Aktenzeichen 12 ZB 18.2462
VwGO § 124
Leitsatz
1. Der Rückgriff auf die Feststellungsklage ist aufgrund der Subsidiaritätsklausel (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO) rechtswegübergreifend gesperrt, wenn das Anliegen mit einer anderen Klageart unmittelbarer, sachnäher oder wirksamer verfolgt werden kann (vgl. BVerwG BeckRS 2000, 30122120). (redaktioneller Leitsatz)
2. Sinn und Zweck des § 42d Abs. 4 SGB VIII ist es, das Altsystem des Abrechnungsverfahrens im Sinne von § 89d Abs. 3 SGB VIII aF final zu beenden, zur Abrechnung zu bringen und sämtliche Ansprüche endgültig durchzusetzen (vgl. hierzu Umsetzungshinweise „Kostenerstattung nach der Übergangsregelung des § 42d SGB VIII“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen vom 9. Dezember 2015). Die Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 S. 1 SGB VIII ist insoweit eine – „zusätzliche“ – Frist, die selbständig zu den nach der Gesetzeslage bereits bestehenden Ausschlussfristen (§ 111 SGB X) hinzutritt. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 K 17.155 2018-09-18 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 61.192,73 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt, die verwaltungsgerichtliche Feststellung zu erwirken, der Beklagte sei zur Erstattung der für die vollstationäre Unterbringung des Hilfeempfängers R.M. im Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. August 2013 entstandenen Kosten verpflichtet, hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zu erreichen, im vorgenannten Zeitraum erbrachte Jugendhilfeleistungen in Höhe von 61.192,73 € zu erstatten, bleibt ohne Erfolg. Zulassungsgründe liegen – soweit überhaupt den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt – nicht vor.
1. a) Die angefochtene Entscheidung begegnet – jedenfalls im Ergebnis (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO analog) – keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage nicht statthaft ist.
aa) Der Rückgriff auf die Feststellungsklage ist aufgrund der Subsidiaritätsklausel (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) rechtswegübergreifend gesperrt, wenn das Anliegen mit einer anderen Klageart unmittelbarer, sachnäher oder wirksamer verfolgt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3.00 -, BVerwGE 111, 306 [308 f.]; U.v. 7.9.1989 – 7 C 4.89 -, Buchholz 415.1 Kommunalrecht Nr. 93 S. 55 f.; U.v. 25.4.1996 – 3 C 8.95 -, 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12 S. 18 f.). Eine Ausnahme hiervon besteht auch bei Feststellungsklagen gegen die öffentliche Hand (siehe hierzu BVerwG, U.v. 27.10.1970 – VI C 8.69 -, BVerwGE 36, 179 [182]; U.v. 12.7.2000 – 7 C 3.00 -, BVerwGE 111, 306 [311]; U.v. 5.12.2000 – 11 C 6.00 -, BVerwGE 112, 253 [256]; U.v. 22.02.2001 – 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61 [63]) nur dann, wenn die erstrebte Feststellung typischer Weise geeignet ist, den zwischen den Beteiligten bestehenden Streit endgültig auszuräumen (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 C 21.12 -, BVerwGE 148, 146 [150] Rn.18; U.v. 26.03.2015 – 7 C 17.12 -, BVerwGE 152, 1 [2 f.] Rn. 17; siehe auch Wysk, in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 43 Rn. 48 a.E.; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 41, 43; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 43 Rn. 26, 28; Glaser, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 43 Rn. 71).
bb) Dies indes ist vorliegend nicht der Fall, weil sich weder aus dem in der Hauptsache gestellten Klageantrag noch aus der vorgetragenen Begründung Ausführungen zur Kostenhöhe ergeben, der Beklagte seinerseits auf eine erhebliche Kostensteigerung gegenüber früheren Abrechnungszeiträumen hingewiesen hat und infolge dessen nicht davon ausgegangen werden kann, dass weitere Folgeverfahren vermieden und der Streit allein durch die in der Hauptsache erhobene Feststellungsklage endgültig ausgeräumt hätte werden können. Der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage steht daher der Gesichtspunkt der Rechtsschutzeffektivität entgegen. Die zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen konnten – namentlich hinsichtlich der Anspruchshöhe – nicht allein durch ein Feststellungsurteil geklärt werden (vgl. BVerwG, U.v. 26.03.2015 – 7 C 17.12 -, BVerwGE 152, 1 [2 f.] Rn. 17; siehe auch Glaser, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 43 Rn. 71). Eine Bezifferung der Forderung war der Klägerin aufgrund des bereits abgeschlossenen Hilfefalles auch ohne weiteres möglich (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 5.12.2000 – 11 C 6.00 -, BVerwGE 112, 253 [256]). Damit stand eine andere, sachnähere und wirksamere Klageart, nämlich die Leistungsklage, zur Verfügung. Im Vergleich zu dieser bot die Feststellungsklage keine gleichwertige Rechtsschutzform (vgl. BVerwG, U.v. 22.02.2001 – 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61 [63]; U.v. 16.10.2013 – 8 C 21.12 -, BVerwGE 148, 146 [150] Rn.18).
Die in der Hauptsache erhobene Feststellungsklage ist daher – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – mangels Statthaftigkeit unzulässig. Die Klägerin hätte das von ihr verfolgte Klageziel, die Erstattung der von ihr für den Zeitraum 1. Juli 2012 bis 31. August 2013 aufgewendeten Kosten zu erreichen, mit einer Leistungsklage verfolgen müssen. Ob es darüber hinaus zugleich auch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Feststellungsklage fehlt, wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, ist demgegenüber ohne Bedeutung.
cc) Ungeachtet dessen fehlte es der in der Hauptsache erhobenen Feststellungsklage – allerdings ohne dass es hierauf vorliegend noch entscheidungserheblich ankommen würde – zugleich auch an der Begründetheit; denn die Klägerin hat weder im Klage- noch im Berufungszulassungsverfahren dargelegt, dass sie die Ausschlussfrist der Übergangsregelung des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gewahrt hat. Ebenso wenig ist dies sonst ersichtlich.
(1) Nach dieser Regelung ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ab dem 1. August 2016 ausgeschlossen. Fallkosten, die vor diesem Zeitpunkt entstanden waren, mussten deshalb spätestens bis zum 31. Juli 2016 geltend gemacht werden. Nach diesem Zeitpunkt ist eine Erstattung der vor dem 1. November 2015 entstandenen Kosten ausgeschlossen (vgl. BT-Drs. 18/5921, S. 28; siehe hierzu auch Wiesner/Loos, SGB VIII, Nachtragskommentierung Dezember 2015, § 42d N9; Kepert/Dexheimer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 42d Rn. 5; Bohnert, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 42d Rn. 7; Kirchhoff, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB VIII, 2014, § 42d Rn. 18 und 18.1).
Sinn und Zweck des § 42d Abs. 4 SGB VIII ist es, das Altsystem des Abrechnungsverfahrens im Sinne von § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. final zu beenden, zur Abrechnung zu bringen und sämtliche Ansprüche endgültig durchzusetzen (vgl. hierzu Umsetzungshinweise „Kostenerstattung nach der Übergangsregelung des § 42d SGB VIII“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen vom 9. Dezember 2015; siehe auch aktualisierte Fassung vom 14. April 2016, JAmt 2016, 302). Die Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ist insoweit eine – „zusätzliche“ (!) – Frist, die selbständig zu den nach der Gesetzeslage bereits bestehenden Ausschlussfristen (§ 111 SGB X) hinzutritt (vgl. Umsetzungshinweise „Kostenerstattung nach der Übergangsregelung des § 42d SGB VIII“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen vom 9. Dezember 2015; aktualisierte Fassung vom 14. April 2016, JAmt 2016, 302; siehe auch Kirchhoff, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, Rn. 18.1).
Zur Wahrung dieser neuen zusätzlichen Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII genügt es deshalb nicht, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 19.8.2010 – 5 C 14/09 -, BVerwGE 137, 368 [374 ff.] Rn. 22; siehe auch Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 111 Rn. 13) beachtet wurde, nach der ein Darlegen in allen Einzelheiten, namentlich eine Bezifferung der Kostenerstattungsforderung nicht geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2003 – 5 C 18/02 -, FEVS 54, 495 [498]; BSG, U.v. 22.8.2000 – B 2 U 24/ 99 R -, FEVS 52, 145 [147]) und es maßgeblich auf eine bedarfsorientierte Gesamtbetrachtung, nicht aber auf die jeweiligen Einzelleistungen ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 5 C 9/15 -, BVerwGE 154, 1 [6] Rn. 14 f.; U.v. 27.4.2017 – 5 C 8/16 -, NVwZ-RR 2017, 787 [788] Rn. 12). Vielmehr war, dem Sinn und Zweck des § 42d Abs. 4 SGB VIII entsprechend, das Altsystem des Abrechnungsverfahrens final zu beenden, bis zum Ablauf des 31. Juli 2016 gegenüber dem Erstattungspflichtigen überörtlichen Träger über den geltend gemachten Anspruch konkret „Rechnung zu legen“ (so auch ausdrücklich die beide Verfahrensbeteiligte bindenden Umsetzungshinweise „Kostenerstattung nach der Übergangsregelung des § 42d SGB VIII“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen vom 9. Dezember 2015), jedenfalls soweit dies bereits rechtlich und tatsächlich möglich war.
Die Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII tritt – wie erwähnt – zusätzlich und selbständig neben § 111 SGB X, ohne diesen zu verdrängen, und verfolgt insoweit eine andere Zielrichtung. Während § 111 SGB X den Zweck verfolgt, den erstattungspflichtigen Träger innerhalb kurzer Zeit nach der Leistungserbringung darüber in Kenntnis zu setzen, welche Ansprüche auf ihn zukommen, um gegebenenfalls entsprechende Rückstellungen bilden zu können, zielt § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII allein darauf ab, die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen aus dem „Altverfahren“ nach § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. durch Setzen einer einheitlichen Frist von „neun Monaten nach Inkrafttreten“ des Gesetzes endgültig auszuschließen (vgl. BT-Drucks. 18/5921, S. 28), indem er einen klaren Übergang zwischen Neu- und Altverfahren normiert, das Abrechnungsverfahren nach § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. final beendet und noch offene Anspruche zur endgültigen Abrechnung und Durchsetzung bringt (vgl. VG Mainz, U.v. 3.7.2018 – 1 K 1463/17.MZ – juris, Rn. 31 m.w.N.). Diese Zielsetzung schließt es – anders als etwa im Anwendungsbereich des § 111 SGB X – aus, auf eine konkrete Bezifferung der Kostenforderung zu verzichten, sofern eine solche bis zum 31. Juli 2016 bereits tatsächlich und rechtlich möglich war. Denn ohne Bezifferung ist eine Abrechnung grundsätzlich nicht möglich.
Ein (unbeziffertes) Geltendmachen des Anspruchs durch unbedingtes Einfordern der Leistung, namentlich durch (erneute) Übermittlung des bereits bisher verwendeten Antragsformulars B2, das als Teil der „Empfehlungen zur Kostenerstattung gemäß § 89d SGB VIII, 2. Auflage“ der BAG Landesjugendämter in ihrer 100. Arbeitstagung vom 5. bis 7 April 2006 in Düsseldorf beschlossen wurde (vgl. hierzu Umsetzungshinweise „Kostenerstattung nach der Übergangsregelung des § 42d SGB VIII“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, aktualisierte Fassung vom 14. April 2016, JAmt 2016, 302) kann im Lichte des Gesetzeszwecks, das Abrechnungsverfahren nach § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. final zu beenden, die Ansprüche abzurechnen und endgültig durchzusetzen, nur dann genügen, wenn eine Bezifferung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (ausnahmsweise) noch nicht möglich war. (Nur) in diesen Ausnahmefällen konnte die (erneute) Übermittlung des Antragsformulars B2 genügen.
Dies lässt sich anhand der bekannten Auslegungstechniken ohne Weiteres aus dem Gesetz selbst, insbesondere aber in Verbindung mit den hierzu ergangenen, die Verfahrensbeteiligten unmittelbar bindenden Umsetzungshinweise des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen vom 9. Dezember 2015 und 14. April 2016, entnehmen (vgl. zur Bindung von Verwaltungsvorschriften näher Roos, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 6 m.w.N.), ohne dass insoweit neue Rechtssätze aufgestellt oder eine weitere Klärungsbedürftigkeit begründet würde (vgl. hierzu Dietz, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 124 Rn. 33; Roth, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 2014 § 124a Rn. 74), die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machte.
(2) Vorliegend hat die Klägerin dem Beklagten gegenüber letztmalig mit Schreiben vom 26. Juli 2012 überhaupt Jugendhilfeleistungen abgerechnet, obwohl der Hilfefall zum Zeitpunkt der Klageerhebung (30.10.2015) bereits vollständig abgeschlossen war und die entstandenen Kosten hätten konkret beziffert werden können. Eine Wahrung der – „zusätzlichen“ (!) – Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII durch konkrete Rechnungslegung vor Ablauf des 31. Juli 2016 ist nach Aktenlage nicht ersichtlich. Ebenso wenig wurde eine erneute Übermittlung des Antragsformulars B2 vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII nachgewiesen. Die Klägerin räumt im Berufungszulassungsverfahren auch ausdrücklich ein, die Kosten für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. August 2013 seien im Zeitpunkt der Klageerhebung (30.10.2015) noch nicht vom Beklagten angefordert worden. Nach Aktenlage erfolgte eine bezifferte Anforderung tatsächlich erstmals mit Schreiben der Klägerin vom 30. April 2018 in Gestalt des hilfsweise erhobenen Leistungsantrags und damit deutlich nach Ablauf der Ausschlussfrist (31.7.2016). Angesichts des mit der Übergangsregelung des § 42d Abs. 4 SGB VIII verfolgten Zwecks, das Altsystem des Abrechnungsverfahrens im Sinne von § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. final zu beenden, sämtliche Ansprüche zur Abrechnung zu bringen und endgültig durchzusetzen, durfte die Klägerin es jedoch nicht dabei belassen, lediglich eine Hemmung der Verjährung mittels Feststellungklage zu erwirken, ohne die vom Gesetzgeber eingeführte Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB X zu beachten und ihre Ansprüche – was ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre – konkret zu beziffern und gegebenenfalls mit der Leistungsklage geltend zu machen.
Die Anforderungen des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB X waren der Klägerin auch aufgrund der ihr Verwaltungshandeln bindenden Umsetzungshinweise „Kostenerstattung nach der Übergangsregelung des § 42d SGB VIII“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen vom 9. Dezember 2015, welche sie selbst in das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingeführt hat (vgl. Bl. 24 f. d. VG-Akte), bekannt. Auch wenn diese Umsetzungshinweise erst nach Klageerhebung (30.10.2015) ergingen, hätte die Klägerin ihre Interessen doch gleichwohl noch während des bereits laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bis zum Ablauf der Ausschlussfrist am 31. Juli 2016 durch rechtzeitigen Übergang zur Leistungsklage wahren können. Der Umstand, dass dies nicht geschehen ist, wurzelt in ihrem ausschließlichen Verantwortungsbereich.
Die in der Hauptsache erhobene Feststellungsklage entbehrt damit nicht nur der Zulässigkeit – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat -, sondern mangels Beachtung der Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII zugleich auch der Begründetheit. Jede andere Sichtweise müsste den Zweck des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, das Altverfahren im Sinne von § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. final zu beenden, sämtliche Ansprüche endgültig zur Abrechnung zu bringen und durchzusetzen, verfehlen. Eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts betreffend die in der Hauptsache erhobene Feststellungsklage kommt daher unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt in Betracht.
b) Gleiches gilt auch im Hinblick auf den erstmalig mit Schriftsatz vom 30. April 2018 hilfsweise geltend gemachten Leistungsantrag.
aa) Insoweit liegt zwar – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – keine unzulässige Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO vor. Als Änderung der Klage ist es gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nämlich nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes lediglich der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Dies ist vorliegend der Fall. Eine Klageänderung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn – wie hier – nur von der Feststellungsklage zur Leistungsklage übergegangen wird (vgl. BVerwG, B.v. 13.10.1987 – 4 B 211/87 -, DÖV 1988, 224; siehe auch Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 15).
bb) Allerdings vermag auch dieser Gesichtspunkt die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu erwirken. Die Klägerin lässt insoweit unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht die Abweisung des hilfsweise geltend gemachten Leistungsantrags nicht nur auf die (vermeintliche) Unzulässigkeit der Eventualklagehäufung, sondern in der Sache tragend zugleich auch auf Verjährung gestützt und damit (auch) von der Unbegründetheit dieses Antrages ausgegangen ist (vgl. Ziff. 4b der angefochtenen Entscheidung).
Ist das Urteil des Verwaltungsgerichts – wie hier – auf mehrere selbständig (kumulativ: „sowohl deshalb als auch deshalb“) tragende Gründe gestützt (sog. „Mehrfachbegründung“), so sind Zulassungsgründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes darzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2016 – 9 B 54/15 -, NVwZ 2017, 568 Rn. 9; BayVGH, B.v. 30.10.2003 – 1 ZB 01.1961 -, NVwZ 2004, 391; siehe auch Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 61).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht, weil sie sich lediglich zur Zulässigkeit der Klageänderung (vgl. Ziff. 3 der angefochtenen Entscheidung), nicht aber zur Frage der Verjährung (vgl. Ziff. 4b) des hilfsweise geltend gemachten Leistungsantrags und damit zugleich auch zu dessen vom Verwaltungsgericht ebenfalls festgestellten Unbegründetheit verhält (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Der Rechtsmittelführer ist stets verpflichtet, sowohl die Abweisung als unzulässig als auch die Abweisung als unbegründet mit Zulassungsrügen anzugreifen. Letzteres ist vorliegen unterblieben. Eine Zulassung der Berufung kann daher nicht erfolgen (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 100; § 124a Rn. 196).
cc) Ungeachtet dessen stünde einer Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – allerdings ohne dass es infolge des festgestellten Darlegungsmangels noch entscheidungserheblich hierauf ankommen würde – zugleich auch der Umstand entgegen, dass die Leistungsklage mangels Wahrung der Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII (vgl. hierzu bereits oben) ebenfalls unbegründet ist, wovon das Verwaltungsgericht – jedenfalls im Ergebnis – zutreffend ausgegangen ist, denn die Leistungsklage hätte spätestens bis zum Ablauf des 31. Juli 2016 erhoben werden müssen.
Dass der Beklagte der Klägerin gegenüber bereits mit Schreiben vom 28. Februar 2012 (vgl. Bl. 95 d. Behördenakte) zugesichert hatte, die Aufwendungen für den Hilfeempfänger R.M. ab dem 31. Dezember 2011 bis längstens 30. Dezember 2014 zu erstatten, steht dem nicht entgegen. Diese Zusicherung ist auf der Grundlage der damaligen Rechtslage erfolgt. Die Übergangsregelung des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII begründet demgegenüber neue – selbständige und zusätzliche – Anforderungen in Gestalt einer Ausschlussfrist (§ 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII), die die Klägerin zusätzlich zu beachten hatte. Der Beklagte ist nach erfolglosem Verstreichen der Ausschlussfrist an diese Zusicherung gemäß § 34 Abs. 3 SGB X nicht mehr gebunden (vgl. hierzu Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 34 Rn. 18), weil die Geschäftsgrundlage der Zusicherung – der Fortbestand der in § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. getroffenen Regelung – entfallen ist.
Eines (weiteren) ausdrücklichen Hinweises auf die mögliche Maßgeblichkeit auch dieses Gesichtspunkts (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542 [543]; BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 -, NVwZ 2006, 683 [684 f.]; B.v. 15.2.2011 – 1 BvR 980/07 -, NVwZ-RR 2011, 460 [461]) bedurfte es – ungeachtet der fehlenden Entscheidungserheblichkeit für die Nichtzulassung der Berufung – vorliegend nicht. Die Frage der Wahrung der Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII war bereits Gegenstand der Erörterungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und auch in der angefochtenen Entscheidung selbst (vgl. S. 6), sodass sich die Klägerseite hierauf rechtzeitig einstellen konnte, zumal sie die insoweit maßgeblichen Umsetzungshinweise des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen vom 9. Dezember 2015 selbst in das Verfahren eingeführt hat (vgl. Bl. 24f. d. VG-Akte). Sind dem Kläger die eine anderweitige Ergebnisrichtigkeit begründenden Tatsachen jedoch bereits bekannt, so bedarf es keiner erneuten Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn das Berufungsgericht den Antrag (auch) aus eben diesem Grunde ablehnen will (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2003 – 22 ZB 03.2602 -, NVwZ-RR 2004, 223; B.v. 17.11.2015 – 12 ZB 15.1191 -, BayVBl. 2016, 448 [455 f.] Rn.58).
Auf die vom Verwaltungsgericht weiterhin problematisierte Frage, ob der Leistungsanspruch zugleich auch verjährt wäre, kommt es demgegenüber entscheidungserheblich nicht mehr an. Die Klägerin hat die Leistungsklage verspätet – nämlich erst nach Ablauf der Ausschlussfrist am 31. Juli 2016 – erhoben, obwohl ihr eine Bezifferung bereits zu diesem Zeitpunkt möglich und zumutbar gewesen wäre. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verlangt nicht, die Berufung wegen einzelner Begründungsmängel zuzulassen, die für den Ausgang des Berufungsverfahrens und damit für das Ergebnis des Prozesses erkennbar ohne Bedeutung bleiben werden (vgl. BVerwG, B.v. 10.3. 2004 – 7 AV 4/07 -, NVwZ-RR 2004, 542 [543]; BVerfG, B.v. 24.1.2007 – 1 BvR 382/05 -, NVwZ 2007, 805 [806]; BayVGH, B.v. 6.11.2003 – 22 ZB 03.2602 -, NVwZ-RR 2004, 223; B.v. 17.11.2015 – 12 ZB 15.1191 -, BayVBl. 2016, 448 [449] Rn. 17).
2. Ebenso wenig kommt eine Zulassung der Berufung unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Annahme der Klägerin keinen eigenen Rechtssatz aufgestellt, der von einem ebensolchen des Bundesverwaltungsgerichts abweichen würde. Es hat vielmehr – im Gegenteil – ausführlich und in Übereinstimmung mit der weiteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend dargelegt (vgl. hierzu oben), weshalb die von der Klägerin ins Feld geführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vorliegend nicht einschlägig sind. Eine (vermeintlich) unrichtige oder unterbliebene Anwendung maßgeblichen Rechts begründet – mangels Aufstellens eines abweichenden Rechtssatzes – keine Divergenz (vgl. BVerwG, B.v. 12.4.2006 – 8 B 91/05 -, NJW 2006, 2058 Rn. 3; B.v. 5.12.2008 – 9 B 28/08 -, NVwZ 2009, 320 [321] Rn.13; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 159).
3. Weitere Zulassungsgründe hat die Klägerin nicht geltend gemacht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist deshalb insgesamt abzulehnen. Damit wird die angefochtene Entscheidung rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nicht gerichtskostenfrei (§ 188 Satz 2 VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.
5. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).