Verwaltungsrecht

Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots

Aktenzeichen  Au 4 K 17.50539

Datum:
2.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24302
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34a Abs. 1, § 74 Abs. 1
AufenthG § 11, § 75 Nr. 12
EGBGB Art. 13 Abs. 3 S. 1
EMRK Art. 3, Art. 8
Dublin III-VO Art. 6 Abs. 3, Art. 21
BGB § 1310
VwGO § 42, § 57 Abs. 2, § 75, § 84 Abs. 1, § 167 Abs. 2
VwVfG § 40

 

Leitsatz

1. Für die Aufhebung eines vom Bundesamt nach § 11 Abs. 7 AufenthG angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde zuständig (vgl. BVerwG BeckRS 2018, 2467), auch wenn das Bundesamt kein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, sondern ein solches lediglich gem. § 11 Abs. 2, Abs. 3, § 75 Nr. 12 Hs. 1 AufenthG befristet hat. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die persönlichen Belange des Betreffenden an einer Wiedereinreise und einem erneutem Aufenthalt im Bundesgebiet sowie die öffentlichen Interessen an der Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet zu berücksichtigen sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die festgesetzte Frist von 12 Monaten, welche lediglich ein Fünftel des Höchstmaßes gem. § 11 Abs. 3 S. 2 AufenthG umfasst, trägt eventuellen individuellen Belangen des Klägers auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMR ausreichend Rechnung. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Das Gericht hat dabei sowohl den Fall geprüft, dass sich die Klage nunmehr nicht mehr gegen den Bescheid vom 27. November 2017 als solchen richtet (dazu 1.), als auch den Fall, dass die Klage – jedenfalls mit dem Klageantrag Nr. 1 – noch auf Ziff. 4 des Bescheids vom 27. November 2017 (Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots) zielt (dazu 2.).
1. Das nunmehrige Klagebegehren ist so auszulegen, dass Gegenstand der Klage nicht mehr der die Kläger betreffende Bescheid vom 27. November 2017 als solcher ist. Klageantrag Nr. 1 (Haupt- und Hilfsantrag) ist, wie sich aus seiner Formulierung ergibt, vielmehr auf § 11 Abs. 4 AufenthG (Aufhebung bzw. Verkürzung des gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wirksam gewordenen Einreise- und Aufenthaltsverbots) gestützt. Angegriffen ist damit nicht die (bloße, vgl. § 75 Nr. 12 Halbs. 1 AufenthG) Entscheidung über die Länge der Befristung in Ziff. 4 des Bescheids vom 27. November 2017; nunmehr werden vielmehr nachträgliche Änderungen verlangt. Klageantrag Nr. 2 (Löschung der Ausschreibung im SIS) betrifft ohnehin keine der mit dem Bescheid vom 27. November 2017 getroffenen Entscheidungen.
Die Klage ist mit Antrag Nr. 1 im Hauptwie im Hilfsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Will ein Betroffener Rechtsschutz gegen ein – wie hier – entstandenes, befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlangen, ist eine Verpflichtungsklage statthaft, mit der er eine Fristverkürzung oder Aufhebung der Befristung begehrt (vgl. Maor, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 11 AufenthG, Rn. 37a m.w.N.). Aus § 42 VwGO ergibt sich jedoch, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage einen abgelehnten oder einen unterlassenen Verwaltungsakt voraussetzt. Auch ist es nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung zunächst Sache der Verwaltung, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – juris Rn. 23 m.w.N.). Einer Verpflichtungsklage fehlt daher das Rechtsschutzbedürfnis, solange nicht bei der Behörde einen entsprechenden Antrag gestellt und (vgl. § 75 VwGO) eine angemessene Bescheidungsfrist abgewartet wurde (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, vor § 40 Rn. 13 m.w.N.). Jedoch ist weder vorgetragen noch ausweislich der Bundesamtsakten ersichtlich, dass die Klägerseite in Bezug auf ein Vorgehen gem. § 11 Abs. 4 AufenthG bislang einen behördlichen Antrag gestellt hätte, noch, dass eine angemessene Entscheidungsfrist abgelaufen wäre.
Im Übrigen wäre die Klage in Bezug auf den Antrag Nr. 1 (zumindest auch) unbegründet, weil die Beklagte (in Gestalt des Bundesamts) für die begehrte Aufhebung bzw. kürzere Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht zuständig wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist selbst für die Aufhebung eines vom Bundesamt nach § 11 Abs. 7 AufenthG angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde zuständig sind (BVerwG, U.v. 25.1.2018 – 1 C 7/17- juris). Wenn diese Zuständigkeitsverteilung aber schon bei einem vom Bundesamt (kraft ausdrücklicher Kompetenz, vgl. § 11 Abs. 7 Satz 1, § 75 Nr. 12 Halbs. 2 AufenthG) angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbot gilt, muss eine solche erst recht dann gelten, wenn – wie hier – das Bundesamt kein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, sondern ein solches lediglich gem. § 11 Abs. 2, Abs. 3, § 75 Nr. 12 Halbs. 1 AufenthG befristet hat. Insoweit lassen sich die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts auf die vorliegende Konstellation ohne weiteres übertragen. § 75 Nr. 12 AufenthG begründet eine Zuständigkeit des Bundesamts (hier) nur für die „Befristung“ eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG, nicht auch für Änderungen dieser Verfügungen (BVerwG, a.a.O., Rn. 14). § 11 Abs. 2 AufenthG verweist auch nicht auf § 11 Abs. 4 AufenthG; insoweit ist der Wortlaut (und die Verweisung in § 75 Nr. 12 AufenthG) im Gegensatz zu § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG eindeutig. Eine Begrenzung der Bundesamtszuständigkeit auf die Erst- (hier: Befristungs-) entscheidung entspricht auch hier der allgemeinen Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt und den Ausländerbehörden (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 16). Das Asylverfahren und damit die Zuständigkeit des Bundesamts endet, wie das Bundesverwaltungsgericht betont, grundsätzlich mit der bestandskräftigen Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag und die damit verbundenen Nebenentscheidungen. Im vorliegenden Fall wenden sich die Kläger – vgl. oben – nicht mehr gegen den („Dublin-“) Bescheid vom 27. November 2017 als solchen, sondern nur noch gegen das wirksam gewordene Einreise- und Aufenthaltsverbot. Damit ist auch hier die Entscheidung des Bundesamts (Bescheid vom 27.11.2017) bestandskräftig geworden und eine Zuständigkeit des Bundesamts für nachträgliche Änderungen nicht mehr gegeben. Schließlich spricht gegen eine Unzuständigkeit des Bundesamts nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich der Wille des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass das Bundesamt nur die Ausgangsentscheidung nach § 11 Abs. 7 AufenthG zu treffen hat, nachträgliche Abänderungsentscheidungen aber in die Zuständigkeit der Ausländerbehörden fallen sollen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 18; BT-Drs. 18/4097, S. 58).
2. Würde man die Klageanträge Nr. 1 so verstehen, dass sie sich (noch) gegen die Befristungsentscheidung in Nr. 4 des Bescheids vom 27. November 2017 wenden, wäre die Klage der Klägerin zu 2 unzulässig, die Klage des Klägers zu 1 – bei entsprechender Auslegung der Klageanträge – unbegründet.
2.1 Die Klägerin zu 2 hat gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 4 des Bescheids vom 27. November 2017 – wie gegen diesen Bescheid insgesamt – nicht rechtzeitig Klage erhoben. Gem. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen, wenn – wie hier – eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 AsylG ergangen ist. In diesem Fall ist auch die Klage innerhalb einer Woche zu erheben (§ 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG). Fehler in der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:sind nicht ersichtlich. Der (auch) die Klägerin zu 2 betreffende Bescheid vom 27. November 2017 ist am 1. Dezember 2017 – durch persönliche Übergabe – zugestellt worden (Postzustellungsurkunde, Bundesamtsakte, Bl. 170 f.). Die Klage der Klägerin zu 2 hätte daher gem. §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB bis 8. Dezember 2017 beim Verwaltungsgericht eingehen müssen. Dies war nicht der Fall.
In dem am 7. Dezember 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klage- bzw. Antragsschriftsatz vom gleichen Tag ist eindeutig nur der Kläger zu 1 als Kläger bezeichnet. Eine Auslegung des Klageschriftsatzes dahin gehend, dass Klage auch für die Klägerin zu 2 erhoben sein sollte, kommt nicht in Betracht. In dem Schriftsatz ist ausschließlich von „dem Kläger und Antragsteller“ die Rede. Die Klägerin zu 2 wird in dem Schriftsatz nicht als Klägerin, sondern als Vertreterin des Klägers zu 1 bzw. (ohne namentliche Nennung) als (Kinds-) Mutter bezeichnet. Zwar ist in dem Schriftsatz für die Klägerin zu 2 ein Verfahren bzw. Aktenzeichen des Bundesamts angegeben, welches dem streitgegenständlichen Bescheid entspricht. Dass dieses Verfahren bzw. ein entsprechender Bescheid Gegenstand der Klage sein sollte, lässt sich jedoch nicht erkennen. Vielmehr hat die Klägerseite den Eindruck erweckt, als handele es sich dabei um ein anderes, vom Kläger zu 1 getrenntes Asylverfahren. Insbesondere wurde in dem Schriftsatz vom 7. Dezember 2017 ausdrücklich vorgetragen, dass der Asylantrag der Kindsmutter, d.h. der Klägerin zu 2, bis dato nicht abgelehnt sei. Hat die Klägerin zu 2 jedoch am 7. Dezember 2017 vorgetragen, dass ein Ablehnungsbescheid nicht existent sei, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 2 einen solchen Bescheid – nämlich den tatsächlich bereits am 27. November 2017 ergangenen und ihr am 1. Dezember 2017 übergebenen Bescheid – mit Rechtsbehelfen angreifen wollte. Ein Bescheid – namentlich der Bescheid vom 27. November 2017 – war dem Schriftsatz vom 7. Dezember 2017 nicht beigefügt, so dass auch nicht deshalb davon ausgegangen werden kann, dass nicht der im Schriftsatz bezeichneten Bescheid vom 28. November 2017, sondern in Wahrheit der (auch) die Klägerin zu 2 betreffende Bescheid vom 27. November 2017 angegriffen sein sollte. Zudem weist die dem Klageschriftsatz beigefügte Vollmacht nur den Kläger zu 1 aus, die Klägerin zu 2 (nur) als dessen gesetzliche Vertreterin. Aus diesen Gründen kann nicht, wie im Schriftsatz der Klägerseite vom 20. Dezember 2017 geltend gemacht, bezüglich der Klägerin zu 2 von einem bloßen „Schreibversehen“ im Schriftsatz vom 7. Dezember 2017 ausgegangen werden. Rechtsbehelfe wurden für die Antragstellerin zu 2 damit allenfalls mit dem Schriftsatz am 20. Dezember 2017 erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Wochenfrist gem. § 34a Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG jedoch bereits abgelaufen.
2.2 Hinsichtlich des Klägers zu 1 ist die Klage in Bezug auf den Antrag Nr. 1 bei entsprechender Auslegung zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (vgl. dazu näher B.v. 3.1.2018 – Au 4 S 17.50540 – Rn. 13), aber unbegründet. Nachdem – wie ausgeführt – eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht in Betracht kommt, sondern die Klage sich wegen § 75 Nr. 12 AufenthG nur gegen die Länge des Verbots richten kann, wäre zwar eine Aufhebung der Befristung denkbar. Indes würde eine solche Aufhebung zu einem gänzlich unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen (vgl. VG München, B.v. 14.11.2016 – M 17 S 16.33705 – juris Rn. 19 m.w.N.), was dem Klagebegehren ersichtlich zuwiderläuft. Ebenso wenig könnte – wie mit dem Hilfsantrag begehrt – zum jetzigen Zeitpunkt noch eine Verpflichtung der Beklagten zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bis zum 9. Juli 2018 zulässigerweise begehrt werden, da dieser Zeitpunkt verstrichen ist.
Bei sachgerechter Auslegung des Klageantrags 1 begehrt der Kläger zu 1 daher die Aufhebung von Nr. 4 des Bescheids vom 27. November 2017 und die Verpflichtung der Beklagten, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf Null zu befristen, hilfsweise, über die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Diese Ansprüche des Klägers zu 1 bestehen jedoch nicht. Die Befristungsentscheidung in Nr. 4 des Bescheids vom 27. November 2017 ist auch unter Berücksichtigung des vom Kläger Vorgetragenen und der Entwicklungen nach Bescheiderlass (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der die persönlichen Belange des Betreffenden an einer Wiedereinreise und einem erneutem Aufenthalt im Bundesgebiet sowie die öffentlichen Interessen an der Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet zu berücksichtigen sind. Der Behörde steht dabei ein Ermessensspielraum zu. Fallübergreifende, verallgemeinerungsfähige Kriterien können hierzu nicht festgelegt werden (vgl. BayVGH, B.v. 6.4.2017 – 11 ZB 17.30317 – juris Rn. 12 m.w.N.). Gemessen daran ist weder zu Gunsten des Klägers zu 1 eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben, noch kann die vom Bundesamt getroffene Ermessensentscheidung nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG gerichtlich beanstandet werden.
Der Kläger zu 1 ist nicht der Sohn des nach dem Klägervortrag als Flüchtling anerkannten Herrn, den die Klägerin zu 2 „geheiratet“ habe. Es ist auch weder erkennbar, dass Herr * gegenüber dem Kläger zu 1 mit der elterlichen Sorge vergleichbare Aufgaben und Pflichten übernommen hat, noch, dass dieser dem Kläger zu 1 gegenüber eine vater-ähnliche Rolle besitzt, und auch nicht, dass Herrn * sonst eine enge persönliche Bindung zum Kläger zu 1 aufweist. Vielmehr hat die Klägerin zu 2 vor dem Bundesamt am 6. September 2017, befragt nach relevanten Umständen für die Befristungsentscheidung, Herrn * oder eine Beziehung zu ihm nicht angeführt. Auch im gerichtlichen Verfahren bis zur Entscheidung im Eilverfahren am 3. Januar 2018 ist Herr * von der Klägerin zu 2 nicht erwähnt worden. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass Herr * den Kläger zu 2 ausreichend lange kennt, um für diesen eine enge Bezugsperson darzustellen. Hinzu kommt, dass die zwischen der Klägerin zu 2 und Herrn * in Nürnberg geschlossene „Ehe“ vor einer „Religiösen und juristischen Beratungsstelle“ durch einen vom „Berufungsgericht Bagdad“ bevollmächtigten „stellvertretenden Richter“ nicht den Formerfordernissen des § 1310 BGB entspricht, vgl. Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB. Zudem wurde diese „Ehe“ erst am 15. Januar 2018 „geschlossen“, in einem Zeitpunkt also, in dem der Antrag der Klägerseite auf einstweiligen Rechtsschutz bereits abgelehnt worden war (hiervon erlangte die Klägerseite am 8.1.2018 Kenntnis, vgl. Gerichtsakte, Bl. 49), so dass die klägerische Familie jederzeit mit einer Abschiebung rechnen mussten. Damit konnte die klägerische Familie von vornherein nicht davon ausgehen, mit Herrn * länger zusammenzuleben und konnte die Klägerseite daher nicht darauf vertrauen, dass die Beziehung zu Herrn * als gewichtiger persönlicher Belang berücksichtigt werden würde.
Im Übrigen hat das Bundesamt vorliegend die Länge der Frist gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf zwölf Monate festgesetzt. Damit ist das Bundesamt bereits deutlich unterhalb der Frist von 30 Monaten geblieben, die das in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festgelegte Höchstmaß zur Hälfte ausschöpft und die in Fällen, in denen keine individuellen Gründe vorgebracht werden oder ersichtlich sind, generell aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu beanstanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 – juris Rn. 4). § 75 Nr. 12 AufenthG lässt sich nicht entnehmen, dass die Frist kürzer zu bemessen wäre, wenn – wie hier – eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a AufenthG ergeht. Damit aber trägt die vorliegend festgesetzte Frist von 12 Monaten – welche lediglich ein Fünftel des Höchstmaßes gem. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG umfasst – bereits eventuellen individuellen Belangen der Klägerseite ausreichend Rechnung. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Fristlänge zu Lasten der Klägerseite ermessensfehlerhaft oder das Ermessen gar auf Null reduziert wäre, bestehen angesichts obiger Ausführungen selbst mit Blick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht.
3. In Bezug auf den (nunmehrigen) Klageantrag Nr. 2 ist die Klage ebenfalls unzulässig. Dem auf Löschung der Ausschreibung der Kläger im Schengener Informationssystem (SIS) zielenden Klageantrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Wie ausgeführt, ist es nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung zunächst Sache der Verwaltung, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – juris Rn. 23 m.w.N.). Eine Leistungsklage – wie hier einschlägig – ist daher unnötig, solange nicht bei der Behörde ein entsprechender Antrag gestellt und eine angemessene Bescheidungsfrist abgewartet wurde (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, vor § 40 Rn. 13 m.w.N.). Auch hinsichtlich dieses Begehrens ist jedoch für eine derartige vorherige Antragstellung bei der Beklagten jedoch weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
Im Übrigen wäre die Klage mit diesem Antrag jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch der Klägerseite auf Löschung der Ausschreibung im SIS ist nicht erkennbar. Unstreitig ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit Abschiebung der Kläger wirksam geworden. Das Verbot wird schengenweit im SIS ausgeschrieben (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 35; Maor, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 11 AufenthG, Rn. 4). Die Länge der Befristung des Verbots ist, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden; die Frist ist auch noch nicht abgelaufen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 84 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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