Verwaltungsrecht

Asylfolgeantrag wegen besserer Behandlungsmöglichkeit in Deutschland erfolglos

Aktenzeichen  M 10 K 16.31557

Datum:
30.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1-3
AsylG AsylG § 71 Abs. 1 S. 1
VwVfG VwVfG § 48, § 49, § 51 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot ist nicht schon dann anzunehmen, wenn eine Erkrankung in Deutschland effektiver behandelt werden kann.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Entscheidungsgründe:
1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Klagepartei durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte hat auf die Anhörung zu Entscheidungen durch Gerichtsbescheid generell verzichtet
2. Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zulässig, insbesondere fristgerecht im Sinne der §§ 74 Abs. 1 Halbs. 1, 71 Abs. 4 i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2016, mit dem sie die Anträge der Kläger auf Durchführung weiterer Asylverfahren sowie den Antrag auf Abänderung der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich des Klägers zu 1) abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
a. Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder – wie hier – unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag, so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Diese Vorschrift setzt inhaltlich voraus, dass sich die der Bundesamtsentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat, neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind.
Das Bundesamt hat im Rahmen eines Asylfolgeverfahrens auch darüber zu entscheiden, ob ein Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht kommt.
Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, hat es ferner gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird; insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung.
b. Vorliegend sind Gründe für ein Wiederaufgreifen der Asylverfahren im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, insbesondere nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage zugunsten der Kläger, im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht ersichtlich.
Aus dem Sachvortrag der Kläger im Folgeverfahren ergeben sich weder (neue) Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG, § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylG noch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Das Bundesamt hat auch ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO) eine Aufhebung seiner Entscheidungen in den bestandskräftigen Bescheiden vom 24. November 2015 nach § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG abgelehnt.
Auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 13. Mai 2016 wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
c. Auch der weitere Vortrag der Kläger im gerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Erkrankung des Klägers zu 1) und die hierzu vorgelegten Arztbriefe des Klinikums … vom November 2015 rechtfertigen im Ergebnis keine andere Entscheidung. Insbesondere kann die darin attestierte Erkrankung des Klägers zu 1) an Hämorrhoiden 3. Grades kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betreffende Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen, z. B. auch aus finanziellen Gründen, tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B. v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 – juris Rn. 3; BayVGH, U. v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B. v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56 m. w. N.). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
In Anwendung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden, denn die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers zu 1) erweisen sich weder momentan als lebensbedrohlich im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch im Falle seiner Abschiebung in die Heimat in der Zukunft (vgl. zu Hämorrhoidenleiden etwa VG Ansbach, U. v. 27.5.2010 – AN 16 K 09.30459 – juris; vgl. auch VG München, U. v. 27.8.2008 – M 21 K 06.50810 – juris). Soweit der Kläger zu 1) vorträgt, die Behandlung seiner Hämorrhoiden sei im Kosovo nur durch Spritzen erfolgt und damit weit weniger effektiv gewesen, ist dem entgegenzuhalten, dass das Asylrecht nicht dazu dient, eine bestehende Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sowie OVG NRW, B. v. 14.6.2005 – 11 A 4518/02.A – juris Rn. 22 m. w. N.).
Ergänzend wird insoweit auch auf die Ausführungen im Beschluss vom 21. Juli 2016 – Az. M 10 S 16.31558 – Bezug genommen, mit dem das Gericht den Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung abgelehnt hat.
d. Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 71 Abs. 4 Halbs. 1, 34, 36 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG (trotz § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG nochmals) erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen