Aktenzeichen B 6 S 18.455
EMRK Art. 8
StVG § 21
Leitsatz
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums, hilfsweise zum Zweck der Erwerbstätigkeit sowie gegen die Androhung der Abschiebung nach Tunesien.
Der Antragsteller, geb. am … in … (Tunesische Republik), ist tunesischer Staatsangehöriger und verfügt über einen bis 10.04.2019 gültigen tunesischen Reisepass.
Nachdem er erstmals am 24.11.2004 mit einem gültigen Visum ins Bundesgebiet eingereist war, erteilte ihm die Stadt F* … zunächst eine Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an einem studienvorbereitenden Sprachkurs und nach deren Ablauf Fiktionsbescheinigungen.
…
Am 01.11.2006 verurteilte das Amtsgericht F* … laut aktuellem Bundeszentralregister den Antragsteller wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz am 07.08.2006 in Tateinheit mit Steuerhinterziehung zu 20 Tagessätzen zu je 30 EUR Geldstrafe (Az. …*). Diese Verurteilung ist im Bundeszentralregister noch nicht getilgt.
Ab dem Wintersemester 2006/2007 war der Antragsteller an der Fachhochschule G* … (heute Technische Hochschule …*) für den Studiengang Automatisierungstechnik immatrikuliert und erhielt am 10.11.2006 eine zwei Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums der Fachrichtung Automatisierungstechnik.
Am 19.11.2007 verurteilte das Amtsgericht F* …den Antragsteller wegen eines in F* …am 03.03.2007 begangenen Diebstahls zu 25 Tagessätzen zu je 30 EUR Geldstrafe (Az. …*). Diese Verurteilung ist im Bundesszentralregister noch nicht getilgt.
Am 25.09.2009 verlängerte die Stadt G* …, wo er ab 07.11.2006 seinen Wohnsitz genommen hatte, auf seinen Antrag vom 06.11.2008 hin seine Aufenthaltserlaubnis zum bis 30.06.2010.
Am 28.07.2010 beantragte er erneut die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Daraufhin erhielt er ab diesem Datum zunächst fortlaufend Fiktionsbescheinigungen, deren letzte am 26.01.2012 bis 25.04.2012 befristet wurde.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 17.09.2010 ahndete das Amtsgericht G* … eine von ihm auf einer Party am 25.10.2009 begangene vorsätzliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung mit einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 12 EUR (Az. …*). Diese Verurteilung ist aktuell im Bundeszentralregister eingetragen.
Mit Schreiben vom 23.11.2010 hörte die Ausländerbehörde den Antragsteller zu der von ihr beabsichtigten Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung des Antragstellers an. Sie berief sich dazu u.a. darauf, der Antragsteller habe einen Ausweisungstatbestand verwirklicht, weil er zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt worden sei und damit einen nicht geringfügigen Rechtsvorstoß begangen habe.
Der Antragsteller beteuerte daraufhin schriftlich, er werde sich künftig straffrei führen.
Nach der Umstellung seines Diplomstudiengangs auf Bachelor ließ die Hochschule den Antragsteller zum WS 2011 zum Bachelorstudiengang Automatisierungstechnk im 3. Fachsemester zu.
Am 23.09.2011 heiratete der Antragsteller die deutsche Staatsangehörige S.F. Deshalb erteilte die Ausländerbehörde der Stadt G* … ihm am 21.03.2012 eine bis 17.04.2014 Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28Abs. 1 Satz 1 Nr.1 AufenthG zum Zweck des Familiennachzuges zu seiner deutschen Ehefrau.
Nachdem er seinen Wohnsitz nach L* … (Landkreis G* …*) verlegt hatte, verlängerte am 17.04.2014 der nunmehr zuständige Landkreis G* … am 17.04.2014 die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug bis 17.04.2016. In einem Schreiben vom 14.11.2015 teilte Frau S. F. der Ausländerbehörde mit, die Eheleute lebten seit 06.10.2014 getrennt. Die Ehe wurde inzwischen geschieden.
Am 26.04.2016 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, Daraufhin verlängerte der Landkreis G* … (bislang letztmalig) die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsrecht bis zum 25.04.2017.
Am 09.06.2017 stellte der Antragsteller formularmäßig einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Dabei kreuzte er keinen Aufenthaltszweck an. Am gleichen Tag und anschließend bis zur Entscheidung über den Antrag erhielt er Fiktionsbescheinigungen. Was die Sicherung des Lebensunterhalts angeht, gab er an, seine in … (Schweiz) lebende Schwester zahle ihm seit Mai 2017 freiwillig ca. 300 EUR im Monat. Außerdem legte er einen Vertrag über ein mit 400 EUR brutto im Monat vergütetes Praktikum vom 01.10.2017 bis 31.10.2017 bei der Firma … in B* … vor.
Am 01.10.2017 verzog er nach H* … (Landkreis B* …*), um in B* … das Praktikum im Rahmen der Projektphase seines Studiums zu absolvieren. Von dort zog er am 15.01.2018 nach Bi* … (Landkreis B* …*) um, bevor er im Juli 2018 seinen Wohnsitz in die Stadt B* … verlegte. Dort bezog er für eine Gesamtmiete von 310 EUR eine Wohnung.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 20.11.2017 verhängte das Amtsgericht B* … eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 EUR gegen ihn, weil er am 08.10.2017 in B* … vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis mit einem Kleinkraftrad gefahren war (Az. …*).
Im Wintersemester 2017/2018 studierte der Antragsteller, nunmehr im 15. Semester, an der Technischen Hochschule … Automatisierungstechnik mit dem Abschlussziel Bachelor of Engineering. Da er in diesem Studiengang viermal eine Prüfung nicht bestanden hatte, wurde er zum 31.03.2018 exmatrikuliert.
Am 15.03.2018 beantragte der Antragsteller, der seit 15.01.2018 ein weiteres Praktikum absolvierte, bei der Ausländerbehörde zusätzlich die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
Nach vorheriger Anhörung lehnte das Landratsamt B* … mit Bescheid vom 04.04.2018, der mit Postzustellungsurkunde am 10.04.2018 zugestellt wurde, den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 09.06.2017 ab (Ziff. 1), lehnte weiter den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom 15.03.2018 ab (Ziff. 2), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland einen Monat nach Zustellung des Bescheides zu verlassen (Ziff.3), widrigenfalls ihm die Abschiebung nach Tunesien angedroht werde (Ziff. 4).
Als Rechtsgrundlage für die Verlängerung der (befristeten) Aufenthaltserlaubnis komme nur § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in Betracht. Doch lägen bereits nicht alle allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vor. Der Antragsteller habe zum einen nicht nachgewiesen, dass sein Lebensunterhalt gesichert sei. Er beziehe derzeit nur eine Praktikumsvergütung und erhalte auf freiwilliger Basis Zahlungen von seiner Schwester. Zum zweiten fehle es nicht an einem Ausweisungsinteresse. Da der Antragsteller ohne Fahrerlaubnis gefahren und dafür im Dezember 2017 rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt worden sei, habe er einen nicht geringfügigen Rechtsverstoß begangen und damit ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse verwirklicht. Zudem gehe vom Antragsteller, der laut den Eintragungen im Bundeszentralregister bereits wiederholt Straftaten begangen habe, aktuell die Gefahr aus, dass er erneut straffällig werde.
Hinzukomme, dass das Interesse des Antragstellers daran, hier weiter studieren, arbeiten und leben zu können, geringer zu gewichten sei, als das öffentliche Interesse daran, seinen Aufenthalt zu beenden, weil von ihm weitere Straftaten drohten und zu erwarten sei, dass er in absehbarer Zeit öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen müsse. Zudem sei davon auszugehen, dass er sich in seinem Heimatland wieder eingliedern könne. Deshalb sei es ihm zuzumuten, das Bundesgebiet nach mehr als 13 Jahren zu verlassen.
Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 und 17 AufenthG seien nicht gegeben. Schließlich sei auch die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abzulehnen, weil sein Lebensunterhalt nicht gesichert sei und ein Ausweisungsinteresse bestehe.
Mit Telefax vom 04.05.2018 hat der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt nunmehr laut der mit Schriftsatz vom 09.10.2018 konkretisierten Klageschrift, den Bescheid des Antragsgegners vom 04.10.2018 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums, hilfsweise zum Zweck der Ausübung einer Beschäftigung zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 09.08.2018 hat er zusätzlich für das Klageverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwältin … beantragt.
Mit gleichem Telefax vom 04.05.2018 hat er weiter gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller begehre mit seinem Hauptantrag im Klageverfahren die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Studium. Die Erteilung dürfe nicht bereits deshalb abgelehnt werden, weil er insgesamt schon 11 Jahre studiere. Vielmehr sei der Entscheidung zugrundzulegen, dass er seit dem Sommersemester 2018 den Studiengang Elektro- und Informationstechnik mit der Vertiefungsrichtung Automatisierungstechnik belege und im Wintersemester 2018/2019 im 8. Fachsemester studiere. Den Aufenthaltszweck „erfolgreicher Abschluss eines Studiums“ könne er in Kürze und damit noch in angemessener Zeit erreichen. Immerhin habe er (Stand 22. Oktober 2018) bereits 192,0 credit points erworben und müsse deshalb nur noch eine Klausur bestehen und seine Bachelorarbeit anfertigen. Es sei deshalb zu erwarten, dass er sein Studium im Wintersemester 2018/2019 beenden werde.
Die allgemeinen (Regel-)Voraussetzungen für die Erteilung seien ebenfalls gegeben.
Der Lebensunterhalt des Antragstellers sei nachweislich nachhaltig gesichert. Er sei bei der Technikerkrankenkasse krankenversichert. Darüber hinaus habe sich seine Schwester verpflichtet, seinen Lebensunterhalt und weitere Kosten für einen Zeitraum von fünf Jahren zu tragen. Außerdem erhalte er eine Vergütung von 600 EUR netto aus einem bis 31.12.2018 befristeten Vertrag zur Durchführung einer Bachelorarbeit mit der Firma … Sollte der Antragsteller sein Studium erfolgreich abschließen können, beabsichtigte seine Praktikumsfirma, ihn voraussichtlich ab Februar 2019 als Ingenieur in der Programmierabteilung zu beschäftigen.
Darüber hinaus bestehe auch kein Ausweisungsinteresse. Der Antragsteller habe zwar in der Vergangenheit Straftaten begangen, die ein Ausweisungsinteresse begründeten. Zu beachten sei jedoch, dass seiner letzten Verurteilung durch das Amtsgericht B* … wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ein Delikt zugrunde gelegen habe, mit denen er niemanden persönlich geschädigt habe. Außerdem könne sich der Antragsgegner nicht zu seinen Lasten auf die von ihm seinerzeit in Frankfurt am Main begangenen Straftaten berufen, weil die dortigen Behörden sie damals nicht zum Anlass genommen hätten, ihn auszuweisen. Weiterhin gehe aktuell keine Gefahr mehr von ihm aus. Er habe durch den Wechsel seines Wohnortes sein Leben, sein Umfeld und seine Ziele umfassend geändert und den festen Entschluss gefasst, keine Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mehr zu begehen. Außerdem sei er in dem Praktikumsbetrieb gut aufgenommen worden und habe sich in B* … bereits einen großen Bekannten- und Freundeskreis aufgebaut. Zudem sei er heute nicht mehr so aggressiv oder streitanfällig wie früher. Ein zum Nachweis dafür mit Schriftsatz vom 19.10.2018 angekündigtes noch zu erstellendes psychologisches Gutachten wurde bis heute nicht vorgelegt. Schließlich gelte es zu berücksichtigen, dass er seit einem Jahr nicht mehr straffällig geworden sei. Auch Art, Gewicht und Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Straftaten ließen nicht den Schluss zu, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fortbestehe.
Hilfsweise begehre der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit. Ohne Studienabschluss könne er umgehend bei seinem Praktikumsbetrieb in Vollzeit als Programmierer anfangen. Für dieses Beschäftigungsfeld, in dem dringend Leute gesucht würden, sei der Antragsteller bereits jetzt bestens qualifiziert und könne mit der marktüblichen Vergütung in Zukunft seinen Lebensunterhalt ohne Probleme sichern.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Stadt B* … habe am 25.09.2018 der Fortführung des Verfahrens durch das Landratsamt B* … zugestimmt, so dass auch nach seinem Umzug in die Stadt B* … der Freistaat Bayern Antragsgegner bleibe.
Der Antrag in der Hauptsache, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zum Studium zu erteilen, verspreche keinen Erfolg. Der Antragsteller habe die studienbedingte Gesamtausbildungsdauer von 10 Jahren überschritten. Die Zusicherung, er werde sein Studium nunmehr zügig erfolgreich abschließen, sei unglaubwürdig.
Auch die allgemeinen (Regel-) Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lägen nicht alle vor.
Der Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts sei nicht erbracht. Die vorgelegte Verpflichtungserklärung seiner Schwester könne dafür nicht herangezogen werden, weil in das von seiner Schwester in der Schweiz erzielte Einkommen im Erstattungsfall nicht vollstreckt werden könne.
Außerdem bestehe aktuell ein Ausweisungsinteresse. Der Antragsteller habe ein Ausweisungsinteresse verwirklicht, weil er mit seinem am 25.10.2009 begangenen Körperverletzungsdelikt nicht nur geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen habe. Dieses Ausweisungsinteresse sei nicht verbraucht, weil die strafrechtliche Verurteilung weiterhin im Bundeszentralregister eingetragen sei. Vom Antragsteller gehe außerdem weiterhin eine Gefahr aus. Zum einen habe bereits das Amtsgericht G* … in der Urteilsbegründung festgehalten, dass der Antragsteller schnell aggressiv werde, wenn er sich ungerecht behandelt fühle. Zum anderen sei ein gegen den Antragsteller laufendes Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Jahr 2016 sei nur deshalb strafrechtlich nicht weiter verfolgt worden, weil der Geschädigte auf den Privatklageweg verwiesen worden sei.
Der Antragsgegner könne auch nicht hilfsweise dazu verpflichtet werden, dem Antragsteller ohne Studienabschluss im Inland eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit zu erteilen. Wenn der Antragsteller ohne Studienabschluss als Programmierter arbeiten wolle, müsse ausreisen und mit einem Visum zum Zweck der Erwerbstätigkeit bei der Firma … wieder einreisen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag wird abgelehnt.
a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis ist gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG statthaft. Zwar hat der Antragsteller erst am 09.06. 2017 und damit verspätet, die Verlängerung seiner bis 25.04.207 befristeten Aufenthaltserlaubnis beantragt. Ihm wurde jedoch gemäß § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG am 09.06.2017 eine Fiktionsbescheinigung erteilt, so dass die am 26.04.2016 erteilte Aufenthaltserlaubnis vom Zeitpunkt ihres Ablaufs bis zur ablehnenden Entscheidung des Antragsgegners als fortbestehend galt, der Antragsteller also nicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig war (Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 81 Rn. 29). Gegen den Verlust der mit der Antragsablehnung vom 04.04.2018 endenden verfahrensrechtlichen Fiktion kann der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch nehmen (Samel, a.a.O. Rn. 43; BayVGH, Beschluss vom 08.12.2006 – 24 CS 06.2260 juris Rn. 13).
b) Das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt aber nicht das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit seiner Ausreisepflicht, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides vom 04.04.2018 auszugehen ist.
Dabei kann offenbleiben, ob sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis daraus ergibt, dass der Antragsgegner nur dann ermessensgerecht handeln würde, wenn er entweder die mit Bescheid vom 26.04. 2016 gestützt auf § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsrecht verlängerte Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2
AufenthG erneut verlängert oder wenn er eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums der Elektro- und Informationstechnik an der TH* oder einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt. Denn in jedem Fall steht der Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen, dass die Regelvoraussetzungen der Sicherung des Lebensunterhalts und des Nichtbestehens eines Ausweisungsinteresses nicht vorliegen und auch nicht im Wege des Ermessens davon abzusehen ist.
aa) Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht erfüllt.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist.
Diese allgemeine (Regel-) Erteilungsvoraussetzung gilt sowohl bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines Studiums gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG bzw. zur Erwerbstätigkeit gemäß § 18 Abs. 2 AufenthG als auch, anders als bei der erstmaligen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines Ehegatten als eigenständiges Aufenthaltsrecht (vgl. § 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG), bei jeder weiteren Verlängerung nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, weil der ausländische Ehegatte im ersten Verlängerungsjahr eine eigene wirtschaftliche Existenz gefunden haben muss (Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 31 AufenthG Rn. 84).
Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankennversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG gilt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG der Lebensunterhalt als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den § 13 und§ 13a Abs. 1 BAföG bestimmt wurde, verfügt. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG gilt als monatlicher Bedarf für einen Auszubildenden an einer Hochschule 399 EUR, der sich für die Unterkunft gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG um monatlich 250 EUR erhöht, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt. Für Auszubildende, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen krankenversichert sind, erhöht sich der Bedarf gemäß § 13a Abs. 2 Nr. 2 BAföG monatlich um weitere 15 EUR.
Um beurteilen zu können, ob der Lebensunterhalt gesichert ist, genügt es nicht, punktuell die jeweils aktuelle Situation zu beurteilen. Vielmehr müssen realistische Annahmen und konkrete Dispositionen des Ausländers die Annahme erlauben, er werde in Zukunft dauerhaft nicht auf öffentliche Mittel angewiesen sein, weil ihm nachhaltig und verlässlich Mittel zufließen (BVerwG, U. v. 18.04.2013 – 10 C 10/12 – BVerwGE 146, 198/209 = NVwZ 2013, 1339/1341, jew. Rn. 24; BayVGH, B. v. 08.02.2017 – 10 ZB 16.1850 – juris Rn. 13).
Der Lebensunterhalt wird ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten, wenn er durch eigenes Einkommen aus einem ungekündigten, auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis erwirtschaftet wird. Daneben kommen auch freiwillige finanzielle Leistungen eines Dritten in Betracht, insbesondere wenn dessen Leistungsfähigkeit und Leistungswille nicht nur z.B. durch vorgelegte Zahlungsbelege, sondern darüberhinausgehend durch eine Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG unter Beweis gestellt sind (Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 AufenthG Rn. 29, 31). Eine Verpflichtungserklärung ist nur wirksam, wenn sie eine Person mit Inlandswohnsitz abgibt. Denn nur dann kann der Erstattungsanspruch, wie § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorsieht, nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckt werden (Kluth in: Kluth/Heusch, BeckOKAuslR, Stand 01.11.2018, § 68 Rn. 9).
Was den monatlichen Bedarf des Antragstellers angeht, ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts davon auszugehen, dass er im Wintersemester 2018/2019 an einer Hochschule studiert, ohne dass derzeit feststeht, wann sein Studium beendet sein wird. Da er außerdem nicht bei den Eltern wohnt und privat krankenversichert ist, errechnet sich ein aktueller Bedarf von 399 EUR + 250 EUR + 15 EUR, d.h. von 664 EUR.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann er, punktuell betrachtet, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und aus einer freiwilligen Leistung einer Dritten bestreiten, weil er, vertraglich abgesichert, für die Anfertigung seiner Bachelorarbeit von der Firma … eine Vergütung von 600 EUR/mtl. erhält und seine Schwester ihm, nach eigenen Angaben, die für die Vergangenheit durch Kontoauszüge belegt werden, monatlich 300 EUR überweist.
Der Antragsteller hat dem Gericht jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm auch in absehbarer Zukunft nachhaltig und verlässlich Mittel zufließen.
Zwar hat sich seine Schwester am 24.10.2018 verpflichtet, die Lebensunterhaltskosten und weitere Kosten für fünf Jahre zu tragen. Diese formlose Verpflichtungserklärung entfaltet jedoch keine rechtliche Wirksamkeit, weil seine Schwester als haftende Person in … (Schweiz) und damit nicht im Inland wohnt.
Auch sein bisheriges eigenes Einkommen beruht nicht auf einem ungekündigten, für mindestens ein Jahr abgeschlossenen Arbeitsverhältnis. Der vorgelegte Vertrag betreffend die Anfertigung der Bachelorarbeit ist vielmehr bis 31.12.2018 befristet und es wurde nicht vorgetragen, dass die Vereinbarung im Anschluss daran ggf. verlängert wird.
Welches Einkommen er danach beziehen wird, sollte der Vertrag nicht verlängert werden, ist ebenfalls offen. Zwar hat er mit Schriftsatz vom 19.10.2018 eine undatierte schriftliche Bestätigung der … … vorgelegt, es sei beabsichtigt, ihn nach Abschluss seines Studiums (voraussichtlich Februar 2019) als Ingenieur in der Programmierabteilung einzustellen. Bei dieser Bestätigung handelt es sich aber um kein konkretes Arbeitsvertragsangebot, aus dem sich ergibt, ob der Antragsteller auf Dauer oder befristet, mit oder ohne Probezeit und zu welchen finanziellen Konditionen beschäftigt werden wird. Gleiches gilt für die mit Schriftsatz vom 09.10.2018 vorgelegte undatierte schriftliche Bestätigung, seine Praktikumsfirma beabsichtige, ihn nach Abschluss seines Studiums als Programmierer einzustellen, aus der er ableitet, er werde auch dann beschäftigt, wenn er sein Studium nicht erfolgreich zu Ende bringt.
Damit kann der Antragsteller, was den Zeitraum ab dem 01.01.2019 betrifft, mit Erfolg lediglich darauf verweisen, es sei davon auszugehen, dass ihn seine Schwester, wie sie es in der Vergangenheit bereits getan hat, weiterhin mit 300 EUR im Monat unterstützen wird.. Mit diesem Betrag kann er jedoch nicht einmal seine monatliche Miete von (insgesamt) 310 EUR bestreiten.
Schließlich ist von der Regelvoraussetzung auch nicht ausnahmsweise abzusehen.
Die Forderung, die Sicherung des Lebensunterhalts müsse nachgewiesen sein, ist das wichtigste Mittel, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern (BT-Drs. 15/420 S.70). Aufgrund dieses grundlegenden staatlichen Interesses wurde sie als Regelvoraussetzung normiert, von der nur in eng begrenzten Fällen eine Ausnahme zu machen ist. Ein Ausnahmefall ist anzunehmen bei besonderen atypischen Umständen, die so bedeutsam sind, dass sie das ansonsten ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen oder wenn die Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts geboten ist (BVerwG, U.v.30.04.2009 – 1 C 3.08 – InfAuslR 2009, 333/333f.).
Besondere Umstände sind nicht darin zu sehen, dass der Antragsteller womöglich in der Endphase seines Studiums steht und es deshalb überwiegend wahrscheinlich wäre, dass er sein Studium binnen kurzem abschließen wird und dann, ohne zwischenzeitlich öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen, eine gut dotierte Erwerbstätigkeit beginnen werde.
Denn der Antragsteller hat in der Vergangenheit bereits wiederholt versichert, er werde binnen kurzem sein Studium oder jedenfalls einen Teilabschnitt davon erfolgreich abschließen, ohne dass er den Worten Taten folgen ließ. Auch wenn das Gericht zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er durch die Tätigkeit in seinem Praktikumsbetrieb einen neuen Motivationsschub erhalten hat, kann deshalb nach einer bisherigen Gesamtstudiendauer von 12 Jahren nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er nun im Februar 2019 sein Studium abgeschlossen haben wird.
Besondere Umstände liegen weiter auch nicht deshalb vor, weil dem Antragsteller bestätigt wurde, dass ihn seien Praktikumsfirma auch als Studienabbrecher anstellen wird. Denn sollte er sein Studium ohne Abschluss beenden, wird, wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu prüfen sein, ob er die für diesen Fall angebotene Beschäftigung ohne vorherige Durchführung eines Visumsverfahrens aufenthaltsrechtlich aufnehmen kann.
Auch höherrangiges Recht verlangt nicht, auf den Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts zu verzichten. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf das Recht auf Achtung seines Privatlebens gem. Art. 8 EMRK. Ungeachtet seiner Verwurzelung im Bundesgebiet, ist der Antragsteller, der 20 Jahre in Tunesien gelebt und dort erfolgreich die Schule besucht hat und die Landesprache spricht, trotz eines 14 jährigen Aufenthalts in Deutschland in seinem Herkunftsland nicht in einem Maße entwurzelt, dass es geboten erschiene, auf die nachgewiesene Sicherung des Lebensunterhalts zu verzichten, damit sein Aufenthalt im Bundesgebiet nicht aus diesem Grund beendet wird.
bb) Außerdem steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch entgegen, dass ein Ausweisungsinteresse vorliegt.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht.
Für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Vielmehr reicht es aus, dass ein Ausweisungsinteresse gleichsam abstrakt – d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen – vorliegt, wie es insbesondere im Katalog des § 54 AufenthG normiert ist (BVerwG, U. v. 12.07.2018 – 1 C 16/17 – InfAuslR 2018, 395/396f. Rn.15).
Ein Ausweisungsinteresse, das schwer wiegt, liegt u.a. dann vor, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat (§ 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG). Kein geringfügiger Verstoß liegt jedenfalls dann vor, wenn die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Straftat erfüllt werden (BVerwG, U. v. 24.09.1996 – 1 C 9/94 – BVerwGE 102, 63/66f. = NVwZ 1997, 1123/1124 zum insoweit vergleichbaren§ 46 Nr. 2 AuslG). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Ausländer wegen des Verstoßes bereits bestraft wurde. Zu beachten ist allerdings, dass zwischen § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG und den anderen ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründenden Tatbeständen wie insbesondere § 54 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 AufenthG nicht dadurch eine Schieflage eintritt, dass § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG auch auf vergleichsweise unbedeutende Verstöße angewandt wird, die nicht einmal strafrechtlich geahndet worden sind (Bauer/Dollinger in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 54 AufenthG Rn. 76f.).
„Verbraucht“ ist das Ausweisungsinteresse, wenn die Ausländerbehörde zuvor in Kenntnis des Ausweisungsinteresses vorbehaltlos einen Aufenthaltstitel erteilt oder verlängert hatte und keine neuen Umstände hinzugekommen sind (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand September 2018 § 5 AufenthG Rn. 30).
Zudem muss das Ausweisungsinteresse aktuell noch bestehen. Das ist dann nicht der Fall, wenn ohne vernünftige Zweifel feststeht, dass die Gefahr, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, nicht mehr droht. Dabei sind umso geringere Anforderungen an das Vorhandensein einer akuten Gefährdung zu stellen, je gewichtiger das Ausweisungsinteresse ist (BayVGH, B. v. 26.08.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 21f; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand September 2018, § 5 AufenthG, Rn. 31b). Kriterien dafür, ob das Ausweisungsinteresse noch erheblich ist, sind u.a. Art, Gewicht und Unrechtsgehalt der Straftaten des Ausländers sowie sein sonstiges Verhalten (BayVGH, B. v. 09.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 26f.).
Der Antragsteller hat die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Ausweisungsinteresses i.S. des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG dadurch erfüllt, dass er, wie sich aus seinen aktuellen Eintragungen im Bundeszentralregister ergibt, nicht nur vereinzelt oder geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat. Dieses Ausweisungsinteresse ist nur teilweise verbraucht.
Am 07.08.2006 fuhr er vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis und verstieß dadurch auch gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Am 03.03.2007 beginn er einen Diebstahl. Das sich aus diesen nicht geringfügigen Verstößen ergebene Ausweisungsinteresse ist jedoch dadurch verbraucht, dass die Stadt G* … in Kenntnis des Ausweisungsinteresses am 25.09.2009 seine Aufenthaltserlaubnis verlängert hat.
Am 25.10.2009 beging er auf einer Party zwei vorsätzliche Körperverletzungsdelikte, die mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geahndet wurden. Auch das sich dadurch ergebende Ausweisungsinteresse wegen eines nicht geringfügigen Verstoßes gegen das Strafgesetzbuch ist verbraucht, weil die Stadt G* … ihm in Kenntnis des Ausweisungsinteresses am 21.03.2012 vorbehaltlos eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug erteilt hat.
Weiterhin hat der Antragsteller am 01.10.2016 während eines Erste-Hilfe-Kurses ein Körperverletzungsdelikt begangen. Zwar wurde er deshalb nicht verurteilt, sondern das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Der Geschädigte wurde jedoch auf den Privatklageweg verwiesen. Außerdem ist der Antragsteller am 08.10.2017 vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis mit einem Kleinkraftrad gefahren und wurde deshalb zu 40 Tagessätzern zu je 40 EUR verurteilt. Das sich aus diesen vorsätzlichen und damit nicht geringfügigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften ergebende Ausweisungsinteresse ist nicht verbraucht, weil dem Antragsteller zuletzt am 27.04.2016 und damit bereits vor Tatbegehung eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG erteilt wurde.
Das Ausweisungsinteresse besteht weiterhin. Denn es steht nicht ohne jeden Zweifel fest, dass die vom Antragsteller ausgehende Gefahr nicht mehr besteht.
Zu berücksichtigen ist dabei zunächst der Unrechtsgehalt und das Gewicht der vom Antragsteller begangenen Straftaten.
Schutzzweck der Vorschrift des § 21 Abs. 1 StVG, die das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Strafe stellt und damit ein abstraktes Gefährdungsdelikt normiert, ist die Abwendung von Gefahren, die der Verkehrssicherheit, aber auch anderen Personen im öffentlichen Verkehr von Verkehrsteilnehmern drohen, die nicht durch den Erwerb der erforderlichen Fahrerlaubnis den Nachweis ihrer Eignung zum Führen des Fahrzeuges erbracht haben und damit eine nicht hinnehmbare Gefahr für andere Verkehrsteilnehmerdarstellen (Weidig in: MüKoStVR, 1. Aufl. 2016, § 21 StVG Rn.1). Damit kann der Antragsteller sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe durch den Verstoß keinen anderen konkret geschädigt. Vielmehr hat er bereits zum zweiten Mal nach 2006 gegen eine Strafvorschrift verstoßen, deren Gewicht auch daran deutlich wird, dass sie als Sanktion Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe mit von Gesetzes wegen nicht nach oben begrenzter Tagesatzhöhe vorsieht.
Auch § 223 StGB, der die Körperverletzung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe sanktioniert, schützt mit der körperlichen Unversehrtheit ein bedeutendes Rechtsgut.
Für das Fortbestehen der Gefahr spricht darüber hinaus, dass der Antragsteller die beiden letzten Delikte vor nicht allzu langer Zeit begangen hat. Insbesondere seit dem letzten abgeurteilten Delikt, dem Fahren ohne Fahrerlaubnis ist kaum mehr als ein Jahr vergangen. Schwer gegen ihn ins Gewicht fällt weiter, dass er, sowohl was das Fahren ohne Fahrerlaubnis als auch was die Körperverletzung betrifft, bereits im August 2006 bzw. Ende Oktober 2009 derartige Delikte begangen hatte. Außerdem lassen die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichtes G* … im Urteil vom 17.09.2010 und der Vermerk der Polizei G* … über den Tathergang vom 01.10.2016 erkennen, dass der Antragsteller sich aufgrund seines Temperaments in Konfliktsituationen nicht unter Kontrolle hatte und zur Gewalt griff. Es mag zwar zutreffen, dass der Antragsteller, wie seine Prozessbevollmächtigte geltend macht, seit seinem Zuzug in B* … besonnener geworden ist. Angesichts der gut zwei Jahre, die sein letzter Gewaltausbruch her ist und der massiven Gewalt, die er im Oktober 2009 ausgeübt hat, bestehen jedoch weiterhin erhebliche Zweifel, ob von ihm nicht weiterhin, wenn auch nicht im Alltag, jedenfalls dann, wenn er in einer Konfliktlage aggressiv wird, eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit anderer ausgeht.
Die damit bestehende Wiederholungsgefahr ist auch nicht ausnahmsweise als Restrisiko in Kauf zu nehmen. Ein Ausnahmefall ist gegeben, wenn der Fall aufgrund besonderer Umstände soweit vom Regelfall abweicht, dass trotz bestehenden Ausweisungsinteresses die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist. Dabei ist im Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Regelerteilungsvoraussetzung des nicht bestehenden Ausweisungsinteresses insbesondere die Dauer des straffreien Aufenthalts zur Gesamtaufenthaltsdauer ins Verhältnis zu setzen. Weiter kann höherrangiges Recht es gebieten, ausnahmsweise den Aufenthaltstitel zu erteilen (BayVGH, B. v. 29.08.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 24).
Atypische Umstände liegen hier nicht vor. Der Antragsteller hat in den Jahren 2006, 2007, 2009 und 2017 derzeit noch im Bundeszentralregister eingetragene Straftaten begangen. Zudem liefen wegen einer 2016 verübten Straftat Ermittlungen gegen ihn. Damit war er lediglich in den Jahren 2010 bis 2016 längere Zeit straffrei. Sein straffreier Aufenthalt in B* … seit Oktober 2017 wiegt deshalb die Zeiten, in denen er während seines Gesamtaufenthalts von 14 Jahren immer wieder straffällig wurde, jedenfalls derzeit noch nicht auf.
Auch höherrangiges Recht gebietet es nicht, von der Regelerteilungsvoraussetzung abzusehen. Dies gilt insbesondere für das Recht auf Achtung seines Privatlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK. Zwar wird in dieses Recht eingegriffen, wenn sein Aufenthalt und damit seine Beziehungen im Bundesgebiet beendet werden. Der Eingriff ist jedoch gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Der Antragsteller, der weiterhin in Tunesien verwurzelt und damit kein faktischer Inländer ist, ist geschieden und kinderlos. Er hat in B* … zwar inzwischen Fuß gefasst, lebt aber hier erst seit einem Jahr. Ob er sein Studium erfolgreich beenden wird und den Übergang in eine berufliche Tätigkeit schafft, die mehr ist als ein studentischer Nebenjob, ist derzeit noch nicht abzusehen. Schließlich bedeutet die Beendigung seines Aufenthalts nicht, dass er ein für alle Mal keine Chance mehr hat im Bundesgebiet zu leben. Vielmehr besteht für ihn die Möglichkeit mit einem Visum zum Zweck der Erwerbstätigkeit im Bereich der Programmierung zurückzukehren, wenn die dafür geltenden Voraussetzungen nachgewiesen sind.
2. Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern. 8.1, 1.5 Streitwertkatalog 2013 (halber Auffangstreitwert).