Aktenzeichen B 5 S 17.366
VwGO VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, § 114 S. 1
VwVfG VwVfG § 28
GG GG Art. 6 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5
BBG BBG § 78
Leitsatz
1 Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügt der streitgegenständliche Bescheid, da er auf die besondere Eilbedürftigkeit des Vollzuges im konkreten Fall eingeht, selbst wenn dies auch teilweise mit Formulierungen erfolgt, die angesichts des großen Personalkörpers in einer Vielzahl von Fällen zutreffend sein mögen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn, bei seiner (Ermessens-) Entscheidung nach § 4 Abs. 4 S. 2 PostPersRG die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen und sie mit den entgegenstehenden dienstlichen Belangen abzuwägen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3 Setzt sich der Dienstherr nicht damit auseinander, dass für die schwerbehinderte Tochter der Antragstellerin durch einen wegen der Zuweisung erforderlichen Umzug mögliche Gesundheitsgefahren auftreten, die mit der Vorlage von zwei ärztlichen Attesten hinreichend substantiiert werden, hat er einen im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wesentlichen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 5 K 17.399 gegen den Bescheid vom 3. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2017 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Zuweisung einer Tätigkeit in einem Unternehmen der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist Beamtin der Antragsgegnerin (Fernmeldehauptsekretärin, Besoldungsgruppe A 8). Sie ist auf Grundlage von Art. 143b Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) bei der D. T. AG eingesetzt, aber seit 1. Dezember 2013 ohne Beschäftigung.
Mit Schreiben vom 12. September 2016 hörte die D. T. AG die Antragstellerin zur beabsichtigten Zuweisung einer Tätigkeit als Sachbearbeiterin Backoffice II im Unternehmen V. GmbH (im Folgenden V.) am Dienstort R. ab dem 5. Dezember 2016 an. Die Antragstellerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 27. September 2016 und teilte mit, gegen die geplante Zuweisung spreche, dass sie geschieden und alleinstehend sei und zwei Kinder (14 und 17 Jahre) habe. Ihre 17-jährige Tochter sei mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 schwerbehindert und erhalte die Pflegestufe II. Ein Umzug und der Wechsel von Bezugspersonen und Therapeuten wirke sich negativ auf ihre Entwicklung aus. Mit weiterem Schreiben vom 4. Oktober 2016 bat die D. T. AG die Antragstellerin, ihre erhobenen Einwände zu substantiieren und zu belegen. Die Antragstellerin reagierte hierauf nicht.
Mit E-Mail vom 13. Oktober 2016 teilte der Betriebsrat des aufnehmenden Unternehmens V. mit, dass er hinsichtlich der Beteiligung wegen der beabsichtigten Zuweisung der Antragstellerin die Frist verstreichen lasse.
Der Betriebsrat des abgebenden Betriebes C. (…) wurde mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 hinsichtlich der (nunmehr für den 2. Januar 2017 vorgesehenen) Zuweisung der Antragstellerin zur V. GmbH mit Dienstort R. angehört. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 teilte die Betriebsratsvorsitzende mit, dass die vorgesehene Zuweisung abgelehnt werde. Eine Tätigkeit in R. sei der Antragstellerin wegen ihrer schwerbehinderten Tochter nicht zumutbar.
Die D. T. AG rief daraufhin die Einigungsstelle nach § 29 Abs. 3, § 30 des Postpersonalrechtsgesetzes (PostPersRG) an. In ihrer Sitzung vom 3. Februar 2017 beschloss die Einigungsstelle, dass im Fall der Antragstellerin hinsichtlich der beabsichtigten Zuweisung der Tätigkeit als Sachbearbeiterin Backoffice II bei V. in R. kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung gemäß § 29 Abs. 1 PostPersRG vorliege. Es lägen für den Beamtenbereich auf Konzernebene der D. T. AG keine verbindlichen allgemeinen Rationalisierungsbestimmungen oder Betriebsvereinbarungen zwischen Konzern und Konzernbetriebsrat vor, die bei der Ermessensentscheidung über Personalmaßnahmen zu berücksichtigen wären. Die D. T. AG habe bei der Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung ihrer Fürsorgepflicht zu Recht dienstlichen Belangen den Vorrang vor den Interessen der Antragstellerin eingeräumt. In der Einigungsstellensitzung sei zudem vereinbart worden, dass eine Zuweisung erst zum 4. September 2017 erfolgen solle und die Antragstellerin bis dahin weiter in der Vermittlung bleibe und ihr angeboten wurde, sich für eine Tätigkeit als Kundenberaterin bei der D. GmbH in N. (gegebenenfalls mit einem Einsatz zu Randzeiten in Teilzeit) zu bewerben und dies durch den Arbeitgeber wohlwollend unterstützt werde.
Mit Bescheid vom 3. März 2017 wurde der Antragstellerin dauerhaft mit Wirkung zum 4. September 2017 im Unternehmen V. GmbH … R. als abstrakt-funktioneller Aufgabenkreis die Tätigkeit eines Sachbearbeiters der Besoldungsgruppe A 8 entsprechend im nicht technischen Bereich und konkret die Tätigkeit als Sachbearbeiterin Backoffice II im Unternehmen V. GmbH am Standort … R. zugewiesen. Zudem wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet. Dies sei erforderlich, da an der Zuweisung einer Tätigkeit in einem anderen Unternehmen ein besonderes öffentliches Interesse bestehe, weil es der D. T. AG aufgrund der personellen und wirtschaftlichen Situation nicht mögliche sei, die Antragstellerin anderweitig zu beschäftigen. Damit werde dem Anspruch der Beamtin auf Beschäftigung Rechnung getragen. Die zugewiesene Tätigkeit beruhe auf einer aktuell und nur zur Zeit bestehenden Möglichkeit, im Unternehmen V. GmbH beschäftigt zu werden. Die Tätigkeit müsse sonst durch zusätzliches, noch einzustellendes Personal ausgeübt werden. Dies sei dem Unternehmen nicht zumutbar, da die Antragstellerin eine Dienstleistungspflicht zu erfüllen habe, für die sie alimentiert werde. Das Abwarten eines etwaigen Rechtsbehelfs- oder Klageverfahrens sei daher nicht hinnehmbar, da dadurch die gesamte Zuweisungsmaßnahme gefährdet werde.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10. März 2017 ließ die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. März 2017 erheben und beantragen, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben. Die hierfür gegebene Begründung sei pauschaliert und damit ungenügend. Mit Schreiben vom 11. und 12. April 2017 begründete der Bevollmächtigte der Antragstellerin den Widerspruch dahingehend, dass bei der Ermessensentscheidung die besondere persönliche Situation der Antragstellerin unberücksichtigt geblieben sei und keine Einzelfallabwägung stattgefunden habe. Insbesondere sei die Notwendigkeit der Beibehaltung der Bezugspersonen der pflegebedürftigen Tochter der Antragstellerin verkannt worden. Der Tochter der Antragstellerin sei zwischenzeitlich der Pflegegrad III zuerkannt worden.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. Mai 2017, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 10. Mai 2017, ließ die Antragstellerin beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10. März 2017 der Antragstellerin gegen die Zuweisung einer Tätigkeit im Unternehmen V. GmbH vom 3. März 2017 wieder herzustellen.
Seitens der D. T. AG sei zuletzt eine Zuweisung der Antragstellerin bei V. in R. für Dezember 2016 angestrebt worden. Diese sei aber nicht ausgesprochen worden, da der Betriebsrat mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 darauf hingewiesen habe, dass eine solche Zuweisung unzumutbar sei. Daraufhin sei ein erneutes Zuweisungsverfahren in die Wege geleitet worden mit dem Ziel, die Antragstellerin V. in R. mit Wirkung zum 4 September 2017 zuzuweisen.
Die Anordnung des Sofortvollzuges sei bereits formell rechtswidrig, da sie nicht ausreichend begründet worden sei. Eine formelhafte, pauschalierte Argumentation genüge nicht, vielmehr müsse sich die Begründung mit den Besonderheiten des Einzelfalles auseinandersetzen. Daran fehle es hier. Der verwendete Text sei vielmehr auf alle Beamten der D. T. AG anwendbar.
Darüber hinaus sei die Zuweisungsentscheidung aber auch materiell rechtswidrig, da es der Antragstellerin derzeit wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Tochter nicht möglich sei, den Wohnsitz nach R. zu verlagern. Die Tochter sei als Schwerbehinderte mit einem GdB von 100 auf eine dauerhafte Pflege durch ihre Mutter angewiesen. Ein Umzug und der damit verbundene Wechsel von Bezugspersonen und Therapeuten würde sich negativ auf die Entwicklung der Tochter auswirken. Vom bisherigen Wohnort der Antragstellerin aus sei ein tägliches Pendeln nach R. nicht möglich. Es werde außerdem bestritten, dass die Auswahl der Antragstellerin ordnungsgemäß erfolgt sei. Es sei nicht erkennbar, dass für die in Frage kommende Tätigkeit als Sachbearbeiterin Backoffice II keine anderen Beamten in Betracht kämen. Ebenso sei nicht ersichtlich, dass für die Antragstellerin kein wohnortnäherer Einsatz möglich ist bzw. welche Alternativen insoweit geprüft worden seien.
Der Widerspruch der Antragstellerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2017 zurückgewiesen und die Zuweisungsverfügung gleichzeitig dahingehend präzisiert, dass der Antragstellerin im Unternehmen V. GmbH am Standort … R. konkret die mit der Besoldungsgruppe A 8 bewertete Tätigkeit als Sachbearbeiterin Backoffice II und ihr im Unternehmen V. GmbH, Standort R. als abstrakt-funktioneller Aufgabenkreis die Tätigkeit als Sachbearbeiterin der Besoldungsgruppe A 8 entsprechend im nichttechnischen Bereich zugewiesen werde.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19. Mai 2017, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 2. Mai 2017, ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 3. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2017 erheben (B 5 K 17.399).
Für die Antragsgegnerin erwiderte deren Bevollmächtigter mit auf den 24. Mai 2016 datierten, bei Gericht am 30. Mai 2017 eingegangen Schriftsatz und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei ausreichend begründet. Gerade dann, wenn in immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liege, könne sich die Behörde bei der Begründung des Sofortvollzuges darauf beschränken, die insoweit typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese auch im konkreten Fall vorliege. Entscheidend sei, dass damit im Einzelfall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung begründet werden könne. Dies sei hier der Fall. Im Übrigen deckten sich die Anforderungen an eine Zuweisungsentscheidung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 und 3 PostPersRG („dringendes betriebliches oder personalwirtschaftliches Interesse“) mit den Gründen für die Anordnung des Sofortvollzuges. Lägen diese tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vor, dränge sich die Notwendigkeit eines Sofortvollzuges geradezu auf und reduziere damit den Begründungszwang. Außerdem sei die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin als Beamtin eine amtsangemessene Beschäftigung zu verschaffen. Die Zuweisung erfolge damit im Interesse der Antragstellerin, auch dies reduziere die Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzuges.
Die streitgegenständliche Zuweisung sei auch rechtmäßig. Es sei unschädlich, dass die Zuweisung nicht wie zunächst vorgesehen und im Anhörungsschreiben vom 12. September 2016 ausgeführt, zum 5. Dezember 2016 vorgesehen, nun aber auf den 4. September 2017 verschoben worden sei. Dennoch liege hier eine hinreichende Anhörung der Antragstellerin vor, da die Verschiebung den Regelungsgehalt der Zuweisung selbst nicht berühre. Jedenfalls sei ein etwaiger Fehler insoweit nicht ergebnisrelevant und damit nach § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) unerheblich. Die Betriebsratsbeteiligung sei ordnungsgemäß erfolgt, mit Beschluss vom 3. Februar 2017 habe die Einigungsstelle entschieden, dass Gründe für eine Verweigerung der Zustimmung zur Zuweisung nicht vorlägen.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Zuweisung lägen vor, die Zuweisung sei hinreichend bestimmt. Die Zuweisung sei insbesondere nicht unzumutbar und verstoße nicht gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Im Rahmen der Ermessenserwägungen seien die Belange der Antragstellerin hinreichend berücksichtigt worden. Diese habe keinen Anspruch auf Beibehaltung eines bestimmten Dienstortes. Als Bundesbeamtin müsse sie mit einer Verwendung innerhalb des gesamten Bundesgebietes rechnen. Ein wohnortnäherer, geeigneter Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung. Der Antragstellerin sei eine große Anzahl an Stellen angeboten worden, an denen sie aber nur selten Interesse gezeigt habe. Auch eine aktuelle Anfrage habe ergeben, dass keine wohnortnäheren Stellen für einen Postbetriebsinspektor bekannt wären. Der Antragstellerin sei ein tägliches Pendeln zwischen ihrem bisherigen „Wohnort Be.“ und dem vorgesehenen „Dienstort K.“ nicht ohne weiteres möglich. Es sei ihr aber zumutbar, umzuziehen, zumal ihr mit dem Zuweisungsbescheid bereits die Übernahme der Umzugskosten nach der Konzernrichtlinie Umzug und doppelte Haushaltsführung zugesagt worden sei. Als Beamtin habe die Antragstellerin ihren Wohnort so zu wählen, dass ihr die Erfüllung ihrer Dienstpflichten möglich ist. Etwaige Unannehmlichkeiten durch einen Umzug seien dabei in Kauf zu nehmen. Die Antragsgegnerin habe für die Besetzung der freien Stelle in R. auch nicht auf andere Beamte zurückgreifen müssen. Auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tochter der Antragstellerin änderten daran nichts. Es sei schon nicht dargetan, dass die Tochter auf eine Pflege durch die Antragstellerin selbst angewiesen sei. Im Übrigen werde auf den Beschluss der Einigungsstelle vom 3. Februar 2017 verwiesen. Selbst wenn man in der Hauptsache von offenen Erfolgsaussichten ausginge, müsse eine Interessenabwägung zugunsten der Antragsgegnerin ausfallen, da der Zustand einer vollständigen Beschäftigungslosigkeit bei voller Alimentation nicht zumutbar sei.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 9. Juni 2017, dass für die Begründung für den Sofortvollzug formblattmäßige Wendungen gerade nicht ausreichend seien, sondern ein Eingehen auf den jeweiligen Einzelfall zwingend erforderlich wäre.
Im Übrigen habe eine Anhörung der Antragstellerin im Hinblick auf eine Zuweisung zum 4. September 2017 nie stattgefunden. Es handele sich nicht lediglich um eine Verschiebung des Zeitpunkts, sondern um eine neue Maßnahme des Dienstherrn, die eine erneute Anhörung erforderlich gemacht hätte. Die Antragstellerin habe außerdem über die Jahre ein „Netzwerk“ an ihrem Wohnort aufgebaut, mit dem es unter Einsatz von Freunden, Bekannten und Familien möglich gewesen sei, trotz des umfangreichen Pflegebedarfs für ihre Tochter eine Leistungsfähigkeit und Leistungsmöglichkeit aufrecht zu erhalten. Dies funktioniere aber nur am bisherigen Wohnort. Auch aus medizinischer Sicht sei die gesundheitliche Situation der Tochter stark von der Aufrechterhaltung dieses Umfeldes abhängig. Hierzu werde auf ärztliche Atteste von Dr. B vom 19. Mai 2017 und von Dr. S vom 22. Mai 2017 verwiesen. Dass die Antragsgegnerin den Einzelfall der Antragstellerin nicht hinreichend gewürdigt habe, ergebe sich schon aus Verwechslungen im Schriftsatz der Antragsgegnerseite.
In dem von Antragstellerseite vorgelegten ärztlichen Attest von Dr. B., Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, vom 19. Mai 2017 ist ausgeführt, die Tochter der Antragstellerin sei aufgrund einer Spina bifida von Geburt an erheblich körperlich behindert. Die Antragstellerin habe ihrer Tochter durch persönlichen Einsatz und den Aufbau eines Netzwerkes im Familien- und Freundeskreis eine weitgehend normale Schulausbildung ermöglicht, die Tochter beginne demnächst eine Berufsausbildung in Ba. Ein Umzug nach R. und der dadurch bedingte Verlust bzw. Wechsel von Betreuungspersonen und Therapeuten bedeute einen erheblichen Rückschritt der körperlichen Entwicklung der Tochter. In dem ärztlichen Attest vom 22. Mai 2017 führt Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin aus, die Tochter der Antragstellerin sei hochsensibel und reagiere mit körperlichen Symptomen auf jede Art von Veränderungen. Ein Betreuungs- bzw. Therapeutenwechsel und jegliche Veränderung im persönlichen Umfeld würde sie weit zurückwerfen, ein Umzug nach R. daher einen drastischen Einschnitt bedeuten. Der Gesunderhaltungsprozess der Tochter würde durch einen Umzug oder einen Betreuer- bzw. Therapeutenwechsel extrem gefährdet.
Mit weiterem, wiederum auf den 24. Mai 2016 datierten, bei Gericht am 30. Juni 2017 eingegangenen Schriftsatz erwiderte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin hierauf, die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei ausreichend, auch wenn diese Begründung auch in einer Vielzahl anderer Fälle greife. Es habe sehr wohl eine ausreichende Anhörung stattgefunden. Ein etwaiger Anhörungsfehler wäre im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt. Anders als von Antragstellerseite angenommen sei es nicht so, dass eine ursprünglich beabsichtigte Zuweisung nicht mehr weiterverfolgt worden sei. Vielmehr ergebe sich schon aus der Anrufung der Einigungsstelle, dass an der Zuweisung festgehalten werden sollte. Nähere und gleichgeeignete Beschäftigungsoptionen für die Antragstellerin existierten nicht bzw. seien bei der Antragstellerin nicht auf Interesse gestoßen. Ihr seien zwischen November 2011 und August 2016 mindestens 63 Möglichkeiten einer wohnortnäheren Beschäftigung angeboten worden, sie habe sich aber lediglich auf zwei Stellen beworben. Auch die notwendige Pflege der schwerbehinderten Tochter führe zu keinem anderen Ergebnis. Es bestünden schon keine schutzwürdigen Gründe, als aktiver Beamter bei voller Alimentierung beschäftigungslos zu bleiben und dadurch die Betreuung von Familienangehörigen übernehmen zu können. Dies widerspräche auch dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Darüber hinaus bestünde für die Antragstellerin die Möglichkeit einer familienbedingten Teilzeit oder familienbedingten Beurlaubung nach § 92 des Bundesbeamtengesetzes (BBG).
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte, die Akte des Verfahrens B 5 K 17.399 und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist im Rahmen des § 88 VwGO sachdienlich dahingehend auszulegen, dass nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 10. März 2017, sondern der zwischenzeitlich nach Erlass des Widerspruchsbescheides erhobenen Klage vom 19. Mai 2017 im Verfahren B 5 K 17.399 begehrt wird.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig und begründet.
a) Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 20. Aufl. 2014, § 80, Rn. 147 m.w.N.). Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass ein Widerspruch oder eine Klage wohl Erfolg haben werden, kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Kann im summarischen Verfahren noch keine eindeutige Antwort auf die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gegeben werden, bedarf es einer Abwägung der öffentlichen Interessen am Sofortvollzug gegenüber den Interessen des Betroffenen an der eigentlich von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs. Zeigt sich im Rahmen der Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für oder gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, kann auch dies zur Gewichtung der betroffenen Interessen herangezogen werden. Nach der insoweit gebotenen summarischen Prüfung ist zwar die Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges nicht zu beanstanden (dazu unter b), allerdings sprechen gewichtige Gründe für die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Zuweisungsbescheides (dazu unter c), zudem führt auch eine Interessenabwägung nicht zu einem Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerseite (dazu unter d).
b) Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges im streitgegenständlichen Bescheid genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die sich aus dieser Norm ergebende besondere Begründungspflicht dient dazu, die Behörde dazu anzuhalten, sich den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung klar zu machen, den Betroffenen über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, zu unterrichten und dem Gericht durch die Darlegung der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle zu ermöglichen. Ausgehend von diesen Funktionen sind formelhafte, für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster oder die bloße Wiederholung des Gesetzestextes nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts, die Vollziehbarkeitsanordnung muss erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Das besondere Vollziehbarkeitsinteresse ist dabei gesondert zu begründen (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 32. EL Oktober 2016, § 80, Rn. 245, 247 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der streitgegenständliche Bescheid, da er – wenn auch teilweise mit Formulierungen, die in einer Vielzahl von Fällen zutreffend sein mögen – auf die besondere Eilbedürftigkeit des Vollzuges im konkreten Fall eingeht. Insbesondere wird dargelegt, welche wirtschaftlichen Folgen ein Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung in einem eventuellen Rechtsbehelfsverfahren für die Antragsgegnerseite im Hinblick auf die konkret zu besetzende Position bei V. in R. haben würde. Angesichts des großen Personalkörpers der Antragsgegnerseite ist zu erwarten, dass eine entsprechende Konstellation in vielen Fällen auftreten wird. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aber auch darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (BayVGH, B.v. 9.2.2010 – 11 CS 09.1486 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
c) Im Rahmen der im Verfahren des Eilrechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung bestehen hier aber gewichtige Anhaltpunkte für die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Zuweisungsentscheidung.
Rechtsgrundlage des Bescheides vom 3. März 2017 ist § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 PostPersRG. Danach ist eine dauerhafte Zuweisung einer dem Amt entsprechenden Tätigkeit zulässig, wenn die Zuweisung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar ist und die Zuweisung der Tätigkeit bei einem Unternehmen erfolgt, dessen Anteile ganz oder mehrheitlich dem Postnachfolgeunternehmen gehören. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin ist die V. GmbH, der die Antragstellerin dauerhaft zugewiesen werden soll, eine hundertprozentige Tochter der D. T. AG als Postnachfolgeunternehmen i.S.d. § 38 Abs. 1 Nr. 1 PostPersRG i.V.m. § 1 Abs. 2 des Postumwandlungsgesetzes (PostUmwG). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die – jedenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auch mit hinreichender Bestimmtheit (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2012 – 6 BV 11.2713 – juris Rn. 29 ff) – zugewiesene Tätigkeit als Sachbearbeiterin Backoffice II nicht dem Statusamt der Antragstellerin als Fernmeldehauptsekretärin entspräche. Die nach § 28 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG erforderliche Beteiligung des Betriebsrates ist ebenso erfolgt wie eine Anhörung der Antragstellerin nach § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier zwei unterschiedliche Zuweisungsverfahren eingeleitet worden wären. Vielmehr handelte es sich nach Auffassung des Gerichts um ein einheitliches Verwaltungsverfahren, in dessen Verlauf lediglich der vorgesehene Termin der Zuweisung verschoben wurde. Eine nochmalige Anhörung der Antragstellerin zu dem – zu ihren Gunsten – verlegten Zuweisungstermin kann nach § 28 Abs. 2 VwVfG als entbehrlich angesehen werden (vgl. Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 28, Rn. 48).
Allerdings dürfte nach der gebotenen summarischen Prüfung bei der Beurteilung der Frage, ob die Zuweisung der Antragstellerin nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar und damit ermessensfehlerfrei erfolgte, ein auch im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO vom Gericht zu berücksichtigenden Ermessensfehler vorliegen. Die Fürsorgepflicht aus Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) und § 78 Satz 1 BBG, in deren Rahmen auch dem Schutz von Ehe und Familie, wie er überdies in Art. 6 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, und der Gesundheit des Beamten (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist, gebietet dem Dienstherrn, bei seiner (Ermessens-)Entscheidung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen und sie mit den entgegenstehenden dienstlichen Belangen abzuwägen. In Fällen der hier zu beurteilenden Art, in denen eine Zuweisung letztlich mit einem Ortswechsel verbunden ist, dürften die daraus für den Beamten entstehenden persönlichen Konsequenzen für die Ermessenserwägungen besonders bedeutsam sein. Dabei kommt es auf die individuellen familiären und gesundheitlichen Verhältnisse an (vgl. VGH BW, B.v. 27.4.2006 – 4 S 491/06 – ZBR 2007, 62). Substantiierte Anhaltspunkte insbesondere für eine etwaige Gesundheitsgefährdung sind zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.5.2005 – 2 BvR 583/05 – NVwZ 2005, 926). Die Zuweisung einer Tätigkeit am Dienstort R. erfordert für die Antragstellerin unstreitig einen Umzug, ein tägliches Pendeln von H. aus ist nicht möglich. Bereits in ihrem Schreiben vom 27. September 2016 hatte die Antragstellerin allerdings darauf hingewiesen, dass ein Umzug und der Wechsel von Bezugspersonen und Therapeuten sich negativ auf die Entwicklung ihrer schwerbehinderten und pflegebedürftigen Tochter auswirke. Zwar hat sie dies auch auf Aufforderung (Schreiben vom 4.10.2016) nicht näher konkretisiert. Allerdings setzen sich weder der Bescheid vom 3. März 2017 noch der Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2017 mit dieser Frage auseinander. Die beiden Bescheide weisen zwar zu Recht darauf hin, dass die Antragstellerin als Bundesbeamtin grundsätzlich damit rechnen müsse, im gesamten Bundesgebiet eingesetzt zu werden. Hinsichtlich der Tochter der Antragstellerin wird aber im Wesentlichen nur ausgeführt, dass deren Pflegebedarf durch einen Pflegedienst abgedeckt werden könne und dabei wechselnde Bezugspersonen nicht zu vermeiden seien. Im gerichtlichen Verfahren hat die Antragstellerin nunmehr Bestätigungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass nach Auffassung der behandelnden Ärzte ein Umzug und der dadurch verbundene Wechsel der Betreuungspersonen und Therapeuten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes der Tochter der Antragstellerin führen würden. Die Leistungen eines Pflegedienstes nimmt die Antragstellerin ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen ohnehin bereits in Anspruch. Die gesundheitlichen Nachteile für die Tochter werden aber wegen der sich aus dem Umzug ergebenden Veränderungen im persönlichen Umfeld der Tochter der Antragstellerin im Hinblick auf die darüber hinausgehende, bisher durch Freunde und Familienangehörige abgedeckte Betreuung sowie einen Wechsel der Therapeuten befürchtet. Trotz Gelegenheit zur Stellungnahme ist die Antragsgegnerseite auf diesen besonderen Aspekt nicht näher eingegangen, sondern hat dem lediglich die wirtschaftlichen Interessen des Dienstherrn gegenübergestellt. Mit den durch ärztliche Atteste dargelegten möglichen Gesundheitsgefahren für die Tochter der Antragstellerin hat sich die Antragsgegnerin dagegen zu keiner Zeit auseinandergesetzt. Von der Antragstellerin kann insoweit auch keine weitergehende Darlegung erwartet werden; jedenfalls mit der Vorlage der beiden ärztlichen Atteste wurden die fraglichen Gesundheitsgefahren hinreichend substantiiert dargelegt. Damit hat die Antragsgegnerin nach dem oben dargestellten Maßstab einen im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wesentlichen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt. Entsprechende Ermessenserwägungen wurden auch nicht nach § 114 Satz 2 VwGO ergänzt.
d) Selbst wenn man danach lediglich von offenen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren ausginge, würde die dann anzustellende Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Insoweit ist maßgeblich, ob bei einer Abwägung das private Interesse des Betroffenen, vom Sofortvollzug verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin am Sofortvollzug überwiegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auf Antragsgegnerseite allenfalls wirtschaftliche Interessen betroffen sind, die auch nachträglich ausgeglichen werden können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es der Antragsgegnerin offenbar ohne weiteres möglich war, den Zuweisungstermin vom 5. Dezember 2016 auf den 4. September 2017, also um neun Monate zu verschieben. Dies spricht gegen eine besondere Dringlichkeit der Besetzung der streitgegenständlichen Stelle in R. Auf Antragstellerseite stehen dagegen Beeinträchtigungen der Gesundheit der Tochter der Antragstellerin im Raum, die nachträglich kaum auszugleichen seien dürften. Ein Überwiegen des öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug der Zuweisung ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.