Aktenzeichen M 4 K 18.2526
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids, weil dieser im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 12) rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).
1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig, weil dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (1.1.) und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommene Abwägung (1.2.) der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG).
Das Gericht hat die behördliche Entscheidung der Beklagten unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts am 18. Mai 2021 zu überprüfen (vgl. BVerwG, U. v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12).
Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Übergabe des Urteilstenors an die Geschäftsstelle am 18. Mai 2021 (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1989 – 4 C 22/88 – NVwZ 1989, 860, Leitsatz 2.; VGH Mannheim, U.v. 15.12.2016 – 2 S 2506/14 -BeckRs 2016, 111612, Leitsatz 1) eingereichten Schriftsätze führen nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung ergibt sich vorliegend nicht aus § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Insbesondere ist das Ermessen in Anlehnung an § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 156 Abs. 2 ZPO nicht auf Null reduziert, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen. Aber auch nach Ermessen war die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen. Die geltend gemachten Sachverhalte wurden bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des Bescheids und sieht insofern von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Darüber hinaus gilt ergänzend folgendes:
1.1. Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet gefährdet zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung haben die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Bei dieser Gefahrenprognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 21.11.2017 – 10 B 17.818, BeckRS 2017, 134588; BayVGH, B.v. 8.11.2017 – 10 ZB 16.2199 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 6.6.2017 – 10 ZB 17.588 – juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 9.5.2017 – 10 ZB 16.57 – juris Rn. 15).
Anlass für die Ausweisung ist die Verurteilung des Klägers vom 6. März 2017 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ist ein hohes Rechtsgut, dessen Verletzung schwer ins Gewicht fällt. Eine Wiederholungsgefahr besteht zur Überzeugung des Gerichts in Abweichung von der Einschätzung im Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Augsburg vom 29. März 2021 weiterhin, da der Kläger in eine belastete familiäre Situation entlassen wurde (1.1.1.) und deshalb, nach Auffassung des Gerichts – abweichend vom Strafaussetzungsbeschluss vom 29. März 2021 – von einer ausreichend konkreten Gefahr der Wiederholung von Gewaltdelikten auszugehen ist (1.1.2.). Weiter erfordert die für das Anlassdelikt mitursächliche Alkoholabhängigkeit des Klägers weiterhin therapeutische Behandlung (1.1.3.). Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten stehen der Annahme einer erheblichen Gefahr nicht entgegen (1.1.4.). Auch aus generalpräventiven Gründen wäre eine Ausweisung zulässig (1.1.5.).
1.1.1. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und des Gewichts der bedrohten Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Kläger die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten, insbesondere von Körperverletzungsdelikten im häuslichen Bereich, ausgeht. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der Anlasstat um ein massives Gewaltdelikt im häuslichen Nahbereich handelt, dessen mehrfach lebensgefährdende Verletzungen nur zufällig nicht zum Tod eines Menschen geführt haben (vgl. Strafurteil S. 7), so dass wegen der hohen Bedeutung des bedrohten Rechtsguts ein geringeres Rückfallrisiko ausreichend ist, um eine Wiederholungsgefahr anzunehmen.
Unter Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit legt die Rückkehr in eine belastete familiäre Situation zum aktuellen Zeitpunkt eine Rückfallgefahr mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit nahe.
Die Ehefrau des Klägers leidet an einer behandlungsbedürftigen depressiven Episode und ist derzeit mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Drei der vier im gemeinsamen im Haushalt mit dem Kläger und seiner Ehefrau lebenden Kinder sind verhaltensauffällig, nach Angaben der Zeugin aggressiv. Nach Angaben des Sozialreferates der Beklagten vom … 2021 haben die drei schulpflichtigen Kinder aufgrund aktueller kinderpsychiatrischer Diagnosen einen gesetzlichen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII, da sie in ihrer Entwicklung verzögert seien. Die Ehefrau des Klägers sei durch die Alltagsanforderungen derart belastet, dass es zu einer psychischen Dekompensation nach Haftentlastung des Klägers gekommen sei. Weiter lebt ein noch nicht einjähriger Säugling im Haushalt.
In diese belastete und belastende familiäre Situation ist der Kläger nach einer mehrjährigen Inhaftierung wegen eines massiven häuslichen Gewaltdelikts entlassen worden. Das Risiko, dass zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau aufgrund der belastenden familiären Gesamtsituation Konflikte entstehen, schätzt das Gericht als hoch ein. Beziehungskonflikte stellen jedoch ausweislich des psychiatrischen Gutachtens einen Hauptrisikofaktor für eine Rückfallgefahr beim Kläger dar. Sowohl nach dem forensisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. P., als auch nach dem Gutachten von Dr. B. stellte der „situative Faktor“ einer „instabilen Paarbeziehung mit gehäuften Streitereien und Konflikten“ einen Hauptfaktor für die Anlasstat des Klägers dar und ist für die Prognose einer künftigen Straffreiheit von erheblicher Relevanz. Das dem strafvollstreckungsrechtlichen Aussetzungsbeschluss zu Grunde liegende Gutachten von Frau Dr. P. ging vom Vorhandensein einer „jetzt stabilen“ Paarbeziehung aus, die sich allerdings in Freiheit erst noch bewähren müsse, was positive Bedeutung für die Prognose habe (S. 69 des Gutachtens). In der Prognosebeurteilung des Klägers im psychiatrischen Gutachten von Dr. P. vom … 2021 wurde als situativer Faktor für die Straftat festgestellt, dass sich der Kläger in einer „instabilen Beziehung, die von vielen Streitigkeiten geprägt war“ mit der Geschädigten befand. Die zukünftige Prognose der Straffreiheit sei als günstig anzusehen, sofern dieser situative „Faktor für die Zukunft nicht mehr vorhanden ist“ (S. 68 d. Gutachtens).
Nach Ansicht des Gerichts ist der Kläger jedoch nicht in eine solche stabile Partnerschaft zurückgekehrt. Die Familiensituation ist schwierig und belastet. Der Kläger konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts nicht darlegen, warum er im Jahr 2013 die Beziehung mit seiner jetzigen, damals mit dem zweiten gemeinsamen Kind schwangeren Ehefrau beendet hatte und eine Beziehung mit der Geschädigten eingegangen ist. Der Kläger und seine Ehefrau lebten seit Anfang 2014 nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Von daher ist zu konstatieren, dass die Beziehung des Klägers und seiner jetzigen Ehefrau unter Berücksichtigung der Vorgeschichte belastet ist. Bemerkenswert ist, dass die Ehefrau des Klägers die Straftat des Klägers als „Unfall“ bezeichnete, was auf ein fehlendes Gefahrenbewusstsein schließen lässt. Das schwierige häusliche Umfeld mit drei schulpflichtigen, verhaltensauffälligen Kindern und einem Säugling neben einer dekompensierenden, depressiven Ehefrau stellen nicht das stabile Umfeld dar, das den Prognosen der Gutachter zugrunde gelegen hat.
1.1.2. Vor dem dargestellten Hintergrund sieht das Gericht – abweichend vom Beschluss des Landgericht Augsburg vom 15. März 2021, auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. P. vom … 2021 den Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen – weiterhin eine vom Aufenthalt des Klägers ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Insbesondere besteht weiter die Gefahr der Begehung von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, vor allem im häuslichen Bereich.
Das Gericht ist bei der Gefahrenprognose nicht an die vom Strafvollstreckungsgericht Augsburg bei dessen Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung getroffene Einschätzung gebunden. Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der Prognose ein wesentliches Indiz dar (BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10/12 – juris). Eine Bindungswirkung geht von den strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die Prognose, ob der Ausländer eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung. Vielmehr haben die zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen. Sie können deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10/12 – NVwZ-RR 2013, 435; BeckOK MigrR/Katzer, AufenthG, § 53 Rn. 22; BayVGH, U. v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – BeckRS 2016, 45476). Es bedarf jedoch einer substantiierten Begründung, wenn von der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer abgewichen wird (BayVGH, B.v. 27.9.2019 – 10 ZB 19.1781 – juris Rn. 11). Bei Aussetzungsentscheidungen nach § 57 StGB geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines in Haft befindlichen Straftäters weiter im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit ggf. unter Auflagen „offen“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Bei dieser Entscheidung stehen naturgemäß vor allem Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund; zu ermitteln ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Demgegenüber geht es im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren um die Frage, ob das Risiko eines Misslingens der Resozialisierung von der deutschen Gesellschaft oder von der Gesellschaft im Heimatstaat des Ausländers getragen werden muss. Die der Ausweisung zu Grunde liegende Prognoseentscheidung bezieht sich folglich nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht hier um die Beurteilung, ob es dem Ausländer gelingen wird, über die Bewährungszeit hinaus ein straffreies Leben zu führen. Bei dieser längerfristigen Prognose kommt dem Verhalten des Betroffenen während der Haft und nach einer vorzeitigen Haftentlassung zwar erhebliches tatsächliches Gewicht zu. Dies hat aber nicht zur Folge, dass mit einer strafrechtlichen Aussetzungsentscheidung ausländerrechtlich eine Wiederholungsgefahr zwangsläufig oder zumindest regelmäßig entfällt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Täter im entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren verweisen kann; das Potenzial, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen, ist nur ein solcher Faktor, genügt aber für sich genommen nicht (BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10/12 – NVwZ-RR 2013, 435).
Vorliegend kann auch unter Beachtung der Entscheidung des Landgerichts Augsburg nicht der Schluss gezogen werden, dass der Kläger keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundespublik darstellt. Unter Berücksichtigung des längeren Prognosezeitraums über die Bewährungszeit hinaus und des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes des § 57 StGB, der beinhaltet auch ein gewisses Restrisiko zuzulassen, ergibt sich ausländerrechtlich eine abweichende Prognose, dahingehend, dass die vom Kläger ausgehende Gefahr nicht entfallen ist.
Die dem psychiatrischen Gutachten vom … 2021 zu Grunde gelegten Tatsachen, vor allem zur Ehe und der sozialen Entlasssituation des Klägers, stellen sich ungünstiger dar, als im Gutachten angenommen. Zusammenfassend ging das Gutachten davon aus, dass der Kläger in eine konfliktarme Beziehung zurückkehrt und engmaschig begleitet wird. Sowohl aus dem forensisch-psychologischen Gutachten des Dr. B. vom … 2020 als auch aus dem psychiatrischen Gutachten von Dr. P. vom … 2021 geht hervor, dass der zentrale deliktrelevante Problembereich des Klägers seine unzureichend ausgeprägten Beziehungskompetenzen, seine „Fluchttendenzen“ und seine Konfliktvermeidung durch einen gesteigerten dysfunktionalen Alkoholkonsum sowie seine (moderat ausgeprägte) Neigung zum isolierten Jähzorn im partnerschaftlichen Bereich darstellten. Maßgeblicher situativer Faktor, der für das Anlassdelikt von Bedeutung war, war eine instabile, von vielen Streitigkeiten geprägte Paarbeziehung (Gutachten Dr. P., S. 21, 68). Dr. B. stellte fest, dass im Rahmen des Gutachtens unklar geblieben sei, ob es aktuelles Konfliktpotenzial in der Partnerschaft des Klägers gebe. Eine langfristig angelegte therapeutische Begleitung des Beziehungserlebens und der Beziehungsgestaltung des Ehepaares erscheine sinnvoll und indiziert (Partnerschaft als risikorelevanter Umweltfaktor). Auch im Gutachten von Dr. P. vom … 2021 stellen instabile Paarbeziehungen „negative Rückfallprädiktoren“ dar. Konfliktbereiche in der Partnerschaft mit Frau M. seien nicht gänzlich für die Zukunft auszuschließen, auch Stressoren könnten nicht ausgeschlossen werden. Dem gegenübergestellt wurden als „positive Rückfallprädiktoren“, dass keine früheren Gewaltanwendungen vorlagen und „jetzt“ eine stabile Paarbeziehung bestehe. Die „negativen Rückfallprädiktoren“ könnten daher soweit kompensiert werden, dass bei bestimmten Voraussetzungen von einer günstigen Sozial- und Legalprognose auszugehen sei.
Die kritische häusliche Situation, in die der Kläger entlassen wurde, spricht deshalb entgegen den Ausführungen im Beschluss zur Strafaussetzung und den zu Grunde liegenden Gutachten für das Bestehen der Gefahr von Straftaten häuslicher Gewalt durch den Kläger. Die Erkrankung der Ehefrau und der drei älteren Kinder, die erheblichen Förderbedarf haben, lässt sich weder den Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt, die sich für eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ausgesprochen hat, noch den Gutachten von Dr. B. oder Dr. P. entnehmen und wurde demnach nicht berücksichtigt. Die Umstände, in die der Kläger entlassen wurde, entsprechen gerade in den relevanten Faktoren nicht dem, was der Begutachtung durch Dr. P. oder Dr. B. zugrunde gelegen hat. Psychische und soziale Probleme der Ehefrau und der Kinder brachte der Kläger gegenüber den Gutachtern nicht zur Sprache. Die Gutachter gingen demnach von einer Ehe, die sich zwar noch bewähren müsse, aber bessere situative Voraussetzungen mitbringe, als die Beziehung zur Geschädigten aus. Diese Gutachtenssachlage entspricht indes zur Überzeugung des Gerichts nicht der Realität.
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau eine stabile Beziehung vorliegt, ist ausweislich des Gutachtens von Dr. P. die Begleitung der Ehe durch eine Nachsorge in der Fachambulanz für Gewaltstraftäter für eine gewisse Zeit immer noch erforderlich, um entstehende Konflikte „auslenken“ zu können (Gutachterin Dr. P., S. 75).
1.1.3. Erschwerend hinsichtlich der ausländerrechtlichen Beurteilung der Rückfallgefahr des Klägers kommt die bisher nicht behandelte Alkoholabhängigkeit hinzu. Soweit der Klägerbevollmächtigte hierzu anmerkt, dass wegen der langen Haftdauer und der stattgefundenen Beratungsgespräche in Haft eine Wiederholungsgefahr entfalle, ist dem entgegen zu halten, dass die Wiederholungsgefahr nach ständiger Rechtsprechung des Obergerichts bei Straftaten, die unter anderem auf alkoholischer Enthemmung beruhen, erst dann als entfallen anzusehen ist, wenn eine therapeutische Behandlung der Alkoholabhängigkeit stattgefunden und der Kläger sich eine ausreichende Zeit in Freiheit bewährt hat (BayVGH, B.v. 29.05.2018 – 10 ZB 17.1739 – BeckRS 2018, 11351, Rn. 9; BayVGH, B.v. 16.02.2018 – 10 ZB 17.2063 – Rn. 10; BayVGH, B.v. 23.02.2021 – 19 ZB 20.696, BeckRS 2021, 3798, Rn. 22). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach den Feststellungen des im Rahmen des Strafverfahrens eingeholten psychiatrischen Gutachtens von Herrn L. vom … 2016 kann zwar ein gesicherter monokausaler Zusammenhang zwischen dem Tatvorwurf und der zugrundeliegenden Alkoholproblematik noch nicht festgestellt, ein additiver Effekt im Sinne einer gewissen Enthemmung jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die Aussage sei sicher zulässig, dass weiterer Alkoholkonsum neue Straftaten begünstigen könnte. Allerdings stünde motivational eine konfliktreiche Beziehung zwischen dem Kläger und der Geschädigten im Vordergrund. Derartige Delikte könnten jedoch zukünftig auch nicht ausgeschlossen werden (Strafakte 102 Js 247/16, Bl. 1087 f.). Einen „negativen Rückfallprädiktor“ im Sachverständigengutachten von Dr. P. stellt ebenfalls die unbehandelte Alkoholabhängigkeit dar, so dass die Gutachterin als Auflage für die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung eine ambulante Alkoholtherapie für dringend angezeigt hielt (Gutachten P, S. 68, 74 f.). Dies wurde ebenso von der Justizvollzugsanstalt und dem Landgericht Augsburg als notwendig angesehen, das mit Beschluss vom 29. März 2021 des Weiteren vollständige Abstinenz, kontrolliert durch regelmäßige Alkoholurinkontrollen angeordnet hat.
1.1.4. Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten stehen der Annahme einer erheblichen Wiederholungsgefahr nicht entgegen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte vorträgt, dass es sich bei der Anlassstraftat um eine rein in der Beziehung des Klägers zu der Geschädigten B. wurzelnde Beziehungstat gehandelt habe, die von der Geschädigten B. ausgegangen sei, ist dem entgegen zu halten, dass auch die vorhergehenden Beziehungen des Klägers Anlass zu zumindest verbalen Auseinandersetzungen gegeben haben. Das Gutachten von Frau Dr. P. sieht zwar die Fähigkeit des Klägers, langandauernde Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten als gegeben und positiv zu bewerten an. Diese Annahme ist für das Gericht jedoch unschlüssig. Zur Begründung nimmt das Gutachten Bezug auf die 21 Jahre andauernde Beziehung zu Frau D.S.M. Diese Beziehung war jedoch ausweislich der Aktenlage nach Ansicht des Gerichts nicht als stabil anzusehen: Frau D.S.M. lebte immer wieder zeitweise in Angola. Der Kläger führte nach Aktenlage einige Jahre mit einer anderen Frau eine Beziehung, mit der er auch zwei weitere Kinder zeugte. Es ist bereits in den Jahren 2005 und 2008 zu mehreren Polizeieinsätzen wegen des Verdachts auf häusliche Gewalt des Klägers gegenüber Frau D.S.M. gekommen. Auf diese Polizeieinsätze in der mündlichen Verhandlung angesprochen erklärte der Kläger, dass es sich lediglich um laute verbale Streitigkeiten mit Frau D.S.M. gehandelt habe und die Nachbarn die Polizei gerufen hätten. Die Polizisten hätten ihn dann für eine Nacht ins Gefängnis mitgenommen. Ebenfalls beachtlich ist in diesem Zusammenhang die Zeugenaussage einer Bekannten des Klägers bei der Polizei vom 2. März 2016 (Strafakte Band I, Bl. 317). Die Zeugin gab auf die Frage, ob der Kläger die Geschädigte B. schon einmal geschlagen habe, an, dass sie es nicht wisse, aber nicht davon ausgehe, da sie meine, dass der Kläger aus der „damaligen Sache“ gelernt habe. Er habe seine Exfrau geschlagen, sei deshalb angezeigt worden und auch ins Gefängnis gekommen. Die Bewertung dieser Beziehung durch die Gutachterin als andauernde und stabile Paarbeziehung ist für das Gericht vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar und unschlüssig. Der Kläger weist vielmehr – entsprechend der Diagnosen von Dr. B. – grundsätzlich Defizite in seiner Beziehungsgestaltung auf, die vermehrt zu Konflikten in Paarbeziehungen führen.
Von einer nach Angaben des Klägerbevollmächtigten „grundsätzlich fehlenden Gewaltbereitschaft des Klägers, die von einer einmaligen, von der Geschädigten mitverursachten Gewalttat“ durchbrochen wurde, kann nicht die Rede sein. Aus den polizeilichen Auskünften ergibt sich, dass gegen den Kläger in der Vergangenheit drei Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung (2005 und 2009), ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung (2010) und ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung und Beleidung (2011) geführt wurden. Auch wenn die Erkenntnisse aus den jeweiligen Strafverfahren im Ergebnis nicht bekannt sind, ist jedenfalls beachtlich, dass eine erhebliche Anzahl von Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im Bereich von (verbalen oder körperlichen) Gewaltdelikten geführt wurde.
Das, abgesehen von dem Versuch in der Untersuchungshaft, Briefe an die Geschädigte zu schmuggeln, beanstandungsfreie Verhalten während der Haft steht der Annahme eine Wiederholungsgefahr nicht entgegen.
1.1.5. Die Ausweisung ist auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt.
Eine Ausweisung kann auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht regelmäßig (zu Ausnahmen bei durch § 53 Abs. 3 bis 4 AufenthG besonders geschützten Personenkreisen BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – BVerwGE 162, 349 juris Rn. 19 unter Verweis auf BT-Drs. 18/4097 S. 49) auf generalpräventive Gründe gestützt werden, denn vom weiteren Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 – juris Rn.17). Zur Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG bedarf es – anders als unter Geltung von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG a.F. – nicht der Verurteilung wegen besonders schwerwiegender Delikte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wie Drogendelikte, Delikte im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität oder im Zusammenhang mit Terrorismus. Nach der Rechtsprechung des Senats können im Einzelfall auch Falschangaben zur Erlangung einer Duldung (BayVGH, B.v. 10.12.2018 – 10 ZB 16.1511 – juris Rn. 19; B.v. 17.9.2020 – 10 C 20.1895 – juris Rn. 10), eine Identitätstäuschung gegenüber der Ausländerbehörde (BayVGH, B.v. 6.3.2020 – 10 ZB 19.2419 – juris Rn. 5), Falschangaben im Visumverfahren (BayVGH, B.v. 28.12.2018 – 10 C 18.1361 – juris Rn. 13), die Verletzung der Passpflicht (BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 20.666 – juris Rn. 8) oder Körperverletzung (BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 10 C 20.51 – juris Rn. 7) ein generalpräventives Ausweisungsinteresse begründen. Erforderlich ist lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (BVerwG, U.v. 3.5.1973 – I C 33.72 – BVerwGE 42, 133 – juris Rn. 34; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 64; Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Auflage 2020, § 7 Rn. 27; Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.7.2020, § 53 AufenthG Rn. 32). Auch muss das Ausweisungsinteresse noch aktuell sein (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 – juris Rn.17). Darüber hinaus sind Art und Schwere der jeweiligen Anlasstat lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (so auch Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 63).
Die mit Urteil vom 6. März 2017 abgeurteilte Straftat des Klägers ist unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Verjährungsfristen nach § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB, § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB i.V.m. § 224 StGB und der Tilgungsfristen nach den § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG i.V.m. § 51 BZRG noch aktuell und kann daher noch als Ausweisungsinteresse herangezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn. 23 ff.).
Die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Klägers war zum Zeitpunkt der Tat nicht eingeschränkt. Es ist auch nicht von einer singulären Einzelsituation oder affektiv nicht steuerbaren Beziehungstat auszugehen, von deren Begehung andere Ausländer nicht abgeschreckt werden könnten.
1.2. Die Beklagte hat das Ausweisungsinteresse mit dem Bleibeinteresse des Klägers rechtmäßig abgewogen. Zu Lasten des Klägers sprechen besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen (1.2.1.), zu seinen Gunsten jedoch auch besonders schwerwiegende Bleibeinteressen (1.2.2.). Insgesamt überwiegt im Rahmen der Abwägung das öffentliche Interesse an der Ausweisung gegenüber dem Interesse des Klägers an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet, § 53 Abs. 1 AufenthG (1.2.3.).
1.2.1. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG dann besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist, was vorliegend der Fall ist. Der Kläger ist wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden.
Darüber hinaus wiegt das Ausweisungsinteresse vorliegend auch deshalb gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG besonders schwer, weil der Kläger wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde.
1.2.2. Dem stehen normierte Bleibeinteressen des Klägers gemäß § 55 AufenthG gegenüber.
Das Bleibeinteresse des Klägers wiegt nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwer, da er zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses eine Niederlassungserlaubnis besessen und sich seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.
Weiter stehen dem Kläger besonders schwerwiegende Bleibeinteressen wegen des Zusammenlebens in familiärer Lebensgemeinschaft seit seiner Haftentlassung am 1. April 2021 mit seiner Ehefrau, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 AufenthG), und der Ausübung der Personensorge für drei minderjährige ledige Deutsche (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 AufenthG) zur Seite.
Ein schwerwiegendes Bleibeinteresse steht dem Kläger nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG zu, da er nach den Angaben des Sozialreferats München im Schreiben vom … 2021, eine Vaterperson für seinen in häuslicher Lebensgemeinschaft lebenden Ziehsohn A., das älteste Kind der Ehefrau, darstellt. Das Gericht geht aufgrund der Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie den Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalten zu den Besuchen und der Teilnahme an den Vater-Kind-Gruppen während der Inhaftierung davon aus, dass zwischen dem Kläger und A. seit 2011 ein sozialer Kontakt vorliegt.
1.2.3. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 53 Abs. 2 AufenthG) fällt die Abwägung letztlich zulasten des Klägers aus.
(1) Für den weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet spricht, dass seine Kernfamilie mit deutscher Staatsangehörigkeit und ein Großteil seiner volljährigen Kinder in Deutschland leben, seine erhebliche Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland und seine teilweise wirtschaftliche Integration.
Zu Gunsten des Klägers spricht, dass er einige volljährige Kinder und teilweise Enkelkinder in Deutschland hat. Das Verhältnis des Klägers zu seinen volljährigen Kindern ist nach dessen Angaben gut, was durch die Besuche von zumindest einigen Familienangehörigen in der Justizvollzugsanstalt auch belegt wird. Die volljährigen Kinder sind jedoch nicht mehr auf einen dauerhaften Kontakt zum Kläger angewiesen. Im Fall einer Ausweisung ist es dem Kläger und seinen volljährigen Kindern bzw. seinen Enkelkindern zumutbar, Kontakt über Telefon, Briefe und Internet zu halten. Da zumindest ein Teil der volljährigen Kinder die angolanische Staatsangehörigkeit besitzt, ist es diesen auch ohne Weiteres möglich, den Kläger in Angola zu besuchen.
Der langjährige Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik ist zu berücksichtigen. Der Kläger lebt seit dem Jahr 1989, d.h. inzwischen seit 33 Jahren fast durchgängig in der Bundesrepublik Deutschland. Die bloße Aufenthaltsdauer des Klägers ist jedoch nicht alleine ausschlaggebend: Es ist auch beachtlich, inwieweit der Kläger sich während seiner Aufenthaltsdauer in Deutschland integrieren konnte. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger sich von 33 Jahren nur 17 Jahre und vier Monate rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Acht Monate entfallen hierbei auf den 1999 unter falscher Identität erschlichenen Aufenthaltstitel. Ganze 14 Jahre war der Kläger zur Ausreise verpflichtet, wobei der Vollzug der Ausreisepflicht durch ein Untertauchen zwischen dem 1. Mai 1995 und dem 1. Februar 1999 sowie die verweigerte Beschaffung von Reisepapieren bzw. später die fehlende Vorlage seines in seinem Besitz befindlichen, gültigen Reisepasses vom 25. April 2001 bis zum 6. Mai 2008 vom Kläger vereitelt wurde. Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger sich ohne Einbeziehung des Aufenthalts im Asylverfahren erst seit 15 Jahren und sechs Monaten rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält.
Zur wirtschaftlichen Integration des Klägers ist festzustellen, dass dieser zwar fast durchgängig während seines Aufenthalts in Deutschland erwerbstätig war und neben seinen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen auch geringfügige Beschäftigungen ausgeübt hat. Hierbei ist indes auch zu berücksichtigen, dass der Kläger, in den Jahren 1995 bis 1999, in denen er „untergetaucht“ war, nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung Erwerbstätigkeiten nachging, obwohl ihm das nicht erlaubt war. Außerdem leistete er u.a. wegen Konsumschulden im Jahr 2005 den „Offenbarungseid“ und befand sich im Jahr 2012 erneut in einem Verbraucherinsolvenzverfahren, das derzeit noch nicht abgeschlossen ist. Der Kläger hat aufgrund des Vergleichsvertrags mit der Geschädigten Schulden in Höhe von mindestens 30.000 Euro. In der mündlichen Verhandlung gab er an, keine Schulden zu haben, nur der Geschädigten 30.0000 Euro geben zu müssen. Inwieweit sich aus dieser Einlassung Zweifel sowohl am Willen als auch am Vermögen zur Schuldenbegleichung gegenüber dem Tatopfer ergeben, lässt das Gericht ausdrücklich offen. Der Kläger ging seit seiner Übersiedlung nach Bayern nur ungelernten Hilfstätigkeiten nach, vor allem bei der Post und in der Gastronomie, eine Berufsausbildung hat der Kläger nicht. Die sechsmonatige Umschulung im Jahr 2015 sowie der lediglich einige Monate umfassende Grundlehrgang Gebäudereiniger in der Justizvollzugsanstalt stellen keine abgeschlossene Berufsausbildung dar, so dass der Kläger prognostisch weiterhin geringqualifizierten Tätigkeiten nachgehen wird. Angesichts seiner geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen, dem fortgeschrittenen Alters des inzwischen 53-jährigen Klägers, der fast sechsjährigen Inhaftierung sowie der fehlenden Berufsausbildung stellt sich seine Möglichkeit, in Zukunft ein nicht von staatlichen Transferleistungen abhängiges Leben zu führen, prognostisch negativ dar.
Der Kläger pflegt nach Aktenlage, v.a. aus den Strafakten ersichtlich, größtenteils soziale Kontakte mit Personen angolanischer Staatsangehörigkeit, teilweise auch anderer ausländischer Staatsangehörigkeit. Die deutsche Ehefrau des Klägers, Frau M., ist dominikanischer Herkunft.
Soweit der Kläger vorträgt, dass er keine sozialen Kontakte mehr in Angola habe, ist er als volljähriger Mann nicht auf familiäre Kontakte angewiesen. Ohne dass es für die Entscheidung darauf ankommt, bezweifelt das Gericht diese Angabe des Klägers, weil er nach eigenen Angaben eine große Familie hat (vgl. Gutachten Dr. P., S. … f.) Die vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers (Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Schulterschmerzen) sind nicht so gravierend, dass eine medizinisch dauerhafte Behandlung erforderlich ist. Die medikamentöse Behandlung kann der Kläger – auch über seine Kontakte in Deutschland – in Angola fortführen. Der Kläger ist in Angola aufgewachsen und zur Schule begangen. Er beherrscht die Landessprache. Von einer Entwurzelung ist nicht auszugehen.
Im Übrigen ist die Ausländerbehörde wegen des vom Kläger im Jahr 1999 angestrengten Asylverfahrens an die Beurteilung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen durch das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gebunden, § 42 Satz 1 AsylG.
Zu Gunsten des Bleibeinteresses des Klägers ist im Licht des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK maßgeblich zu berücksichtigen, dass er mit seiner deutschen Ehefrau und vier deutschen Kinder in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, wobei er für drei der Kinder auch die Personensorge besitzt und ausübt. Weder Art. 6 GG noch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewähren jedoch einen unmittelbaren Anspruch des Ausländers auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde und das Gericht, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 10 ZB 20.2257 – BeckRS 2020, 32696, Rn. 6; BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 13 f.). Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles stellt sich eine Trennung des Klägers von seiner Kernfamilie für den Zeitraum des Einreise- und Aufenthaltsverbots von vier bzw. sechs Jahren nicht als unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Betroffenen aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK dar.
Der Kläger lebte bereits von 2011 bis 2013 mit seiner jetzigen Ehefrau und dem damals geborenen älteren gemeinsamen Kind mit der Ehefrau und A. in einer Partnerschaft und hielt auch nach der Trennung wegen der gemeinsamen Kinder – auch während der Inhaftierung – regelmäßigen Kontakt. Das Gericht geht weiter nach den Angaben und dem Eindruck von der Zeugin in der mündlichen Verhandlung und der Stellungnahme des Sozialbürgerhauses der Beklagten vom … 2021 davon aus, dass die Ehefrau des Klägers (derzeit) psychisch erkrankt ist und der Kläger aus diesem Grund für diese aktuell eine erhebliche Stütze im Alltag darstellt. Hinsichtlich der Ehefrau ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ehe erst nach Ergehen des streitgegenständlichen Bescheides geschlossen wurde sowie, dass die häusliche Lebensgemeinschaft erst seit kurzem, seit der Haftentlassung des Klägers am 1. April 2021, besteht. Die Ehe wurde somit im beiderseitigen Wissen um seine unsichere Aufenthaltsperspektive geschlossen und stellt sich daher als weniger schutzwürdig als eine bereits vor einer Ausweisung bestehende Ehe dar (BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 10 ZB 20.2257 – BeckRS 2020, 32696, Rn. 7; BayVGH, B.v. 5.11.2018 – 10 ZB 18.1710 – juris Rn. 13). Die Ehegatten waren vor dem Erlass des Ausweisungsbescheids auch noch nicht verlobt. In der Stellungnahme des Bevollmächtigten im Rahmen der Anhörung zur Ausweisung vom 12. Februar 2018 wird vom Kläger zwar bereits eine Verlobung mit Frau M. geltend gemacht. In der Stellungnahme von Frau M. vom … 2018 wurde der Kläger von dieser jedoch deutlich als Ex-Partner und nicht als Verlobter bezeichnet.
Das einzustellende Gewicht des Bleibeinteresses des Klägers hinsichtlich der minderjährigen Kinder ist im konkreten Einzelfall zwar als sehr hoch, letztlich aber nicht überwiegend anzusehen. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BayVGH, U.v. 27.6.2019 – M 24 K 19.689 – juris Rn. 26).
Aus Sicht der drei älteren Kinder besteht eine persönliche Verbundenheit mit dem Kläger. Der Kläger besitzt für die drei in den Jahren 2011, 2014 und 2020 geborenen Kinder seit der Heirat im Juli 2019 die Personensorge. Mit dem Ziehsohn A. und dem im Jahr 2011 geborenen Kind lebte der Kläger bereits für zwei Jahre von 2011 bis 2013 in häuslicher Lebensgemeinschaft. Von circa Herbst 2014 bis zu seiner Inhaftierung am 6. Februar 2016 betreute der Kläger den Ziehsohn A. und die beiden in den Jahren 2011 und 2014 geborenen Kinder nach den glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie der strafrechtlichen Aktenlage regelmäßig. Während der Inhaftierung besuchte die Ehefrau den Kläger mit den Kindern regelmäßig, teilweise nahm der Kläger an einer Vater-Kind-Gruppe mit den drei älteren Kindern teil. Aufgrund der regelmäßigen Besuche der Ehefrau und der Kinder in der Haft und ausweislich der Angaben des Klägers und der Zeugin in der mündlichen Verhandlung zur aktuellen Beziehung des Klägers zu den Kindern ist von einer engen Bindung der drei älteren Kinder zum Kläger auszugehen. Dies wird durch die Stellungnahme des Sozialreferats vom … 2021 bestätigt, nach der die Kinder ein hohes Beziehungsbedürfnis zum Kläger aufweisen. Die Zeugin gab in der mündlichen Verhandlung an, dass die Kinder den Kläger als Vater bei sich haben wollten. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die drei älteren Kinder nach der Stellungnahme des Sozialreferats vom … 2021 erheblich entwicklungsverzögert, und nach § 35a Abs. 1 SGB VIII seelisch behindert sind, so dass für diese ein im Vergleich zu nicht erkrankten Kindern verstärktes emotionales Interesse an einem Verbleib des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen ist.
Hinsichtlich des jüngsten Kindes des Klägers dürfte eine derartige tatsächliche Beziehung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wohl (noch) nicht anzunehmen sein. Da das Kind erst am … 2020 geboren wurde, der Kläger erst seit dem 1. April 2021 in familiärer Lebensgemeinschaft mit dem letztgeborenen Kind lebt, ist wohl noch nicht von einer tatsächlich vorliegenden engen Bindung des Kindes an den Kläger auszugehen. Dies ist letztlich jedoch nicht ausschlaggebend, das Abwägungsergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn man auch von einer tatsächlichen Bindung zwischen dem Kläger und dem jüngsten Kind ausgeht.
Die Aufrechterhaltung einer persönlichen Bindung zum Kläger – in der Intensität wie sie im Rahmen der Inhaftierung des Klägers stattgefunden hat – ist aus Kindswohlgesichtspunkten für die drei älteren Kinder wohl auch wichtig. Die bis zum Ende der Inhaftierung des Klägers erfolgten Besuchskontakte stellen sich unter Kindswohlgesichtspunkten nach Auffassung des Gerichts als positiv dar und werden aus der maßgeblichen Sicht der drei älteren Kinder zu einer Trennungs- bzw. Verlusterfahrung im Fall der Abschiebung des Klägers führen, da zweiwöchentlich bis monatlich regelmäßige persönliche Treffen nach einer Abschiebung nicht möglich sein werden.
Allerdings steht dem in der Abwägung entscheidend entgegen, dass die bei einem Rückfall beeinträchtigten Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit hoch sind. Wie im Rahmen der Wiederholungsgefahr bereits ausführlich dargelegt, besteht beim Kläger nach Ansicht des Gerichts ein erhebliches Gefahrenpotential im Bereich der häuslichen Gewalt für die mit ihm zusammenlebende Ehefrau. Überlastungsreaktionen des Klägers, die sich mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit zu Ungunsten der Ehefrau entladen, sind prognostisch erheblich wahrscheinlicher als im Gutachten angenommen (s.o.). Die vom Kläger im Rahmen der bisherigen Therapien ausgearbeiteten Bewältigungsstrategien sind nicht auf die Betreuung von drei seelisch behinderten Kindern, eines Säuglings und einer psychisch erkrankten Ehefrau ausgerichtet (s.o.). Die im Gutachten von Dr. P. angesprochenen „negativen Rückfallprädiktoren“ sind daher als erheblich erhöht im relevanten Bereich der häuslichen Stressoren anzusehen, während die positiven Faktoren (stabile Beziehung zur Ehefrau, Erarbeitung von Bewältigungsstrategien) nicht im ausreichenden Maß vorliegen (s.o.). Im Rahmen der Abwägung muss daher das Bleibeinteresse des Klägers aus § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG aus Kindswohlgesichtspunkten letztlich hinter dem erforderlichen Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zurückstehen.
Dem steht auch die Stellungnahme des Sozialreferats der Landeshauptstadt München vom … 2021 nicht entgegen. Danach soll der Kläger den Ausfall der Mutter, die mit den Alltagsanforderungen der drei seelischen behinderten Kinder und eines Kleinkindes erheblich überfordert und psychisch erkrankt ist, zur Abwendung einer Vertiefung der Entwicklungsverzögerungen der Kinder auffangen. Es handelt sich hierbei um eine sozialpädagogisch befürwortete Lösung, den Kindsvater bei Überforderung der bis dahin faktisch alleinerziehenden Mutter in die Kinderversorgung einzubinden und gleichzeitig dem hohen Beziehungsbedürfnis der Kinder Rechnung zu tragen. Aus der vorgelegten Stellungnahme des Sozialreferats vom … 2021 ergibt sich jedoch nicht, dass das Sozialreferat über die strafrechtliche Vergangenheit des Klägers, insbesondere Art und Schwere des Anlassdelikts, die Vorgeschichte und die psychiatrischen Gutachten informiert war. Außerdem ist der Unterstützungsbedarf der Ehefrau bei der Abwägung nicht mit dem gleich hohen Gewicht einzustellen wie die Kindswohlinteressen.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die tatsächliche Lebenssituation des Klägers mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Gefährdung von Leib und Leben der Ehefrau verbunden ist und dass diese Gefahr auch das Interesse der Kinder am Verbleib des Klägers und ihre Beziehungsbedürfnisse zum Kläger überwiegt, auch wenn man berücksichtigt, dass die bis zum 31. März 2021 stattgefundenen Besuchskontakte im Fall einer Ausreise bzw. Abschiebung nach Angola für mehrere Jahre entfallen und dies – neben der seelischen Erkrankung – jedenfalls die drei älteren Kinder belasten wird.
(2) Für das Überwiegen der Ausweisungsinteressen sprechen die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten. Die aus spezialpräventiven Gründen für das Überwiegen des Ausweisungsinteresses sprechenden Gesichtspunkte sind gemeinsam mit den generalpräventiven Gründen so gewichtig, dass die von der Beklagten vorgenommene Entscheidung nicht zu beanstanden ist.
Aufgrund der Schwere der Straftaten insbesondere im Hinblick auf die verletzten Rechtsgüter und die hierbei verursachten Folgen für die Geschädigte und ihre Kinder hält das Gericht die Ausweisung für verhältnismäßig. Das Strafgericht kam auch zur Ansicht, dass das vom Kläger verübte Unrecht gegen die körperliche Unversehrtheit seiner damaligen Lebensgefährtin mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren schuldangemessen geahndet werden müsse. Mithin wiegt die strafrechtliche Schuld des Klägers erheblich schwerer als für das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und deutlich schwerer als für das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG erforderlich.
Hierbei ist im Rahmen der Abwägung einzustellen, dass die Tat gravierende Folgen für die Geschädigte nach sich gezogen hat sowie in Anwesenheit der drei minderjährigen Kinder der Geschädigten stattgefunden hat. Neben den bleibenden gesundheitlichen Schäden der Geschädigten ist diese wegen der dauerhaften Verletzung an der Hand in der Folge gehindert, ihrem zuvor ausgeübten Beruf weiter nachzugehen. Ebenso ist von Relevanz, dass der Kläger zunächst mit Tötungsvorsatz handelte, auch wenn er strafbefreiend im Rahmen der Tatbegehung vom Totschlag zurückgetreten ist. Aufgrund der schwerwiegenden Verletzungen der Geschädigten entsprach es nur dem Zufall, dass sie den massiven Angriff des Klägers überlebte. Der Kläger ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei seiner, bereits das Strafgericht nicht überzeugenden Tatversion verblieben, dass zunächst die Lebensgefährtin ihn mit einem Messer angegriffen habe. Bei der Aufenthaltsbeendigung handelt es sich daher um die Folge der massiven Straffälligkeit des Klägers, die ihm auch zuzumuten ist.
(3) Die Ausweisung ist nicht unverhältnismäßig. Für den Kläger ist es zumutbar, nach Angola auszureisen. Er spricht die Landessprache und hielt sich die ersten 22 Lebensjahre dort auf. Der Kläger kann seine Arbeitssuche in Angola fortsetzen. Jedenfalls sind seine beruflichen Aussichten als Hilfsarbeiter dort nicht schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland. Er kann dort von seiner Familie besucht werden. Die gängigen Kommunikationsmittel erleichtern den Kontakt aus Angola zur Familie, der auch während der langjährigen Haft nur eingeschränkt möglich war. Für die Kinder wäre es zwar grundsätzlich wünschenswert, wenn der Vater dauerhaft persönlichen und regelmäßigen Besuchskontakt – wie in der Zeit der Inhaftierung – zu ihnen halten könnte. Es besteht für den Kläger nach § 11 Abs. 8 AufenthG grundsätzlich die Möglichkeit, Betretenserlaubnisse zum Besuch seiner Kinder zu beantragen.
Zusammenfassend kommt das Gericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wie die Beklagte zum Ergebnis, dass die Ausweisung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt und dem Kläger eine Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit zuzumuten ist.
2. Die von der Beklagten verfügte Befristung der Ausweisung auf vier Jahre unter der Bedingung von Alkohol- und Straffreiheit ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die im Tenor enthaltene Befristung eines gesetzlich vorgegebenen Einreise- und Aufenthaltsverbots kann in eine Anordnung und anschließende Befristung desselben nach der aktuell zu Grunde liegenden Gesetzesfassung des § 11 Abs. 1, 3 AufenthG umgedeutet werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – juris Rn. 26 ff.; OVG NRW, B.v. 16.12.2020 – 19 A 555/19.A – juris Rn. 20).
Über die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist hat die Beklagte gemäß § 11 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Sie hat dies unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu tun und darf hierbei fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist, darf die Frist zehn Jahre nicht überschreiten, § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes sowie der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Hierbei bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, U. v. 10.7.2012 – 2 C 19.11 – juris Rn. 42). Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straffreiheit (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG).
Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf vier Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise als ermessensfehlerfrei. Die gewählten vier Jahre sind, insbesondere unter Berücksichtigung der Eheschließung nach der Ausweisung, der Vaterschaft für das letztgeborene Kind und die durch die Heirat eingetretene Personensorge für die drei Kinder der Ehefrau angemessen. Auch liegen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG vor.
Auch die bei Nichterfüllung der Bedingung festgesetzte Frist von sechs Jahren ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch hier erweist sich die Befristung unter Würdigung der vom Kläger ausgehenden Gefahr als ermessensfehlerfrei. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG liegen vor.
3. Gegen die Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 1 AufenthG bestehen keine Bedenken. Der Kläger ist ausreisepflichtig. Das mögliche Vorliegen von Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GrC berührt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht, vgl. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.
II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 173 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.