Verwaltungsrecht

Befreiung vom Rundfunkbeitrag nur mit Bescheinigung der Sozialbehörde

Aktenzeichen  M 6 K 16.2321

Datum:
17.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143310
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 4 Abs. 1
RBStV § 4 Abs. 6 Satz 1
RBStV § 4 Abs. 6 Satz 2

 

Leitsatz

1 Das bloße Vorliegen einer Bedarfslage reicht für die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht aus, vielmehr muss ein entsprechender Bescheid der Sozialbehörde zum Bezug von Leistungen nach § 4 Abs. 1 RBStV vorliegen (stRspr BayVGH BeckRS 2013, 59320). Der Bezug von Wohngeld ist nicht ausreichend. (Rn. 20 und 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Verzichtet der Beitragsschuldner darauf, Sozialleistungen zu beantragen, kann er nicht von der Beitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV befreit werden. Denn für die Prüfung der Bedürftigkeit sollen allein die Sozialleistungsbehörden und nicht die Rundfunkanstalten zuständig sein. (Rn. 26 und 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung o-der Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags ab-wenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Nach Anhörung der Beteiligten konnte das Gericht im vorliegenden Fall gemäß § 84 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die Klage war abzuweisen, da der Bescheid vom 4. Mai 2015 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 12. April 2016 gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), rechtmäßig ist und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab dem 1. Januar 2015, und zwar weder nach § 4 Abs. 1 RBStV noch nach § 4 Abs. 6 RBStV.
Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin – wofür die Bescheinigungen des Sozialreferats vom … Februar 2015 und … März 2016 (allerdings aufgrund anscheinend nur einer Einkommensberechnung; eine Prüfung der Vermögenslage der Klägerin ist nicht ersichtlich) ein gewisses Indiz sind – die materiellen Voraussetzungen für den Empfang einer Leistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 RBStV (eine andere Fallgruppe wäre hier nicht erkennbar einschlägig) tatsächlich erfüllt oder nicht, hat sie jedenfalls bis heute keinen entsprechenden Bewilligungsbescheid des Sozialreferats vorgelegt, der zu einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht hätte führen können.
Zwar weisen die Bescheinigungen vom … Februar 2015 und … März 2016 darauf hin, dass die Klägerin Wohngeld bezieht. Der Bezug von Leistungen (nach dem Wohngeldgesetz) ist allerdings nicht in § 4 Abs. 1 RBStV genannt, da ein Bezieher von Wohngeld – anders als beim Bezug anderer Sozialleistungen, die nur bei nahezu vollständiger Vermögenslosigkeit und Nichtvorhandensein leistungspflichtiger Dritter gewährt werden – durchaus über Vermögen verfügen oder in Einsatzgemeinschaft mit einem berufstätigen (Ehe-)Partner leben kann.
Dass nicht schon das bloße Vorliegen einer Bedarfslage einer Befreiung führt, sondern diese „bescheidsgebunden“ ist, hat das BVerwG bereits für das Rundfunkgebührenrecht ausgesprochen (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2011 – Az. 6 C 34/10 – NVwZ-RR 2012, 29). Auch für das Rundfunkbeitragsrecht ist dies in der Rechtsprechung sowohl der erkennenden Kammer als auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2013 – 7 ZB 13.1817 – juris; : VG München, Gerichtsbescheid v. 27.5.2016 – M 6 K 15.5329 – juris).
Die Tatbestandsvoraussetzungen des gesetzlich normierten besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 RBStV liegen bei der Klägerin ebenfalls nicht vor.
Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 in besonderen Härtefälle auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ein Härtefall liegt nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. Mit dieser Regelung eines gesetzlich normierten besonderen Härtefalls wurde für das Rundfunkbeitragsrecht den Vorgaben der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherung des Existenzminimums im Hinblick auf Rundfunkgebühren Rechnung getragen (B.v. 30.11.2011 – 1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10). Die Betroffenen sollen mit anderen Worten nicht durch den Rundfunkbeitrag unter das Existenzminimum fallen.
Diese Fallkonstellation wird von der Klägerin jedoch für die Zeit ab Januar 2015 offensichtlich nicht (mehr) geltend gemacht. Sie selbst wies darauf hin, dass es bei ihr – anders als im Jahr 2014 – nicht um eine entsprechende Überschreitung einer Bedarfsgrenze, sondern um deren Unterschreitung gehe, was ebenfalls zu einer Befreiung führen müsse. Das scheint auch aus den genannten Bescheinigungen vom … Februar 2015 und … März 2016 hervorzugehen.
Die Klägerin hat bei dieser Sachlage aber auch keinen Anspruch, wegen des Vorliegens eines (nicht ausdrücklich normierten) besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV befreit zu werden.
Verzichtet ein Rundfunkbeitragsschuldner darauf, eine staatliche Sozialleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV im dafür vorgesehenen ordentlichen Verwaltungsverfahren überhaupt zu beantragen, kann er nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV wegen eines besonderen Härtefalls beanspruchen (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2013 – 7 ZB 13.1817).
§ 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV ist insoweit kein Auffangtatbestand mit einem doch wieder gesonderten Überprüfungsverfahren durch die Rundfunkanstalten nach eigenen Regeln. Vielmehr entfalten die in § 4 Abs. 1 RBStV abschließend normierten Tatbestände insoweit eine Sperrwirkung.
Die Klägerin ist daher von Rechts wegen darauf zu verweisen, beim Sozialreferat einen regulären Antrag auf Bewilligung von Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 RBStV, alternativ einen Antrag auf Bewilligung einer der anderen in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Leistungen bei der dafür zuständigen Sozialbehörde, zu stellen. Wird ihr solches dann nach vollständiger Durchführung des hierfür vorgesehenen Verfahrens bewilligt, ist sie „Empfänger“ im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV und als solche von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Ob sich ein Betroffener dann nach Bewilligung eine Leistung im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV tatsächlich auch auszahlen lässt oder aber darauf verzichtet, ist allein seine Angelegenheit. Insbesondere wäre er über seine Motive hierfür gegenüber einer Rundfunkanstalt wiederum keine Rechenschaft schuldig.
Allein diese Vorgehensweise stellt aber sicher, dass dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen wird, dass ausschließlich die zuständigen Sozialleistungsbehörden – und nicht doch wieder die Rundfunkanstalten – insoweit entscheidungsbefugt sein sollen. Denn nur diesen stehen die rechtlichen Grundlagen zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, ggf. inklusive entsprechender Sanktionsmöglichkeiten etwa bei unzutreffenden Angaben, zur Verfügung.
Eine bloße Ausstellung von Bescheinigungen solcher Behörden auf Grund nur summarischer und vor allem nicht rechtsförmlicher Prüfung der Einkommens- und / oder Vermögenslage der Betreffenden, u.U. noch lediglich anhand von diesen selektiv vorgelegten Unterlagen, trägt dem nicht ausreichend Rechnung, zumal es keinerlei rechtlich normierte Vorgaben über den Inhalt solcher Bescheinigungen und ein hierfür durchzuführendes Prüfverfahren gibt. So würde erneut Rechtsunsicherheit und Rechtsstreit anstelle von Rechtssicherheit und -klarheit entstehen.
Die Klägerin kann also keine rechtliche Gleichstellung mit denjenigen verlangen, die bereit sind, sich den rechtlichen Anforderungen eines Antragsverfahrens zur Bewilligung von Sozialleistungen zu unterwerfen und dies auch tun (vgl. zu all dem: VG München, Gerichtsbescheid v. 27.5.2016 – M 6 K 15.5329 – juris; U.v. 4.5.2016 – M 6 K 16.652 – juris; U.v. 6.2.2015 – M 6a K 14.877 – juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO analog nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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