Aktenzeichen M 10 S 17.789
Leitsatz
1 Die Sperrwirkung der Ausweisung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels greift nach § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG unabhängig davon ein, ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG gebietet jedoch dann eine Durchbrechung der Sperrwirkung, wenn ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels unter Bezugnahme auf eine gleichzeitig erlassene Ausweisung abgelehnt wurde und sich die Ausweisung als rechtswidrig darstellt. (Rn. 32) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bei der Prognose, ob eine Wiederholung von Straftaten eines Ausländers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe einer verhängten Strafe, die Schwere einer bereits begangenen Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, die Persönlichkeit des Täters und die Entwicklung seiner Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Dabei gilt für die Annahme der Wiederholungsgefahr ein differenzierter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer ein möglicherweise eintretender Schaden ist (vgl. BVerwG BeckRS 2012, 59367). (Rn. 35) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Die in den §§ 54 f. AufenthG genannten Ausweisungs- und Bleibeinteressen werden nur allgemein als schwer bzw. besonders schwer typisiert, ohne im Sinne eines Automatismus die letztliche Interessenabwägung zu bestimmen. Erforderlich ist vielmehr eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls bereits auf Tatbestandsebene (vgl. HessVGH BeckRS 2016, 43126). (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger und wurde am … Dezember 1994 in Hamburg geboren. Er ist in Hamburg und München aufgewachsen. Die Mutter ist aufgrund einer psychischen Erkrankung Frührentnerin. Der Vater des Antragstellers lebt in Serbien. Die Eltern waren gerichtlichen Feststellungen zufolge nicht verheiratet und haben sich 1997 getrennt. Im Alter von sechs Jahren wurde der Antragsteller in München eingeschult. In der 3. Klasse war der Antragsteller für neun Monate im …-Heim, da die Mutter in einer Klinik behandelt werden musste. Im Alter von elf Jahre war der Antragsteller nochmals in einem Heim. Er erkrankte an dem Tourette-Syndrom, unter dem er noch heute leidet. Über das Projekt „Picasso“ hat er den Hauptschulabschluss nachgemacht. Danach hat der Antragsteller verschiedene Praktika absolviert. Er hat eine Ausbildung als Bäcker begonnen, jedoch nach 3 Monaten abgebrochen. Vor seiner Inhaftierung arbeitete der Antragsteller nicht und erhielt etwa 400,- EUR vom Jobcenter. Aufgrund der chronischen Erkrankung „Tourette-Syndrom“ steht der Antragsteller unter Betreuung.
Dem Antragsteller wurde erstmals am 24. April 2001 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Zuvor war sein Aufenthalt geduldet worden. Die befristete Aufenthaltserlaubnis wurde laufend verlängert, zuletzt bis zum 25. Oktober 2014. Der Antragsteller sprach am 21. Oktober 2014 in der Ausländerbehörde vor und beantragte mündlich die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Die Ausländerbehörde stellte dem Antragsteller an diesem Tag eine Fiktionsbescheinigung aus. Den schriftlichen Antrag reichte der jetzige Betreuer des Antragstellers am 18. März 2015 nach. Über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entschied die Ausländerbehörde zunächst nicht, da der Antragsteller wiederholt straffällig wurde.
Der Antragsteller ist ledig und hat keine Kinder. Seine Mutter lebt noch in München. Sie war zwischenzeitlich mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet und ist inzwischen geschieden.
Strafrechtlich trat der Antragsteller wie folgt in Erscheinung:
1. Von der Verfolgung eines Diebstahls geringwertiger Sachen sah die Staatsanwaltschaft München II mit Beschluss vom 25. Mai 2009 gemäß § 45 Abs. 1 JGG ab.
2. Wegen versuchten Diebstahls in Mittäterschaft erging am 21. Januar 2010 eine richterliche Ermahnung durch das Amtsgericht München.
3. Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 8. Februar 2010 wurde der Antragsteller wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu 1 Woche Jugendarrest verurteilt. Zusätzlich erging eine richterliche Weisung.
Die Ausländerbehörde ermahnte den Antragsteller mit Schreiben vom 19. August 2010 und machte ihn auf die ausländerrechtlichen Folgen seines strafbaren Handelns aufmerksam.
4. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung erging am 4. März 2010 eine richterliche Weisung durch das Amtsgericht München.
5. Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 23. September 2013 wurde der Antragsteller wegen Raubes in Mittäterschaft in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu 1 Woche Jugendarrest verurteilt.
6. Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 11. August 2014 wurde der Antragsteller wegen Unterschlagung in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl in Tatmehrheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu 4 Wochen Jugendarrest verurteilt.
Zusätzlich erging eine richterliche Weisung.
7. Am 11. Februar 2015 sprach das Amtsgericht München den Antragsteller wegen räuberischen Diebstahls in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl in zwei tatmehrheitlichen Fällen schuldig und verhängte eine Jugendstrafe von 1 Jahr. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Einbezogen wurden zwei nicht registerpflichtige Entscheidungen.
8. Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 28. Juli 2016 wurde der Antragsteller wegen räuberischen Diebstahls in Tatmehrheit mit Diebstahl in vier Fällen in Tatmehrheit mit Hehlerei zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Einbezogen wurde das Urteil vom 11. Februar 2015.
Rechtskraft trat am 5. August 2016 ein.
Seit seiner Festnahme am 28. Juni 2016 befindet sich der Antragsteller in Haft. Derzeit verbüßt er die Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt … Als Haftende ist der 27. August 2018 vorgemerkt. Zwei Drittel seiner Haftstrafe wird der Antragsteller am 6. Dezember 2017 verbüßt haben.
Mit Schreiben vom 30. September 2016 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Versagung des Aufenthaltstitels und der Ausweisung an und forderte ihn zur Beantwortung von Fragen zu den persönlichen Verhältnissen auf.
Daraufhin nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 19. Oktober 2016 Stellung. Er teilt mit: Er sei in Deutschland geboren und aufgewachsen. Er habe zu Serbien keinen Bezug, außer dass er dort gelegentlich mit seiner Familie im Urlaub gewesen sei. Sein leiblicher Vater lebe zwar angeblich in Serbien, zu ihm habe er aber nie Kontakt gehabt. Der Aufenthaltsort seines leiblichen Vaters sei ihm unbekannt. Er würde seit seinem 9. Lebensjahr unter dem „Tourette-Syndrom“ leiden. Hier in Deutschland könne er deswegen richtig behandelt werden. Er sei zu 50% schwerbehindert. Er bekäme in Serbien keine Arbeit und könnte dort nicht für sich sorgen. Er würde mit der serbischen Mentalität nicht zurechtkommen. Damit sich das „Tourette-Syndrom“ nicht verschlechtern würde, müsse er sich einigermaßen sicher fühlen. Er habe in Serbien noch eine Großmutter und eine Tante, zu denen er aber keinen Kontakt habe. Er spreche kein Serbisch. Ein wenig könne er mit seiner Mutter in Serbisch sprechen. Seine Familie sei in Deutschland (Mutter, Stiefvater und zwei Stiefgeschwister). Zu allen hätte er guten Kontakt. Die Nachbarin kenne er noch sehr gut. Er habe eine feste Freundin. Seit drei Jahren habe zudem einen Betreuer, Herrn R. H., der ihm sehr viel helfe. Er empfinde es nicht so, dass er massiv straffällig geworden sei. Die Diebstähle habe er damals begangen, weil er kein Geld gehabt habe. Er habe nie jemanden verletzen wollen. Bei den Straftaten bei den Prostituierten habe er sich wegen seiner Krankheit nur schwer verständlich machen können. Sie hätten überreagiert. Es tue ihm leid. Nach der Entlassung aus der Haft könne er wieder zuhause wohnen. Er werde sich in therapeutische Behandlung begeben. Er habe eine Arbeit in Aussicht.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2017, dem ehemaligen Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt, wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziff. 1 des Bescheides), lehnte die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 21. Oktober 2014 sowie vom 18. März 2015 ab (Ziff. 2 des Bescheides) und befristete – unter der Bedingung, dass Straffreiheit nachgewiesen wird – das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Wird diese Bedingung nicht erfüllt, beträgt die Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot sieben Jahre ab Ausreise (Ziff. 3 des Bescheides). Dem Antragsteller wurde mitgeteilt, dass er nach erfülltem Strafanspruch des Staates und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aus der Haft nach Serbien abgeschoben wird. Sollte der Antragsteller aus der Haft entlassen werden, bevor seine Abschiebung durchgeführt werden kann, ist der Antragsteller verpflichtet, das Bundesgebiet bis spätestens 4 Wochen nach Haftentlassung zu verlassen. Im Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Antragsteller die Abschiebung – insbesondere nach Serbien – angedroht (Ziff. 4 des Bescheides).
Zur Begründung der Ausweisungsverfügung (Ziff. 1) führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus: Das Ausweisungsinteresse wiege bei dem Antragsteller besonders schwer, da er wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt worden sei (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Darüber hinaus habe er den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr.1a AufenthG verwirklicht, da er wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten – vor allem gegen das Eigentum – zur obigen Jugendstrafe verurteilt worden sei und die Eigentumsdelikte auch serienmäßig begangen worden seien. Ein Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG – insbesondere nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – könne der Antragsteller mangels einer Aufenthaltserlaubnis nicht geltend machen. Bereits seit seinem 13. Lebensjahr trete der Antragsteller polizeilich in Erscheinung. Er habe sich in seiner Delinquenz kontinuierlich gesteigert, bis er nunmehr zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt worden sei. Er sei immer wieder durch Eigentumsdelikte und Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Antragsteller habe gezeigt, dass er nicht gewillt oder in der Lage sei, sich an die Rechtsordnung zu halten. Diese Einstellung werde auch durch sein Schreiben vom 19. Oktober 2016 sehr deutlich. Er sei nach wie vor der Meinung, dass er nicht massiv straffällig geworden sei. Von einer Auseinandersetzung mit den Taten könne keine Rede sein. Der Antragsteller leide und habe bereits im Zeitraum der begangenen Taten an einem „Tourette-Syndrom“ und an einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung gelitten. Seine Fähigkeit, das Unrecht seines Tuns einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, sei aber weder erheblich vermindert noch gar aufgehoben. Bei seiner letzten Verurteilung habe das Gericht berücksichtigt, dass der Antragsteller ganz überwiegend geständig gewesen sei. Allerdings liege auch keine Schuldeinsicht vor. Zu Lasten des Antragstellers würden jedoch in aller Deutlichkeit die Taten gehen. Die von dem Antragsteller begangenen Straftaten seien im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln. Der bisherige Lebenslauf des Antragstellers lasse deutlich erkennen, dass es sich bei den zuletzt abgeurteilten Straftaten nicht um eine einmalige Verfehlung handele, sondern vielmehr um den bisherigen Höhepunkt seiner „strafrechtlichen Karriere“. Zum Tatzeitpunkt sei er schon zwanzig Jahre alt gewesen, so dass schon aus diesem Grund nicht mehr von reinen Jugendverfehlungen gesprochen werden könne. Bei den Eigentumsdelikten habe der Antragsteller bei der Tatbegehung eine immer größer werdende Risikobereitschaft an den Tag gelegt. Die Vielzahl der begangenen Straftaten zeige, dass bei dem Antragsteller inzwischen eine ausgesprochen niedrige Hemmschwelle vorhanden sei. Die letzten sechs Straftaten habe der Antragsteller in kurzem zeitlichen Zusammenhang in einer offenen Bewährung begangen. Eine hohe Gefahr für weitere Straftaten sehe die Ausländerbehörde darin, dass der Antragsteller so gut wie keine Schuldeinsicht an den Tag lege. Sie sehe deshalb die konkrete Gefahr weiterer schwerer Straftaten. Sämtliche gerichtlichen Maßnahmen hätten bislang keinen Eindruck bei dem Antragsteller hinterlassen können. Aufgrund der drohenden Wiederholungsgefahr müssten im Fall des Antragstellers die privaten Belange zurückstehen. Der Antragsteller lebe zwar seit seiner Geburt im Bundesgebiet, seine Integration in der Bundesrepublik Deutschland stütze sich allerdings allein auf den langen Aufenthalt und die Tatsache, dass er hier geboren und aufgewachsen sei. Aktive Integrationsleistungen hätte er kaum erbracht. Er habe zwar einen Hauptschulabschluss erreicht; eine Ausbildung habe er aber nicht absolviert. Seine beruflichen Möglichkeiten seien aus Sicht der Ausländerbehörde in dem Land seiner Staatsangehörigkeit nicht schlechter einzuschätzen als ein Deutschland. Mangels einer Berufsausbildung werde es in allen Ländern schwer haben, eine Anstellung zu finden. Er könne auch in Serbien seinen Lebensunterhalt – zumindest mit einfacher Arbeit – selbst bestreiten. Es sei davon auszugehen, dass die Sprachkenntnisse des Antragstellers immerhin für eine erste Verständigung in seiner Heimat ausreichen würden. Es sei auch davon auszugehen, dass die Mutter als Migrantin der ersten Generation dem Antragsteller immerhin die Grundlagen der Verständigung in der Muttersprache beigebracht haben dürfte. In der Haft hätte der Antragsteller Gelegenheit und Zeit, etwaige Defizite abzubauen. Als erste Anlaufstelle könne er evlt. zu seinem Vater, der Großmutter oder der Tante in Serbien. Auch in Serbien gebe es für Personen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung eine gesetzliche Krankenversicherung. Arbeitnehmer wären anspruchsberechtigt. Jedoch auch arbeitslose und behinderte Personen seien von der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst. Eine medizinische Versorgung sei in Serbien gewährleistet. Eine Gleichwertigkeit der medizinischen Versorgung mit derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland sei nicht erforderlich. Auch eine flächendeckende Versorgung sei nicht erforderlich. Dem Antragsteller sei es zumutbar, sich in einen bestimmten Teil Serbiens zu begeben, in den für ihn eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet sei. Die Beziehung zur Mutter sowie zum Stiefvater habe den Antragsteller nicht daran gehindert, seit Jahren fortlaufende teils schwerwiegende Straftaten zu begehen. Der Antragsteller besitze im Bundesgebiet keine eigene Kernfamilie und sei nicht mehr auf die Fürsorge und den Beistand seiner in München lebenden Mutter angewiesen. Als erwachsener Mann sei es ihm zuzumuten, alleine zurecht zu kommen. Zur Begründung der Versagung eines Aufenthaltstitels (Ziff. 2 des Bescheides wurde im Wesentlichen ausgeführt: Es sei ein Versagungsgrund erfüllt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid wird Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller mit Telefax vom 24. Februar 2017 beim Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen,
den Ausweisungsbescheid der … … vom 1. Februar 2017 aufzuheben.
Zugleich wurde beantragt,
gegen den sofortigen Vollzug der Versagung des Aufenthaltstitels die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der Ausweisungsbescheid der Antragsgegnerin verstoße gegen den Wesensgehalt von Grund und Menschenrechten des Grundgesetzes, gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie die Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten – insbesondere gegen Art. 8 EMRK, und sei deshalb aufzuheben. Die Straftaten des Antragstellers hätten ihre Wurzeln hauptsächlich in einer unglücklich verlaufenden Jugend. Der Antragsteller habe darunter gelitten, dass sich sein leiblicher Vater geweigert habe, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Als der Antragsteller etwa acht Jahre alt gewesen sei, habe sich zudem bei seiner Mutter allmählich die schwere geistige Erkrankung gezeigt. Ein schwerer Schock habe ihn mit neun Jahren überfallen, als seine Mutter während ihrer jetzt akut gewordenen Schizophrenie von der Polizei und einem Rettungsdienst vor seinen Augen sich sträubend in eine psychiatrische Klinik gebracht worden sei. Seit dieser Zeit leide er an einem „Tourette-Syndrom“ und einer starken Persönlichkeitsstörung. Er sei dann in ein Jugendheim und später in ein heilpädagogisches Jugendheim verbracht worden. Als er wieder nach Hause entlassen worden sei, habe er sich für seine kranke Mutter verantwortlich gefühlt. Er habe sich darum bemüht, diese zu versorgen. Der Antragsteller sei faktischer Inländer. Außer seiner Staatsangehörigkeit habe er keinerlei Bezug zu Serbien. Er spreche nur holpriges Serbisch. Der Antragsteller habe sich immer als Deutscher gefühlt und seinen sozialen Mittelpunkt in Deutschland gehabt. Er habe viele deutsche Freunde und sei seit seinem 14. Lebensjahr verliebt. Der Antragsteller werde bei einer Ausweisung völlig mittellos in Serbien ankommen. Er habe dort kein Obdach. Der Verweis auf Großmutter, Tante und Vater des Antragstellers gehe völlig ins Leere. Die betagte, gebrechliche und kränkliche Großmutter und die psychisch und physisch angeschlagene Tante würden in räumlich ganz beschränkten Verhältnissen leben. Sie könnten dem Kläger kein Obdach geben. Wo sein Vater lebe, wisse der Antragsteller nicht. Er könne dies auch nicht ermitteln. Die Großmutter lebe mehr schlecht als recht von einer kleinen Rente in Höhe von umgerechnet knapp 60,- EUR. Die Tante halte sich mit den wenigen Mitteln, die sie durch Gelegenheitsarbeiten verdiene, mühsam über Wasser. Beide Verwandte seien psychisch so labil, dass sie dem kranken Antragsteller keine Stütze sein könnten. Der Gesundheitszustand des Antragstellers sei sehr schlecht. Eine fundierte medizinische Behandlung in Serbien sei aufgrund seiner eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit und wegen der fehlenden Sprachfähigkeiten wenig zielführend. Qualifizierte Ärzte zu finden, die Krankenkassenpatienten behandeln würden, dürfte ohne die Unterstützung eines rechtskundigen Serben nahezu unmöglich sein. Für seine soziale Betreuung bedürfte der Antragsteller auch einer Sozialarbeiterin, die ihm helfe, in einer fremden Welt heimisch zu werden und in die Krankenversicherung hineinzukommen. Aufgrund seiner schweren Gesundheitsstörung sei der Kläger zu 50% behindert und in seiner Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Dies werde ihm auch durch das Referat für Gesundheit um Umwelt der … … in einem Gesundheitszeugnis vom 5. Juli 2016 attestiert. Aufgrund seiner Krankheit könne der Antragsteller in Serbien keine Ausbildung machen und erst recht nicht einer normalen Arbeit nachgehen. Negativ für die überwiegend orthodoxen Serben dürfte auch sein, dass der Antragsteller Moslem sei. In Serbien herrsche ein großer Mangel an Arbeitsplätzen. Mangels Obdach und Einkommen bestünde die große Gefahr, dass der Antragsteller – um wenigsten seinen Hunger zu stillen – sein kleinkriminelles Leben wieder aufnehmen werde. Schon seine dauernden ungesteuerten, unkontrollierten und unkontrollierbaren Kopfbewegungen, das permanente Augenverdrehen sowie seine fahrigen Hand- und Armbewegungen würden ihm ungewollt ein so spezifisches Aussehen geben, dass sich jeder, der mit der ihm Kontakt habe, immer wieder an ihn erinnere. Die archaische serbische „Volksjustiz“ würde ihn sehr schnell aburteilen, und zwar auf der Grundlage des biblischen Tallionsprinzips. Bei der serbischen Justiz würde ein geradezu rigides Strafrechtsdenken herrschen und allseits bekannte schlimme Gefängnisaufenthalte. Falls der Antragsteller die Kraft aufbrächte, dort allen kriminellen Anwandlungen zu widerstehen, würde er sich halb verhungert und mit letzter Kraft über grüne Grenzen in seine „Heimat“ Deutschland aufmachen. Um in Deutschland nicht sofort erkannt zu werden, müsste er in einem kleinkriminellen Kreis untertauchen. Nach kurzer Zeit würde er von der Polizei wieder aufgegriffen und nach Serbien zurücktransportiert. Der Antragsteller habe in der Justizvollzugsanstalt ein wirkliches Damaskus-Erlebnis gehabt. Mit Hilfe liebevoller Freunde und Familienmitglieder werde er einen seriösen Lebensweg beginnen. Seine Mutter habe im letzten Jahr endlich eine hochkompetente psychiatrische Behandlung gefunden. Sie sei medikamentös gut eingestellt. Sie habe jetzt die Kraft, für ihn eine liebevolle emotionale Stütze zu sein. Das Gleiche gelte für seine Jugendliebe, mit der er sich verlobt habe. Sein Stiefvater, ein gestandener bayerischer Handwerksmeister, werde ihm helfen, einen behindertengerechten Arbeitsplatz oder gar eine entsprechende Ausbildungsstätte zu finden. Auch sein bisheriger Betreuer werde ihm bei seinem Leben tatkräftig beistehen. Der Antragsteller habe eine echte Chance, in Deutschland in die rechte Spur zu kommen. Das Interesse des Antragstellers am weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiege nach alledem das öffentliche Interesse an einer Ausweisung des kranken und behinderten Antragstellers.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen und die Klage abzuweisen.
Der Zwei-Drittel-Zeitpunkt werde am 24. November 2017 erreicht. Aufgrund des Jugendstrafrechts könnte eine Entlassung allerdings auch erheblich früher erfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.
Hat eine Anfechtungsklage – wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) – entgegen der Regel des § 80 Abs. 1 VwGO kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, wobei es das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen hat. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, allerdings nicht das alleinige Indiz für und gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass die Klage offensichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angegriffene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitiger Einschätzung und nach summarischer Prüfung erfolglos bleiben wird. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Die Antragsgegnerin hat die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu Recht abgelehnt. Die Abschiebungsandrohung begegnet ebenso keinen rechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG bereits die Sperrwirkung der in Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Ausweisung entgegen. Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die Sperrwirkung der Ausweisung greift gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach die Wirksamkeit der Ausweisung von Widerspruch und Klage unberührt bleibt, unabhängig davon ein, ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist (vgl. Hailbronner, AufenthG, 91. Aktualisierung, September 2015, § 11 Rz. 18 f.). Eine Durchbrechung der Sperrwirkung ist aufgrund des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebotes effektiven Rechtsschutzes jedoch dann erforderlich, wenn ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels unter Bezugnahme auf eine gleichzeitig erlassene Ausweisung abgelehnt wurde und sich die Ausweisung als rechtswidrig darstellt. In solchen Fällen ist im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung des Titels inzident auch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Ausweisungsverfügung summarisch zu prüfen (vgl. BVerfG, Kammerb.v. 29.3.2007 – 2 BvR 1977/06 – NVwZ 2007, 948 ff.; HessVGH, B.v. 17.8.1995 – 13 TH 3304/94 – NVwZ-RR 1996, 112ff.; VG München, B.v. 25.11.2013 – M 25 S. 13.2682 – juris – Rn. 55).
Aufgrund dieser summarischen Prüfung ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung, sodass die von ihr entfaltete Sperrwirkung der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht.
Nach § 53 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an der einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
a) Vom Antragsteller geht nach summarischer Prüfung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die freiheitliche demokratische Grundordnung aus, § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (vgl. zum Erfordernis etwa BVerwG, U.v. 26.2.2002 – 1 C 21/00 – juris Rn. 22). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadenshöhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U.v. 10.7.2012, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass vom Antragsteller eine entsprechende Wiederholungsgefahr ausgeht und sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Antragsteller die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgeht. Der Antragsteller hat schwere Straftaten begangen. Das vergangene Verhalten des Antragstellers, aus dem hinsichtlich der Wiederholungsgefahr Rückschlüsse zu ziehen sind, legt eine hohe Rückfallgefahr nahe. Besonders schwer wiegt, dass der Antragsteller seit früher Jugend polizeilich in Erscheinung getreten ist und seine Delinquenz kontinuierlich gesteigert hat, bis er nunmehr zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt worden ist. Die Vielzahl der begangenen Straftaten zeigt, dass bei dem Antragsteller inzwischen eine ausgesprochen niedrige Hemmschwelle vorhanden ist. Er zeigt kaum Schuldeinsicht.
b) Es liegt ein Ausweisungsinteresse vor, dem Bleibeinteressen des Antragstellers gegenüberstehen. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass nach summarischer Prüfung das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Antragstellers überwiegt.
Es liegt beim Antragsteller das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Denn er ist 2016 zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt worden. Der Verurteilung lagen Vorsatztaten zu Grunde.
Es ist nach Art. 8 EMRK zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in Deutschland geboren ist und sein Leben in Deutschland verbracht hat und er somit faktischer Inländer ist.
§ 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Diese Abwägung ist voll gerichtlich überprüfbar. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet nach dieser Gesamtabwägung überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die in den §§ 54 f. AufenthG genannten Ausweisungs- und Bleibeinteressen werden nur allgemein als schwer bzw. besonders schwer typisiert, ohne im Sinne eines Automatismus die letztliche Interessenabwägung zu bestimmen. Erforderlich ist vielmehr eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles bereits auf Ebene des Tatbestands (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49 f.; HessVGH, B.v. 5.2.2016 – 9 B 16/16 – juris Rn. 5; VG Düsseldorf, U.v. 11.2.2016 – 8 K 1493/15 – juris Rn. 45 ff.; VG München, B.v. 4.4.2016 – M 10 S. 15.5791 – juris; Hailbronner, AuslR, § 53 Rn. 7 ff., 27; VG München, B.v. 7.11.2016 – M 10 K 15.5640).
Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner, Nr. 46410/99 – juris; EGMR, U.v. 2.8.2001 – Boultif, Nr. 54273/00 – InfAuslR 2001, 476-481). Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie die Ernsthaftigkeit der Schwierigkeiten, welche die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (VG Oldenburg, U.v. 11.1.2016 – 11 A 892/15 – juris Rn. 24).
Die Bleibeinteressen des Antragstellers sind auch im Einzelfall beachtlich. Für den Antragsteller wird es mit beachtlichen Schwierigkeiten verbunden sein, sich in Serbien zurechtzufinden, nachdem er die Sprache nach eigenen Angaben nicht sonderlich gut beherrscht und auch kaum familiäre Kontakte dorthin hat und auch noch nie in Serbien gelebt hat. Vielmehr hat er sein gesamtes Leben in Deutschland verbracht und auch alle seine sozialen Kontakte sind in Deutschland. Diese Belange zu berücksichtigen gebieten Art. 8 EMRK und Art. 6 GG. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens; dies umfasst sämtliche persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen für die Entfaltung der Persönlichkeit bei fortdauerndem Aufenthalt wachsende Bedeutung zukommt (EGMR, U.v. 9.10.2003 – 48321/99 – EuGRZ 2006, 560). Die Behörde darf nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (EGMR, Entscheidung v. 24.3.2015 – 37074/13 – EuGRZ 2015. 464). Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden (Bauer in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, Vor §§ 53-56 Rn. 96 ff.). Dieser Maßstab gilt entsprechend auch für die Beurteilung, ob ein derartiger Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ist (vgl. dazu BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris Rn. 11). Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Antragstellers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris – Rn. 16; BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Im Rahmen dieser Einzelfallabwägung ist das Gewicht des Rechts auf Familienleben an der tatsächlichen Verbundenheit zu messen (vgl. VGH München, B. v. 24.11.2008 – 10 CE 08.3014 – juris; VGH München, B. v. 17.5.2013 – 10 CE 13.1065 – juris, VG München B. v. 23.10.2013 – M 10 E 13.3727 – juris). Der Antragsteller ist ledig und hat noch keine eigene Kernfamilie gegründet. Er ist inzwischen 22 Jahre alt und damit nicht mehr auf die Fürsorge seiner in Deutschland lebenden Mutter angewiesen. In einem ihm weitgehend unbekannten Land zu leben, ist für den Antragsteller schwierig. Er ist faktischer Inländer. Jedoch stellt sich die Ausweisung des Antragstellers auch mit Blick auf die strengen Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK angesichts der wiederholten Straftaten und der Chancen, die der Antragsteller nicht genutzt hat, nach summarischer Prüfung als verhältnismäßig dar. Straftaten können auch zur Ausweisung führen, wenn der ausländische Straftäter faktischer Inländer ist. Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller in Serbien als serbischer Staatsangehöriger besonderen Repressalien ausgesetzt sein wird. Soweit er wegen seiner Tourette-Erkrankung auf ärztliche Behandlung angewiesen sein sollte, ist darauf zu verweisen, dass es auch in Serbien eine gesetzliche Pflicht-Krankenversicherung gibt. Kostenfrei behandelt werden unter anderem gemeldete Arbeitslose, die Arbeitslosenhilfe beziehen, sowie Sozialhilfeempfänger. Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien nicht oder nur schlecht behandelt werden können (Bericht des Auswärtigen Amts im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG, Stand: September 2016).
Die Straftaten des Antragstellers wiegen schwer. Es handelt sich bei den Taten um schwere Delikte, die keinesfalls der Bagatellkriminalität zugerechnet werden können. Der Antragsteller hat mehrere Chancen, ein straffreies Leben zu führen, nicht ergriffen. Die Ausländerbehörde hat den Antragsteller über die ausländerrechtliche Relevanz bereits seiner ersten Taten früh informiert. Der Antragsteller wurde 2010 verwarnt; ihm war klar, dass weitere Straftaten zur Ausweisung führen können.
Der in den Sanktionen des Jugendstrafrechts zum Ausdruck kommende Erziehungsgedanke hat trotz der ergriffenen Maßnahmen beim Antragsteller nicht zu einer Abkehr von seinem kriminellen Verhalten geführt.
Nachdem bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung damit nicht bestehen, entfaltet diese die Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Damit ist davon auszugehen, dass die Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels zu Recht erfolgte und die Klage insoweit erfolglos bleibe wird.
2. Die in Ziff. 4 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt voraus, dass der Ausländer zur Ausreise verpflichtet ist. Vorliegend ergibt sich die Ausreisepflicht des Antragstellers bereits aus dem Umstand, dass er keinen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Die am 21. Oktober 2014 und am 18. März 2015 gestellten Anträge auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels wurden in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids abgelehnt, womit auch die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG entfallen ist. Im Übrigen entspricht die Abschiebungsandrohung den gesetzlichen Anforderungen. Die gesetzte Ausreisefrist hält sich im Rahmen des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, besondere Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, die eine längere Ausreisefrist erfordern würden, liegen nicht vor. Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu bezeichnende Staaten, in die eine Abschiebung nicht erfolgen darf, sind nicht ersichtlich. Da sich bei summarischer Prüfung damit auch die Abschiebungsandrohung als rechtmäßig erweist, setzt sich das öffentliche Interesse an dem vom Gesetzgeber in Art. 21a VwZVG vorgesehenen Sofortvollzug gegenüber dem Wunsch des Antragstellers nach der vorläufigen Suspendierung der Abschiebungsandrohung durch.
3. Nachdem ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit weder hinsichtlich der Ablehnung des Aufenthaltstitels noch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung bestehen und das Hauptsacheverfahren damit insoweit voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, war der vorliegende Eilantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.