Aktenzeichen B 6 S 17.903
Leitsatz
1 Ein Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels, das mit der Antragstellung begonnen hat, endet dann, wenn der Ausländer nach Ablehnung des Antrages Verpflichtungsklage erhoben hat, nicht mit dem Erlass des ablehnenden Verwaltungsaktes, sondern erst dann, wenn über das Begehren unanfechtbar entschieden worden ist (BVerwG BeckRS 9998, 170494). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Beurteilung der Frage, ob eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem Kind, die durch eine Beistands- und Erziehungsgemeinschaft gekennzeichnet ist, vorliegt, ist auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BayVGH BeckRS 2016, 53197). (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Beschlusses gemäß § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und auf Aufhebung der gegen ihn ergangenen Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.
Der Antragsteller, ein am … 1967 geborener nigerianischer Staatsangehöriger, der über einen gültigen Reisepass verfügt, reiste erstmals am 18.07.2002 ins Bundesgebiet ein, stellte am 29.07.2002 einen Asylantrag und verließ nach Ablehnung des Asylantrages am 05.05.2004 am 18.06.2004 das Bundesgebiet wieder. Am 21.06.2004 heiratete er in Nigeria die deutsche Staatsangehörige A.B. Am … 2004 kam in … seine Tochter C. zur Welt. Mutter des Kindes war nicht seine Ehefrau, sondern Frau R.W. (jetzt verheiratete R.T). Am 20.4.2005 reiste er mit einem Visum zum Ehegattennachzug ins Bundesgebiet ein und erhielt vom Landratsamt F … am 09.05.2005 eine bis 18.07.2006 gültige Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte einer Deutschen. Nachdem er am 29.04.2005 die Vaterschaft für seine nichteheliche Tochter anerkannt hatte, trennte sich seine Ehefrau am 22.06.2005 von ihm. Die Ehe wurde am 14.08.2007 geschieden.
Der Antragsteller, der sich mit Urkunde des Kreisjugendamtes vom 29.09.2005 zur Unterhaltszahlung verpflichtet hatte, hat seit 29.03.2006 die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam mit der Kindsmutter inne. Im März 2006 zog er von U … (Landkreis F …) in die Stadt B … und lebte mit seiner Tochter und der Kindsmutter zusammen. Die Stadt B … stellte ihm am 07.06.2006 eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für sein deutsches Kind aus, die sie mehrmals, zuletzt am 08.04.2010 bis 27.03.2012, verlängerte.
Am 01.09.2010 zog der Antragsteller gemeinsam mit Lebensgefährtin und Kind nach S … (Landkreis B …).
Im Februar 2011 zog er aus der dortigen gemeinsamen Wohnung aus und ließ sich ab 01.08.2011 alleine in Bi … (Landkreis B …) nieder. Seither ist seine Beziehung zur Kindsmutter beendet. Am 30.08.2012 trafen der Antragsteller und die Kindsmutter im Kreisjugendamt B … eine Vereinbarung zur Regelung des Umgangs. Sie sah vor, dass der Antragsteller sein Umgangsrecht an jedem 1 und 3. Sonntag im Monat in S … ausüben darf. Am 19.09.2012 kamen Frau R.T. und der Antragsteller vor dem Amtsgericht B … überein, das Sorgerecht weiterhin gemeinsam auszuüben. Die Kindsmutter ist inzwischen anderweitig verheiratet und hat mit ihrem Ehemann zwei weitere Kinder. Die Tochter des Antragstellers lebt mit der neuen Familie ihrer Mutter zusammen.
Auch nach dem Umzug des Antragstellers nach Bi … verlängerte das Landratsamt B … die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge am 31.08.2012 bis 31.08.2014, am 04.09.2014 bis 04.09.2015 und schließlich am 25.01.2016 bis 24.01.2017.
Am 31.01.2017 beantragte der Antragsteller erneut die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und gab dabei als Aufenthaltszweck „Erwerbstätigkeit“ an. Er erhielt am gleichen Tag eine Fiktionsbescheinigung bis 30.04.2017 und am 18.04.2017 eine weitere bis 12.08.2017.
Das von der Ausländerbehörde amtsintern eingeschaltete Jugendamt erklärte am 04.04.2017, im Januar 2017 habe der Antragsteller mitgeteilt, er habe seine Tochter im Mai 2016 zum letzten Mal gesehen und um ein Vermittlungsgespräch gebeten. Bei der Unterredung der Kindseltern im Jugendamt im März 2017 habe Frau R.T. angegeben, Umgangskontakte hätten zwischen 2012 und 2015 nur sehr unregelmäßig stattgefunden. Zwischen Mai 2015 und Mai 2016 seien sich Vater und Tochter nur zweimal begegnet. Im Laufe des Gesprächs wurden dem Antragsteller laut Jugendamt relevante Informationen über seine Tochter gegeben und es wurde ein Telefonkontakt vereinbart. Bei einem Gespräch zwischen ihr und der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes in S … habe das Mädchen angegeben, ihre Mutter hindere sie nicht, Kontakt mit ihrem Vater aufzunehmen. Sie wünsche sich ihren Vater regelmäßig zu sehen, sofern er sich an vereinbarte Termine halte bzw. rechtzeitig absage. Zusammenfassend hielt das Jugendamt fest, es könne nicht abschließend beurteilt werden, ob eine schützenswerte Beistandsgemeinschaft vorliege. Zwar scheine C. unter den häufigen Enttäuschungen zu leiden, die sie mit dem Antragsteller erlebt habe, sie habe aber trotzdem das Bedürfnis, Kontakt mit ihrem Vater zu haben. Für ihre gesunde psychische Entwicklung sei der regelmäßige Kontakt zu beiden Elternteilen wichtig, der in den letzten Jahren nur unzureichend erfolgt zu sein scheine.
Am 14.06.2017 hörte das Landratsamt den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung des Antrages hin, wies dabei auf seine Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 AufenthG hin und setzte ihm eine Frist bis 30.06.2017.
Am 19.06.2017 mietete der Antragsteller eine Wohnung im Bereich der Stadt B … ab 01.07.2017 an und bezog sie. Er meldete sich jedoch zunächst nicht an und informierte den Antragsgegner nicht über seinen Umzug.
Mit Bescheid vom 08.08.2017 lehnte das Landratsamt B … den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 1), forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet bis spätestens einen Monat nach Zustellung des Bescheides bzw. falls das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung einer Klage zu Ziffer 1 anordnen würde, einen Monat ab Vollziehbarkeit des Bescheides zu verlassen (Ziff. 2 und 3), und drohte ihm widrigenfalls die Abschiebung nach Nigeria an (Ziff. 4).
Die jetzige Ablehnung des Antrages auf Verlängerung der zuvor seit 2012 dreimal verlängerten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG begründete die Behörde damit, nachdem das Kreisjugendamt vor jeder anstehenden Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis angegeben hatte, es könne nicht abschließend beurteilt werden, ob eine schützenswerte Beistandsgemeinschaft vorliege, habe die Ausländerbehörde dem Antragsteller über fünf Jahre die Gelegenheit gegeben, eine Beistandsgemeinschaft aufzubauen. Diese Gelegenheit habe er nicht genutzt. Er übe sein Sorgerecht offensichtlich immer nur dann aus, wenn eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis anstehe.
Am 22.08.2017 teilte das Kreisjugendamt B … der Polizeiinspektion B … – Land mit, der Antragsteller habe derzeit Unterhaltsrückstände in Höhe von 6.724,93 EUR. Am gleichen Tag erhob die Staatsanwaltschaft B … Anklage gegen den Antragsteller wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB). Insbesondere in den Monaten Mai bis Juli 2014, September und Oktober 2015 sowie März 2016 und Dezember bis März 2017 habe der Antragsteller Einkünfte über dem Selbstbehalt gehabt, so dass er zumindest Teilzahlungen hätte leisten müssen (Az. …).
Mit Telefax vom 25.08.2017 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erhoben und beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 08.08.2017 dem Antragsteller eine unbefristet verlängerte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (Az. B 6 K 17.668).
Zugleich hat er mit Telefax vom 25.08.2017 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (B 6 S 17.666).
Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers aus, wie er erst am 17.10.2017 erfahren habe, habe der Antragsteller seit 01.07.2017 eine Wohnung in der Stadt B … gemietet. Deshalb sei das Landratsamt B … örtlich nicht zuständig.
Zwischen dem personensorgeberechtigten Antragsteller und seiner Tochter bestehe eine echte Vater-Kind-Beziehung. Wenn es seit Mai 2016 keinen unmittelbaren Kontakt zwischen Vater und Tochter gegeben habe, liege dies daran, dass die Mutter die Kontakte beendet habe. Er habe von Nigeria aus, wo er sich Ende 2016 für einige Zeit aufgehalten habe, versucht, das Kind über Handy zu erreichen, die Mutter habe jedoch die Nachrichten bzw. die Telefonnummer blockiert und am 29.08.2017 schriftlich mitgeteilt, dass das Kind momentan kein Interesse an einem Kontakt zu seinem Vater habe. Der Lebensunterhalt des Antragstellers sei gesichert. Er sei seit 01.02.2017 als Sicherheitsmitarbeiter mit einem bis 31.01.2018 befristeten Arbeitsvertrag für einen Stundenlohn von 9,57 EUR tätig und rechne fest damit, dass der Vertrag verlängert werde. Seit er wieder Arbeit habe, leiste er seit April 2017 Unterhalt in Höhe von 364,00 EUR. Bevor er nicht rechtskräftig verurteilt worden sei, könnten aus der Anklageschrift wegen Verletzung der Unterhaltspflicht keine negativen Schlüsse für den Antragsteller gezogen werden.
Der Antragsgegner beantragte, den Antrag abzulehnen. Er beruft sich darauf, die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug habe nicht erneut verlängert werden können, weil der Antragsteller sein Sorgerecht nicht ausübe und die Betreuung des älter gewordenen Kindes weniger notwendig sei als früher. Nicht die Kindsmutter, sondern der Antragsteller, der die Umgangsvereinbarung vom 30.08.2012 nie ernsthaft eingehalten habe, sei dafür verantwortlich, dass er keinen Kontakt zu seiner Tochter habe. Da der Antragsteller lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag habe, sei die Sicherung des Lebensunterhalts nicht nachgewiesen.
Am 18.10.2017 vereinbarten der Antragsteller und die Kindsmutter vor dem Amtsgericht B …, der Antragsteller habe das Recht und die Pflicht seine Tochter jeden Sonntag telefonisch zwischen 17.00 Uhr und 20.30 Uhr zu kontaktieren (Ziff. 1). Die telefonischen Umgänge dienten dazu, einen Umgang zwischen dem Antragsteller und dem Kind wieder herzustellen (Ziff. 5).
Diese Umgangsvereinbarung billigte das Gericht, weil sie derzeit dem Kindeswohl am besten entspräche. Außerdem trennte das Gericht den Antrag der Kindsmutter, ihr die alleinige elterliche Sorge zu übertragen, von diesem Verfahren ab. Aus dem über die Sitzung gefertigten Vermerk, auf den verwiesen wird, ergibt sich weiter, dass das Kind erklärt hat, persönlichen Kontakt wolle sie „nicht wirklich so mit ihm haben. Telefonisch ja, wenn man sich darauf verlassen kann“ ( Az. …).
Mit Beschluss vom 07.11.2017 hat das Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt. Das Gericht berief sich (allein) darauf, der Antragsgegner sei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht passivlegitimiert, weil die Stadt B …, wo der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, im Klageverfahren Schuldner des geltend gemachten Anspruchs sei.
Nach Empfang des Beschlusses am 13.11.2017 setzte das das Landratsamt B … dem Antragsteller mit Telefax vom 13.11.2017 eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis 25.11.2017 und drohte ihm, sollte er die Frist nicht einhalten, die Abschiebung für den 04.12.2017 an. Am gleichen Tag legte es dem Gericht eine Erklärung der Stadt B … vom 13.11.2017 vor, dass die Stadt damit einverstanden sei, wenn das Landratsamt B … das Verfahren fortführe. Schließlich übermittelte die Ausländerbehörde ein Schreiben von Frau R.T. an das Landratsamt B … vom 12.11.2017. Darin führte sie u.a. aus, über den Sorgerechtsänderungsantrag sei noch nicht entschieden. In den letzten vier Wochen habe der Antragsteller jeweils am Sonntag fünf, sechs, zwei und zuletzt drei Minuten mit seiner Tochter telefoniert.
Mit Telefax vom 16.11.2017 hat die bestellte Vertreterin des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beim Verwaltungsgericht Bayreuth gemäß § 80 Abs. 7 VwGO beantragt,
eine Überprüfung des Beschlusses vom 07.11.2017 vorzunehmen.
Der Antrag sei zulässig, weil nach der Verwaltungsvereinbarung vom 13.11.2017 die Passivlegitimation des Antragsgegners nicht mehr zweifelhaft sei. Im Übrigen werde der bisherige Sachvortrag wiederholt.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Landratsamt B … werde das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit Einverständnis der Stadt B …, wo sich der Antragsteller am 17.11.2017 angemeldet habe, fortführen. Eine Abänderung des Beschlusses vom 07.11.2017 sei nicht erforderlich, weil sich, wie das Schreiben von Frau R.T. v. 12.11.2017 zeige, für den Antragsteller nichts zum Positiven hin geändert habe.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der Verfahren B 6 K 17.668, B 6 S 17.666 und B 6 S 17.903 und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
a) Der Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zulässig.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung von Beschlüssen über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Veränderte Umstände liegen insbesondere dann vor, wenn sich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des vorangegangenen Beschlusses eine Veränderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und/oder Rechtslage ergeben hat und es deshalb zumindest möglich erscheint, dass die frühere Entscheidung abzuändern ist (W-R. Schenke in W-R. Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 196f.).
Hier liegen seit 13.11.2017 veränderte Umstände vor. Denn der Beschluss vom 07.11.2017 war darauf gestützt, dass der Antragsgegner nicht passiv legitimiert war, weil der Antragsteller seit 01.07.2017 seinen Wohnsitz in der Stadt B … hat und keine Einverständniserklärung der Stadt B … vorlag, dass das Landratsamt B … das Verfahren fortführt. Mit Schriftsatz vom 13.11.2017 hat das Landratsamt B … nunmehr nach Zugang des Beschlusses eine entsprechende Erklärung vorgelegt, die es möglich erscheinen lässt, dass der Beschluss vom 07.11.2017 abzuändern ist, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs auf unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis durch den das Verfahren fortführenden Antragsgegner vorliegen.
b) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Denn auch unter Berücksichtigung der veränderten Umstände ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die geltend gemachte Ablehnung der unbefristeten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 1 des Bescheides vom 08.08.2017) nicht anzuordnen.
aa) Zwar ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG statthaft, weil der Antrag auf Verlängerung der am 24.01.2017 ausgelaufenen Aufenthaltserlaubnis zwar erst am 31.01.2017 und damit verfristet gestellt wurde, die Ausländerbehörde jedoch gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung angeordnet hat und dem Antragsteller gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG dem Antragsteller entsprechende Fiktionsbescheinigungen ausgestellt hat. Gegen den Verlust der mit der Antragsablehnung endenden verfahrensrechtlichen Fiktion kann vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch genommen werden (BayVGH, B. v. 08.12.2006 – 24 CS 06.2260- juris Rn. 13).
bb) Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist jedoch unbegründet.
aaa) Der Antragsgegner ist, was die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis angeht, zwar passivlegitimiert.
Die Passivlegitimation im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes richtet sich danach, wer im Hauptsacheverfahren Schuldner des geltend gemachten Anspruchs ist (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 VwGO Rn. 127). Im Klageverfahren ist der Freistaat Bayern Anspruchsschuldner, weil er das Verfahren nach dem Umzug des Antragstellers in eigener Zuständigkeit fortführt.
aaaa) Die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden ist nicht bundesgesetzlich geregelt, sondern richtet sich nach Art. 3 BayVwVfG und der Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR). Gemäß § 2 ZustVAuslR nehmen die Kreisverwaltungsbehörden die Aufgaben der Ausländerbehörden wahr. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ZustVAuslR ist die Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer gewöhnlich aufhält. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend tatsächlich verweilt (Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 3 VwVfG Rn. 24).
Der Antragsteller hat in der Stadt B … seit 01.07.2017 eine Wohnung für unbestimmte Zeit gemietet, bewohnt sie tatsächlich und hat sich in B … am 17.11.2017 angemeldet. Damit hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Stadt B …, so dass die Stadt B … dafür zuständig ist, die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.
bbbb) Der Antragsgegner führt das Verfahren jedoch in eigener Zuständigkeit fort.
Gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG kann dann, wenn sich im Laufe des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände ändern, die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.
Ein Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels, das mit der Antragstellung begonnen hat, endet dann, wenn der Ausländer nach Ablehnung des Antrages Verpflichtungsklage erhoben hat, nicht mit dem Erlass des ablehnenden Verwaltungsaktes, sondern erst dann, wenn über das Begehren unanfechtbar entschieden worden ist (BVerwG, U. v. 24.05.1995 – 1 C 7/94 – BVerwGE 98, 313/ 315f. = NVwZ 1995,1131/1132).
Die Voraussetzungen für eine Fortführung des Verfahrens durch den Antragsgegner liegen vor. Die die Zuständigkeit begründenden Umstände haben sich im Laufe des Verfahrens geändert. Als das Verfahren mit der Stellung des Verlängerungsantrages am 31.01.2017 begann, war der Antragsgegner zuständig. Durch die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts nach B … haben sich die zuständigkeitsbegründenden Umstände ab 01.07.2017 geändert. Bevor die Ablehnung unanfechtbar wurde, hat aber die nunmehr zuständige Stadt B … der Fortführung des Verfahrens durch den Antragsgegner zugestimmt, die, auch nach Auffassung beider Beteiligter, zweckmäßig ist.
bbb) Die aufschiebende Wirkung ist aber nicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO anzuordnen, weil die erhobene Klage nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat.
aaaa) Mit Schriftsatz vom 25.08.2017 hat der Antragsteller beantragt, ihm eine „unbefristet verlängerte Aufenthaltserlaubnis“ zu erteilen. Dieser Antrag ist, soll dem Antragsbegehren in vollem Umfang Rechnung getragen werden, gemäß § 88 VwGO als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auszulegen, die anders als eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unbefristet ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist dem Ausländer in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
Die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Antragsteller scheitert daran, dass er nicht weiterhin in einer bereits bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Tochter lebt.
Ob eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem Kind, die durch eine Beistands- und Erziehungsgemeinschaft gekennzeichnet ist, vorliegt, bedarf einer differenzierten Bewertung des Einzelfalls. Erforderlich ist in der Regel ein Zusammenleben mit dem Kind. Leben die Familienmitglieder getrennt, müssen zusätzliche Anhaltspunkte vorhanden sein, um eine familiäre Gemeinschaft annehmen zu können. Sie können in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Urlauben oder in der Betreuung und Versorgung des Kindes bestehen. Unterhaltsleistungen sind ebenso zu berücksichtigen wie Kontakte per Telefon oder Brief. Zudem ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB der Umgang mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört. Maßgeblich ist auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BayVGH, U. v.26.09.2016 – 10 B 13.1318 – juris Rn. 32; Tewocht in BeckOK-Ausländerrecht, Stand 01.08.2017, § 27 AufenthG Rn. 34-37).
Nach der aktuellen Stellungnahme des Jugendamtes vom 04.04.2017 und dem Vermerk über die Sitzung vor dem Amtsgericht B … am 18.10.2017 bestand eine den genannten Anforderungen entsprechende familiäre Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter seit dem Auszug des Antragstellers aus der Wohnung in S … in den letzten Jahren nicht und besteht auch derzeit nicht.
Nachdem Umgangskontakte bereits in den Jahren zwischen 2012 und 2015 trotz einer rechtlich verbindlichen Umgangsregelung nur sehr unregelmäßig stattgefunden hatten, sind sich der Antragsteller und seine Tochter ein ganzes Jahr lang zwischen Mai 2015 und Mai 2016 nur einmal sehr flüchtig auf dem Weihnachtsmarkt und einmal von weitem bei der Übergabe eines Geburtstagsgeschenkes begegnet. Auch Kontakte über Telefon und soziale Medien kamen eher sporadisch zustande. Daran änderte auch die Vereinbarung telefonsicher Kontakte bei einem Gespräch im Jugendamt im März 2017 nichts. Erst nach einer erneuten gerichtlichen Vereinbarung am 18.10.2017 hat der Antragsteller wenigstens einmal die Woche mit seiner Tochter telefoniert. Eine darüberhinausgehende persönliche Begegnung wird weder von der Verfahrensbeiständin noch vom Familiengericht derzeit als dem Kindeswohl entsprechend angesehen.
Das inzwischen 13jährige Mädchen selbst will derzeit auch keinen darüberhinausgehenden Kontakt, sondern ist damit zufrieden, wenn sich der Umgang auf Telefonanrufe beschränkt, sofern der Antragsteller nur der Vereinbarung entsprechend anruft.
Daraus wird deutlich, dass eine verantwortungsvoll gelebte Eltern-Kind–Gemeinschaft schon angesichts des fehlenden Kontakts von Angesicht zu Angesicht und der seltenen Kontakte über Telefon und elektronische Medien, auch wenn sie sich derzeit immerhin verstetigt haben, nicht besteht. Deshalb kann der Antragsteller auch keinen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen. Auch eine kontinuierliche emotionale Bindung des Kindes zum Antragsteller ist nicht vorhanden, nicht zuletzt deshalb, weil der Antragsteller sich, jedenfalls in der sicher nicht grundlosen Wahrnehmung des Mädchens, als unzuverlässig erwiesen hat. Deshalb kommt der für eine echte Vater-Tochter-Beziehung zu verlangende unmittelbare Kontakt aus Gründen des Kindeswohls nicht in Betracht. Lediglich ergänzend ist schließlich zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zwar derzeit seit April 2017 (wieder) den Regelunterhalt leistet, in den Jahren zuvor jedoch über längere Zeiträume, wie sich aus der Behördenakte ergibt, keinen Unterhalt leistete. Das deswegen eröffnete Ermittlungserfahren hat bereits zu einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft B … wegen Verletzung der Unterhaltspflicht geführt.
bbbb) Auch die (bloße) Verlängerung der erteilten Aufenthaltserlaubnis kommt nicht in Betracht.
§ 28 Abs. 2 Satz 2 AufenthG schreibt vor, dass „im Übrigen“ die Aufenthaltserlaubnis verlängert wird, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht. Wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis noch nicht bestehen, besteht damit ein Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 AufenthG und die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1
AufenthG vorliegen und die familiäre Lebensgemeinschaft weiter besteht (Tewocht, a.a.O. § 28 Rn. 35).
Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis scheitert bereits daran, dass die Voraussetzungen von § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht gegeben sind.
Gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufentG ist eine Aufenthaltserlaubnis dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen. Dazu ist es erforderlich, dass der zumindest mitsorgeberechtigte Ausländer sein Sorgerecht tatsächlich wahrnimmt bzw. das Kind entsprechend dem ihm eingeräumten Besuchsrecht regelmäßig besucht und einen tatsächlichen, nicht ganz belanglosen Beitrag zur Erziehung und Betreuung seines Kinds leistet (Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 20 Rn.30).
Nach diesen Vorgaben steht dem Antragsteller keine Aufenthaltserlaubnis zu. Der Antragsteller hat in den letzten Jahren von seinem Sorgerecht keinen nachhaltigen Gebrauch gemacht. Das wird schon daran deutlich, dass es über ein Jahr lang zwischen Mai 2015 und Mai 2016 nicht einmal zu einem echten Kontakt kam und er auch im Anschluss daran keine nähere Beziehung aufzubauen vermochte, so dass er nach der Stellungnahme des Kreisjugendamtes vom April 2017 beim Gespräch in der Behörde im März 2017 erst mit relevanten Informationen über seine Tochter versorgt werden musste. Sein Beitrag zur Betreuung des Kindes beschränkte sich im Wesentlichen darauf, dass er ihr ein Geburtstagsgeschenk zukommen ließ. Auch die nunmehr vereinbarten wöchentlichen Telefonkontakte, die seither zu Telefonaten von wenigen Minuten geführt haben, dienen allenfalls dazu, einen Kontakt vorsichtig (wieder) aufzubauen und nicht dazu das umfassende Mitsorgerecht auszuüben. Sie können auch vom Ausland aus ausgeübt werden und setzen kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet voraus.
cccc) Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr als eigenständiges Aufenthaltsrecht scheidet ebenfalls aus.
Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG findet § 31 AufenthG mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die ehelichen Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat.
Das Gericht kann offenlassen, ob sich der Antragsteller als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG überhaupt auf § 28 Abs. 3 Satz1 AufenthG i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG berufen kann oder ob die Verweisung nur auf Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG anwendbar ist (offengelassen auch von BayVGH, U. v. 26.09.2016 – 10 B 13.1318 – juris Rn. 38).
Denn der Antragsteller macht nicht geltend, dass die familiäre Lebensgemeinschaft zu seiner Tochter endgültig aufgehoben wurde, sondern beruft sich darauf, dass keine endgültige Trennung vorliegt, sondern im Gegenteil intensivere Kontakte gerade angebahnt werden.
dddd) Schließlich hat der Antragsteller auch keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner ihm im Ermessenswege eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt.
Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
Gegen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen spricht zum einen, dass sie, wenn überhaupt, dann nur wegen der Beziehung des Antragstellers zu seiner Tochter erteilt werden könnte. Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund dieses Lebenssachverhaltes hat der Gesetzgeber aber in §§ 27ff. AufenthG detaillierte speziellere Vorschriften geschaffen (BayVGH, a.aa.O. Rn.39). Zum anderen ist mit der Vorlage eines lediglich bis 01.02.2018 geltenden Arbeitsvertrages nicht nachgewiesen, dass der Lebensunterhalt des Antragstellers, wie es in der Regel gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erforderlich ist, (nachhaltig) ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist.
c) Ist damit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht anzuordnen, durfte der Antragsteller gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Ausreise aufgefordert werden und ihm unter Bestimmung der angemessenen Frist von einem Monat die Abschiebung angedroht werden, die nunmehr auf den 04.12.2017 terminiert wurde.
Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen für die angedrohte Abschiebung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegen vor. Der Antragsteller ist nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und damit gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig und hat das Bundesgebiet, nachdem seine Ausreisefrist abgelaufen ist, zu verlassen (§ 50 Abs. 2 AufenthG). Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, weil die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung hat. Die Ausreise ist überwachungsbedürftig, weil der Antragsteller nicht innerhalb der gesetzten Ausreisefrist ausgereist ist (§ 58 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG).
Damit war der Antrag insgesamt abzulehnen.
2. Der Antragsteller trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziff. 8.1, Ziff. 1.5 Streitwertkatalog.