Aktenzeichen M 21 K 15.4222
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
VwGO § 40 Abs. 2 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
BBG § 126 Abs. 1
Leitsatz
1. Die fehlende Konkurrentenmitteilung in dem Beförderungsverfahren führt nicht dazu, dass der unterlegene Bewerber auf den Gebrauch eines Rechtsmittels auf der Primärebene – eben die Anfechtungsklage gegen die Ernennung des Mitkonkurrenten – verzichten und unmittelbar einen Schadensersatzanspruch auf Sekundärebene geltend machen darf. (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt insbesondere deswegen, weil der Grundsatz der Ämterstabilität der Aufhebung einer Ernennung nicht entgegensteht, wenn der Dienstherr den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG) durch unterlassene Konkurrentenmitteilung verhindert hat (grundlegend BVerwG BeckRS 2011, 45441). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 126 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetztes (BBG) eröffnet. Ein Beamter kann bei Verletzung einer sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden „quasi-vertraglichen“ Dienstherrenpflicht – hier auf Beachtung der durch Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten Grundsätze der Bestenauslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung sowie der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Gestaltung des Bewerbungsverfahrens als Instrument des vorbeugenden Rechtsschutzes –, durch die ihm eine Beförderung entgangen sein könnte, unabhängig von einem etwaigen Amtshaftungsanspruch und ohne dass es eines Rückgriffs auf das Rechtsinstitut der Verletzung der Fürsorgepflicht bedürfte, unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis einen Schadensersatzanspruch gegen den Dienstherrn haben, für dessen Geltendmachung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (BVerwG, U.v. 28.5.1998 -2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29).
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf beamtenrechtliche, besoldungsrechtliche und versorgungsrechtliche Schadlosstellung. Der diesen Anspruch versagende Bescheid der Beklagten vom 18. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 VwGO).
Ein Beamter kann nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung bzw. verspätete Beförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrens Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat und diese Rechtsverletzung für die Nichtbeförderung des Beamten kausal gewesen ist.
Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat es versäumt, gegen seine Nichtberücksichtigung in der Beförderungsrunde des Jahres 2011 Rechtsmittel zu ergreifen. Zwar ist ihm zuzugestehen, dass eine Konkurrentenmitteilung unstreitig nicht erfolgt ist. Dies führt allerdings entgegen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht dazu, dass der Kläger auf den Gebrauch eines Rechtsmittels auf der Primärebene verzichten durfte (anders OVG Münster, U. v. 27.4.2016 – 1 A 2310/14 – NVwZ-RR 2017, 157).
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen stellte in seiner Entscheidung auf eine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, wonach dem Beamten im Schadensersatzprozess wegen unterbliebener Beförderung regelmäßig nicht der Vorwurf gemacht werden könne, schuldhaft ein Rechtsmittel gegen die Besetzung der Beförderungsstellen versäumt zu haben, wenn der Dienstherr es unterlassen habe, die nicht für eine Beförderung vorgesehenen rechtzeitig vor der Ernennung der anderen über das Ergebnis der Auswahlentscheidung und die maßgebenden Gründe dafür zu unterrichten (BVerwG, U. v. 1.4.2004 – 2 C 26.03 – NVwZ 2004, 1257).
Dies verkennt allerdings, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung, nach der eine Ernennung des Konkurrenten nach dem Grundsatz der Ämterstabilität unter keinem Gesichtspunkt mehr rückgängig gemacht werden kann, mit Urteil vom 4. November 2010 aufgegeben hat (BVerwG, U. v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – BVerwGE 138, 102). Nach der in dieser Entscheidung geprägten – geänderten – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht der Grundsatz der Ämterstabilität der Aufhebung einer Ernennung unter anderem dann nicht entgegen, wenn der Dienstherr den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG) verhindert. Eine solche Verhinderung liegt dabei etwa dann vor, wenn der Dienstherr die Ernennung ohne vorherige Mitteilungen an die unterlegenen Bewerber oder vor Ablauf der Wartefrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der gesetzlichen Frist für die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht oder der Wartefrist für die Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes vornimmt (BVerwG, a.a.O., Rn 36).
Verstößt der Dienstherr also vor der Ernennung gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG, so kann (und muss vor dem Hintergrund des § 839 Abs. 3 BGB) der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz nach der Ernennung nachgeholt werden. Der Dienstherr kann sich in diesen Fällen auf die Ämterstabilität nicht berufen, um Verletzungen des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu decken. Nach der Ernennung des ausgewählten Bewerbers bleibt dem unterlegenen Bewerber daher gerichtlicher Rechtsschutz im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung. Dieses Rechtsmittel auf der Primärebene ist zu gebrauchen, bevor der unterlegene Bewerber einen Schadensersatzanspruch auf der Sekundärebene geltend macht.
Nach alldem führt das Versäumnis der Beklagten, vor der beabsichtigten Ernennung Konkurrentenmitteilungen zu versenden, nicht dazu, dass dem Kläger die Inanspruchnahme eines Rechtsmittels auf der Primärebene unmöglich wird. Vielmehr hätte er Anfechtungsklage gegen die Ernennung seiner Kollegen erheben müssen.
Dies wäre dem Kläger auch zumutbar gewesen. Der Kläger vermag insoweit mit seinem in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht vorgetragenen Einwand, ein Konkurrentenstreitverfahren würde den Betriebsfrieden und das kollegiale Miteinander stark in Mitleidenschaft gezogen haben, nicht durchzudringen. Dass die Inanspruchnahme eines Rechtsmittels gegen die Beförderung von Kollegen bei diesen nicht unbedingt auf Begeisterung stößt, ist der Sache immanent und eine Situation, vor der unterlegene Bewerber, die gerichtlichen Rechtsschutz ersuchen, regelmäßig stehen. Dies ist von den Antragstellern und Klägern eines Konkurrentenstreitverfahrens grundsätzlich auszuhalten und kann nicht dazu führen, dass – entgegen dem ausdrücklichen Vorrang des Primärrechtsschutzes – die (möglicherweise rechtswidrige) Ernennung der Kollegen sehenden Auges in Kauf genommen wird, um dann im Wege des Sekundärrechtsschutzes die eigene Schadlosstellung zu erreichen.
Somit steht dem nunmehr geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB entgegen. Der Kläger hat einen ihm eröffneten gerichtlichen Rechtsschutz ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen (BVerwG, U.v. 28. Mai 1998 – 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war vorliegend nicht zuzulassen, weil die vorliegend entscheidungserhebliche Rechtsfrage aus Sicht der Kammer bereits durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 1998 (2 C 29.97 – BVerwGE 107,29) sowie vom 4. November 2010 (2 C 16/09 – BVerwGE 138, 102) hinreichend geklärt ist.