Aktenzeichen 11 ZB 17.31902
Leitsatz
Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG erfordert, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 9 K 17.34319 2017-10-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 72). Ist die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass für jeden dieser Gründe die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind (Kopp/ Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124a Rn. 7). Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. OVG NW, B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris m.w.N.).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag nicht. Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob er mit einer erneuten Inhaftierung oder Bestrafung rechnen muss, weil er noch vor Vollendung des 28. Lebensjahrs und damit noch während des Bestehens der Wehrpflicht ausgereist ist und ob insbesondere Tschetschenen mit einer besonderen Bestrafung zu rechnen haben. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob ein Fluchtgrund auch darin bestehen könne, dass dem Kläger während einer Inhaftierung Folter drohe. Es sei auch die Frage zu klären, ob es innerhalb der Russischen Föderation „überhaupt Alternativen“ gebe. Vorsorglich sei auch zu prüfen, ob das vom Kläger geschilderte Krankheitsbild Berücksichtigung zu finden habe. Darüber hinaus sei auch zu klären, ob russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland staatlich verfolgt würden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt haben und ob tschetschenische Volkszugehörige nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt seien und besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren. Weiterhin sei die Frage zu klären, ob der legale Zuzug durch Verwaltungsvorschriften erschwert werde.
Damit werden zum einen teilweise keine grundsätzlichen Fragen formuliert, sondern nur die Bewertung der individuellen Umstände durch das Verwaltungsgericht angegriffen. Zum anderen wird bei keiner der Fragen hinreichend aufgezeigt, weshalb sie im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sein soll und worin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht.
Das Verwaltungsgericht hat in dem Gerichtsbescheid, auf den es mit dem angegriffenen Urteil nach § 84 Abs. 4 VwGO verwiesen hat, nach § 77 Abs. 2 AsylG auf den angegriffenen Bescheid vom 10. Mai 2017 verwiesen. In dem Bescheid hat das Bundesamt festgestellt, dass die Angaben des Klägers nicht glaubhaft seien. Darüber hinaus hat es mit Hinweis auf zahlreiche Erkenntnismittel umfangreiche Ausführungen zum Wehrdienst in der Russischen Föderation, zu Möglichkeiten eines Ersatzdienstes und einer möglichen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung gemacht und ist dann zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger eine solche Bestrafung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohe. Damit setzt sich der Kläger in seinem Berufungszulassungsantrag auch nicht ansatzweise auseinander. Er nennt auch keine Erkenntnismittel, die seine Auffassung, ihm drohe wegen Wehrdienstentziehung oder der Asylantragstellung im Ausland eine Bestrafung, stützen würden, sondern er macht nur Ausführungen zur Lage in russischen Gefängnissen und in den Streitkräften. Das Verwaltungsgericht ist aber davon ausgegangen, dass ihm weder eine Einberufung noch eine Gefängnisstrafe droht.
Im Übrigen wird auf die Entscheidung des Senats vom 7. Januar 2015 (11 B 12.30471 – juris) verwiesen. Der Kläger hat die Russische Föderation zwar noch vor Vollendung seines 27. Lebensjahrs im Jahr 2016 verlassen, es lagen zum damaligen Zeitpunkt angesichts seiner Erkrankung an Epilepsie aber wohl die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Wehrdienst vor und eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung wäre nicht zu erwarten (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 28 f.), selbst wenn er tatsächlich einberufen worden wäre. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger überhaupt militärisch erfasst worden ist, was regelmäßig in dem Jahr erfolgt, in dem das 17. Lebensjahr vollendet wird (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 27) und wovon er in seiner Anhörung vor dem Bundesamt nichts berichtet hat, und ob er tatsächlich so kurz vor Vollendung des 27. Lebensjahrs einberufen worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigen kommt nicht in Betracht, da die Rechtssache keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).