Aktenzeichen Au 5 K 17.33168
Leitsatz
1 Gemäß § 60a Abs. 2c S. 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss diese Vermutung widerlegen und eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Versorgung mit Medikamenten ist in der Islamischen Republik Iran weitgehend gewährleistet. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2018 form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 19. Mai 2017 ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere besitzt der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes in den Iran bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat. Der nach seiner Begründung ausschließlich auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gerichtete Klageantrag des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfassten gesundheitsbedingten Abschiebungsverbots.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des am 17. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4). In den Sätzen 2 bis 4 unternimmt der Gesetzgeber in materieller Hinsicht eine Konkretisierung der Anforderung insbesondere vor dem Hintergrund der Geltendmachung von Abschiebungshindernissen aus gesundheitlichen Gründen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7538, S. 18) wird davon ausgegangen, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hinderten. Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellten.
Gemäß § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitlicher Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Die ärztliche Bescheinigung soll gemäß § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG insbesondere die tatsächlichen Zustände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger diese gesetzliche Vermutung nicht erfolgreich widerlegt. Hierfür fehlt es bereits an der Vorlage aktueller ärztlicher Befundberichte (Atteste), die Aufschluss über den Krankheitszustand des Klägers zulassen. Der Kläger hat im Verfahren zuletzt ein ärztliches Attest des Facharztes für Innere Medizin/Rheumatologie, Dr., … vom 10. Juli 2017 vorgelegt, dem gleichfalls zu entnehmen ist, dass die letzte Vorstellung des Klägers bereits am 19. Januar 2015 erfolgt ist. Als Dauerdiagnose wird für den Kläger festgestellt, dass dieser an einer Polyarthrose sowie einer seropositiven chronischen Polyarthritis leidet. Dieses letztmalig im Juli 2017 attestierte Krankheitsbild zugrunde gelegt, fehlt es an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, die sich bei einer Rückkehr des Klägers in den Iran wesentlich verschlechtern würde. Vielmehr ist nicht auszuschließen, worauf auch die Bevollmächtigte des Klägers verwiesen hat, dass es sich bei der rheumatischen Erkrankung des Klägers in wesentlichen Teilen um eine altersbedingte Erscheinung handelt. Auffällig ist weiter, dass der Kläger schildert, dass er diese Erkrankung bereits seit acht Jahren habe und sich die Behandlung mit dem verordneten Medikament seit dieser Zeit in der Dosierung nicht verändert habe. Auch dieser Umstand spricht gegen eine aktuell vorliegende ernsthafte Erkrankung, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu Gunsten des Klägers begründen könnte. Daneben verweist der Kläger auf eine bei ihm vorliegende Magenerkrankung (Gastritis), welche dauerhaft medikamentös (Einnahme von Omeprazol bzw. Pantoprazol) behandelt werde. Hierfür befinde sich der Kläger monatlich in internistischer Behandlung. Auch diese vom Kläger geschilderte Erkrankung – ohne Vorlage entsprechender ärztlicher Befundberichte – erreicht nicht die Schwere, wie sie für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich wäre. Die ärztliche Behandlung beschränkt sich diesbezüglich nach den Schilderungen des Klägers auf eine einmalige monatliche Blutentnahme und die Verordnung von säurehemmenden Medikamenten.
Eine Fortsetzung der dem Kläger verordneten Medikation ist überdies nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen auch im Zielstaat Iran möglich. So verweisen sämtliche Lageberichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran darauf, dass die Versorgung mit Medikamenten weitgehend gewährleistet sei. In speziellen Apotheken können Medikamente aus dem Ausland bestellt werden. Dass für den Kläger eine Versorgung mit den für seine Erkrankung erforderlich werdenden Medikamenten nicht ausgeschlossen ist, wird durch die Tatsache unterstrichen, dass der Kläger vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 in Teheran gelebt hat. Auch eine Finanzierung der erforderlichen Medikamente erscheint für das Gericht nicht ausgeschlossen, zumal der Kläger erklärt hat, dass im Großraum Teheran noch sieben seiner Brüder und vier seiner Schwestern lebten. Insoweit ist eine Unterstützung des Klägers in medizinischen Fragen und der Versorgung mit den erforderlich werdenden Medikamenten nicht ausgeschlossen.
Im Übrigen verweist das Gericht darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2018 erklärt hat, dass wesentlicher Grund seines Folgeantrages nicht die seit etwa acht Jahren vorhandenen krankheitsbedingten Probleme sind, sondern sein nach wie vor ungeklärter aufenthaltsrechtlicher Status und die hieraus resultierende Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft.
Zusammenfassend lässt das Vorbringen des Klägers keine Erkrankung erkennen, welche einer dauerhaften qualifizierten engmaschigen medizinischen Behandlung bedarf und unbehandelt im Zielstaat zum Tode führen würde. Insbesondere liegt keine lebensbedrohliche oder so schwerwiegende Erkrankung vor, die nicht auch im Iran und insbesondere am früheren Aufenthaltsort des Klägers (Teheran) behandelt werden könnte.
Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) reicht der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus, ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen – hier nicht gegebenen – Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, B.v. 25.10.2012 – 10 B 16/12 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Da der Kläger vor seiner erstmaligen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 in Teheran gelebt habe und dort nach eigenem Vorbringen noch über mehrere Familienangehörige verfügt, sind die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK zu Gunsten des Klägers jedenfalls nicht erfüllt.
Schließlich begegnet auch das auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat das ihr insoweit zustehende Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt. Die Höchstgrenze der Befristung (60 Monate) in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG wurde beachtet. Nachdem auch die Ehefrau des Klägers über keine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet verfügt, begegnet die festgesetzte Frist aus § 11 Abs. 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 19. Mai 2017 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.