Verwaltungsrecht

Asylfolgeantrag und Antrag auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote ohne erneute Abschiebungsandrohung – Afghanistan (abgelehnt)

Aktenzeichen  B 6 E 17.33146

Datum:
8.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2659
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 123 Abs. 1, Abs. 3, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) ist vorläufiger Rechtsschutz, auch dann wenn das Bundesamt keine neue Abschiebungsandrohung erlassen hat, in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren.  (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hinsichtlich einer Feststellung, dass die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nicht vorliegen, ist vorläufiger Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung in einem Verfahren gemäß § 123 VwGO zu gewähren. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Antragsteller hat keine Änderung der Sachlage iSd § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG glaubhaft gemacht, indem er pauschal vorträgt, der Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan sei seit einem Jahr abgebrochen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4 Für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige ist weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist (BayVGH BeckRS 2017, 136946). Ein arbeitsfähiger, gesunder Mann ist regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen bei einer zwangsweisen Rückführung in der Lage, in seiner Heimatregion oder in Kabul wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (BayVGH BeckRS 2017, 100326). (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
2. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und der Antrag gemäß § 123 VwGO werden abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ablehnung seines Folgeantrages als unzulässig bzw. hilfsweise im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Mitteilung an die zuständige Ausländerbehörde, dass seine Abschiebung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nicht vollzogen werden darf.
Der Antragsteller, ein Tadschike, ist afghanischer Staatsangehöriger und Muslim der sunnitischen Glaubensrichtung. Vor seiner Ausreise im Juli 2015 hielt er sich in einem Dorf im Distrikt H… der Provinz K. Am 19.01.2016 reiste er ohne Visum, aber mit einer Kopie seiner Tazkira, erstmals ins Bundesgebiet ein. Er erhielt eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender und erhielt als Wohnsitz eine Gemeinschaftsunterkunft in … (Landkreis O…, Regierungsbezirk …) zugewiesen. Am 23.03.2016 stellte er in A… einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 24.05.2016 lehnte das Bundessamt für … (Bundesamt) den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziff. 2), erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu (Ziff. 1 und 3), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziff. 4), forderte ihn auf, 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens die Bundessrepublik Deutschland zu verlassen, widrigenfalls er nach Afghanistan abgeschoben werde (Ziff. 5), und befristete schließlich das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6).
Über die dagegen erhobene Klage (Az. Au 6 K 16.30799) verhandelte das Verwaltungsgericht A… mündlich am 26.07.2016. Bei seiner informatorischen Befragung erklärte der Kläger u.a., in Afghanistan lebten noch seine Eltern, seine zwei Brüder und vier Onkel väterlicherseits.
Mit Urteil vom 05.08.2016 wies das Gericht die Klage ab. Zur Begründung wurde bzgl. der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, das Vorbringen des Antragstellers sei nicht glaubhaft, weil es widersprüchlich sei und er seine Angaben in der mündlichen Verhandlung gegenüber der Anhörung beim Bundesamt gesteigert habe. Die Zuerkennung subsidiären Schutzstatus scheide aus, weil er bei einer Rückkehr keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre. Ein Abschiebungsverbot scheide aus, weil dem Antragsteller in K… als möglichem Zielort der Abschiebung weder wegen der allgemeinen Sicherheitslage eine extreme Gefahrenlage drohe noch sich aus der allgemeinen Versorgungslage eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben ergebe. Der Antragsteller, ein alleinstehender, gesunder, volljähriger, arbeitsfähiger und mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan vertrauter junger Mann könne seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen. Das Urteil, auf das im Einzelnen verwiesen wird, wurde rechtskräftig.
Nach eigenen Angaben verließ der Antragsteller danach die Bundesrepublik und lebte sechs Monate in Frankreich, wo ihm am 02.02.2017 Fingerabdrücke abgenommen wurden.
Nach seiner Rückkehr ins Bundesgebiet stellte er am 07.07.2017 persönlich beim Bundesamt (Außenstelle B…) einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung gab er schriftlich an, neue Gründe, die erst nach dem Abschluss ihres Erstverfahrens entstanden seien, bestünden nicht.
Zuständige Ausländerbehörde für den Antragsteller, der in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken B… wohnhaft ist, ist nunmehr die Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde Dienststelle B….
Mit Bescheid vom 25.09.2017, der ohne weitere Anhörung erging, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1). Auch den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom19.05.2016 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes lehnte die Behörde ab (Ziff. 2).
Der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sei unzulässig, weil der Antragsteller keine neuen Tatsachen vorgetragen habe, die eine günstigere Entscheidung in der Sache ermöglichen könnten. Der Antragsteller könne kein Wiederaufgreifen des Verfahrens bzgl. der nationalen Abschiebungsverbote beanspruchen. Weiter könne er auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Antragsgegnerin habe den ablehnenden Bescheid im Ermessenswege aufzuheben. Da kein weiteres Verfahren durchgeführt werde, bedürfe es keiner erneuten Ausreiseaufforderung und keiner Abschiebungsandrohung.
Am 27.09.2017 hat der Antragsteller zur Niederschrift der Rechtsantragstelle des Gerichts Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.09.2017 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein Asylverfahren im nationalen Verfahren durchzuführen, und ihn dann als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise ihm den Flüchtlingsstatus bzw. den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Dieses Verfahren wird unter dem Az. B 6 K 17.33147 geführt.
Zugleich hat er ebenfalls am 27.09.2017 zur Niederschrift der Rechtsantragstelle im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO beantragt,
das Bundesamt zu verpflichten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen,
dass der Antragsteller für die Dauer des Asylverfahrens nicht abgeschoben werden darf.
Mit Schriftsatz vom 13.10.2017 haben seine Prozessbevollmächtigten unter gleichzeitiger Vorlage der erforderlichen Unterlagen weiter beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt …, ., beizuordnen.
Zur Begründung gibt er zunächst selbst an, der Kontakt zu seiner Familie nach Afghanistan sei abgebrochen. Im Übrigen sei eine Rückkehr nach Afghanistan für ihn sehr gefährlich, weil er befürchten müsse, von den Taliban gefangen genommen und getötet zu werden.
Seine Prozessbevollmächtigten ergänzen, nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 05.08.2016, mit dem sein Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden sei, habe der UNHCR im Dezember 2016 eine Anfrage des Bundesinnenministeriums beantwortet. Diese offizielle Äußerung sei eine beachtliche Rechtsauffassung zur Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention. Nachdem der UNHCR nunmehr die Auffassung vertrete, im gesamten afghanischen Staatsgebiet herrsche ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt, drohe dem Antragsteller ein ernsthafter Schaden in seinem Herkunftsland, so dass ihm subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei. Damit habe sich die Rechtslage zu seinen Gunsten geändert und es liege ein neues Beweismittel vor, das eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie beruft sich auf die Begründung des Bescheides vom 25.09.2017.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegten Behördenakten im Asylerst- und im hier zu entscheidenden Asylfolgeverfahren verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes wird abgelehnt.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO kann auf Antrag ein für eine Vertretung erforderlicher Rechtsanwalt beigeordnet werden.
Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, verspricht die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg. Deshalb ist der Antrag trotz Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen abzulehnen.
2. Der auslegungsbedürftige Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
a) Der Antrag ist nach Auslegung des Antragsbegehrens durch das Gericht, das dabei gemäß § 88 VwGO an die Fassung des Antrags nicht gebunden ist, zulässig.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 25.09.2017. Vorläufiger Rechtsschutz gegen diesen Bescheid erfolgt durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrages (§ 71 AsylG) als unzulässig (Ziffer 1 des Bescheides) sowie durch einen (hilfsweisen) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.
aa) Gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ist vorläufiger Rechtsschutz, auch dann wenn das Bundesamt keine neue Abschiebungsandrohung erlassen hat, in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren.
Denn nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes v. 31.07.2016 (BGBl I S.1939) am 06.08.2016 ist die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahren eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG durch einen der Bestandskraft fähigen anfechtbaren Verwaltungsakt. Nach seiner Aufhebung ist vorrangig das Bundesamt als mit besonderem Sachverstand ausgestattete Fachbehörde automatisch verpflichtet, die verweigerte sachliche Prüfung nachzuholen. Damit ist in der Hauptsache nicht die Verpflichtungs-, sondern die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – BVerwGE 157, 18/22-26 = InfAuslR 2017, 162/162-164 jew. Rn. 15-20).
Ist damit in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, die gemäß § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hat, weil keiner der dort genannten Ausnahmefälle vorliegt und außerdem § 71 Abs. 4 AsylG ausdrücklich die entsprechende Anwendung von § 36 AsylG vorschreibt, muss vorläufiger Rechtsschutz gegen eine drohende Abschiebungsmaßnahme hinsichtlich der Ablehnung des Folgeantrages in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden und es bedarf nicht mehr der (Hilfs-) Konstruktion eines gegen die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz AsylG gerichteten Antrages nach § 123 VwGO. Wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage angeordnet, ist der Ausländer im Ergebnis so zu stellen, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden worden, so dass insbesondere eine Abschiebung des Ausländers einstweilen ausscheidet (VG München, B. v. 10.05.2017 – M 2 S 17.38234 – juris Rn. 12f.).
bb) Hinsichtlich der Feststellung, dass die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nicht vorliegen, ist vorläufiger Rechtsschutz in einem Verfahren gemäß § 123 VwGO zu gewähren.
Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG hat das Bundesamt bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge nach sachlicher Prüfung des Schutzbegehrens zusätzlich festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (BVerwG, a.a.O. BVerwGE 157, 18/25 = InfAuslR 2017,162/164 jew. Rn. 20). Diesen Streitgegenstand kann der Ausländer in den Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen für die nationalen Abschiebungsverbote nicht vorliegen, hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung stellen (BVerwG, a.a.O., BVerwGE 157, 18/25f. = InfAuslR 2017, 162/164, jew. Rn.20).
Da in der Hauptsache damit eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft ist, ist vorläufiger Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung zu gewähren, die darauf gerichtet ist, einen Anspruch des Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu sichern. Dazu ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung bis zu einer rechtkräftigen Entscheidung über das Vorleigen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren nicht vollzogen werden darf (VG München, B. v. 10.05.2017 – M 2 S 17.38234 – juris Rn. 15).
b) Die so verstandenen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.
aa) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 25.09.2017 ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage anordnen, wenn die Klage nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht insbesondere eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen und bei offenen Erfolgsaussichten das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsbehelfe mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen.
Die angegriffene Ablehnung des Folgeantrages als unzulässig stellt sich bei der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar. Deshalb hat das Aussetzungsinteresse der Antragsteller hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten.
Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist auf Grund eines Folgeantrages ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG ist über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Bescheides auf Antrag zu entscheiden, wenn sich die zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert hat (Nr. 1) oder wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2).
aaa) Die dem Bescheid des Bundesamtes im Erstverfahren zugrundeliegende Sach- und Rechtslage hat sich nicht nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert (§ 51 Abs. 1 Nr.1 VwVfG).
aaaa) Die Rechtslage hat sich geändert, wenn sich die rechtlichen Voraussetzungen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes zugrunde gelegen haben, geändert haben, insbesondere wenn sich das materielle Recht geändert hat. Eine geänderte Erkenntnis der Rechtslage, selbst durch die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt dagegen dafür nicht (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 96,98,105).
Die offizielle Äußerung des UNHCR vom Dezember 2016, die auf der Grundlage des geltenden Asylrechts erfolgt ist, durch die das materielle Asylrecht aber nicht geändert wurde, hat deshalb zu keiner Änderung der Rechtslage geführt.
bbbb) Die Sachlage hat sich geändert, wenn sich die allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen oder die das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände so verändert haben, dass eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung möglich erscheint (Schönenbroicher/Dickten in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand 01.11.2017, § 71 AsylG Rn.19). Die Änderung ist nur dann glaubhaft und substantiiert vorgetragen, wenn der Antragsteller dicht und in sich stimmig und nicht lediglich pauschal und wenig konkretisiert oder gar nicht nachvollziehbar darlegt, dass sich die im früheren Verfahren zugrunde gelegte Sachlage tatsächlich verändert hat. Steht das neue Vorbringen in einem inneren Zusammenhang mit dem früheren Vortrag, sind die im Erstverfahren aufgetretenen Widersprüche und Ungereimtheiten auszuräumen (Schönenbroicher/Dickten, a.a.O. Rn. 13).
aaaaa) Der Antragsteller selbst hat, während er gegenüber dem Bundesamt am 07.07.2017 noch angegeben hatte, er könne für seinen Folgeantrag gegenüber dem Erstantragsverfahren keine neuen Gründe nennen, bei der Rechtsantragstelle des Gerichts am 27.09.2017 vorgetragen, der Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan sei seit einem Jahr abgebrochen und er müsse bei einer Rückkehr befürchten, von den Taliban gefangen genommen und getötet zu werden.
Mit diesem Vorbringen hat er nicht substantiiert vorgetragen, dass sich die sein persönliches Schicksal bestimmenden Umstände geändert haben. Denn mit diesen pauschalen Angaben hat er nicht deutlich gemacht, ob der Abbruch des Kontakts darauf zurückzuführen ist, dass seiner Familie in Afghanistan etwas zugestoßen ist oder ob sie nach der unanfechtbaren Ablehnung seines Asylerstantrages und seinen anschließenden Aufenthalt in Frankreich keinen Kontakt mehr zu ihm aufrechterhalten wollen. Außerdem hat er mit seinem jetzigen Vortrag, er befürchte bei einer Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban getötet zu werden, seinen bisherigen Vortrag, er müsse damit rechnen, von den Taliban mitgenommen zu werden und für sie arbeiten zu müssen, erheblich gesteigert. Schließlich konnte er mit seinem neuen Vorbringen die im Erstverfahren aufgetretenen Widersprüche, die dazu geführt haben, dass das Verwaltungsgericht Augsburg sein Vorbringen als unglaubhaft bewertete, nicht beseitigen.
bbbbb) Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers haben am 10.10.2017 ergänzend ausgeführt, die allgemeine (Sicherheits-) Lage in Afghanistan habe sich dahingehend geändert, dass dem Antragsteller subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Sie berufen sich dazu auf die „Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern Dezember 2016 “. In der Stellungnahme wird u.a. ausgeführt, die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich, seit die Organisation im April 2016 ihre Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzes afghanischer Asylsuchender veröffentlicht habe, nochmals deutlich verschlechtert (S.1). Nunmehr sei das gesamte Staatsgebiet Afghanistan von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen (S. 2).
Mit diesem Vorbringen hat der Antragsteller nicht dargelegt, dass veränderte tatsächliche Umstände vorliegen, die geeignet sind, eine für ihn günstigere Entscheidung, d.h. die Gewährung subsidiären Schutzes, herbeizuführen.
Denn auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Verfahren ist wie zum Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des vom Verwaltungsgerichts Augsburg mit Urteil vom 05.08.2016 bestätigten Bescheides des Bundesamtes vom 24.05.2016, davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in ganz Afghanistan nicht vorliegen (BayVGH, B. v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 6).
Daran vermag die angeführte Stellungnahme des UNHCR nichts zu ändern. Denn dort werden vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage Empfehlungen für den Schutzbedarf angesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die dies Einschätzung in Frage stellen könnten. Zudem beruht die Bewertung auf Maßstäben, die der UNHCR selbst anlegt (BayVGH, a.a.O. Rn. 8).
bbb) Darüber hinaus liegt auch kein neues Beweismittel vor, das eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Neue Beweismittel i:S. v. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind Erkenntnisse, die die Überzeugung von der Existenz oder Nichtexistenz von Tatsachen begründen können, die im bereits abgeschlossenen Verfahren nicht verwertet wurden, weil sie nicht existierten und sich auf Umstände beziehen, die im ursprünglichen Verfahren jedenfalls bereits vorgetragen wurden, d.h. um neue Beweismittel für alte Tatsachen (Schönenbroicher/Dickten, a.a.O. § 71 AsylG Rn. 22).
Das Gericht kann offenlassen, ob die Stellungnahme des UNHCR Umstände betrifft, die bereits im Erstverfahren vorgetragen wurden und deshalb als ein neues Beweismittel anzusehen ist oder ob mit der Vorlage der Anmerkungen des UNHCR der bisherige Sachvortrag dahingehend korrigiert wird, dass sich die Sicherheitslage nunmehr drastisch verschlechtert habe. Denn selbst wenn es sich dabei um ein neues Beweismittel handelte, wie der Antragsteller geltend macht, hätte es, wie im Zusammenhang mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ausgeführt, keine Zuerkennung subsidiären Schutzes herbeigeführt.
bb) Der Antrag, dem Bundesamt im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, gegenüber der ZAB Oberfranken zu erklären, die Abschiebung auszusetzen, bis im Klageverfahren über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote rechtskräftig entschieden wurde, hat in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.
Gemäß § 123 VwGO Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der Antragsteller mit Erfolg geltend macht, dass ihm ein entsprechender Rechtsanspruch zusteht und deshalb im Hauptsacheverfahren überwiegende Erfolgsaussichten bestehen (Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 129, 125).
Über den Erfolg des Antrages ist aufgrund der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Dabei ist abzustellen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
aa) Der Antragsteller hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn er muss nach der Ablehnung seines Folgeantrages aufgrund der rechtskräftigen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 24.05.2016 ernsthaft mit einer Abschiebung rechnen, die einen Anspruch auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten vereiteln oder zumindest erschweren würde (vgl. VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482 – juris Rn. 29).
bb) Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch geltend gemacht.
aaa) Ein Anordnungsanspruch ergibt sich nicht bereits daraus, dass der Antragsgegner es im Bescheid vom 25.09.2017 bereits deshalb abgelehnt hat, nationale Abschiebungsverbote in der Sache zu prüfen, weil die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren oder im weiteren Sinn nicht vorliegen.
aaa) Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG hat das Bundesamt in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge, d.h. gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 1. Alt. AsylG auch dann, wenn Im Falle eines Folgeantrages ein weiteres Asylverfahrens nicht durchzuführen ist, festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm hat das Bundesamt die Feststellung unabhängig davon zu treffen, ob die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufnahme gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen oder ob die Entscheidung über eine Aufhebung der bestandskräftigen früheren Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48,49 VwVfG im Wege des Ermessens aufzuheben ist (SächsOVG, U. v. 21.06.2017 – 5 A 109/15.A – juris Rn.26).
bbb) Allein deshalb, weil das Bundesamt es hier im Widerspruch dazu unterlassen hat, nationale Abschiebungsverbote sachlich zu prüfen, besteht jedoch kein Anspruch auf die begehrte einstweilige Anordnung. Denn das Gericht ist verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und hat deshalb diese Prüfung selbst vorzunehmen (SächsOVG, a.a.O.; für den Fall, dass ein Ausspruch zur Feststellung von Abschiebungsverboten im Tenor fehlt oder nationale Abschiebungsverbote überhaupt nicht geprüft wurden so auch BVerwG, U. v. 03.04.2017 – BVerwG 1 C 9.16 – InfAuslR 2017, 306/307 Rn. 10).
ccc) Der Antragsteller hat jedoch keine Tatsachen geltend gemacht, nach denen bei ihm die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen könnten (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).
Eine Abschiebung nach Afghanistan stellt auch im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage nicht ohne weiteres eine Verletzung nach Art. 3 EMRK dar, so dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, B. v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 6, 8 unter Verweis auch auf die aktuelle Rspr. des EGMR). Tatsachen, die es rechtfertigen bei ihm, wie z.B. bei Familien mit minderjährigen Kindern, von dieser Einschätzung abzuweichen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
Auch ein Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG kommt nicht in Betracht, weil für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist (BayVGH, a.a.O. Rn. 6). Insbesondere wäre ein arbeitsfähiger, gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermöge bei einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (BayVGH, B .v. 04.01.2017 – 13a ZB 16.30600- juris Rn. 4f.). Anhaltspunkte dafür, dass dies beim Antragsteller nicht der Fall sein sollte, bestehen nicht.
3. Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Gerichtkosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Hinweis:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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