Aktenzeichen M 6 S 18.30900
Leitsatz
Dass eine Hinwendung zum christlichen Glauben ernst gemeint ist und aus einer tiefen inneren Überzeugung herrührt, ist nicht glaubhaft, wenn innerhalb mehrerer Jahre keine formellen Schritte unternommen wurden, um sich der Glaubensgemeinschaft anzuschließen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der 1991 in der Provinz Maidan-Wandak geborene Antragsteller von der Volksgruppe der Hazara, der zunächst als Muslim geführt wurde, stellte nach seiner Einreise auf dem Landweg in die Bundesrepublik am 29. Dezember 2010 einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 5. Juli 2011 ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht München (U.v. 26.6.2012 – M 23 K 11.30571) sowie vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B.v. 15.4.2013 – 13a ZB 12.30450) ohne Erfolg.
In der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 führte der damalige Kläger aus: „Vom Glauben sind wir Hazara, Schiiten, die Kutchi sind Sunniten. Meine Mutter war Schiitin, mein Vater Christ. Ich ergänze: Mein Vater war erst Moslem, später ist er Christ geworden. […] Mein Bruder ist auch Christ. […]“. Auf Frage, wie es kam, dass der Vater Christ geworden sei, erklärte der Kläger: „Ich habe nicht gewusst, dass mein Vater Christ war. Ich habe dies erst im Iran von meinen Verwandten und Bekannten erfahren.“ Auf weitere Frage des Gerichts erklärte der Kläger: „Ich habe den Glauben meines Vaters.“ Auf Frage, woher er das wisse, erklärte er: „Ich weiß vom Islam nichts und finde den christlichen Glauben besser.“ Auf Frage nach einem christlichen Zeichen oder nach der Art, wie Christen beten, erklärte der Kläger: „Das weiß ich nicht, weil mir das niemand beigebracht hat. Ich gehe aber manchmal in die Kirche und werde es in Zukunft lernen.“ Weiter erklärte der Kläger: „Ich möchte aber trotzdem darauf hinweisen, dass ich die Tatsache, dass mein Vater Christ war und ich den gleichen Glauben habe, bei meiner Flucht aus Afghanistan nicht gewusst habe. Ich habe mich jetzt für das Christentum entschieden.“ Schließlich erklärte er, entgegen den Angaben in seinem Ausweis sei er kein Moslem.
Am 23. Februar 2017 ging beim Bundesamt mit Schreiben seiner damaligen und jetzigen anwaltlichen Vertreter ein Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ein, den das Bundesamt mit Bescheid vom 10. März 2017 ablehnte. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 20. Oktober 2017 abgewiesen (M 17 K 17.35433), das Urteil ist rechtskräftig. Ausweislich der Entscheidungsgründe (Seite 2f) wurde zur Begründung des Folgeantrags die aus Sicht der Klagepartei nachhaltig verschlechterte allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan vorgetragen sowie die schwierige Situation für Rückkehrer, noch dazu wenn sie zusätzlich mehrere Jahre in einem weiteren Land (hier: Iran) verbracht hätten. In diesem Verfahren hat der damalige Kläger zu keinem Zeitpunkt religiöse Motive für seine Flucht aus seinem Heimatland oder als Grund dafür vorgetragen, nicht dorthin zurückkehren zu können.
Einen weiteren Folgeantrag des Antragstellers vom 19. Januar 2018 lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 23. Januar 2018 als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides) und lehnte den Antrag auf Abänderung des (Erst-)Bescheids vom 5. Juli 2011 hinsichtlich der Feststellung zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG ab (Nr. 2). Hiergegen ließ der Antragsteller seine Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben, über die noch nicht entschieden ist (M 6 K 18.30654).
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2018, der per Telefax am selben Tag um 11.49 Uhr beim Bayerischen Verwaltungsgericht München einging, ließ der Antragsteller beantragen,
im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung der Klage vom 31. Januar 2018 anzuordnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme jenes Pfarrers vom 16. Februar 2018, in dessen Kirchengemeinde der Antragsteller sich von Februar bis Dezember 2017 im Kirchenasyl befand, sowie eine nicht unterschriebene „Persönliche Würdigung“ einer in dieser Zeit für den Antragsteller zuständigen Betreuerin insbesondere vorgebracht, eine Abschiebung sei wegen der nunmehr manifesten Hinwendung des Antragstellers zum Christentum unzulässig. Bei dieser Hinwendung zum Christentum handle es sich nicht um eine „taktisch bedingte Maßnahme“, um einer eventuellen Abschiebung zu entgehen, sondern um einen langwierigen Prozess, der bereits im Heimatland aufgrund des Beispiels des Vaters einsetzte und in Deutschland seine Fortführung fand. Bereits im Erstverfahren beim Verwaltungsgericht München (M 23 K 11.30571) habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 hierzu Ausführungen gemacht.
Der Antrag wurde dem Bundesamt am 20. Februar 2018 um 13:24 Uhr per Telefax zugestellt. Zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung lag keine Äußerung der Antragsgegnerin dazu vor.
Im vorliegenden Verfahren wird der Antragsteller von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wie schon im Verfahren M 17 K 17. 35433 und im Hauptsacheverfahren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten in den Verfahren M 23 K 11.30571, M 17 K 17.35433 und M 6 K 18.30654 verwiesen, die beigezogen wurden.
II.
1. Über den vorliegenden Antrag entscheidet kraft Gesetzes der Einzelrichter (§ 76 Abs. 4 AsylG).
Es konnte entschieden werden, obwohl die Antragsgegnerin sich zum Antrag nicht geäußert und keine Akten vorgelegt hat. Dem Gericht lagen die Gerichtsakten des Erstverfahrens und des ersten Folgeverfahrens sowie die für seine Entscheidung wesentlichen Unterlagen des zweiten Folgeverfahrens einschließlich aller ergangenen Bescheide vor.
Ob es sich vorliegend um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 VwGO handelt oder beide Antragsformen vorliegen, kann offenbleiben, da der Antrag jedenfalls unbegründet ist. Entweder fehlt es an den Erfolgsaussichten der Hauptsache oder an einem Anordnungsanspruch.
2. Die inmitten des Vorbringens des Antragstellers stehende, angebliche Hinwendung zum Christentum verhilft seinem Antrag nicht zum Erfolg.
Die „persönliche Würdigung“ des Antragstellers durch dessen Betreuerin aus dem Helferkreis Kirchenasyl vom 28. Dezember 2017 kann hierfür schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie nicht unterschrieben ist.
Auch die Bestätigung des Pfarrers vom 16. Februar 2018, in dessen Gemeinde der Antragsteller untergebracht war, kann zu keinem für den Antragsteller günstigen Ergebnis führen. Darin wird zunächst ausgeführt, der Antragsteller habe sich als „unreligiös“ bezeichnet, aber auch berichtet, seine Eltern seien dem Christentum zugeneigt gewesen. Das widerspricht allen bisherigen Einlassungen insoweit, als der Antragsteller noch nie zuvor hinsichtlich seiner Mutter eine Hinwendung zum Christentum behauptet, sondern diese als Schiitin bezeichnet hat.
Weiter berichtet der Pfarrer, als im Dezember 2017 über die Beendigung des Kirchenasyls gesprochen worden sei, habe der Antragsteller ihm gegenüber erstmals geäußert, dass er sich wünsche, bald getauft zu werden. Zusammen mit seiner Betreuerin habe er an Weihnachten und auch schon zuvor gelegentlich Gottesdienste besucht. Auch gegenüber dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst habe er sich in der Abschiebehaft dazu bekannt. In dieser Schilderung wird eine fundierte und tiefer Überzeugung folgende Hinwendung zum Christentum aus Sicht der Gerichts keineswegs deutlich.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vorbringt, die Hinwendung zum Christentum sei nicht taktisch bedingt, sondern schon im Erstverfahren in der mündlichen Verhandlung im Juni 2011 geltend gemacht worden, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Im Gegenteil: Zwischen der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2011, in der Angaben zur Hinwendung zum Christentum gemacht wurden, und seinem nunmehrigen Vorbringen hat der Antragsteller mehr als fünf Jahre verstreichen lassen. Eine Hinwendung zum christlichen Glauben, so sie denn aus einer tiefen inneren Überzeugung herrührt, hätte den Antragsteller, um glaubhaft und überzeugend zu sein, veranlassen müssen, sich innerhalb der mehr als fünf Jahre seit der mündlichen Verhandlung auf den – auch formellen – Weg hin zum Christentum zu machen und sich nach entsprechender Vorbereitung taufen zu lassen. Stattdessen beschrieb ihn der Pfarrer in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2018 als unreligiös, auch der Antragsteller selbst habe sich so bezeichnet. Die Äußerungen, die nun dem vorliegenden Antrag zum Erfolg verhelfen sollen, stammen aus dem Dezember 2017. Augenfällig ist das Zusammentreffen der Ablehnung des ersten Asylfolgeantrags und der hierzu am 2. November 2017 ergangenen gerichtlichen Entscheidung vom 20. Oktober 2017 im Verfahren M 17 K 17.35433 einerseits und der Wiederentdeckung seiner Neigung zum Christentum seitens des Antragstellers, nachdem das Thema für ihn offensichtlich mehr als fünf Jahre nicht von Bedeutung war. Er hat absolut nichts dazu vorgetragen, was er in dieser langen Zeit unternommen hat, um seinen angeblich seinerzeit schon manifesten Entschluss, getaufter Christ zu werden, in die Tat umzusetzen.
Zudem widersprechen sich die Angaben des Antragstellers: Während er in der mündlichen Verhandlung im Juni 2012 angibt, erst nach der Ausreise aus Afghanistan von der religiösen Orientierung seines Vaters erfahren und sich selbst dem Christentum zugewandt zu haben, soll dieser Prozess nach dem Vorbringen seines Bevollmächtigten nunmehr bereits in Afghanistan seinen Anfang genommen haben.
Das Vorbringen des Antragstellers erscheint daher insgesamt als nicht hinreichend überzeugend und glaubhaft.
Weitere Gründe oder Umstände, welche einer Rückführung des Antragstellers nach Afghanistan entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.