Aktenzeichen 21 B 18.31010
Leitsatz
Für die Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz muss beim Bundesamt kein eigener „Antrag auf Familienasyl“ gestellt werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 4 K 17.35007 2018-02-15 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Februar 2018 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2017 verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung, § 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO.
1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Augsburg hat die Klägerin in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 26 Abs. 2 und 5 AsylG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Gem. § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG wird ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines anerkannten Flüchtlings auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Flüchtling unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Aus der von Klägerseite vorgelegten Geburtsurkunde der Klägerin und der Vaterschaftsanerkennungsurkunde ergibt sich, dass der darin benannte Hasan Hasan, der beim Bundesamt mit den Personalien Mohammad Fawzi Hasan alias Hasan Hasan alias Hassan Hassan geführt wird, der Vater der Klägerin ist, dessen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar ist. Die in Deutschland geborene Klägerin, die vertreten durch ihre Eltern kurz nach ihrer Geburt einen Asylantrag gestellt hat (§ 13 AsylG), erfüllt die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Augsburg ist dem § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG nicht zu entnehmen, dass als zusätzliche Voraussetzung der Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz ein eigener beim Bundesamt zu stellender „Antrag auf Familienasyl“ vorausgehen muss. Dem Gesetz ist der Rechtsbegriff eines eigenen „Familienasylantrags“ fremd. (st. Rspr. vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1991 – 9 C 48/91 – juris Rn. 8, BayVGH U.v. 17.8.1993 – 11 BZ 89.30545 – juris Rn. 17; Bodenbender in GK-AsylG, Stand Sept. 2018, § 26 Rn. 28). Das in § 26 AsylG niedergelegte Antragserfordernis bezieht sich auf den allgemeinen Asylantrag gem. § 13 AsylG. Der Gesetzgeber wollte damit verdeutlichen, dass Familienasyl nicht von Amts wegen gewährt werden kann.
Das Erfordernis eines gesonderten „Familienasylantrags“ widerspräche auch dem materiellen Recht. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG gewährt dem begünstigten Familienangehörigen dieselbe Rechtsstellung wie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (st. Rspr. vgl. BVerwG, U.v. 13.11.2000 – 9 C 10/00 – juris Rn. 9; Hailbronner, AuslR, Stand Juni 2014, § 26 AsylG Rn.9, 15). Liegen die Voraussetzungen des § 26 AsylG im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) vor, wird die Anerkennungsgrundlage ausgewechselt (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 26 AsylG Rn. 24).
2. Die Kosten beider Instanzen sind nach § 154 Abs. 1 VwGO von der Beklagten zu tragen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.