Aktenzeichen 10 ZB 15.1636
Leitsatz
1 Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (BayVGH BeckRS 2016, 44267). (redaktioneller Leitsatz)
2 § 55 Abs. 2 AufenthG („insbesondere“) zeigt, dass grundsätzlich auch ein langjähriger Aufenthalt, der im maßgeblichen Zeitpunkt nicht durch einen Aufenthaltstitel abgesichert ist, ein schwerwiegendes Bleibeinteresse begründen kann. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
25 K 15.1190 2015-06-17 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein 1983 geborener Staatsangehöriger der Republik Kosovo, seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 17. März 2015 weiter, mit dem ihn der Beklagte aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ihm die Wiedereinreise für (zuletzt) vier Jahre untersagt und die Abschiebung aus der Haft angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht hat. Weiter begehrt der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, die mit dem gleichen Bescheid abgelehnt worden war.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn dieser Be-stimmung bestünden dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung das Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 2 AufenthG durch die Verurteilung des Klägers vom 15. April 2014 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten (wegen unerlaubten Besitzes von 0,32 gr. Marihuana), die nachträglich zur Bildung einer Gesamtstrafe mit anderen Einzelstrafen herangezogen wurde, denen keine Betäubungsmitteldelikte zugrunde lagen, bejaht. Der Kläger genieße keinen besonderen Ausweisungsschutz, weil seine letzte Aufenthaltserlaubnis am 21. Juli 2009 erloschen sei, ohne dass die verspätet gestellten Verlängerungsanträge eine Fiktionswirkung ausgelöst hätten. Die Ausweisung sei trotz des mit ihr verbundenen Eingriffs in das Privatleben des Klägers im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auch verhältnismäßig. Der Beklagte habe die für den Kläger sprechenden Interessen erkannt und ordnungsgemäß gewichtet. Zu Recht sei von einer konkreten Gefahr der wiederholten Begehung von Straftaten auszugehen. Ohne positiven Abschluss einer Drogentherapie und entsprechende Bewährung könne die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Die Ausweisung habe sowohl spezial- als auch generalpräventiv begründet werden können. Die Befristung der Ausweisungswirkungen in der mündlichen Verhandlung auf vier Jahre ab Ausreise sei angemessen und erforderlich. Die Ablehnung der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis sei schon im Hinblick auf § 11 Abs. 1 AufenthG rechtmäßig.
Der Kläger begründet seinen Zulassungsantrag damit, dass die letzte erhebliche Verurteilung, die ursprünglich zur Bewährung ausgesetzt gewesen sei, aus dem Jahre 2011 datiere und die zugrunde liegenden Straftaten bereits mehrere Jahre zurücklägen. Den überwiegenden Teil der Straftaten, die mit Beschluss vom 16. Juli 2014 zu einer siebenmonatigen Gesamtfreiheitsstrafe zusammengefasst worden seien, bildeten keine Delikte nach dem Betäubungsmittelgesetz. Der Kläger sei in den letzten Jahren gerade nicht mehr massiv straffällig geworden; er lebe inzwischen nachweislich drogenfrei, auch ohne eine Drogentherapie absolviert zu haben. Im angefochtenen Urteil werde zulasten des Klägers ausgeführt, dass er keine abgeschlossene Berufsausbildung aufweise, nicht in einer festen Beziehung lebe und mit Ausnahme des Kontakts zu seiner Mutter, den Geschwistern und Cousins über keine nennenswerten Bindungen im Bundesgebiet verfüge. Dabei werde übersehen, dass er immerhin eine so intensive Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen gehabt habe, dass aus ihr ein gemeinsames, 2009 geborenes Kind hervorgegangen sei. In der Gesamtabwägung stelle sich die Ausweisung als unverhältnismäßig dar; gleiches gelte für die auf vier Jahre festgesetzte Wiedereinreisesperre. Dem Kläger, der seinen Herkunftsstaat nicht kenne und für den Deutschland seine Heimat sei, könne eine Übersiedlung in den Kosovo schon deswegen nicht zugemutet werden, weil er die albanische Sprache nicht lesen und schreiben könne und albanisch nur schlecht spreche; ohne familiären Rückhalt fände er keine Unterkunft und keinen Arbeitsplatz.
1. Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe wegen einer fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.
1.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsge-richts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 – 7 AV 2.03 – NVwZ 2004, 744). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag; Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten.
Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen. Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachzuprüfen (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 – 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. a. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris).
1.2 Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine Einwendungen im Zulassungsvorbringen ändern hieran nichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftaten, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu der Bewertung, dass nach dem über Jahre hinweg offenbarten Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er durch weitere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie durch damit in Zusammenhang stehende Eigentums- und Vermögensdelikte (Beschaffungskriminalität) die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen wird. Selbst wenn man zugunsten des Klägers von der Richtigkeit seines Vortrags, er lebe „inzwischen nachweislich drogenfrei“, ausgehen wollte – Nachweise hierfür sind den Akten nicht zu entnehmen -, erachtet der Senat die seit Haftentlassung im Mai 2015 verstrichene Zeit vor dem Hintergrund eines spätestens seit seinem 15. Lebensjahr andauernden Drogenkonsums als nicht ausreichend, um mit dem notwendigen Grad an Wahrscheinlichkeit von einer dauerhaften Abkehr von jeglichem Konsum illegaler Drogen und damit auch von der damit verbundenen Beschaffungskriminalität ausgehen zu können. Jedenfalls ließe auch ein unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens gezeigtes „Wohlverhalten“ des Klägers die Wiederholungsgefahr im Hinblick auf Begehung weiterer einschlägiger Straftaten nicht ohne weiteres entfallen (BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris); dies gilt auch vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Strafgerichte bislang offenbar keine Notwendigkeit für die Durchführung einer stationären Drogentherapie des Klägers festgestellt haben. Weitere Angriffe auf die Gefahrenprognose enthält das Zulassungsvorbringen nicht.
2. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt. Die Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG (allerdings nicht abschließend ) aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.
Der vorliegende Fall ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass eine Gegenüberstellung der gegenläufigen Interessen ergibt, dass weder ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S.v. § 54 Abs. 1 AufenthG) noch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers (i. S.v. § 55 Abs. 1 AufenthG) besteht. Der Kläger weist zum einen keine (einzelne) rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren auf (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG); zum anderen überschreitet zwar die Verurteilung durch das Amtsgericht München vom 20. Dezember 2011 die in § 54 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AufenthG vorgesehene Mindestgrenze von einem Jahr, allerdings hat der Kläger die in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter (u. a. Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum) nur insoweit und in einer für die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe völlig untergeordneten Weise (Diebstahl von vier Flaschen Champagner) verletzt, während der Schwerpunkt der Verurteilung von den in § 54 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AufenthG nicht genannten Betäubungsmittelstraftaten gebildet wird. Demnach bleibt festzuhalten, dass er den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, also eines (einfach) schwerwiegenden Ausweisungsinteresses durch seine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freistrafe von mindestens einem Jahr erfüllt; dabei ist ohne Belang, dass die Strafe (zunächst) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zugleich hat der Kläger durch sein Verhalten den Straftatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtmG verwirklicht, womit auch die Voraussetzungen von § 54 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG vorliegen, ohne dass dem eigenständige Bedeutung zukommt.
Der Kläger kann demgegenüber weder ein besonders schwerwiegendes noch ein schwerwiegendes Bleibeinteresse im Sinn von § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG nachweisen, denn er erfüllt keinen der dort genannten Tatbestände; insbesondere besaß er weder im Zeitpunkt des Bescheidserlasses eine Aufenthaltserlaubnis noch besitzt er eine solche zum aktuellen Zeitpunkt; die ihm letztmals erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis zum 21. Juli 2009 befristet. Ob seine Anträge auf Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis die (ihm seither vom Beklagten bescheinigte) Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst haben oder – wie das Verwaltungsgericht meint – nicht, kann im vorliegenden Fall dahinstehen; selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, kommen diese Zeiten nämlich nicht als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinn von § 55 Abs. 1, 2 AufenthG in Betracht, weil keinem der Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entsprochen wurde (§ 55 Abs. 3 AufenthG).
Allerdings kommt dem Umstand, dass der Kläger im Jahre 1984 bereits im Alter von neun Monaten mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in das Bundesgebiet eingereist ist und seither hier lebt, im Rahmen der nach § 53 Abs. 2 AufenthG vorzunehmenden Gesamtabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erhebliches Gewicht zu. § 55 Abs. 2 AufenthG („insbesondere“) zeigt, dass grundsätzlich auch ein langjähriger Aufenthalt, der im maßgeblichen Zeitpunkt nicht durch einen Aufenthaltstitel abgesichert ist, ein schwerwiegendes Bleibeinteresse begründen kann. Im vorliegenden Fall ist es gleichwohl nicht rechtsfehlerhaft, das Ausweisungsinteresse gegenüber dem Bleibeinteresse als vorrangig anzusehen; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund eines langjährigen Drogenmissbrauchs und der damit nach wie vor bestehenden erheblichen Gefahr der Rückfälligkeit, auch im Hinblick auf diejenigen Straftaten, die der Beschaffung der zur Finanzierung der Drogen notwendigen Mittel dienen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger auch nicht vor der Abgabe von Marihuana an einen Minderjährigen und der damit verbundenen erheblichen Strafandrohung zurückgeschreckt ist.
Auch die familiären Beziehungen des Klägers zu seiner Mutter und seinen Schwestern sowie einem nichtehelichen Sohn hat das Verwaltungsgericht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eingestellt. Dem Kläger ist zuzumuten, den bestehenden, offenbar intensiven Kontakt zu seinen in Deutschland lebenden Verwandten mit Hilfe elektronischer Medien sowie gelegentlicher Besuche aufrecht zu erhalten. Dem Umstand, dass der im Jahre 2009 geborene Sohn des Klägers im Bundesgebiet lebt, vermag schon deswegen kein besonderes Gewicht zuzukommen, weil – wie die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigt hat – eine Beziehung zwischen Vater und Sohn (derzeit) nicht besteht, was auch vom Zulassungsvorbringen nicht beanstandet wird.
Schließlich konnte das Verwaltungsgericht mit nicht zu beanstandender Begründung annehmen, dass dem Kläger trotz seines nahezu lebenslangen Aufenthalts in Deutschland und eingeschränkter albanischer Sprachkenntnisse zuzumuten ist, in den Kosovo zu übersiedeln, wo er als 33-jähriger Mann – wenn auch nach zumindest anfänglichen Schwierigkeiten – ein Auskommen wird finden können. Dabei hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger zumindest Grundkenntnisse in der albanischen Sprache aufweist, die er im Kosovo verbessern und ausbauen bzw. – soweit er des Lesens und Schreibens in Albanisch nicht mächtig ist – erlernen wird können. Auch wenn er praktisch sein ganzes Leben im Bundesgebiet zugebracht hat, kann von einer gelungenen sozialen oder wirtschaftlichen Integration in die Verhältnisse der Bundesrepublik nicht gesprochen werden. Auch im Hinblick hierauf trägt der Einwand, er verfüge im Kosovo über keine tragfähigen sozialen Bindungen, weshalb ihm ein Leben dort nicht zumutbar sei, letztlich nicht.
3. Die demnach als Konsequenz der Ausweisung (vgl. § 11 Abs. 1 AufenthG) verfügte Versagung der beantragten Aufenthaltserlaubnis wurde im Zulassungsverfahren nicht beanstandet. Die Zulassungsschrift enthält auch kein substantiiertes Vorbringen gegen die Rechtmäßigkeit der vom Verwaltungsgericht mit ausführlicher Begründung gebilligten Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf zuletzt vier Jahre, nachdem der Beklagte in der ursprünglichen Fassung des Ausweisungsbescheides noch eine Frist von sieben Jahren festgesetzt hatte; die bloße Behauptung, vier Jahre seien „unverhältnismäßig lang“, wird schon nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gerecht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).