Verwaltungsrecht

Aufstiegsfortbildungsförderung für eine in Österreich durchgeführte Fortbildungsmaßnahme

Aktenzeichen  12 ZB 18.1401

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32935
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GRCh Art. 14 Abs. 1
AFBG § 2 Abs. 1, § 5
SGB X § 44

 

Leitsatz

1. Förderfähig ist eine Fortbildung nach § 2 Abs. 1 S. 1 AFBG nur dann, wenn sie gezielt zu einem Abschluss führt, der auf Fortbildungsprüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder auf vergleichbare Fortbildungsabschlüsse nach Bundes- oder Landesrecht oder Regelungen der zuständigen Stellen (zB Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern) vorbereitet, die eine eigenständige und höherwertige Qualifikation vermitteln. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Fortbildungsziel lässt sich aus der Art der Prüfung bestimmen, die grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche sein muss, weil nur dadurch sichergestellt ist, dass sie inhaltlich – qualitativ – den Anforderungen der maßgeblichen Prüfungsordnung gerecht wird und den Teilnehmern das für die Ableistung der Fortbildungsprüfung erforderliche Wissen vermittelt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der „Gemeinsamen Erklärung“ vom 31.8.2005 über die grundsätzliche Vergleichbarkeit von Ausbildungsabschlüssen im beruflichen Bereich erfolgt bezüglich der beruflichen Qualifizierung nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung der Bundesrepublik Deutschland bzw. § 1 des Berufsausbildungsgesetzes der Republik Österreich die Gleichstellung nur im Hinblick auf die Erlangung der Berechtigung für das Beschäftigungssystem und unterscheidet sich damit grundlegend vom System der Aufstiegsfortbildungsförderung mit der Ausrichtung auf das bestimmte Ausbildungsziel der Erreichung eines in § 2 Abs. 1 S. 1 AFBG genannten Abschlusses. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Recht auf Bildung iSd Art. 14 Abs. 1 GRCh beinhaltet nicht zugleich einen Anspruch auf Förderung iSd Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 15 K 16.5254 2018-05-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2018 wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem sich der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2018 wendet und sein Begehren weiter verfolgt, ihm unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Traunstein vom 22. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 14. Oktober 2016 Leistungen nach dem AFBG für die Fortbildung zum Werk-/Industriemeister in der Papierindustrie in Österreich zu gewähren, bleibt ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegen – soweit überhaupt hinreichend dargelegt – nicht vor.
1. Es bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Solche ernstlichen Zweifel bestehen etwa dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG v. 26.3.2007, BayVBl 2007, 624 und v. 23.6.2000 NVwZ 2000, 1363) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (so BVerwG v. 10.3.2004 DVBl 2004, 838). Das ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag dargelegt hat (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1.1 Gemessen an diesem Maßstab genügt die Zulassungsbegründung bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Denn der Klägerbevollmächtigte wiederholt im Wesentlichen lediglich das erstinstanzliche Vorbringen. Die im Rahmen der Zulassungsbegründung erforderliche Darlegung der Zulassungsgründe setzt jedoch voraus, dass der Bevollmächtigte des Klägers sich mit der angefochtenen Entscheidung inhaltlich auseinandersetzt, sie gedanklich durchdringt und der Begründung des Verwaltungsgerichts Argumente entgegensetzt, die eine andere Entscheidung in einem Berufungsverfahren zumindest möglich erscheinen lassen. Diesen Erfordernissen genügt die Zulassungsbegründung nicht.
1.2 Ungeachtet dessen hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Ablehnung der Rücknahme des Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz versagenden Ausgangsbescheids vom 23. Februar 2015 nach § 44 SGB X für rechtmäßig erachtet, da es sich bei der Fortbildung zum Werk-/Industriemeister in der Papierindustrie in Österreich nicht um eine dem Grunde nach förderfähige Maßnahme nach § 2 Abs. 1 AFBG handelt. Es hat zu Recht auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift geäußert.
1.2.1 Förderfähig ist eine Fortbildung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AFBG nur dann, wenn sie gezielt zu einem Abschluss führt, der auf Fortbildungsprüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) der Handwerksordnung (HWO) oder auf vergleichbare Fortbildungsabschlüsse nach Bundes- oder Landesrecht oder Regelungen der zuständigen Stellen (z.B. Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern) vorbereitet, die eine eigenständige und höherwertige Qualifikation vermitteln (vgl. Schubert/Schaumberg, AFBG, Kommentar, § 2 Nr. 2.3). Das Fortbildungsziel lässt sich damit letztlich aus der Art der Prüfung bestimmen, die grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche sein muss, weil nur dadurch sichergestellt ist, dass sie inhaltlich – qualitativ – den Anforderungen der maßgeblichen Prüfungsordnung gerecht wird und den Teilnehmern das für die Ableistung der Fortbildungsprüfung erforderliche Wissen vermittelt (OVG NRW, Beschluss v. 25.11.2011, 12 A 233/11, juris).
1.2.2 Hiervon ausgehend ist das Verwaltungsgericht zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die in Österreich abgelegte Prüfung nicht den Anforderungen an eine öffentlich-rechtliche Prüfung im Sinne des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes genügt. Es hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich eine andere Beurteilung auch nicht daraus ergibt, dass der in Österreich erworbene Abschluss nach § 57 BBiG i.V.m. § 2 der Verordnung über die Gleichstellung österreichischer Prüfungszeugnisse mit Zeugnissen über anerkannte Fortbildungsabschlüsse vom 13. November 2007 dem entsprechenden Abschluss in Deutschland gleichgestellt ist. Die Ausbildung in Österreich führt nach wie vor zu einem österreichischen Prüfungsabschluss und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen an die Förderfähigkeit nach § 2 Abs. 1 AFBG mit dem Ziel des Erwerbs eines Abschlusses nach deutschen Prüfungsordnungen. In der „Gemeinsamen Erklärung“ vom 31. August 2005 über die grundsätzliche Vergleichbarkeit von Ausbildungsabschlüssen im beruflichen Bereich wird ausdrücklich festgestellt, dass die berufliche Qualifizierung nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung der Bundesrepublik Deutschland bzw. § 1 des Berufsausbildungsgesetzes der Republik Österreich erfolgt und die daraufhin erzielten Abschlüsse lediglich „vergleichbar“ sind. Die Gleichstellung erfolgt mit anderen Worten nur im Hinblick auf die Erlangung der Berechtigung für das Beschäftigungssystem und unterscheidet sich damit grundlegend vom System der Aufstiegsfortbildungsförderung mit der Ausrichtung auf das bestimmte Ausbildungsziel der Erreichung eines in § 2 Abs. 1 Satz 1 AFBG genannten Abschlusses. Dass die Ausbildung zum Staatlichen Österreichischen Werk- bzw. Industriemeister der Papiertechnik zumindest auch auf die deutsche Fortbildungsprüfung vorbereitet habe, wird weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
1.3 Aus der fehlenden Vergleichbarkeit der Lebenssachverhalte folgt zugleich, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 AFBG im Hinblick auf Art. 3 GG nicht angezeigt sind. Die öffentlich-rechtliche Prüfung ist nicht Teil der Fortbildungsmaßnahme im Sinne der Vorbereitung auf ein Fortbildungsziel, sondern das Fortbildungsziel selbst (vgl. Schubert/Schaumberg, a.a.O., § 2, Nr. 2.1 unter Hinweis auf VG Regensburg, Urteil v. 25.3.2014 – RO 6 K 13.1740 – juris; BVerwG, Beschluss v. 14.12.2011 – 5 B 32/11 – juris; BayVGH, Urteil v. 28.3.2011 – 12 B 10.1656, juris). Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist infolgedessen bereits deshalb nicht gegeben, da es sich nicht um vergleichbare Lebenssachverhalte handelt.
1.3.1 Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist auch keine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 AFBG im Hinblick auf die vom Kläger durchgeführte Fortbildung in Österreich geboten. Maßgebend für die Auslegung einer Norm ist stets der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (BayVGH v. 17.2.2012 – 22 N 11.3022 -, juris unter Hinweis auf BVerfG v. 20.3.2002, BVerfGE 105, 135 ff.). Ist der Wortlaut – wie hier – eindeutig, so ist für eine Auslegung keinerlei Raum mehr (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl. 2016, § 133 Rn. 6). Ein etwaiger abweichender erweiternder oder auch nur einschränkender Rechtssetzungswille des Normgebers kann bei der Auslegung einer Norm lediglich insoweit berücksichtigt werden, als er in der Norm selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerfGE 11, 126 [130] m.w.N.). Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 2 Abs. 1 AFBG im Lichte des Art. 3 GG besteht nach alledem keine Veranlassung.
1.3.2 Die Vorschrift korrespondiert im Übrigen mit § 5 Abs. 1 AFBG, wonach grundsätzlich nur die Teilnahme an Maßnahmen, die im Inland durchgeführt werden, förderfähig ist. Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz geht nach seiner Konzeption und Systematik von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten der Förderung von Ausbildungen im Inland aus. § 5 Abs. 2 AFBG schränkt den Grundsatz des Absatzes 1 dadurch ein, dass er ausnahmsweise und nur unter bestimmten Voraussetzungen auch Fortbildungsmaßnahmen, die im Ausland durchgeführt werden, als förderfähig erklärt. Die Regelung ist zukunftsorientiert und zielt vor allem auf neue Fortbildungsberufe mit internationaler Prägung, z.B. im IT-Bereich, in denen die Vorbereitung auf einen Fortbildungsabschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AFBG weitgehend oder sogar vollständig bei einem Lehrgangsanbieter im europäischen Ausland erfolgen kann, wobei Voraussetzung ist, dass dieser Auslandsaufenthalt in entsprechenden Kooperationsvereinbarungen der zuständigen Prüfungsstellen vorgesehen ist (BT-Drs. 16/10996 S. 23 – zu Nr. 4 -) (Schubert/Schaumberger, a.a.O., § 5).
1.3.3 Insoweit hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne des § 5 Abs. 2 AFBG zu Recht verneint, da für eine entsprechende Vereinbarung der in Deutschland und Österreich für die Fortbildungsprüfungen zuständigen Stellen nichts ersichtlich ist. Als eine solche bilaterale Vereinbarung im Sinne des § 5 Abs. 2 AFBG kann die Verordnung vom 13. November 2007 über die Gleichstellung der in den jeweiligen Ländern erworbenen Prüfungszeugnisse nicht angesehen werden. Die lediglich formale Gleichstellung der im jeweiligen Land erworbenen Berufsabschlüsse spricht gerade dafür, dass die Prüfung selbst nach der jeweiligen Prüfungsordnung des Landes Österreich bzw. Deutschland abgelegt wird. Dies ergibt sich auch ausdrücklich aus der bereits genannten Feststellung in der „Gemeinsamen Erklärung“. Daraus folgt zugleich, dass der vom Kläger in Österreich durchgeführte Lehrgang allein dem Erwerb einer Fortbildungsqualifikation nach österreichischen Prüfungsvorschriften gedient hat. Diese kann nach alledem selbst dann nicht gefördert werden, wenn die Qualifikation als ein mit dem Fortbildungsziel in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG gleichwertiger Abschluss anerkannt ist (vgl. hierzu auch OVG NRW Beschluss v. 22.6.2010, 12 A 2303/08, juris).
1.4 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 der Grundrechtscharta (EUGRCh) nicht ersichtlich ist. Das Recht auf Bildung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 EUGRCh beinhaltet nicht zugleich einen Anspruch auf Förderung im Sinne des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass Art. 14 Abs. 2 EUGRCh ausdrücklich lediglich das Recht zur unentgeltlichen Teilnahme am Pflichtschulunterricht regelt, so dass im Umkehrschluss das Recht auf Bildung und Zugang nicht zugleich einen Anspruch auf Finanzierung jeglicher Aus- und Weiterbildung bedeutet.
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV war deshalb ebenso wenig angezeigt wie eine Richtervorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Alle aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich ohne weiteres anhand des Gesetzes beurteilen. Ein fallübergreifender, die Annahme grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigender Bezug fehlt, wenn – wie hier – die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen allein von den tatsächlichen Umständen des konkreten Einzelfalls abhängt (BVerwG, Beschluss v. 30.3.2005 – 1 B 11/05 – NVwZ 2005, 709) und diese sich deshalb einer allgemein gültigen Beurteilung entziehen.
3. Da weitere Zulassungsgründe nicht geltend gemacht worden sind, hat der Zulassungsantrag mithin insgesamt keinen Erfolg.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO.
Mit dieser Entscheidung wird das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2018 rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
5. Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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