückkehrende fänden oft keine adäquate Unterkunft; sie lebten oft in notdürftigen Behausungen mit schlechten Sanitäranlagen. Der eingeschränkte Zugang zu Land, Nahrungsmitteln und Trinkwasser und die begrenzten Möglichkeiten zur Existenzsicherung stellten eine enorme Herausforderung für diesen Personenkreis dar. Aufgrund der äußerst schwierigen Lebensbedingungen würden Rückkehrende oft zu intern Vertriebenen, deren Zahl Ende 2016 auf etwa 1,4 Millionen Menschen geschätzt worden sei und deren Lage sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert habe. Auch für Flüchtlinge aus Europa gestalte sich eine Rückkehr schwierig. Die Bevölkerung Kabuls solle sich binnen nur sechs Jahren verdreifacht haben. Dort lebten etwa 75% der Bevölkerung in informellen und behelfsmäßigen Behausungen, die oft weder ans Wasserversorgungsnetz noch an die Kanalisation angeschlossen seien. Der Zugang zu Lebensmitteln habe sich rasant verschlechtert, was unter anderem auf die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten zurückzuführen sei. Armut sei weit verbreitet. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung Kabuls könne sich keine medizinische Behandlung leisten. Die große Zahl der Rückkehrenden und intern Vertriebenen führe zur Überlastung der bereits äußerst stark beanspruchten Infrastruktur zur Erbringung der Grunddienstleistungen in der Hauptstadt Kabul aber auch andernorts, insbesondere in den wichtigsten Provinzstädten und Bezirken.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist von dem Kläger vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif niederlässt. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen befindet er sich in einer vergleichsweise guten Position. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 27-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9; so auch: EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 106 f.). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr um 9% gesunken ist (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report 2017, Februar 2018, S. 1). Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Trotz dieser Einschätzung, für die der UNHCR seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz in einer Entscheidung vom 13. Oktober 2017 (Az. D-5800/2016) zu einem anderen Ergebnis kommt und ausführt, ohne besonders begünstigende Faktoren wie das Vorhandensein eines tragfähigen sozialen Netzes in Kabul sei ein Zurückschicken auch bei gesunden jungen Männern unzumutbar, kann sich dem das Gericht auf der Grundlage der oben aufgezeigten Erkenntnislage nicht anschließen. Mit der Rechtsprechung des Bayer. VGH (vgl. etwa B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris), der sich das erkennende Gericht anschließt, sind alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben.
Darüber hinaus ist bei dem Kläger vorliegend individuell zu berücksichtigen, dass er in Afghanistan zwölf Jahre die Schule besucht und mit dem Abitur abgeschlossen hat und damit über einen Bildungsstand verfügt, mit dem er gegenüber den meisten Afghanen klar im Vorteil und auch in der Lage ist, ein erheblich breiteres Spektrum an Tätigkeiten auszuüben. Der Kläger hat in Afghanistan bereits in der Vergangenheit seinen Lebensunterhalt sichergestellt und hierbei eine erhebliche Summe von 11.000-12.000 $ zur Finanzierung seiner Fluchtkosten ansparen können. Er hat damit gezeigt, dass er auch unter schwierigen Bedingungen in der Lage ist, Strategien für ein wirtschaftliches Überleben zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen. Seine wirtschaftliche Lage hat er als durchschnittlich beschrieben, was insoweit beachtlich erscheint, da rund 39% der afghanischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger – gerade angesichts seines hohen Bildungsstandes – auch nach seiner Rückkehr nach Afghanistan seinen Lebensunterhalt wird sicherstellen können. Der Kläger hat zudem rund 24,5 Jahre in Afghanistan gelebt und kennt damit die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, so dass er sich auch nach seiner Rückkehr dort wird zurechtfinden können. Ohne dass es von Rechts wegen noch hierauf ankäme, ist auch davon auszugehen, dass der Kläger Unterstützung von seiner in Afghanistan verbliebenen Familie erhalten könnte, insbesondere von seinen Brüdern, welche sich nach Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung in einer guten finanziellen Lage befinden und entsprechend der klägerischen Aussagen vor dem Bundesamt in Kabul leben. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass in Notsituationen über derartige Kontakte Unterstützung geleistet wird und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. Wie bereits erwähnt erscheint es unglaubhaft, dass der Kläger keine aktuellen Informationen zu seinen Brüdern haben will, obwohl er mit der Mutter in Kontakt steht (vgl. oben).
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris; U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris), der sich das Gericht anschließt, scheitert eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen befindet sich der Kläger vielmehr in einer vergleichsweise guten Position. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Dies ist vorliegend der Fall.
Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700,00 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt wer-den, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau F. St. und A. I., wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (vgl. F. St., Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff.; A. I., Auskunft an das VG Leipzig vom 8.1.2018 und an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018). Denn Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen nicht vor. Zwar lassen sich auch schwerwiegende Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche in Afghanistan durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris). Nach Überzeugung des Gerichts bieten die vorliegend geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif zumutbar erscheinen zu lassen.
Nach alledem kann der Kläger internen Schutz innerhalb Afghanistans in Anspruch nehmen, so dass auch aus diesem Grunde ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheidet.
II.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist bereits nicht glaubhaft dargelegt worden, jedenfalls besteht jedoch eine interne Schutzmöglichkeit in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Logar. Dasselbe gilt für die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif als internen Schutzmöglichkeiten entsprechend obiger Ausführungen. In der Zentralregion, zu der die Provinz Logar und die Stadt Kabul gehören, wurden im Jahre 2017 2.240 Zivilpersonen getötet oder verletzt, in der Nordregion, zu der die Stadt Mazar-e Sharif gehört, 1.032 Zivilpersonen und in der Westregion (Herat) 998 Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Annual Report 2017 Afghanistan, Februar 2018, S. 7). Die Anschlagswahrscheinlichkeit lag damit sowohl für die Zentral- als auch für die Nord- und Westregion im Jahr 2017 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht vom 31.5.2018) hat sich die Bedrohungslage für Zivilisten in jüngster Zeit nicht wesentlich verändert. Das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, liegt immer noch im Promillebereich. Auch aus dem Midyear Report 2018 von UNAMA ergibt sich nichts Abweichendes, nachdem sich die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im ersten Halbjahr 2018 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum insgesamt um 3% verringert hat. Damit ist derzeit noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den Abhandlungen von Frau F. St. (vgl.: Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, in: ZAR 5-6/2017, S. 189 ff.; Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018). Soweit diese darauf hinweist, dass in den UNAMA-Berichten eine Untererfassung der zivilen Opfer zu besorgen sei (vgl. in diesem Zusammenhang auch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 31.5.2018, S. 18: Dunkelziffer in für die Berichterstattung wenig zugänglichen Gebieten), so ist darauf hinzuweisen, dass anderes geeignetes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht und zum anderen auf die von Frau St. alternativ genannte Zahl der kriegsbedingt Binnenvertriebenen angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht abgestellt werden kann. Insoweit weist Frau St. eingangs ihrer Abhandlung auch selbst darauf hin, dass ihre Diskussion nicht den Anspruch habe, die Kriterien einer juristischen Prüfung zu erfüllen (vgl. Fußnote 1). Aber selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht. Soweit Frau St. in ihrem Gutachten vom 28. März 2018 (vgl. S. 9) ausführt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, so handelt es sich hierbei um eine allein dem erkennenden Gericht vorbehaltene rechtliche Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. Die von ihr darüber hinaus geschilderten Tatsachen betreffen weit überwiegend Umstände, die allein bei der qualitativen Gesamtbetrachtung zu würdigen sind, die sich hier jedoch aufgrund der – gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – verhältnismäßig niedrigen Opferzahlen unter keinen Umständen auswirken können (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris).
III.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht er-sichtlich.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652; B.v. 21.8.17 – 13a ZB 17.30529; B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400; B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254; BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309.; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063; OVG Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – jeweils juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I.2. verwiesen werden. Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif besteht und deren Voraussetzungen über diejenigen im Rahmen des Vorliegens einer extremen Notlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehen, ist auch ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift abzulehnen.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG bestehen ebenfalls keine Bedenken.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.

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