Verwaltungsrecht

Berücksichtigung neu eingetretener Tatsachen oder neuer Beweismittel

Aktenzeichen  9 ZB 18.32420

Datum:
2.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25055
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71 Abs. 1 S. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Betreffen neu eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel nur Umstände des konkreten Einzelfalls – ohne zu einer Grundsätzlichkeit zu führen -, können diese allein mit einem Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 S. 1 AsylG) geltend gemacht werden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.33826 2018-08-01 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Anträge der Kläger auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
1. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substanziiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht, weil mit der für grundsätzlich bedeutsam erachteten Frage, „ob dem Kläger zu 1 in der Türkei landesweite politische Verfolgung droht“, kein über den Einzelfall hinausgehender Klärungsbedarf aufgezeigt wird. Ein über den Einzelfall hinausgehender Klärungsbedarf wird auch nicht mit der Wendung dargelegt, „die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache besteht darin, dass die Beantwortung der entscheidungserheblichen Frage für eine Vielzahl von Asylverfahren von Bedeutung ist“.
2. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem im Zulassungsverfahren vorgelegten Haftbefehl vom August 2018 hinsichtlich des Klägers zu 1, den weder das Bundesamt noch das Verwaltungsgericht berücksichtigen konnten; ihnen gegenüber gab der Kläger zu 1 an, es gebe gegen ihn in der Türkei keine Anklage oder dergleichen und keine Verurteilung.
Die Einführung neu eingetretener Tatsachen oder neuer Beweismittel in das Antragsverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn im Hinblick auf diese zugleich die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung erfüllt sind, insbesondere, wenn damit eine die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung eröffnende Tatsachenfrage verallgemeinerungsfähiger Tragweite betroffen ist. Betreffen diese Tatsachen und Beweismittel hingegen nur Umstände des konkreten Einzelfalls, können diese allein mit einem Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG) geltend gemacht werden. Wegen der eingeschränkten Möglichkeit des Zugangs zu einer zweiten Tatsacheninstanz ist – für die Abgrenzung zwischen Einbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel in ein Berufungsverfahren einerseits und einem Folgeantrag andererseits – das Merkmal „nach … unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags“ in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG in dem Sinn zu verstehen, dass Unanfechtbarkeit den Ausschluss der rechtlichen Möglichkeit darstellt, den Streitstoff in einem Berufungsverfahren umfassend überprüfen zu lassen. Greift der Ausschluss ein, weil die neuen Tatsachen oder Beweismittel – ohne zu einer Grundsätzlichkeit zu führen – nur im Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, ist der Asylbewerber auf den Folgeantrag verwiesen (vgl. VGH BW, B.v. 11.1.1994 – A 14 S 2164/93 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 13.11.2017 – 21 ZB 17.31601 – juris Rn. 6, jeweils m.w.N.).
So liegt es hier. Das neue Beweismittel (Haftbefehl) und das diesbezügliche neue Vorbringen betreffen ersichtlich den Einzelfall des Klägers zu 1. Im Berufungszulassungsverfahren ist nicht darüber zu befinden, wie ein Folgeantrag der Kläger zu beurteilen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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