Aktenzeichen M 17 S 16.30706, M 17 K 16.30705
Leitsatz
Eine Familienfehde/Blutrache knüpft als kriminelles Unrecht nicht an ein für die Flüchtlingseigenschaft maßgebliches Merkmal an und kann deshalb die Vermutung der Nichtverfolgung im sicheren Herkunftsstaat Albanien nicht erschüttern. Ferner ist der albanische Staat willens und in der Lage, gegen kriminelles Unrecht nichtstaatlicher Akteure Schutz zu gewähren und es besteht eine inländische Fluchtalternative durch Verlegung des Wohnsitzes in Albanien. (redaktioneller Leitsatz)
Die Lebensbedingungen in Albanien sind ärmlich, aber nicht so hart, dass sie die Gewährung von Abschiebungsschutz rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)
Aus der Erkrankung eines Angehörigen kann sich kein Abschiebungshindernis für einen Asylsuchenden ergeben. Ein Hindernis für die Abschiebung wegen der familiären Verhältnisse oder der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen ist als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 17 S 16.30706) und für das Hauptsacheverfahren (M 17 K 16.30705) abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist albanische Staatsangehörige, muslimischer Glaubensrichtung. Sie reiste nach eigenen Angaben am … Oktober 2014 von Mazedonien/Skopje auf dem Luftweg zusammen mit ihrer Tochter und Enkelkindern (M 21 S 16.30172 und M 21 K 16.30171) in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 31. März 2015 Asylantrag.
Einer Ladung zur Anhörung durch das Bundesamt für den 15. Oktober 2015 kam die Antragstellerin nicht nach.
In ihrer schriftlichen Stellungnahme vom … November 2015 gab die Antragstellerin an, sie sei nach Deutschland geflohen, weil sie, ihre erwachsene Tochter sowie deren beiden minderjährigen Söhne in Kosovo in Gefahr seien. Der Ehemann ihrer Tochter habe Streit mit anderen Männern. Danach seien auch ihre beiden Enkelkinder bedroht worden. Da ihre Tochter an Multipler Sklerose erkrankt sei, benötige sie Hilfe im Alltag. Sie könne sich nicht selbst um ihre beiden Söhne kümmern, weswegen sie alle nach Deutschland gekommen seien, um Schutz zu suchen. Da ihnen die hygienischen Verhältnisse und die medizinische Versorgung in Deutschland am besten erschienen, seien sie hierher gereist. Sie könne nicht nach Kosovo zurück, da sie dort Angst um das Leben ihrer Enkelkinder und ihr eigenes haben müsse.
Unter dem … Februar 2016 trug der Bevollmächtigte der Antragstellerin ebenfalls vor, dass die Tochter aufgrund ihrer Erkrankung auf die Hilfe der Antragstellerin angewiesen sei.
Mit Bescheid vom 31. März 2016, der dem Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom selben Tage übersandt wurde, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Albanien angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung wurde u. a. wie folgt ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen offensichtlich nicht vor. Selbst bei Wahrunterstellung der Bedrohungen sei dem Sachverhalt lediglich zu entnehmen, dass es sich im vorliegenden Fall um allgemeine Kriminalität handele, die keinen flüchtlingsrelevanten Anknüpfungspunkt habe. Die Krankheit der erwachsenen Tochter stelle keinen eigenen Asylgrund dar und sei daher flüchtlingsrechtlich irrelevant. Der Vortrag der Antragstellerin sei für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht geeignet. Zwar befürchte die Antragstellerin, dass die vorgetragenen Bedrohungen sich fortsetzen würden, gleichwohl sei für eine derartige Annahme keine stichhaltigen Gründe vorgebracht worden. Im Gegenteil spreche ihr Ehemann (Gesch.-Z. …) in seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 25. Januar 2016 nur von einem einmaligen Vorfall, bei dem er und seine Enkelkinder von einem ihm unbekannten Auto beinahe angefahren worden wären. Auch die Tatsache, dass der Ehemann seinerzeit keine Anzeige bei der Polizei machte, spreche nicht für eine (an-)dauernde Bedrohung. Selbst, wenn es diese Bedrohungen tatsächlich gegeben habe, so hätten diese nach eigenen Angaben der Antragstellerin vor allem ihre Enkelkinder und nicht sei selbst getroffen. Die Antragstellerin habe darüber hinaus nichts dazu vorgetragen, dass sie um staatlichen Schutz nachgesucht habe und somit möglichen Schutzakteuren Gelegenheit gegeben habe, zu ihren Gunsten tätig zu werden. Zudem wäre es der Antragstellerin zuzumuten gewesen, ihren Wohnsitz in andere Teile von Albanien zu verlegen. Auch führten die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot. Es habe nicht nachvollziehbar dargelegt werden können, dass bei der Rückkehr die Antragstellerin derart schlechter gestellt sei, dass das Erreichen des Existenzminimums unter Ausschöpfung sämtlicher Hilfeleitungen nicht sicherzustellen sei. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei die Festlegung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate bzw. 30 Monate angemessen. Die Krankheit ihrer Tochter sei kein schutzwürdiger Belang im Sinne des § 11 AufenthG, da diese bereits erwachsen sei und deren Asylantrag ohnehin mit Bescheid vom 11. Januar 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei.
Die Tochter der Antragstellerin erhob am … Februar 2016 Klage (M 21 K 16.30171) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 11. Januar 2016. Ihr gleichzeitig gestellter Eilantrag (M 21 S 16.30172) lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 3. März 2016 ab.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom … April 2016, dem Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag zugegangen, Klage (M 17 K 16.30707) mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes vom 31. März 2016 aufzuheben. Gleichzeitig beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid und insbesondere gegen die darin enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Sowohl für das Klageverfahren als auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte der Bevollmächtigte,
der Antragstellerin unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die an Multiple Sklerose erkrankte Tochter, die sich derzeit in einer noch nicht abgeschlossenen Behandlung im Behandlungszentrum K. befinde, dringend auf die Hilfe der Antragstellerin angewiesen sei. Aufgrund der damit verbundenen Krankenhausaufenthalte könne sich die Tochter nur schwer um ihre beiden Söhne kümmern. Auch müsse die Antragstellerin tätliche Angriffe auf ihr Leben seitens der Familien A. und L. rechnen. In einer sehr lange andauernden Fehde zwischen der Familie der Antragstellerin und den anderen Familien sei es seit dem … August 1998 immer wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen mit schweren Verletzungen und Todesfolgen gekommen. Die Antragstellerin fürchte die Blutrache dieser Familien. Von den örtlichen Polizeibehörden erwarte die Antragstellerin keinen Schutz, da die Angriffe nie unterbunden worden seien. Die Antragstellerin verfüge über kein eigenes Einkommen oder sonstige Mittel zur Bestreitung des Antrags- und Klageverfahrens.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin übersandte mit Schriftsatz vom … April 2016 eine notarielle Erklärung des Ehemanns der Antragstellerin, wonach sich die Familie des Schwiegersohns der Antragstellerin mit der Familie … L. in einem Blutracheverhältnis befinde. Mit Schriftsatz vom … April 2016 wurde zudem der Arztbrief des Behandlungszentrums K. vom 14. April 2016 für die Tochter der Antragstellerin vorgelegt. Demnach soll die nächste Chemotherapie von Mai bis Juni erfolgen.
Die Antragsgegnerin übersandte am 8. Juni 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Juni 2016 wurde der Rechtsstreit M 17 K 16.30705 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30705 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 75 Asylgesetz (AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, ist zulässig. Die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist eingehalten.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz – GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 31. März 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist wie folgt auszuführen:
1. Für das Gericht ist offensichtlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte der Antragstellerin offensichtlich nicht zusteht.
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland der Antragstellerin, Albanien, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II). Die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat erfolgte aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722) mit Wirkung vom 24. Oktober 2015. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65).
1.1. Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (VG Berlin, B. v. 22.12.2015 – 33 L 357.15 A – juris Rn. 13-24; VG München, B. v. 01.03.2016 – M 17 S 16.30322).
1.2. Die Antragstellerin hat die durch § 29 a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von der Antragstellerin angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
1.2.1. Ihr Vorbringen, aufgrund einer Familienfehde/Blutrache mit dem Tod bedroht zu werden, lässt bereits keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Die Antragstellerin trägt vielmehr vor, Opfer kriminellen Handelns geworden zu sein, ein verfolgungsrelevanter Bezug ist nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass eine konkrete Bedrohung der Antragstellerin nicht substantiiert dargetan wurde.
1.2.2. Zudem erfordert § 3c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der albanischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) – im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamtes, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 – 11 A 334/14.A – juris Rn. 8 ff.; VG München, B. v. 10.09.2015 – M 2 S 15.31175; VG München, B. v. 4.2.2016 – M 11 S 15.31693; VG München, B. v. 14.01.2016 – M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B. v. 1.02.2016 – 17 L 95/16.A – juris Rn. 18ff; B. v. 28.10.2015 – 17 L 2938/15.A – juris; VG Arnsberg, B. v. 23.02.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 23 ff.).
1.2.3. Ferner ist davon auszugehen, dass – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3e AsylG). Die Antragstellerin kann jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer – etwa südlicher – Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U. v. 12.03.2015 – 6 K 8197/14.A – juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B. v. 23.11.2015 – 17 L 3729/15.A – juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B. v. 14.10.2015 – 17 L 3111/15. A – juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U. v. 10.4.2015 – 5 A 1688/14 – juris; VG München, B. v. 3.2.2016 – M 5 S 15.31520 – UA S. 7).
2. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt daher auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2.1. Auch bei Annahme einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG durch einen nichtstaatlichen Akteur kommt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. der entsprechenden Anwendung des § 3c Nr. 3 AsylG die Gewährung subsidiären Schutzes nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung, dass der Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, fehlt.
2.2. Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse in Albanien vermag sich die Antragstellerin weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, S. 1167ff. – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin eine Existenzgrundlage bei Ihrer Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRGK aufweisen (VG München, B. v. 23.11.2015 – M 2 S 15.31322 – UA S. 12f.; U. v. 17.11.2015 – M 2 K 15.31226). Unter Berücksichtigung der derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien (vgl. dazu den streitgegenständlichen Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG) reicht hierfür der bloße Verweis auf eine schwierige wirtschaftliche Situation in Albanien schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht aus.
2.3. Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der EMRK ergäbe, ist nicht ersichtlich. Die behauptete Bedrohungslage erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht. Ungeachtet dessen, dass die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zumutbar ist, besteht für die Antragstellerin – wie dargestellt – die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen.
Auch begründet die Erkrankung der Tochter der Antragstellerin kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, da eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit individuell für die Antragstellerin („für diesen Ausländer“ im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG) bestehen muss.
2.4. Eine etwaige Geltendmachung der Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen aufgrund der familiären Verhältnisse und ggf. Pflegebedürftigkeit der Tochter (Art. 6 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) wäre kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ein im Rahmen von § 60a AufenthG zu prüfendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, für das sich die Antragstellerin auf einen Antrag auf Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde verweisen lassen muss (vgl. NdsOVG, U. v. 18.5.2010 – 11 LB 186/08 – juris Rn. 47; OVG Berlin-Bbg. B. v. 30.4.2013 – OVG 12 S 25.13 – juris unter Hinweis auf § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; BVerwG, U. v. 25.9.1997 – 1 C 6/97 – juris).
3. Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
4. Soweit sich der Eilantrag gegen die Einreise- und Aufenthaltsverbote aus Ziffern 6 und 7 des angegriffenen Bescheides richtet, ist er – ungeachtet der Fragen, ob ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft ist und ob jeweils das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vorliegt (§ 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) – jedenfalls unbegründet.
Dies gilt zunächst für die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG. Das Bundesamt hat ausweislich der Begründung des Bescheides richtig erkannt, dass ihm mit Blick auf die Frage, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet wird, Ermessen eröffnet ist. In die Ermessenserwägungen hat das Bundesamt zutreffend eingestellt, ob zugunsten der Antragstellerin schutzwürdige Belange zu berücksichtigen sind. Da solche Umstände weder von der Antragstellerin vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, durfte das Bundesamt das Einreise- und Aufenthaltsverbot in rechtmäßiger Weise anordnen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate weist ebenfalls keine Ermessensfehler auf. Die Bemessung der Frist auf 10 Monate steht im Einklang mit § 11 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Im Übrigen hat das Bundesamt alle insofern in die Ermessensentscheidung einzustellenden Umstände berücksichtigt. Auch die Antragstellerin hat nicht konkret vorgetragen, welche Umstände das Bundesamt unberücksichtigt gelassen hat.
Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots aus § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf 30 Monate ist ebenfalls rechtmäßig, da sie den Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entspricht. Die Antragstellerin hat keine Umstände benannt, nach denen eine kürzere Befristung in Betracht käme.
5. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.
6. Ist nach dem Vorstehenden der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolglos, so gilt dies auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowohl für das Antrags- als auch für das Klageverfahren. Denn es fehlt an der gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung. Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Auch die Entscheidungen über die Prozesskostenhilfe im Eilverfahren und im Klageverfahren ergehen kostenfrei.
7. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar; dies gilt auch im Hinblick auf die Versagung von Prozesskostenhilfe (vgl. BayVGH, B. v. 25.09.1992 – 24 C 92.32498 – juris Rn. 2).