Verwaltungsrecht

Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang an die Entwässerungseinrichtung

Aktenzeichen  M 10 K 17.761

Datum:
7.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143314
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 29, 31, 32, 36

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Klage kann nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
2. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheids des Beklagten vom 27. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
2.1 Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung ist § 22 Abs. 2 der Entwässerungssatzung des Beklagten vom 1. Januar 2016 (EWS) i. V. m. Art. 29 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3, Art. 31, Art. 36 VwZVG. Die Beklagte kann gemäß Art. 30 Abs. 3 Satz 1 VwZVG ihre Verwaltungsakte selbst vollstrecken. Die Zwangsgeldandrohung ist ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid, der bereits eine Zahlungsanordnung trifft. Sie setzt voraus, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Ablaufs der im Bescheid genannten Frist alle Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – BayVBl 2002, 275 ff.).
2.2 Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die schon im Bescheid vom 22. Januar 2001 in Nr. 1 verfügte Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Entwässerungseinrichtung ist bestandskräftig und gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckbar.
2.3 Da die Klägerin das Grundstück bis zum Ergehen der Zwangsgeldandrohung nicht angeschlossen hatte, konnte der Beklagte die Klägerin gemäß Art. 31 Abs. 1 VwZVG zur Erfüllung anhalten. Die in Nr. 1 des Bescheids vom 27. Januar 2017 zur Erfüllung der Handlungsverpflichtung gesetzte neue Frist bis 30. Juni 2017 ist im Hinblick auf Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG nicht zu beanstanden, denn sie ist insoweit ausreichend bemessen.
2.3.1 Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 10.000 € ist im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerin angemessen, Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Das Zwangsgeld soll danach das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen. Hierzu hat der Beklagte ausgeführt, dass die Herstellung des von der Klägerin geforderten Anschlusses zu Kosten in Höhe von etwa 10.000 € führen werden. Diesen limitierenden Wert hält das zuletzt angedrohte Zwangsgeld ein. Für die Höhe des festgesetzten Zwangsgelds in Höhe von 10.000 € konnte der Beklagte auch berücksichtigen, dass gegen die Klägerin bereits mit Bescheid vom 26. Juni 2015 für den von ihr geforderten Anschluss an die öffentliche Entwässerungseinrichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 € angedroht worden war, welches wegen Nichterfüllung auch fällig und von der Klägerin bezahlt wurde, und mit Bescheid vom 8. April 2016 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 5.000 € angedroht und ebenfalls fällig wurde, welches die Klägerin ebenfalls beglichen hatte. Eine erneute Androhung im streitgegenständlichen Bescheid war nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG damit auch zulässig, da die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben war. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist.
2.3.2 Die Androhung eines Zwangsgeldes im streitgegenständlichen Bescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil es keinen Erfolg verspräche. Hierzu trägt die Klägerin zwischenzeitlich mit Schreiben vom 26. Juni 2017 vor, sie werde das Grundstück unter keinen Umständen an die öffentliche Entwässerungseinrichtung selbst anschließen, sie habe dem Beklagten auch mehrfach die Möglichkeit der Ersatzvornahme angeboten. Diese Totalverweigerung durch die Klägerin war bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht bekannt und deshalb nicht zu berücksichtigen.
Nach Art. 32 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen lassen, wenn die Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann, nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird. Die Ersatzvornahme ist nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Die Klägerin will dementsprechend mit ihrer Äußerung, auf keinen Fall das Anwesen selbst an die öffentliche Entwässerungseinrichtung anzuschließen, eine Ersatzvornahme durch den Beklagten erreichen. Allerdings stellt die Ersatzvornahme im Verhältnis zum Zwangsgeld grundsätzlich das härtere Mittel dar, weil es für den Pflichtigen in aller Regel günstiger ist, wenn er die Handlung selbst vornimmt oder vornehmen lässt; die Ersatzvornahme ist aber keine in die Wahl des Pflichtigen gestellte alternative Art der Erfüllung, sondern die Sanktion für die Nichterfüllung seiner Verpflichtung (Giehl/Adolph/Käß/Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2017, Art. 32 VwZVG, Nr. 1). Art. 32 Satz 2 VwZVG weist nochmals auf den grundsätzlichen Vorrang des Zwangsgeldes gegenüber der Ersatzvornahme hin.
Die Einschränkung nach Art. 32 Satz 2 VwZVG „wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt“ erfasst nach der Rechtsprechung grundsätzlich zwei Fälle, (1.) entweder die Aussichtslosigkeit steht bereits fest, weil ein Zwangsgeld angedroht wurde, der Pflichtige aber die gebotene Handlung trotzdem nicht vorgenommen hat. Zwar kann ein weiteres Zwangsgeld angedroht werden, die Vollstreckungsbehörde ist jedoch nicht gehalten, nochmals durch ein weiteres und u. U. höheres Zwangsgeld auf den Willen des Pflichtigen einzuwirken. Dies kann nur in besonders gelagerten Fällen geboten sein, etwa wenn das erste Zwangsgeld wesentlich zu niedrig angesetzt war, um den Willen des Pflichtigen erfolgreich zu beeinflussen; (2.) oder die Ersatzvornahme ist auch dann zulässig, wenn eine Zwangsgeldandrohung von vorneherein als aussichtslos erscheint. Dies bedarf einer wertenden Beurteilung durch die Vollstreckungsbehörde. Die Prognose muss sich auf objektive Anhaltspunkte abstützen können, z. B. eindeutige Erklärungen des Pflichtigen, er werde der Anordnung nicht nachkommen (vgl. bei Giehl/Adolph/Käß/Giehl, a.a.O., Art. 32 Rn. 3).
Hierzu hat der Beklagte im Schriftsatz vom 13. Juni 2017 ausgeführt, die Höhe des angedrohten Zwangsgelds entspreche ungefähr den Kosten für die Herstellung des Grundstücksanschlusses. Aus wirtschaftlicher Sicht sei es sinnvoll, den einzusetzenden Geldbetrag für die Erfüllung der Anschlusspflicht (bei gleichzeitig werterhöhender Wirkung für das Grundstück) aufzuwenden, anstatt für die Zahlung eines Zwangsgelds. Daher sei davon auszugehen, dass die erfolgte Zwangsgeldandrohung die Klägerin dazu bewegen werde, ihrer Verpflichtung nachzukommen. Die Eigentümerin habe gegenüber dem Beklagten keine Erklärung abgegeben, dass sie ihr Grundstück unter keinen Umständen an die öffentliche Entwässerungseinrichtung anschließen wolle. Deshalb habe sich der Beklagte für die nochmalige (dritte) Androhung eines Zwangsgelds entschieden.
Dies ist nicht zu beanstanden. Im vorgelegten Verfahrensakt des Beklagten finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Klägerin zuvor schon generell einen Anschluss verweigern wollte. Vielmehr hatte die Klägerin die Aufforderungen in Nr. 3 des (Ausgangs-)Bescheids vom 22. Januar 2001 und des Bescheids vom 4. Juli 2008 zur Vorlage von Entwässerungsplänen erfüllt. Die von ihr vorgelegten Pläne wurden vom Beklagten mit Bescheid vom 22. September 2008 und Änderungsbescheid vom 22. Oktober 2008 genehmigt. Auch wurden die fälligen Zwangsgelder von 3.000 und 5.000 € letztlich nach hinhaltendem Widerstand und verschiedenen Fristverlängerungen bezahlt, auch wenn die Verpflichtung immer wieder in Frage gestellt wurde. Dem Beklagten musste sich nicht aufdrängen, dass sich die Klägerin, wie nunmehr vorgetragen, generell einer eigenen Erfüllung ihrer Anschlussverpflichtung widersetzen wollte, weshalb anstelle eines weiteren Zwangsgelds nur noch eine Ersatzvornahme in Betracht komme.
2.4 Sollte die Klägerin trotz des fällig gewordenen Zwangsgeldes immer noch nicht ihre Anschlussverpflichtung erfüllen, dürfte für eine weitere Vollstreckung künftig eine Zwangsgeldandrohung ausscheiden. Mit nunmehr der Erklärung der Klägerin, keinesfalls selbst anzuschließen, vielmehr die Ersatzvornahme des Beklagten zu erwarten, sind die Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG erfüllt.
Ergänzend ist noch auf Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG hinzuweisen. Danach ist die Anwendung der Zwangsmittel einzustellen, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt. Sollte sich die Klägerin doch noch entscheiden, den Anschluss ihres Grundstücks durch ein von ihr beauftragtes Unternehmen herstellen zu lassen, wäre von einer Beitreibung des fällig gewordenen Zwangsgelds abzusehen.
3. Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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