Verwaltungsrecht

Beförderungswartezeit von drei Jahren vor einer (weiteren) Beförderung rechtmäßig

Aktenzeichen  3 ZB 16.1087

Datum:
30.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 107845
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLlbG Art. 15 Abs. 3, Art. 17 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Art. 39, Art. 68 Abs. 2 S. 2
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 Hs. 2 BayLlBG ist als Ausnahmevorschrift konzipiert, eng auszulegen und kann nicht als gesetzgeberische Wertung auf andere, als die dort ausdrücklich genannten Sachverhalte übertragen werden.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach dem Rechtsgedanken des Art. 15 Abs. 3 S. 2 BayLLBG ist die Berücksichtigung von Zeiten, die vor dem Erwerb der Qualifikation für die Fachlaufbahn liegen, nicht möglich.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Bewährungszeiten sind mit dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 15.4472 2016-04-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 6. April 2016 wird der Streitwert für das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf 15.378,18 Euro und für das Antragsverfahren auf 16.182,57 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1964 geborene Kläger steht als Regierungsrat (BesGr. A 13) im Dienst des Beklagten. Er wurde zum 1. Oktober 1979 in den mittleren Polizeivollzugsdienst eingestellt und absolvierte im Jahr 1995 die Aufstiegsausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst. Nach bestandener Diplomprüfung wurde dem Kläger mit Zeugnis vom 1. Juli 2009 durch die Ludwigs-Maximilians-Universität (Hochschule für Politik) der akademische Grad eines Diplomaticus scientiae politicae Universitatis verliehen. Nach dreijähriger Tätigkeit auf einem Dienstposten der vierten Qualifikationsebene beim Landesamt für Verfassungsschutz wurde durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (Staatsministerium) festgestellt, dass der Kläger die Qualifikation für den Einstieg in der vierten Qualifikationsebene in der Fachlaufbahn „Polizei und Verfassungsschutz“ im fachlichen Schwerpunkt „Sicherheitsbereich im Landesamt für Verfassungsschutz“ erworben habe. Als Zeitpunkt des Qualifikationserwerbs wurde unter Berücksichtigung des § 39 Abs. 2 und 3 LlbG der 1. Oktober 2014 festgelegt.
Der Kläger beantragte unter dem 26. August 2015, ihn zum nächstmöglichen Termin in ein Amt der BesGr. A 14 zu befördern. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 10. September 2015 abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach Nr. 4.10.2 der Beförderungsrichtlinien für die Beamten und Beamtinnen der Bayerischen Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz (BefRPolVS) sei von Beamten und Beamtinnen, die in der vierten Qualifikationsebene eingestiegen seien, für die Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 14 eine Bewährungszeit von mindestens 24 Monaten seit dem allgemeinen Dienstzeitbeginn abzuleisten. Die Bestimmung treffe auf Regelbewerber zu, sei aber entsprechend auch für den Kläger anwendbar. Hinzu komme, dass die nach der Verwaltungspraxis bei Polizei und Verfassungsschutz von Einstiegsbeamten und -beamtinnen aller Fachlaufbahnen auch nach etwaigen Kürzungen und Anrechnungen zu leistende laufbahnrechtliche Probezeit von mindestens 12 Monaten nicht außer Acht bleiben dürfe. Daher sei Nr. 4.10.2. BefRPolVS im Falle des Klägers mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Bewährungszeit von 36 Monaten ab dem Zeitpunkt des Qualifikationserwerbs für Ämter ab der vierten Qualifikationsebene erfüllt sein müsse. Dies sei frühestens zum 1. Oktober 2017 der Fall.
Das Verwaltungsgerichtgericht wies die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 6. April 2016 ab. Der Beklagte handele nicht ermessensfehlerhaft, wenn er in der beim Kläger gegebenen Konstellation im Gleichgang zu einem Beamten, der als Regelbewerber in der vierten Qualifikationsebene einsteige, seine Wartezeit so bemesse, wie es kürzestenfalls für einen derartigen Regelbewerber in Betracht kommen könne. Nach den Erklärungen des Beklagten entspreche es der von ihm geübten Praxis, in den (seltenen) Fällen der genannten Art, eine derartige Mindestbewährungszeit zu Grunde zu legen. Diese Praxis widerspreche nicht dem Gesetz.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) – liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers nicht. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Beförderung vom 26. August 2015. Der Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 10. September 2015 unter Hinweis auf Nr. 4.10.2 der Beförderungsrichtlinien für die Beamten und Beamtinnen der Bayerischen Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz (BefRPolVS) rechts- und ermessensfehlerfrei abgelehnt.
a. Entgegen des Ausführungen des Klägers besteht kein Widerspruch zur gesetzgeberischen Wertung, wie sie in Art. 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz LlbG ihren Niederschlag gefunden hat, weshalb sich eine entsprechende Anwendung der Nr. 4.10.2 BefRPolVS nicht verbietet.
Art. 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, 1. Halbsatz LlbG bestimmt eine Wartezeit von zwei bzw. drei Jahren vor einer (weiteren) Beförderung. Dies gilt nach dem 2. Halbsatz der Bestimmung nicht, wenn ein einer höheren Besoldungsgruppe angehörendes Eingangsamt oberhalb derselben Qualifikationsebene oder ein Eingangsamt der nächsthöheren Qualifikationsebene nach Erwerb der Qualifikation gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 oder 5 übertragen wird. Andernfalls könnte trotz Vorliegen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für ein höheres Eingangsamt derselben (Alt. 1) bzw. der nächsthöheren Qualifikationsebene (Alt. 2) die Beförderung in das Eingangsamt an den Mindestbewährungszeiten scheitern (vgl. Hüllmantel/Eck/Hoffmeyer, Leistungslaufbahngesetz, 1. Aufl. 2011, Art. 17 Rn. 31). Der Gesetzgeber hat mit dem 2. Halbsatz eine Ausnahmevorschrift geschaffen. Die als Ausnahmevorschrift konzipierte Regelung ist eng auszulegen und kann nicht als gesetzgeberische Wertung auf andere, als die dort ausdrücklich genannten Sachverhalte übertragen werden. Da der Kläger hier die Übertragung des ersten Beförderungsamtes der 4. Qualifikationsebene begehrt, erfüllt er nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der vorbezeichneten Ausnahmevorschrift. Aus diesem Grund begegnet die analoge Anwendung der Nr. 4.10.2 BefRPolVS keinen Bedenken.
b. Eine Ungleichbehandlung zwischen dem Kläger und einem Regelbewerber ist nicht ersichtlich. Der Beklagte hat im Zulassungsverfahren ausgeführt, dass beim Kläger – wie auch beim Regelbewerber – Vordienstzeiten nach § 15 Abs. 3 LlbG angerechnet worden wären, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben gewesen wären.
c. Die fiktive Anrechnung einer Probezeit für die Dauer eines Jahres führt nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung des Klägers. Das Fortbestehen seines Beamtenverhältnisses durch Anerkennung des Qualifikationserwerbs ersparte ihm das Ableisten einer (erneuten) Probezeit. Da bei dem Regelbewerber die Bewährungszeit erst ab der Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit beginnt, also nach der Probezeit, war bei dem Kläger im Rahmen der Analogie zur Nr. 4.10.2 BefRPolVS zur Bewährungszeit ein weiteres Jahr hinzuzurechnen. Andernfalls wäre der Kläger bevorzugt, der Regelbewerber hingegen benachteiligt.
d. Der Rechtsgedanke des Art. 15 Abs. 3 Satz 2 LlbG ist vorliegend heranzuziehen. Danach ist die Berücksichtigung von Zeiten, die vor dem Erwerb der Qualifikation für die Fachlaufbahn liegen, nicht möglich. Zwar besitzt der Kläger seit 1. Oktober 2011 einen Dienstposten der Wertigkeit A 13/A 14. Auf diesen wurde er aber am 1. September 2012 nach A 13 (als Beamter der 3. Qualifikationsebene) befördert. Die auf die Dienstpostenbestellung folgenden drei Jahre dienten der Anerkennung des Erwerbs der Qualifikation für die Ämter ab der 4. Qualifikationsebene. Diese erfolgte zum 1. Oktober 2014. Hier bereits von einer Bewährungszeit für eine Beförderung nach A 14 zu sprechen geht fehl. Zum einen können die Zeiten zum Aufstieg in die nächst höhere Qualifikationsebene nicht doppelt herangezogen werden, zum anderen sind nach Art. 15 Abs. 3 LlbG Zeiten, die vor dem Erwerb der Qualifikation für eine Fachlaufbahn abgeleistet wurden, nicht zu berücksichtigen. Damit begann die Bewährungszeit des Klägers folglich erst am 1. Oktober 2014 zu laufen. Bewährungszeiten sind mit dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 2 B 13/08 – juris). In Art. 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 LlbG geht das Gesetz selbst von einer dreijährigen Wartezeit aus. Die Dauer der vorliegenden Wartezeit von drei Jahren ist nicht zu beanstanden. Auch der vom Kläger zitierte Beschluss des Senats vom 25. Oktober 2013 (3 CE 13.1839 – juris) geht davon aus, dass eine Wartezeit von drei Jahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
2. Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Die Frage, ob eine Regelung des Beförderungsverfahrens für die Beamten und Beamtinnen der Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz, die nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LlbG abweichend von den laufbahnrechtlichen Bestimmungen des Laufbahnleistungsgesetzes in einer Richtlinie getroffen wurde, die aber eine bei bestimmten Beamten und Beamtinnen der Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz vorliegende Konstellation nicht regelt, entsprechend auf das Beförderungsverfahren dieser Beamten und Beamtinnen angewendet werden kann, ist einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Wie bereits das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats (U.v. 24.4.2015 – 3 BV 13.2043 – juris Rn. 30) zutreffend ausgeführt hat, sind Beförderungsrichtlinien keine Rechtsnormen, sondern Verwaltungsvorschriften, durch die sich der Dienstherr selbst bindet, um eine gleichmäßige Ermessensausübung gegenüber den Betroffenen sicherzustellen. Sie entfalten nur mittelbare Außenwirkung als „antizipierte Verwaltungspraxis“ und wirken insoweit ermessensbindend. Beförderungsrichtlinien sind als Willenserklärung unter Berücksichtigung ihrer dem Willen des Richtliniengesetzgebers entsprechenden tatsächlichen Handhabung auszulegen.
Die weitere Frage, ob eine Beförderungswartezeit von drei Jahren ab dem Zeitpunkt des Qualifikationserwerbs für die nächst höhere Qualifikationsebene mit dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist, wenn dem betroffenen Beamten im selben Beamtenverhältnis bereits drei Jahre vor der Qualifikationserwerb ein Dienstposten der nächst höheren Qualifikationsebene übertragen worden war, ist nicht verallgemeinerungsfähig und im vorliegenden Einzelfall nach dem unter 1. Ausgeführten zu verneinen.
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts in Höhe von einem Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge in der angestrebten Besoldungsgruppe A 14/Stufe 11 [gemäß der zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage geltenden Anlage 3 zum BayBesG (5.126,06 € x 3 = 15.378,18 €); zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung geltenden Anlage 3 zum BayBesG (5.394,19 € x 3 = 16.182,57 €)] ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1, § 40, § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und Satz 4 GKG i.V.m. Ziff. 10.3 des Streitwertkatalogs 2013.

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