Aktenzeichen M 16 K 17.4056
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2019 entschieden werden, obwohl für den Kläger niemand erschienen ist. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 2. Mai 2019, ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 4. Mai 2019, rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Sitzung geladen. Die Beteiligten wurden mit der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen, dass gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bestellung des Klägers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger ist § 12 Abs. 1 Nr. 2 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (SchfHwG). Danach ist die Bestellung aufzuheben, wenn Tatsachen nachweislich belegen, dass der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Amtes nicht besitzt.
Nach ständiger Rechtsprechung besitzt ein bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger nur dann die erforderliche fachliche und persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Amtes, wenn er die Gewähr dafür bietet, jederzeit seine Berufspflichten zu erfüllen. Diese ergeben sich insbesondere aus § 8 und §§ 13 bis 16 SchfHwG. Danach hat der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger eine Doppelstellung inne. So gehört er gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG als Gewerbetreibender dem Schornsteinfegerhandwerk an und übt zugleich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG hoheitliche Tätigkeiten aus, insbesondere bei der Führung der Kehrbücher nach § 13 SchfHwG, bei der Feuerstättenschau nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG, bei Erlass des Feuerstättenbescheides nach § 14a SchfHwG und bei der Bauabnahme nach § 16 Abs. 1 SchfHwG i.V.m. Art. 78 Abs. 3 Bayerische Bauordnung (BayBO). Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat somit im Vergleich zu anderen Handwerkern eine Sonderstellung inne, bei der die öffentlich-rechtlichen Elemente überwiegen. Für ihn gelten nicht nur die Anforderungen des allgemeinen Handwerks- und Gewerberechts; zusätzlich muss er auch Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Berufspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – juris Rn. 17).
Ob der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger unzuverlässig ist, beurteilt sich anhand von Tatsachen, die auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufs schließen lassen. Von der Behörde wird demnach eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit einer Prognose auf das künftige Verhalten des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – juris Rn. 19). In Anbetracht der dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger übertragenen öffentlichen Aufgaben im Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes sind daher an dessen Zuverlässigkeit hohe Anforderungen zu stellen (vgl. VGH BW, B.v. 6.9.1990 – 14 S 1080/90 – juris Rn. 2).
Für die Entscheidung über die Zuverlässigkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers ist auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat nach Aufhebung seiner Bestellung die Möglichkeit, sich nach §§ 9, 9a SchfHwG um einen frei werdenden Bezirk zu bewerben. Dies schließt es aus, die für eine Wiedergestattung relevanten Umstände im laufenden Anfechtungsprozess zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – juris Rn. 13).
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG ist die Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger zwingend aufzuheben, ohne dass der Behörde ein Ermessensspielraum zusteht (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2013 – 22 ZB 12.2262 – juris Rn. 10).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte im vorliegenden Fall zu Recht von einer negativen Zuverlässigkeitsprognose ausgegangen. Der Kläger hat in schwerwiegender und nachhaltiger Weise gegen grundlegende Berufspflichten eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers verstoßen und sich damit als unzuverlässig erwiesen.
So war der Kläger als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger ausweislich der Erkenntnisse der Regierung von Oberbayern über mehrere Monate weder für die Bürger seines Kehrbezirks noch für die …stadt … als zuständige Aufsichtsbehörde erreichbar. Gemäß § 11 Abs. 2 SchfHwG hat der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger eine Vertretung zu veranlassen, wenn er voraussichtlich weniger als einen Monat verhindert ist. Ist der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger voraussichtlich länger als einen Monat verhindert, hat er seine Verhinderung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen, damit diese gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 SchfHwG eine Vertretung anordnen kann. Nach der Konzeption des Gesetzes soll damit sichergestellt werden, dass die Betreuung des Kehrbezirks gewährleistet ist und den Bürgern des Kehrbezirks bei Fragen zum präventiven Brand- und Immissionsschutz ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung steht. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG i.V.m. § 1 Abs. 1 Schornsteinfegerzuständigkeitsverordnung (ZustVSchfw) unterstehen die bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger der Aufsicht der Kreisverwaltungsbehörden. Diese kann die bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 SchfHwG hinsichtlich der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse und der Einhaltung ihrer Pflichten jederzeit überprüfen. Die intensive staatliche Aufsicht ist die Kehrseite der besonderen Bestellung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers, der insbesondere im Bereich des Brandschutzes und der Feuersicherheit wichtige öffentliche Aufgaben erfüllt. Er ist im Bereich seiner staatlichen Aufgaben verlängerter Arm des Staates. Daraus rechtfertigt sich die umfassende staatliche Aufsicht (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2012 – 22 ZB 10.2972 – juris Rn. 26). Vor diesem Hintergrund kommt der Kontrollaufgabe der Aufsichtsbehörde eine wesentliche Bedeutung zu, die durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger nicht behindert werden darf. Mit seinem Verhalten hat der Kläger gegen seine Verpflichtung aus § 11 Abs. 2 und 3 SchfHwG verstoßen, eine Vertretung zu veranlassen bzw. seine Verhinderung der Behörde anzuzeigen, und sich zudem der Aufsicht durch die …stadt … als Aufsichtsbehörde nach § 21 SchfHwG entzogen. Angesichts der Aufgaben eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers im sicherheitsrelevanten Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes stellt dies eine erhebliche Pflichtverletzung dar.
Zudem ist der Kläger nach den Erkenntnissen der Regierung von Oberbayern der wiederholten Aufforderung der Aufsichtsbehörde, die Kehrbücher und weitere Kehrunterlagen dem mit der vorübergehenden Verwaltung des Kehrbezirks betrauten Vertreter bzw. der …stadt … vorzulegen, nicht nachgekommen. Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 SchfHwG hat der zuständige bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger dem von der Behörde nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SchfHwG bestimmten Vertreter die Daten und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Vertretung erforderlich sind. Dieser Verpflichtung ist der Kläger nach erfolgter Anordnung der vorübergehenden Verwaltung des Kehrbezirks durch einen Vertreter nach § 11 Abs. 3 SchfHwG nicht vollständig nachgekommen, obwohl er hierzu seitens der …stadt … mehrfach aufgefordert wurde. Da es ohne vollständige Unterlagen für einen Vertreter nicht möglich ist, die Brandsicherheit im Kehrbezirk verlässlich zu gewährleisten, stellt dies eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Des Weiteren hat der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger gemäß § 21 Abs. 2 SchfHwG der zuständigen Behörde auf deren Anforderung das Kehrbuch und die für die Führung des Kehrbuchs erforderlichen Unterlagen zur Überprüfung vorzulegen. Auch dieser Verpflichtung ist der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachgekommen. Dem Kehrbuch kommt eine besondere Nachweisfunktion für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers zu, denn allein anhand der darin enthaltenen Aufzeichnungen kann die Aufsichtsbehörde die tatsächliche Tätigkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers nachvollziehen und überprüfen. Das Kehrbuch ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers für seine ordnungsgemäße Arbeit und dient der Wahrung der Feuersicherheit im Kehrbezirk (vgl. VGH BW, B.v. 6.9.1990 – 14 S 1080/90 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 15.2.2012 – 22 ZB 10.2972 – juris Rn. 18). Allein das beharrliche Unterlassen der Kehrbuchvorlage lässt den Schluss auf die fachliche Unzuverlässigkeit zu (vgl. SächsOVG, B.v. 26.1.2016 – 4 B 348/15 – juris Rn. 17).
Diese schwerwiegenden Pflichtverletzungen rechtfertigen bereits die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers, ohne dass es entscheidungserheblich auf die Frage ankommt, ob auch hinsichtlich der Verwaltung des Kehrbezirks durch den Kläger, insbesondere im Hinblick auf die von ihm erlassenen Feuerstättenbescheide sowie auf die Führung des Kehrbuchs, Mängel vorlagen.
Da keine Anhaltspunkte für eine künftige grundlegende Verhaltensänderung des Klägers vorlagen, ist die Regierung von Oberbayern zu Recht von einer negativen Zuverlässigkeitsprognose ausgegangen.
Die Aufhebung der Bestellung des Klägers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger ist auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Einschränkungen der Berufswahlfreiheit sind nur statthaft, soweit dadurch ein überragendes Gemeinschaftsgut, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht, geschützt werden soll, sie nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen und keine übermäßig unzumutbare Belastung enthalten (BVerfG, B.v. 12.3.1985 – 1 BvL 25/83 – juris Rn. 24). Im vorliegenden Fall dient die Aufhebung der Bestellung des Klägers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger der Gewährleistung des präventiven Brand- und Immissionsschutzes im Kehrbezirk und damit einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut. Dass dies eine übermäßig unzumutbare Belastung für den Kläger darstellt, ist nicht ersichtlich, zumal er auch nach Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger weiterhin die Tätigkeiten als „freier“ Schornsteinfeger nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG ausüben kann.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.