Verwaltungsrecht

Ausweisung aufgrund von Straftaten

Aktenzeichen  M 4 K 16.1797

Datum:
7.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 3, § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1
EMRK EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Anders als im Verwaltungsprozess nach § 67 Abs. 3 S. 2 VwGO besteht keine Verpflichtung der Behörde, den Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, sondern die Entscheidung steht in ihrem Ermessen (vgl. Art. 41 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG). Bei fehlender aktueller Bevollmächtigung ist jedoch Art. 41 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG schon nicht einschlägig. (redaktioneller Leitsatz)
2. Materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisung aufgrund der Wiederholungsgefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten bezüglich einer Verletzung der Rechtsgüter des Eigentums und der körperlichen Unversehrtheit unter anderem wegen fehlender abgeschlossener Therapie des Klägers hinsichtlich seiner Drogenproblematik, die jedoch Voraussetzung für das Entfallen einer Wiederholungsgefahr wäre (vgl. BayVGH BeckRS 2016, 40758; BayVGH BeckRS 2015, 56386). (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG überwiegt bei Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien sowie aller sonstigen Umstände des Einzelfalls das öffentliche Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers, da insbesondere negativ ins Gewicht fällt, dass der Kläger bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist, sich die Straftaten mit der Zeit in ihrer Intensität deutlich steigerten und er auch in der Haft mehrfach disziplinarisch in Erscheinung trat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist unzulässig, da sie verspätet erhoben wurde und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen.
1. Die Klage wurde verspätet erhoben.
a) Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:nach § 58 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- versehene Bescheid wurde dem Kläger ausweislich des bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses am 11. März 2016 ausgehändigt. Die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO begann somit gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Fall 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- am 12. März 2016 zu laufen und endete mit Ablauf des 11. April 2016. Die am 19. April 2016 bei Gericht eingegangene Klage wurde somit nicht fristgemäß erhoben.
b) Daran vermag auch die Bevollmächtigung der Rechtsanwältin des Klägers aus dem Jahr 2013 nichts zu ändern, denn der Bescheid war vorliegend an den Kläger zuzustellen.
Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz -BayVwVfG- ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann die Bekanntgabe nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG ihm gegenüber vorgenommen werden. Anders als im Verwaltungsprozess nach § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO besteht daher keine Verpflichtung der Behörde, den Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten bekannt zu geben. Vielmehr steht die Entscheidung darüber, wem gegenüber bekannt gegeben wird, im Ermessen der Behörde. Nach pflichtgemäßen Ermessen wird allerdings in der Regel eine Bekanntgabe an den Bevollmächtigten vorzunehmen sein, wenn dieser auch im übrigen Verwaltungsverfahren tätig war (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 41 Rn. 34 f. m. w. N.).
Vorliegend ist Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG jedoch schon nicht einschlägig, da der Kläger bei Erlass des Bescheids keine aktuell Bevollmächtigte hatte. Die Bevollmächtigte des Klägers hatte sich im streitgegenständlichen Verwaltungsverfahren noch nicht gegenüber der Beklagten als Bevollmächtigte angezeigt und war auch sonst, beispielsweise im Rahmen der Anhörung, nicht vorher aufgetreten. Auch war sie für das streitgegenständliche Verwaltungsverfahren nicht aufgrund der Bevollmächtigung vom … Februar 2013 bevollmächtigt. Denn eine Vollmacht gilt grundsätzlich nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, für das sie erteilt wurde, sofern sich aus der Vollmachtsurkunde nichts anderes ergibt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 14 Rn.19). Die streitgegenständliche Ausweisung stellt vorliegend ein neues Verwaltungsverfahren dar, für das die alte Bevollmächtigung nicht fortwirkte. Die Vollmacht vom … März 2013 wurde von ihrem Zeitpunkt her offensichtlich im Rahmen der damaligen ausländerrechtlichen Verfahren betreffend den Antrag des Klägers auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (in dessen Rahmen auch ein Mitarbeiter der Bevollmächtigten vorsprach) und gegebenenfalls noch bezüglich der in Betracht gezogenen Ausweisung erteilt. Diese fanden jedoch jeweils ihren Abschluss mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bzw. ausländerrechtlichen Verwarnung durch die Beklagte. Auch aus dem Wortlaut der Vollmachtsurkunde ergibt sich insofern nichts Abweichendes. Auch sie spricht im Singular von „allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen“, so dass sich auch daraus nicht ableiten lässt, dass eine Vollmacht für mehrere Verwaltungsverfahren erteilt wurde.
Auf die Frage, ob durch eine elektronische Übergabe von Behördenakten, die einen Bescheid enthalten, eine Bekanntgabe erfolgen kann, kommt es insofern nicht mehr an.
2. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht gemäß § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung -ZPO- glaubhaft gemacht, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die Klagefrist einzuhalten. Für das Verschulden ist darauf abzustellen, ob der Kläger diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmende Prozessführenden geboten und ihm nach den gesamten Umständen des Falles zuzumuten war (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 60 Rn. 9). Ein Verschulden seines Bevollmächtigten muss ein Kläger sich gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Vorliegend ist eine unverschuldete Versäumung der Klagefrist in diesem Sinne nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem Schreiben der Bevollmächtigten vom 16. März 2016, dass sie wusste, dass ein Bescheid „wohl“ im Raum stand. Spätestens bei der Übergabe der Behördenakten in elektronischer Form hätte es daher der anwaltlichen Sorgfaltspflicht entsprochen, die Akten auf einen bereits bekanntgegebenen Bescheid hin zu prüfen und hinsichtlich des Bekanntgabetermins Rücksprache mit dem Kläger zu halten.
II.
Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt, ist die Klage jedenfalls auch unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2016 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U. v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht hat die behördliche Entscheidung der Beklagten unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts am 7. Februar 2017 zu überprüfen. Die bereits am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl I. S. 1386) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar. Demnach ist eine Ausweisung rechtmäßig, wenn der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (BayVGH, B. v. 24.2.2016 – 10 ZB 15.2080 – juris Rn. 8).
Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs materiell rechtmäßig, weil die Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unerlässlich ist.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U. v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadenshöhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U. v. 10.7.2012, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit für eine erneute Verletzung der Rechtsgüter des Eigentums und der körperlichen Unversehrtheit besteht. Vorliegend ist von einer Wiederholungsgefahr insbesondere deshalb auszugehen, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung hinsichtlich seiner Drogenproblematik keine abgeschlossene Therapie vorweisen kann, die jedoch Voraussetzung für das Entfallen einer Wiederholungsgefahr wäre (vgl. BayVGH, B. v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 17; B. v. 26.11.2015 – 10 ZB 14.1800 – juris Rn. 7 m. w. N.). Auch der Führungsbericht vom 1. Februar 2017 geht von einer negativen Prognose hinsichtlich eines künftig straffreien Lebens seitens des Klägers aus. Dafür spricht nach Ansicht des Gerichts auch, dass der Kläger nach Haftentlassung in sein gewohntes Umfeld zurückkehren würde, das ihn auch im Vorfeld nicht von der Begehung seiner zahlreichen Vorstrafen abgehalten hat. Zudem hat der Kläger es selbst in der Haft nicht geschafft, diese ohne disziplinarische Verfehlungen abzuleisten. Auch dies spricht gegen eine zu erwartende künftige Rechtstreue des Klägers.
2. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung überwiegt.
a) Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG u. a. dann besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist. Die Verurteilung des Klägers zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten liegt sogar deutlich über dieser Grenze.
b) Dem steht kein Bleibeinteresse des Klägers nach § 54 AufenthG gegenüber. Insbesondere war der Kläger zum Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Das Gericht sieht insofern keinen Grund, wieso die Beklagte verpflichtet gewesen hätte sein sollen, den Kläger im Vorfeld auf den Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis hinzuweisen. Der Kläger bemühte sich auch in der Vergangenheit bereits mehrmals um die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und kannte daher das Verfahren. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte in vergleichbaren Fällen stets eine Aufforderung ausgesprochen hätte.
c) Das Vorliegen eines in § 54 AufenthG normierten Ausweisungsinteresses, dem kein Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG gegenübersteht, führt nicht ohne weiteres zur Ausweisung des Betroffenen. Es muss anhand einer Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden, ob das Interesse an der Ausweisung letztlich überwiegt. Insbesondere hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern durch das Einfügen der Wörter „sowie die Tatsache, ob der Ausländer sich rechtstreu verhalten hat“ in § 53 Abs. 2 AufenthG klargestellt, dass sich rechtstreues Verhalten zugunsten und nicht rechtstreues Verhalten zu Lasten des Ausländers in der Abwägung auswirken kann (BT-Drs. 18/7537, S. 5; hierzu BayVGH, B. v. 21.3.2016 – 10 ZB 15.1968 – juris Rn. 13).
Bei dieser Abwägung überwiegt bei Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien sowie aller sonstigen Umstände im Fall des Klägers das öffentliche Interesse an der Ausreise sein Bleibeinteresse. Insbesondere fällt negativ ins Gewicht, dass der Kläger nicht zum ersten Mal straffällig wurde, sondern bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist und sich die Straftaten mit der Zeit in ihrer Intensität auch deutlich steigerten. Auch in der Haft trat der Kläger mehrfach disziplinarisch in Erscheinung.
Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger zuzumuten, sich auch nach seinem mehrjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Existenz in seinem Heimatland aufzubauen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger wieder in die Verhältnisse in seinem Heimatland wird einleben können. Dort hat er einen großen Teil seines Lebens verbracht; zudem ist er im Jahr 2014 auch mehrmals nach Kuba gereist, sodass ihm das Land aktuell nicht fremd ist. Der Kläger verfügt dort auch über Familie, die über seinen alkoholkranken Vater hinausgeht. So befindet sich insbesondere seine Großmutter dort.
3. Die von dem Beklagten im Änderungsbescheid verfügte Befristung der Ausweisung auf sechs Jahre unter der Bedingung von Straffreiheit ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Über die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist hat die Beklagte gemäß der seit 1. August 2015 verbindlichen Fassung des § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Sie hat dies unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu tun und darf hierbei fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes sowie der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Hierbei bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, U. v. 10.7.2012 – 2 C 19.11 – juris Rn. 42). Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG).
Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise als ermessensfehlerfrei. Die Voraussetzungen für die Überschreitung der Fünfjahresgrenze des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG lagen vor. Die gewählten sechs Jahre sind angemessen. Ermessensfehler des Beklagten sind insofern nicht ersichtlich. Auch liegen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG vor.
Auch die bei Nichterfüllung der Bedingung festgesetzte Frist von acht Jahren ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch hier erweist sich die Befristung als ermessensfehlerfrei.
Im Übrigen kann der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von der Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG stellen, wenn sich die für die Festsetzung maßgeblichen Kriterien nachträglich ändern sollten.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 173 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.
IV.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

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