Verwaltungsrecht

Berechtigung zur Durchführung einer öffentlichen Versteigerung

Aktenzeichen  M 16 K 15.4523

Datum:
29.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 2
BayGVGA § 1 S. 2, § 191 Abs. 3 S. 2
GewO GewO § 34b Abs. 1
BGB BGB § 1234

 

Leitsatz

1. Amtspflichten dienen in erster Linie der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke und nur dann auch den Interessen Dritter, wenn sich aus der Bestimmung ergibt, dass in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist.   (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vorschrift des § 191 Abs. 3 S. 1 BayGVGA zur freiwilligen Versteigerung durch einen Gerichtsvollzieher dient lediglich dazu, zu verhindern, dass Gerichtsvollzieher die dort bezeichneten Aufträge annehmen, ohne dem Dienstherrn zuvor eine entsprechende Nebentätigkeit angezeigt zu haben; ein Schutz etwaiger Rechte Dritter ist der Regelung darüber hinaus nicht zu entnehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage zulässig.
Nach § 43 VwGO kann durch Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Absatz 1) und er seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (Absatz 2).
Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2014 – 6 A 1/13 – juris Rn. 20 m.w.N.). Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis setzt somit voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 43 Rn.12).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze besteht hinsichtlich der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob der Beklagte berechtigt war, die öffentliche Versteigerung am 18. September 2015 durchzuführen, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Dabei ist auch ein vergangenes Rechtsverhältnis, also ein solches, das sich – wie hier – im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits erledigt hat, nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähig (BVerwG, U.v. 28.5.2014 – 6 A 1/3 – juris Rn. 20; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 43 Rn. 18).
Da der Kläger sein Rechtsschutzziel weder mit einer Gestaltungsnoch mit einer Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, steht der Statthaftigkeit der vorliegenden Feststellungsklage der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierte Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen.
Der Kläger verfügt auch über das erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung. Grundsätzlich ist ein Interesse berechtigt, wenn es rechtlicher oder schutzwürdiger tatsächlicher, insbesondere wirtschaftlicher oder ideeller Art ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 43 Rn. 30). Begehrt der Kläger – wie vorliegend – die Feststellung eines bereits vergangenen Rechtsverhältnisses, ist ein Interesse an der Feststellung allerdings nur unter besonderen Voraussetzungen anzuerkennen. Diese orientieren sich an den rechtlichen Anforderungen zum berechtigten Interesse bei Fortsetzungsfeststellungsklagen im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (vgl. OVG NRW, B.v. 8.12.2014 – 13 A 1505/14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Danach ist das Feststellungsinteresse zu bejahen bei Wiederholungsgefahr, einem Rehabilitationsinteresse, sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffen und einer beabsichtigten Geltendmachung von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen. Es obliegt dem Kläger, ein derart qualifiziertes Interesse so substantiiert vorzutragen, dass das Gericht erkennen kann, welchen Bedeutungsgehalt die begehrte Feststellung für ihn hat. Hier hat der Kläger Gründe hinreichend substantiiert vorgetragen, die die Annahme einer Wiederholungsgefahr tragen. Es ist aus Sicht des Klägers zu besorgen, dass der Beklagte künftig weiterhin Versteigerungen ähnlich der streitgegenständlichen vornimmt.
Der Kläger ist auch klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO analog. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2000 – 11 C 13/99 – juris Rn. 32 m.w.N.; BVerwG, B.v. 30.7.1990 – 7 B 71.90 – juris Rn. 4 m.w.N.) findet § 42 Abs. 2 VwGO entgegen der in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 42 Rn. 63) zur Vermeidung von dem Verwaltungsprozess fremden Popularklagen auf Feststellungsklagen entsprechende Anwendung. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn es dem Rechtssuchenden um die Verwirklichung eigener Rechte geht. Dass ihm solche Rechte zustehen, muss nach seinem Vorbringen zumindest möglich erscheinen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 9 C 10/07 – juris Rn. 14 m.w.N.). Hier kann nicht von vornherein mit der für die Verneinung der Klagebefugnis erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die vom Kläger in Bezug genommene Vorschrift des § 191 Abs. 3 GVGA auch den Personenkreis der zugelassenen Versteigerer und mithin auch den Kläger schützt.
2. Die Klage ist aber nicht begründet.
Das vom Kläger geltend gemachte Rechtsverhältnis besteht nicht. Der Kläger kann sich zum Schutz etwaiger eigener Rechte nicht auf § 191 Abs. 3 Satz 1 GVGA berufen.
Nach § 191 Abs. 3 Satz 1 GVGA muss der Gerichtsvollzieher den Auftrag zu einer freiwilligen Versteigerung ablehnen, wenn der Auftraggeber die Möglichkeit hat, mit der Versteigerung einen zugelassenen Versteigerer zu beauftragen und der aufsichtführende Richter diese Möglichkeit für den Bezirk des Amtsgerichts festgestellt hat. Der Gerichtvollzieher kann den Auftrag annehmen, wenn ihm die Nebentätigkeit als freiwilliger Versteigerer, nachdem er sie angezeigt hat, nicht nach landesrechtlichen Bestimmungen untersagt wurde (§ 191 Abs. 3 Satz 2 GVGA).
Der Kläger gehört nicht zum Adressatenkreis dieser Vorschrift. Er kann sich daher nur auf sie berufen, wenn die Vorschrift Drittschutz vermittelt. Auf Grundlage der herrschenden Schutznormtheorie (vgl. BVerwG, U.v 26.10.1995 – 3 C 27/94 – juris Rn. 18 m.w.N.) vermitteln Drittschutz nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen. Eine solche drittschützende Norm ist § 191 Abs. 3 Satz 1 GVGA nicht.
Bei der Vorschrift handelt es sich nicht um eine einfach-gesetzliche Rechtsnorm, aus der sich grundsätzlich auch subjektiv-öffentliche Rechte für Dritte ergeben können, sondern lediglich um eine Regelung im Rahmen einer Geschäftsanweisung, die dem Gerichtsvollzieher das Verständnis der gesetzlichen Vorschriften erleichtern soll (§ 1 Satz 2 GVGA). Zwar gehört die Beachtung der Vorschriften der Geschäftsanweisung zu den Amtspflichten des Gerichtsvollziehers (§ 1 Satz 4 GVGA). Aber auch Amtspflichten dienen in erster Linie der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke und nur dann auch den Interessen Dritter, wenn sich aus der Bestimmung ergibt, dass in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BGH, U.v. 20.10.2016 – III ZR 302/15 – juris Rn. 21 m.w.N.). Dies ist bei § 191 Abs. 3 Satz 1 GVGA nicht der Fall.
Zwar werden im Wortlaut der Vorschrift zugelassene Versteigerer genannt. Hieraus ergibt sich gleichwohl nicht, dass die Regelung unmittelbar auch den Interessen dieses Personenkreises zu dienen bestimmt ist. Sinn und Zweck der Regelung des Satzes 1 erschließen sich vielmehr erst im Zusammenspiel mit § 191 Abs. 3 Satz 2 GVGA. Danach kann der Gerichtvollzieher den Vollstreckungsauftrag annehmen, wenn er die Nebentätigkeit als freiwilliger Versteigerer angezeigt hat und sie ihm nicht nach landesrechtlichen Bestimmungen untersagt wurde. § 191 Abs. 3 Satz 1 GVGA dient mithin lediglich dazu, zu verhindern, dass Gerichtsvollzieher die dort bezeichneten Aufträge annehmen, ohne dem Dienstherrn zuvor eine entsprechende Nebentätigkeit angezeigt zu haben. Ein Schutz etwaiger Rechte Dritter ist der Regelung darüber hinaus nicht zu entnehmen.
Offen bleiben kann somit, ob Versteigerungen der streitgegenständlichen Art überhaupt unter die Vorschrift des § 191 Abs. 3 GVGA fallen oder ob der Ansicht der für den Beklagten zuständigen Gerichtsvollzieherdienstaufsicht zu folgen ist, dass sich der Anwendungsbereich der Regelung auf Versteigerungen beschränkt, die vom Eigentümer einer Sache selbst in Auftrag gegeben werden.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

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