Aktenzeichen Au 6 K 17.1475, Au 6 S 17.1476, Au 6 K 17.1477, Au 6 S 17.1478, Au 6 K 17.1479, Au 6 S 17.1480, Au 6 K 17.1481, Au 6 S 17.1482, Au 6 K 17.1483, Au 6 S 17.1484, Au 6 K 17.1485, Au 6 S 17.1486, Au 6 K 17.1491
DVAsyl § 5 Abs. 2 S. 1
VwGO § 80 Abs. 6
Leitsatz
1 Eine Auslegung, wonach eine Auskunftsvollmacht auch zum Stellen von Anträgen bei Behörden ermächtigt, ist ausgeschlossen, da die Stellung rechtlich bindender, kostenpflichtiger und Verwaltungsverfahren in Gang setzender Anträge in ihrer Bedeutung deutlich über bloße Auskünfte hinausgeht und deshalb ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Auskunftsvollmacht nach dem Willen des Vertretenen auch zur Antragstellung bevollmächtigen soll. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Erfordernis des behördlichen Vorverfahrens ist keine Zulässigkeits- sondern eine Zugangsvoraussetzung und kann daher nicht mehr im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (OVG NRW BeckRS 2017, 107591; BayVGH BeckRS 2015, 42877; VGH BW BeckRS 2011, 49104). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen (Verfahren Au 6 S 17.1476, Au 6 S 17.1478, Au 6 S 17.1480, Au 6 S 17.1482, Au 6 S 17.1484, Au 6 S 17.1486, Au 6 S 17.1492, Au 6 S 17.1494, Au 6 S 17.1496, Au 6 S 17.1498, Au 6 S 17.1500, Au 6 S 17.1502, Au 6 S 17.1504, Au 6 S 17.1506, Au 6 S 17.1508, Au 6 S 17.1510, Au 6 S 17.1512, Au 6 S 17.1514 und Au 6 S 17.1516) werden abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten dieser Verfahren zu tragen.
III. Der Streitwert wird für die Verfahren Au 6 S 17.1476, Au 6 S 17.1478, Au 6 S 17.1480, Au 6 S 17.1482, Au 6 S 17.1484, Au 6 S 17.1486 und Au 6 S 17.1492 auf jeweils 80,67 EUR festgesetzt.
Für die Verfahren Au 6 S 17.1494 und Au 6 S 17.1496 wird der Streitwert auf jeweils 131,75 EUR festgesetzt.
Für die Verfahren Au 6 S 17.1498 und Au 6 S 17.1500 wird der Streitwert auf jeweils 157,25 EUR festgesetzt.
Für die Verfahren Au 6 S 17.1502, Au 6 S 17.1504, Au 6 S 17.1506, Au 6 S 17.1508, Au 6 S 17.1510, Au 6 S 17.1512, Au 6 S 17.1514 und Au 6 S 17.1516 wird der Streitwert auf jeweils 161,75 EUR festgesetzt.
IV. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in den Antrags- und Klageverfahren (Au 6 K 17.1475 bis Au 6 S 17.1486 und Au 6 K 17.1491 bis Au 6 S 17.1516) werden abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) wendet sich gegen die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme staatlicher Unterkünfte von Februar 2016 bis August 2017, in denen er nach seiner Zuweisung zusammen mit seiner Familie wohnte.
Der am … 1991 geborene Antragsteller bildet mit seiner am … 1995 geborenen Ehefrau und seinen beiden am … 2013 und am … 2016 geborenen Kindern eine Familie eritreischer Staatsangehörigkeit. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. Dezember 2015 wurde dem Kläger, seiner Ehefrau und seinem älteren Kind die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG zuerkannt. Der Bescheid ist seit dem 25. Januar 2016 bestandskräftig. Sein jüngeres Kind erhielt mit seiner Geburt (23.10.2016) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG. Die Familie bezieht Leistungen nach dem SGB II.
Der Antragsteller und seine Familie wohnten vom 1. Februar 2016 bis zum 7. April 2016 in einer staatlichen dezentralen Unterkunft in …; seit dem 8. April 2016 leben sie in einer staatlichen dezentralen Unterkunft in ….
Mit Bescheiden vom 28. August 2017 und vom 12. September 2017 setzte der Antragsgegner für die Nutzung der Gemeinschaftsunterkünfte durch den Antragsteller, seine Ehefrau und seine Kinder folgende Gebühren fest:
Monat
Unterkunftsgebühr pro Monat
Haushaltsenergie pro Monat
Gesamt pro Monat
Februar 2016 bis August 2016
315,00 EUR
7,76 EUR
322,67 EUR
September 2016 und Oktober 2016
427,00 EUR
55,00 EUR
527,00 EUR
November 2016 und Dezember 2016
569,00 EUR
60,00 EUR
629,00 EUR
Januar 2017 bis August 2017
569,00 EUR
78,00 EUR
647,00 EUR
Das Jobcenter zahlte für den Antragsteller und seine Familie die Unterkunftsgebühren für die Monate März 2016 bis August 2017, mithin insgesamt 8.524,00 EUR. Noch offen sind demnach soweit ersichtlich die Unterkunftsgebühren für Februar 2016 (315,00 EUR) sowie sämtliche Gebühren für die Haushaltsenergie (907,69 EUR), insgesamt mithin 1.222,69 EUR.
In Vertretung des Antragstellers beantragte eine Mitarbeiterin eines Helferkreises unter Vorlage einer „Auskunftsvollmacht“ (Bl. 48 der Behördenakte) mit Schreiben vom 28. September 2017 (Bl. 46 f. der Behördenakte) für den Antragsteller, von einer Zwangsvollstreckung abzusehen, da dieser zahlungsunfähig sei.
Mit Schreiben vom 12. September 2017 (Bl. 12 der Behördenakte) und vom 14. Oktober 2017 (vgl. Bl. 16 der Gerichtsakte) wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass ein Erlass der Forderungen nicht in Betracht komme, jedoch ein beiliegender Ratenzahlungsantrag (Bl. 14 und 91 der Behördenakte) ausgefüllt und eingereicht werden könne.
Gegen die Gebührenfestsetzungsbescheide erhob der Antragsteller am 28. September 2017 Klage und beantragte, die Gebührenfestsetzungsbescheide „zurückzuweisen“.
Gleichzeitig beantragte der Antragsteller
die aufschiebende Wirkung der Klagen nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen und die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Der Antragsgegner beantragt, die Klagen abzuweisen und
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen abzulehnen.
Die Gebührenbescheide seien offensichtlich rechtmäßig, weswegen das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der streitgegenständlichen Bescheide überwiege. Bei den Unterkünften, in denen der Antragsteller mit seiner Familie gewohnt habe bzw. derzeit wohne, handele es sich um staatliche Unterkünfte i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl). Durch die Nutzung hätten der Antragsteller und seine Familie die Gebührentatbestände des § 21 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Aufnahmegesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl 2002) vom 4. Juni 2002 (GVBl. S. 218; BayRS 26-5-1-A), zuletzt geändert durch Verordnung zur Schwerpunktsetzung von Aufgaben bei den Regierungen vom 14. Oktober 2014 (GVBl S. 450) bzw. des § 22 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl 2016) vom 16. August 2016 (GVBl. S. 258; BayRS 26-5-1-A/I) erfüllt. Mit der Anerkennung als Flüchtlinge am 25. Januar 2016 sei die Leistungsberechtigung des Antragstellers und seiner Familie nach § 1 Aufnahmegesetz (AufnG) i.V.m. § 1 Abs. 1, Abs. 2 AsylbLG entfallen, weshalb sich der Antragsteller nicht auf § 21 Abs. 2 DVAsyl 2002 bzw. § 22 Abs. 2 DVAsyl 2016 berufen könne. Vielmehr beziehe der Antragsteller Leistungen nach dem SGB II. Im Regelbedarf der Leistungen nach dem SGB II seien auch Ausgaben für die Haushaltsenergie enthalten. Sollte der Antragsteller diese Leistungen gleichwohl anderweitig verbraucht haben, bestünde die Möglichkeit von Zahlungserleichterungen, worauf der Antragsteller bereits durch die beiden Schreiben vom 12. September 2017 und vom 4. Oktober 2017 hingewiesen worden sei. Ratenzahlungsanträge würden wohlwollend geprüft. Durch den Vollzug der Gebührenbescheide drohten dem Antragsteller auch keine nicht wiedergutmachbaren Nachteile.
Mit gerichtlichen Mitteilungen vom 11. Oktober 2017 und vom 15. November 2017 ist der Antragsteller u.a. aufgefordert worden, die der Erstzustellung beigefügte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 31. Oktober 2017 bzw. bis zum 1. Dezember 2017 sorgfältig auszufüllen und zurückzusenden sowie klarzustellen, ob sich der Prozesskostenhilfeantrag nur auf die Klagen oder auch auf die Anträge bezieht. Mit Schreiben des Gerichts vom 1. Dezember 2017 ist dem Antragsteller abschließend eine Frist zur Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 13. Dezember 2017 eingeräumt worden, gleichzeitig ist er auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO hingewiesen worden. Er kam der Aufforderung jedoch nicht nach.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte.
II.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen sind unzulässig, hilfsweise auch unbegründet. Auch die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht erfolgreich.
1. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen (Verfahren Au 6 S. 17.1476, Au 6 S. 17.1478, Au 6 S. 17.1480, Au 6 S. 17.1482, Au 6 S. 17.1484, Au 6 S. 17.1486, Au 6 S. 17.1492, Au 6 S. 17.1494, Au 6 S. 17.1496, Au 6 S. 17.1498, Au 6 S. 17.1500, Au 6 S. 17.1502, Au 6 S. 17.1504, Au 6 S. 17.1506, Au 6 S. 17.1508, Au 6 S. 17.1510, Au 6 S. 17.1512, Au 6 S. 17.1514 und Au 6 S. 17.1516) sind unzulässig und unbegründet.
a) Die Anträge sind unzulässig.
Das Verfahren nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO wurde vom Antragsteller nicht rechtzeitig vor Antragstellung bei Gericht eingeleitet.
Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten – Benutzungsgebühren für staatliche Unterkünfte sind öffentliche Abgaben im Sinne dieser Bestimmung – entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz ist in diesen Fällen aber zunächst nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ein behördliches Aussetzungsverfahren durchzuführen, d.h. ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zunächst bei der Behörde (hier also beim Antragsgegner) zu stellen; entbehrlich ist dieses behördliche Vorverfahren nur in den in § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 VwGO genannten Fällen.
(1) Ein solches „Vorverfahren“ hat die Mitarbeiterin eines Helferkreises – zumindest konkludent – einzuleiten versucht, als sie mit Schreiben vom 28. September „vorschlug“, von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abzusehen und zu prüfen, ob der Antragsgegner die Forderungen „ausbuchen“ könne. Das Schreiben ist inhaltlich als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO auszulegen. Jedoch konnte die Helferin den Antragsteller nicht wirksam nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vertreten, da die ihr erteilte Vollmacht des Antragstellers inhaltlich lediglich auf Auskünfte beschränkt war (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Die Vollmacht (Bl. 48 der Behördenakte) ist als „Auskunftsvollmacht“ bezeichnet, inhaltlich heißt es: „Ich bevollmächtige Frau (…) Auskunft zu erhalten in allen meinen derzeitigen und zukünftigen schuldrechtlichen und finanziellen Belangen. Gleichzeitig entbinde ich die Mitarbeiter der Zentralen Gebührenabrechnungsstelle von ihrer Verschwiegenheitspflicht gegenüber Frau (…).“ Die Vollmacht beschränkte sich damit auf die Erteilung von Auskünften, nicht umfasst war jedoch die Stellung von Anträgen und anderen Handlungen mit Rechtswirkungen. Eine Auslegung, dass eine Auskunftsvollmacht auch zum Stellen von Anträgen bei Behörden ermächtigt, ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen, da die Stellung rechtlich bindender, u.U. kostenpflichtiger und Verwaltungsverfahren in Gang setzender Anträge in seiner Bedeutung deutlich über bloße Auskünfte hinausgeht und deshalb ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Auskunftsvollmacht nach dem Willen des Vertretenen auch zur Antragstellung bevollmächtigen soll.
(2) Des Weiteren wurde der Antrag bei der Behörde erst am 28. September 2017 und damit gleichzeitig mit der Klage- und Antragserhebung bei Gericht eingereicht. Die (konkludente) Antragsablehnung der Behörde durch den Hinweis auf eine mögliche Ratenzahlung erfolgte demnach auch erst am 14. Oktober 2017 und damit erst nach Rechtshängigkeit der Eilverfahren bei Gericht. Das Erfordernis des behördlichen Vorverfahrens ist keine Zulässigkeitssondern eine Zugangsvoraussetzung und kann daher nicht mehr im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (OVG NW, B.v. 12.4.2017 – 9 B 384/17 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 6 CS 15.369 – juris Rn. 11; VGH BW‚ B.v. 28.2.2011 – 2 S 107/11 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 21.5.2010 – 7 B 356/10 – juris Rn. 5 m.w.N.; VG München, B.v. 5.10.2016 – M 6 S. 16.3617 – juris Rn. 26; W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 80 Rn. 185). Denn nur eine konsequente Handhabung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO bewirkt‚ dass die Vorschrift ernst genommen wird und zu der beabsichtigten Entlastung der Gerichte führt (BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 6 CS 15.369 – juris Rn. 11). Die Gegenansicht (nicht tragend BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 8 CS 08.1117 – juris Rn. 2; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 60) verkennt, dass durch § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht in verfassungswidriger Weise beschränkt wird. Durch § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO wird vielmehr sichergestellt, dass die Behörde nicht unzumutbar lange ein gerichtliches Verfahren durch Nichtverbescheidung verhindern kann. Dass jedoch grundsätzlich vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ein „Instanzen Weg“ vom Bürger beschritten werden muss, begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken (in diese Richtung noch BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 8 CS 08.1117 – juris Rn. 2). Vielmehr ist ein „Instanzen Weg“ auch in anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. §§ 68 ff. VwGO) üblich, durch den Beschleunigungsgrundsatz und das Ziel der Selbstkontrolle der Verwaltung gerechtfertigt und wegen der Ausnahmeregelungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO in Härtefällen entbehrlich. Damit ist der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Auch stellt die Zugangsvoraussetzung eines behördlichen Vorverfahrens nicht lediglich einen reinen Formalismus dar, der keinen Gewinn in der Sache für die Beteiligten bringt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Fachbehörde über den gestellten Antrag nach nochmaliger Sachprüfung zu Gunsten des Bürgers entscheidet und dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird. Dieser vom Gesetzgeber gewollte Entlastungseffekt für die Gerichte ginge aber zumindest teilweise verloren, wenn man eine Nachholung des behördlichen Verfahrens auch noch während des gerichtlichen Verfahrens – und damit parallel zum gerichtlichen Verfahren – zuließe (wie hier auch Windthorst in: Gärditz, VwGO, 1. Aufl. 2013, § 80 Rn. 206).
Mithin lag zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht die Zugangsvoraussetzung der Antragstellung und der Antragsablehnung zur Aussetzung der Vollstreckung durch die Behörde noch nicht vor und konnte auch keine Heilung während des gerichtlichen Verfahrens eintreten.
(3) Ein Ausnahmefall i.S.d. § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Zum einen liegt kein Fall des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO vor, nach dem die Einleitung eines gerichtlichen Eilverfahrens dann ohne behördliche Antragsablehnung zulässig ist, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Ausschlaggebend für die Angemessenheit im Sinne von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO sind die Umstände des Einzelfalls. Als Orientierungswert ist dabei nicht auf die zur Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO entwickelten Grundsätze zurückzugreifen, sondern auf die Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO (BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 6 CS 15.369 – juris Rn.8 m.w.N.).
Die Mitarbeiterin des Helferkreises hat ihren Antrag bei der Behörde am selben Tag eingereicht wie der Antragsteller Klagen und Eilanträge vor Gericht erhoben hat (s.o.). Damit hatte die Behörde keine Zeit, überhaupt noch vor Einleitung des gerichtlichen Eilverfahrens über den ihr gegenüber gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden. Zudem entfaltete der Antrag der Helferin mangels Vertretungsmacht keine rechtlichen Wirkungen (s.o.).
Zum anderen hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollstreckung nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO droht. Eine Vollstreckung in diesem Sinn droht nur dann, wenn die Behörde den Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen für einen unmittelbar bevorstehenden Termin ankündigt oder konkrete Vorbereitungen für eine alsbaldige Durchsetzung des Anspruchs trifft (BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 8 CS 08.1117 – juris Rn. 3).
In Bezug auf die Benutzungsgebühren für die Unterkunft in den Monaten März 2016 bis August 2017 droht die Vollstreckung schon deshalb nicht, weil der Antragsgegner die geforderten Gebühren schon vom zuständigen Jobcenter erhielt und es daher insoweit keine offene Forderung mehr zu vollstrecken gibt. Durch die Zahlung des Jobcenters als Dritten ist zudem auch das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers zur Durchführung eines Eilverfahrens in Hinblick auf die Unterkunftsgebühren für die Monate März 2016 bis August 2017 entfallen. In Bezug auf den verbleibenden offenen Forderungsbetrag von 1.222,69 EUR hat der Antragsteller nicht glaubhaft vorgetragen, dass eine Vollstreckung droht. Konkrete Vorbereitungen zur Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens wurden durch den Antragsgegner soweit ersichtlich nicht getroffen. Vielmehr hat der Antragsgegner nochmals im gerichtlichen Verfahren wiederholt, dass er etwaige Anträge auf Zahlungserleichterungen wohlwollend prüfen werde. Folglich bemüht sich der Antragsgegner weiterhin, über eine einvernehmliche Regelung eine freiwillige Zahlung des Antragstellers zu erwirken.
b) Die Anträge sind darüber hinaus auch unbegründet.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Dabei hat das Gericht die widerstreitenden öffentlichen und privaten Vollzugsinteressen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen und die Erfolgsaussichten der Klage mit zu berücksichtigen, soweit sich diese bereits übersehen lassen. Lässt sich bei der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen bzw. wiederherzustellen, weil aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich dagegen die angefochtene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung das private Aufschubinteresse überwiegt. Lässt sich die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Verfügung bei der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung nicht feststellen, nimmt das Verwaltungsgericht eine Folgenabwägung vor unter Berücksichtigung der Folgen, die einträten, würde die Verfügung sofort vollzogen, aber im Nachhinein im Klageverfahren aufgehoben, gegenüber den Folgen, bliebe die Verfügung zunächst außer Vollzug, würde aber später im Klageverfahren bestätigt.
(1) Die Rechtmäßigkeit der in den Klagen angegriffenen Bescheide ist derzeit offen.
Der Antragsteller hat seine Klagen bisher trotz mehrmaliger Aufforderung durch das Gericht nicht begründet, so dass derzeit noch nicht geprüft werden kann, ob die Bescheide rechtswidrig sind. Gegen die Rechtsgrundlage der Bescheide für die Zeiträume ab September 2016 (§§ 22 ff. DVAsyl 2016) ist ein Normenkontrollverfahren anhängig (BayVGH – 21 N 17.1822), weswegen derzeit noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Gebührenerhöhung durch §§ 22 ff. DVAsyl 2016 mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Eine auch nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist daher gegenwärtig nicht möglich.
(2) Im Rahmen der Folgenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der streitgegenständlichen Bescheide das private Interesse des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung.
Für das Vollzugsinteresse sprechen die gesetzlichen Wertungen der § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Danach hat eine Klage gegen einen Abgabenbescheid – anders als in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – schon nach dem gesetzlichen Leitbild grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO dient der Finanzierung des Staatshaushalts. Die öffentliche Verwaltung ist zur Erfüllung ihrer vielseitigen Aufgaben auf verlässliche Zahlungseingänge angewiesen. Der Erhalt einer finanziell gesicherten und damit funktionsfähigen Verwaltung ist von besonderer Bedeutung, wie schon die systematische Stellung innerhalb des § 80 VwGO zeigt. Eine Aussetzung durch die Behörde soll (nur) dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Beides ist hier nicht ersichtlich. Da die Erfolgsaussichten der Klagen derzeit nicht näher absehbar sind und vom Antragsteller keine Begründung erfolgt ist, weshalb die Bescheide rechtswidrig sein sollten (s.o.), bestehen derzeit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide. Auch führt die Vollziehung nicht zu einer unbilligen Härte für den Antragsteller. Eine solche liegt regelmäßig nur dann vor, wenn durch die Vollziehung dem Betroffenen Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind, beispielsweise bei einer drohenden Insolvenz oder Existenzgefährdung (W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 80 Rn. 116). Besondere Nachteile über die Zahlungspflicht hinaus hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Eine drohende Insolvenz ist nicht ersichtlich. Seine wirtschaftliche Lebensgrundlage ist durch die gewährten Sozialleistungen und die bei der Zwangsvollstreckung zu beachtenden Pfändungsverbote gesichert.
Zudem ist eine Vollziehung durch überwiegende öffentliche Interessen geboten. Denn die Folgenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus:
Falls den Klagen eine aufschiebende Wirkung zukäme, bestünde die erhebliche Gefahr, dass der Antragsgegner im Falle seines Obsiegens seine dann rechtskräftig festgestellten Zahlungsansprüche nicht mehr durchsetzen würde können, da eine Vollstreckung in diesem Fall wahrscheinlich an der Vermögenslosigkeit des Antragstellers scheitern würde. Denn insoweit besteht die Gefahr, dass der Antragsteller seine monatlichen Sozialleistungen bzw. ein etwaiges Erwerbseinkommen vollständig verbrauchen wird (sei es durch Eigenkonsum oder durch finanzielle Unterstützung von Verwandten und sonstigen Bezugspersonen in der Heimat). Hierfür spricht insbesondere, dass der Antragsteller schon zum jetzigen Zeitpunkt nach Vortrag seiner Helferin zahlungsunfähig ist und damit das ihm für Haushaltsenergie jeden Monat als Sozialleistung zur Verfügung gestellte Geld schon in der Vergangenheit anderweitig verbraucht hat. Je größer der geschuldete Betrag jedoch wird, desto unwahrscheinlicher wird es auch, dass der derzeit nicht erwerbstätige Antragsteller die sich aufhäufenden Schulden gegenüber der öffentlichen Hand wird begleichen können. Hätten die Klagen daher aufschiebende Wirkung und würde dem Antragsteller auch für die weiteren Monate ab September 2017 ebenfalls stets bei Klageerhebung nach Erlass des jeweiligen Gebührenbescheids ein Zahlungsaufschub über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gewährt, stiege der insgesamt geschuldete Betrag beträchtlich an und wäre dann nach Abschluss der Klageverfahren im vollem Umfang zu begleichen, wozu der Antragsteller voraussichtlich nicht in der Lage sein würde. Es besteht daher zur Durchsetzung von Zahlungsverpflichtungen ein erhebliches Interesse daran, dass diese zügig vollstreckt werden können.
Des Weiteren ist zu würdigen, dass der Antragsteller den Großteil der vom Antragsgegner geforderten Gebühren bereits durch das Jobcenter erstattet bekommen hat und die Kosten für die Haushaltsenergie über den Regelsatz der Leistungen nach dem SGB II ebenfalls vom Staat erstattet werden. Der Antragsteller muss den Großteil der noch offenen Gebühren demnach noch nicht einmal durch eigenes Erwerbseinkommen finanzieren (wobei auch dies grundsätzlich zumutbar wäre), sondern lediglich das von einer staatlichen Stelle ihm hierfür bereitgestellte Geld an eine andere staatliche Stelle weiterleiten. Durch Abgabe einer Einverständniserklärung ist es – in dem Gericht bekannten vergleichbaren Fällen – sogar möglich, dass die beteiligten Behörden die Geldleistungen direkt austauschen, indem die betreffenden Beträge nicht an den Sozialleistungsbezieher ausgezahlt, sondern direkt an die Regierung von … überwiesen werden. Wenn der Antragsteller diese Möglichkeiten zur Vermeidung von Zahlungsrückständen nicht wahrnimmt und die für Haushaltsenergie zur Verfügung gestellten Sozialleistungen anderweitig verwendet, liegt dies in seinem Verantwortungsbereich und verringert seine Schutzwürdigkeit im Rahmen der Folgenabwägung. In Bezug auf die vom Jobcenter – soweit ersichtlich nicht übernommenen – Unterkunftsgebühren für Februar 2016 hat der Antragsteller nicht vorgetragen, warum eine Übernahme nicht erfolgt ist und ob er auch nur versucht hat, vom Jobcenter eine Kostenübernahme auch für diesen Monat zu erwirken.
Demgegenüber führt eine sofortige Zahlungspflicht des Antragstellers im Falle, dass er in den Klageverfahren obsiegt, nicht zu einer besonderen Härte: In diesem Falle wird der Antragsgegner das – wie im Nachhinein dann festgestellt würde – zu Unrecht erhaltene Geld nach Rechtskraft des Urteils an den Antragsteller zurückzahlen. Der Antragsgegner ist an Recht und Gesetz gebunden sowie solvent, weswegen in diesem Fall keine Gefahr besteht, dass geschuldete Geldbeträge dem Antragsteller nicht erstattet würden.
In der Folgenabwägung überwiegt damit das öffentliche Vollzugsinteresse das private Verschonungs- und Aussetzungsinteresse deutlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da es sich streitgegenständlich um bezifferte Geldleistungen handelt, bei denen sich im Hauptsacheverfahren der Streitwert gem. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG nach der Höhe der Geldleistungen richtet, wird der Streitwert in den Antragsverfahren auf ein Viertel der jeweiligen monatlichen Benutzungsgebühr reduziert.
4. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht erfolgreich.
a) Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft zu machen. Andernfalls lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.
b) Trotz Aufforderung des Gerichts hat der Antragsteller nicht klargestellt, ob sich der Antrag auf Prozesskostenhilfe auf die Klageverfahren, auf die Antragsverfahren oder auf sämtliche Verfahren bezieht. In Auslegung des Antrags gem. § 88 VwGO, § 86 Abs. 3 VwGO, § 122 Abs. 1 VwGO ist nach der Interessenlage davon auszugehen, dass der nach Vortrag seiner Helferin im behördlichen Verfahren zahlungsunfähige Antragsteller seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe in Bezug auf sämtliche Verfahren stellt, also sowohl für die Klageals auch für die Antragsverfahren.
c) Der Antragsteller hat indes vorliegend nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemacht. Mit Schreiben des Gerichts vom 1. Dezember 2017 wurde der Antragsteller aufgefordert, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hierzu wurde ihm letztmalig eine Frist bis zum 13. Dezember 2017 gesetzt und auf die Folgen des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO hingewiesen. Weder eine Erklärung (Formblatt) noch entsprechende Belege gingen bei Gericht ein. Eine Glaubhaftmachung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Antragsteller nach Vorbringen des Antragsgegners von Leistungen nach dem SGB II lebt. Es ist Sache des Antragstellers, dies über ein ausgefülltes Formblatt und entsprechende Belege (Kontoauszug etc.) glaubhaft zu machen und insbesondere darzulegen, dass sich seine wirtschaftliche Situation nicht zwischenzeitlich ohne Kenntnis des Antragsgegners geändert hat und er deshalb auch zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife (weiterhin) wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist daher gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen.