Aktenzeichen AN 9 S 16.32059
Leitsatz
Eine ungeklärte Staatsangehörigkeit bzw. eine offensichtliche Täuschung über die Herkunft liegt nicht vor, wenn das Generalkonsulat einen entsprechenden (hier syrischen) Pass ausstellt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. November 2016 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der am …1991 in …Jemen bzw. Syrien geborene Antragsteller gibt an, die syrische Staatsangehörigkeit zu besitzen, ist von arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Der Antragsteller lebte bis 2014 in Jordanien, ehe er 2014 in befreite Gebiete nach Syrien zog. Der Antragsteller hat am 15. Juni 2015 Syrien verlassen und reiste über den See- und Landweg am 1. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 15. Dezember 2015 stellte der Antragsteller Asylantrag, der gemäß § 13 Abs. 2 AsylG auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkt wurde.
Am 21. Juli 2016 wurde der Antragsteller vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) angehört.
Mit Bescheid vom 18. November 2016, zugestellt am 23. November 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Jordanien angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei ungeklärter Staatsangehörigkeit, da die physikalisch-technische Untersuchung des Bundesamtes ergeben habe, dass die syrischen Personaldokumente des Antragstellers höchst wahrscheinlich manipuliert worden seien. Es werde davon ausgegangen, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um einen Syrer handele und es keine Verfolgung wegen der syrischen Nationalität gegeben habe. Die Angabe des Antragstellers im Rahmen der Anhörung, er habe in Jordanien eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker abgeschlossen und als Gewürzhändler gearbeitet, widerspreche der Aussage des Antragstellers, er habe in Jordanien nicht arbeiten dürfen. Es werde davon ausgegangen, dass der Antragsteller bei den Angaben über seine Herkunft offensichtlich getäuscht habe. Aus diesem Grund werde der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Als Zielstaat der Abschiebung werde Jordanien geprüft, da der Antragsteller Jordanien als letztes Aufenthaltsland vor seiner vorgeblichen Ausreise nach Syrien angegeben habe. Dem Antragsteller sei auch subsidiärer Schutz nicht zuzuerkennen, da ihm in Jordanien kein ernsthafter Schaden drohe. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten vom 29. November 2016 hat der Antragsteller am 29. November 2016 gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes vom 18. November 2016 Klage erhoben und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens verschont zu bleiben überwiege das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der gesetzlich vorgesehenen Ausreisefrist. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts. Die Antragsgegnerin gehe zu Unrecht davon aus, dass der Antragsteller aus Jordanien stamme. Der Antragsteller sei syrischer Staatsangehöriger. Eine entsprechende Bestätigung der syrischen Botschaft und eine Kopie des von der syrischen Botschaft in … vom 25. November 2016 ausgestellten Passes seien beigefügt. In einer beigefügten eidesstattlichen Versicherung versichere der Antragsteller, in Jordanien keinen Aufenthaltstitel besessen zu haben, dort nur studiert zu haben und lediglich zwei Monate bei einem Gewürzhändler „schwarz“ gearbeitet zu haben. Der Antragsteller habe in Jordanien über keinen Aufenthaltstitel verfügt, da syrische Staatsangehörige für die Einreise nach Jordanien kein Visum benötigten. Sie erhielten jedoch keine Arbeitserlaubnis. Mithin habe der Antragsteller dort „schwarz“ gearbeitet. Eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet sei nur dann möglich, wenn für die Antragsgegnerin offen zu tage trete, dass der Antragsteller in seinem Heimatland nicht politisch verfolgt werde.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung mit Bescheid vom 18. November 2016 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten vorgelegt; ein Antrag wurde bislang nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (auch im Hauptsacheverfahren AN 9 K 16.32060), sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG fristgerechte Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 3 GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht – wobei eine bloße Prognose zur voraussichtlichen Richtigkeit der Feststellung nicht als ausreichend erachtet wird – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel im Sinne von Art. 16 Abs. 4 Satz 1 GG dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht Stand halten wird (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
Der vorliegende Eilantrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist begründet, da ernstliche Zweifel am Offensichtlichkeitsurteil der Behörde und an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides im Übrigen bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Zwar hat der Antragsteller im Verfahren neben seinem syrischen Reisepass und einem Registerauszug (vgl. Verfahrensakte S. 62 ff.) einen Personalausweis vorgelegt, bei dem die physikalisch-technische Urkundenuntersuchung Zweifel an der Echtheit ergab (Verfahrensakte S. 67). Auf Grund der Vorlage weiterer Personaldokumente, an deren Echtheit keine Zweifel erhoben wurden, ist eine Täuschung des Antragstellers über seine Identität bzw. Staatsangehörigkeit mithin nicht ersichtlich. Insbesondere nach Ausstellung eines syrischen Passes durch das Generalkonsulat am 25. November 2016 ergeben sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, der von einer ungeklärten Staatsangehörigkeit und einer offensichtlichen Täuschung des Antragstellers über seine Herkunft ausgeht. Unter Berücksichtigung der Passausstellung seitens des syrischen Staates erscheint es nicht als offensichtlich, dass der Antragsteller über seine Herkunft getäuscht haben sollte.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).