Verwaltungsrecht

Aufschiebende Wirkung einer Klage bei Streit über den Eintritt der Rücknahmefiktion

Aktenzeichen  M 11 S 17.50839

Datum:
31.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 81
VwGO VwGO § 92 Abs. 2 S. 4

 

Leitsatz

1 Entsteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen der Rücknahmefiktion nach § 81 AsylG zu Recht angenommen wurden, ob also das Verfahren tatsächlich beendet ist, ist das Verfahren auf Antrag des Klägers fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine ursprüngliche, deklaratorisch eingestellte Klage entfaltet bis zur unanfechtbaren Entscheidung über einen Fortsetzungsrechtsstreit weiterhin aufschiebende Wirkung, soweit ihr bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukam oder ihre aufschiebende Wirkung zuvor angeordnet wurde. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Es wird festgestellt, dass die Klage des Antragstellers vom 13.11.2014 gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für … vom 08.11.2014, Az.: M 11 K 14.50669, weiterhin aufschiebende Wirkung hat.
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt in einem Fortsetzungsrechtsstreit über die Frage der Verfahrensbeendigung die Feststellung, dass die aufschiebende Wirkung der Klage weiterhin besteht.
Der Antragsteller ist laut eigener Auskunft Staatsangehöriger von Sierra Leone und ebenfalls nach eigenen Angaben geboren am … August 1985. Laut der Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 1. August 2014 sei er über Libyen und Italien, wo er sich ca. drei Jahre aufgehalten habe, in das Bundesgebiet eingereist. Er stellte am 1. August 2014 einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 8. November 2014, zugestellt am 12. November 2014, lehnte das Bundesamt den Asylanatrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2). Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Am 13. November 2014 erhob der Antragsteller bei der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. November 2014 (M 11 K 14.50669). Außerdem beantragte er am gleichen Tag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen (M 11 S. 14.50670).
Mit Beschluss vom 30. September 2016 wurde im Verfahren M 11 S. 14.50670 die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren M 11 K 14.50669 angeordnet. Auf den Beschluss und seine Begründung wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 30. November 2016 wurde das Verfahren M 11 K 14.50669 eingestellt, da der Antragsteller auf eine Aufforderung seine neue Anschrift mitzuteilen gemäß § 81 AsylG, länger als einen Monat das Verfahren nicht betrieben hat.
Mit Schreiben vom 16. Februar 2017, eingegangen bei Gericht am 17. Februar 2017, beantragte der Antragsteller die Fortsetzung des Verfahrens M 11 K 14.50669. Dieser Fortsetzungsrechtsstreit wird unter dem Aktenzeichen M 11 K 17.50463 geführt.
Mit Schreiben vom 16. März 2017, eingegangen bei Gericht am 21. März 2017, beantragte der – zwischenzeitlich mandatierte – Bevollmächtigte des Antragstellers sinngemäß,
festzustellen, dass die Klage des Antragstellers vom 13.11.2014 gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 08.11.2014, Az.: M 11 K 14.50669, weiterhin aufschiebende Wirkung hat.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 81 AsylG nicht vorgelegen hätten.
Die Antragsgegnerin sich bisher weder geäußert noch die Akten vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im zugehörigen Klageverfahren (M 11 K 17.50463) sowie auf die Akten in den Verfahren M 11 K 14.50669 und M 11 S. 14.50670 Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
1. Der Antrag ist gemäß § 88 VwGO analog als Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der ursprünglichen Klage, über deren Beendigung im Fortsetzungsrechtsstreit entschieden werden soll, auszulegen.
2. Der Antrag ist zulässig.
Ein Antrag auf Feststellung, dass die aufschiebende Wirkung der Klage besteht, ist in Konstellationen, in denen ein faktischer Vollzug trotz bestehender aufschiebender Wirkung droht, zulässig.
Hier ist insbesondere auch ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag gegeben, da der Antragsteller mit Schreiben vom 9. Februar und vom 16. Februar 2017 dargelegt und durch Vorlage eines Schreibens des Landratsamts … vom 24. Januar 2017, in dem das Erlöschen der Aufenthaltsgestattung mitgeteilt wurde, auch glaubhaft gemacht hat, dass die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bevorsteht.
3. Der Antrag ist auch begründet.
Die Klage des Antragstellers im Verfahren M 11 K 14.50669 hat, solange der Fortsetzungsrechtsstreit M 11 K 17.50463, in dem über die Frage entschieden wird, ob das Klageverfahren M 11 K 14.50669 durch Klagerücknahmefiktion nach § 81 AsylG beendet worden ist, nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, weiterhin aufschiebende Wirkung.
Für den Fall, dass eine Klage nach § 81 AsylG als zurückgenommen gilt, hat das Gericht gemäß § 92 Abs. 2 Satz 4 VwGO einen deklaratorischen Einstellungsbeschluss zu erlassen. Entsteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen der Rücknahmefiktion zu Recht angenommen wurden, ob also das Verfahren tatsächlich beendet ist, ist das Verfahren auf Antrag des Klägers fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden. Die ursprüngliche, deklaratorisch eingestellte Klage entfaltet hierbei auch bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Fortsetzungsrechtsstreit weiterhin aufschiebende Wirkung, soweit ihr bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukam oder ihre aufschiebende Wirkung zuvor angeordnet wurde (vgl. Müller, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 81 AsylG, Rn. 13 ff.).
Da die aufschiebende Wirkung der Klage M 11 K 14.50669 durch Beschluss im Verfahren M 11 S. 14.50670 angeordnet worden ist, besteht die aufschiebende Wirkung dieser Klage vorliegend auch im Fortsetzungsrechtsstreit M 11 K 17.50463 fort, sodass dem Antrag daher stattzugeben war.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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