Aktenzeichen B 6 E 17.32762
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
1. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht iSd § 123 Abs. 1 und 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO, wenn der Vertrag über die Berufsausbildung, für die der Antragsteller die Beschäftigungserlaubnis begehrt, schon zu laufen begonnen hat und ein späterer Einstieg in die Ausbildung nur während eines begrenzten Zeitraums möglich und sinnvoll ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 61 Abs. 2 S. 1 AsylG ist eine Ermessensvorschrift, sodass ein Anordnungsanspruch nur gegeben ist, wenn das Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert ist, weil Handlungsalternativen sachlich nicht hinreichend begründbar sind oder sich die Behörde in der Vergangenheit durch eine bestimmte Verwaltungspraxis gebunden hat. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Zulassung zu einer Einstiegsqualifizierung (EQ) durch das Landratsamt begründet kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass dem Antragsteller auch bei erfolgreicher Absolvierung eine entsprechende Ausbildung erlaubt werden wird, wenn sich im Vergleich mit dem Zeitpunkt, als dem Antragsteller die EQ aufenthaltsrechtlich ermöglicht wurde, die Rechtslage durch die Ablehnung des Asylantrages in einer Art und Weise geändert hat, dass der Antragsgegner den Antragsteller nunmehr nicht mehr zur EQ zulassen würde. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG, die gemäß § 27 Abs. 5 AufenthG auch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, setzt u.a. voraus, dass der Ausländer verheiratet, nicht lediglich verlobt ist, er einen Pass besitzt und ein Visumverfahren durchgeführt hat bzw. dass die Voraussetzungen des § 39 Nr. 4 AufenthV vorliegen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildung zu erteilen.
Der Antragsteller, geboren am …, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Hazara und ist schiitischer Muslim.
Am 30.06.2015 reiste er ohne das erforderliche Visum erstmals ins Bundesgebiet ein, stellte am 16.10.2015 einen Asylantrag und besitzt ab 19.11.2015 bis heute eine Aufenthaltsgestattung. Seit 05.01.2016 ist er in … (Landkreis …) dezentral untergebracht. Zuständige Ausländerbehörde war zunächst das Landratsamt ….
Am … erwarb der Antragsteller das Zertifikat „Deutsch A 1 für Zuwanderer“. Mit Wirkung vom … schloss er einen Vertrag über eine einjährige Einstiegsqualifizierung (EQ) zum Ausbildungsberuf Elektroniker und trat diese Ausbildung an. Die EQ wurde auf seiner Aufenthaltsgestattung eingetragen. Aus dem Jahreszeugnis für das Schuljahr 2016/2017 der Staatlichen Berufsschule in … vom 28.07.2017 ergibt sich u.a., dass der Antragsteller im Unterrichtsfach „System- und Gerätetechnik“ gute, ansonsten befriedigende bis ausreichende Leistungen erzielte. Außerdem wurde ihm bescheinigt, er bemühe sich trotz mangelnder Sprachkenntnisse dem Unterricht aufmerksam zu folgen.
Bei seiner in Dari durchgeführten Anhörung gemäß § 25 AsylG am …2016 gab er an, er habe sein ganzes Leben zusammen mit seiner Familie illegal im Iran gelebt, dort bis zur
7. Klasse die Schule besucht und dann als ungelernter Schreiner gearbeitet. In Afghanistan sei er nie gewesen. Er habe nie dort leben wollen, insbesondere auch weil die Menschen dort schlecht Arbeit fänden und ständig in Gefahr seien. Aus dem Iran sei er geflohen, weil er von der Polizei vor die Wahl gestellt worden sei, entweder in Syrien für den Iran zu kämpfen oder nach Afghanistan zu gehen. In Deutschland habe er eine Freundin, mit der er verlobt sei und eine Familie gründen wolle.
Mit Bescheid vom 21.12.2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab, erkannte ihm die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, forderte ihn auf, die Bundesrepublik binnen einer Frist von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, drohte ihm widrigenfalls die Abschiebung an und befristete das Einreise-und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Gegen diesen Bescheid erhob er mit Telefax vom 05.01.2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth. Über dieses Verfahren, das unter dem Az. B 6 K 17.30041 geführt wird, ist noch nicht entschieden.
Am …2017 schloss er mit dem Betrieb, bei dem er bereits seine EQ absolvierte, einen Vertrag zur 3 ½ jährigen Ausbildung im Ausbildungsberuf Elektroniker Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik. Am 12.04.2017 beantragte er beim Antragsgegner eine Beschäftigungserlaubnis.
Am 16.05.2017 forderte ihn die Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde, Dienstort … (ZAB), die seit 28.04.2017 für ihn ausländerrechtlich zuständig ist, im Rahmen des Antragsverfahren auf, einen Reisepass als geeigneten Identitätsnachweis vorzulegen. Daraufhin brachte er am 23.07.2017 seine Tazkira im Original bei und kündigte an, er werde sich einen Reisepass ausstellen lassen.
Mit Schreiben vom 01.08.2017 hörte ihn der Antragsgegner zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrages an.
Mit Bescheid vom 18.08.2017 lehnte die ZAB den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gemäß § 61 Abs. 2 AsylG ab. Bei der Abwägung des privaten Interesses des Antragstellers an der Aufnahme der Beschäftigung gegen das öffentlichen Interesse an der Versagung der Beschäftigungserlaubnis im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung berücksichtigte der Antragsgegner zu seinen Gunsten, dass der Antragsteller strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, seine asylrechtlichen Mitwirkungspflichten nicht verletzt und seine Tazkira im Original vorgelegt habe. Außerdem spreche für die Erteilung, dass der Antragsteller mit der Aufnahme der Ausbildung seine Integration im Bundesgebiet vorantreiben wolle und mit seinem zu erwartenden Einkommen unabhängiger von Sozialleistungen werden wolle. Positiv falle schließlich auch ins Gewicht, dass er eine Einstiegsqualifizierung in dem Ausbildungsbetrieb absolviere und dass seine Deutschkenntnisse für die Ausbildung ausreichen dürften.
Gegen die Erteilung spreche, dass Afghanistan nicht zu den Ländern mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit zähle. Außerdem sei bereits am 21.12.2016 im Asylverfahren gegenüber dem Antragsteller ein ablehnender Bescheid ergangen. Weiter solle aus migrationspolitischer Sicht verdeutlicht werden, dass mit der Stellung eines aussichtslosen Asylantrages nicht das Ziel einer Beschäftigung in Deutschland verfolgt werden könne. Da der Asylantrag noch nicht abgelehnt worden war, als die Einstiegsqualifizierung erlaubt worden war, sei die Ausländerbehörde jetzt durch die Erteilung der Erlaubnis zur EQ nicht gebunden. Außerdem sei die Identität des Antragstellers bisher allein durch die vorgelegte Tazkira nicht abschließend geklärt. Werde der Antragsteller nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages vollziehbar ausreisepflichtig, gelte deshalb ein Erwerbstätigkeitsverbot, so dass ihm dann keine Duldung zur Fortführung seiner Ausbildung werde erteilt werden können. Dieser Aspekt sei bereits jetzt zu berücksichtigen, da die Ausbildung voraussichtlich über die Dauer des Asylverfahrens hinaus fortgesetzt werde.
Bei der Abwägung überwiege das öffentliche Interesse insbesondere deshalb, weil einwanderungspolitische Ziele der Bundesrepublik Deutschland konsequent zu verfolgen seien, seine Ausreisepflicht wahrscheinlich vor Ende der Ausbildung eintrete und er eine geringe Bleibeperspektive habe.
Bereits mit Telefax vom 09.08.2017 hatte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht Bayreuth im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildung als Elektroniker bei der Firma …, … zu erteilen.
Zur Begründung führt sie aus, der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass es dem Antragsteller nicht verwehrt werden dürfe, während des Asylverfahrens seine Rechte wahrzunehmen, zu denen auch die Ausübung einer Beschäftigung mit Erlaubnis gehöre. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben, weil der Antragsgegner unzutreffende Erwägungen anstelle. So werde behauptet, er wolle mit einem aussichtslosen Asylantrag erreichen, in Deutschland beschäftigt zu werden. Die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Kompetenzen überschreite die Ausländerbehörde, wenn sie bei ihrer Abwägung davon ausgehe, dass die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes in jedem Falle vom Gericht abgelehnt werde und sich der Antragsteller deshalb nur noch formal im Asylverfahren befinde. Durch die Einführung der Beschäftigungserlaubnis habe der Gesetzgeber bezweckt, Ausländer schneller zu integrieren und den Arbeitsmarkt zu stärken. Schließlich hätte in die migrationspolitischen Überlegungen auch einfließen müssen, dass Afghanistan auch aufgrund der deutschen Waffenlieferungen das größte und gefährlichste Minenfeld der Welt sei.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Unter Verweis auf die Begründung des Bescheides vom 18.08.2017 beruft er sich darauf, es bestehe kein Anordnungsanspruch, weil die Ausländerbehörde ihrer Ermessensentscheidung auf der Grundlage umfassender Ermessenserwägungen und einer fehlerfreien Interessenabwägung getroffen habe.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 123 VwGO Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der Antragsteller mit Erfolg geltend macht, dass ihm ein entsprechender Rechtsanspruch zusteht und deshalb im Hauptsacheverfahren überwiegende Erfolgsaussichten bestehen (Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 129, 125).
Nicht regelungsfähig ist allerdings ein Anspruch auf ermessensfehlerfreies Verwaltungshandeln, es sei denn der zu Grunde liegende Anspruch auf ermessensfehlerfreies Verwaltungshandeln hat sich zu einem Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes verdichtet (BVerwG, B. v. 16.08.1978 – 1 WB 112/78 – BVerwGE 63,110/112).
Über den Erfolg des Antrages ist aufgrund der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Dabei ist abzustellen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
a) Der Antragsteller hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Vertrag über die Berufsausbildung, für die er die Beschäftigungserlaubnis begehrt, hat bereits am 01.09.2017 zu laufen begonnen und ein späterer Einstieg in die Ausbildung ist nur während eines begrenzten Zeitraums möglich und sinnvoll. Deshalb ist es ihm nicht zuzumuten, abzuwarten, bis in einem (noch zu erhebenden) Klageverfahren über die Beschäftigungserlaubnis entschieden worden ist (vgl. Neundorf in Kluth/Heusch, BeckOK-AuslR, Stand 01.05.2017, § 61 AsylG Rn. 20).
b) Der Antragsteller hat jedoch keinen regelungsfähigen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das Ermessen des Antragsgegners hat sich nicht dahingehend reduziert, dass er nur dann ermessensfehlerfrei entscheidet, wenn er die Beschäftigungserlaubnis erteilt.
Rechtsgrundlage für die begehrte Beschäftigungserlaubnis ist § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Danach kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, abweichend von § 4 Abs. 3 AufenthG die Ausübung einer Beschäftigung gestattet werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 32 Abs. Abs. 4 BeschV bedarf die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Berufsausübung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberufs an einen Ausländer mit Aufenthaltsgestattung keiner Zustimmung der Bundesagentur.
Bei der Anspruchsnorm, deren tatbestandliche Voraussetzungen der Antragsteller erfüllt, handelt es sich um eine Ermessensvorschrift. Deshalb ist ein Anordnungsanspruch nur gegeben, wenn das Ermessen des Antragsgegners auf Null geschrumpft ist, weil Handlungsalternativen sachlich nicht hinreichend begründbar sind oder sich die Behörde in der Vergangenheit durch eine bestimmte Verwaltungspraxis gebunden hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 40 Rn. 49 – 51).
Diese Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null, die nur ausnahmsweise anzunehmen ist (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 102 b), liegen hier nicht vor.
aa) Der Antragsgegner hat die Versagung hinreichend begründet.
Die Ausländerbehörde hat die privaten Belange des Klägers und die aufenthalts- und asylrechtlichen öffentliche Zwecke, insbesondere die öffentlichen Interessen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden könnten, zu prüfen, berücksichtigen und abzuwägen (Neundorf, a.a.O. Rn.17).
Gerade dann wenn die Erteilung der Erlaubnis für eine mehrjährige Ausbildung begehrt wird, hat die Ausländerbehörde in diesem Verfahren als gewichtiges Indiz einen Ablehnungsbescheid, den das Bundesamt als zuständige Behörde nach Würdigung des Einzelfalls im Asylverfahren erlassen hat, zu berücksichtigen und zwar grundsätzlich ohne ihn zu überprüfen (so auch zur vergleichbaren Frage im Rahmen der Zulassung zu Integrationskursen, wann bei einem Asylbewerber gemäß § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, BayVGH, B. v. 21.02.2017 – 19 CE 16.2204 – juris Rn. 22). Weiter hat die Behörde in ihre Überlegungen einzubeziehen, dass die Asylgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG erst erlischt, wenn die Entscheidung des Bundesamtes unanfechtbar geworden ist, so dass in die zu berücksichtigende Dauer des Asylverfahrens ein Klageverfahren gegen die Ablehnung einzubeziehen ist. Schließlich ist in Betracht zu ziehen, ob der Ausländer auch nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages regelmäßig damit rechnen kann, dennoch im Bundesgebiet zu bleiben, weil Abschiebungen in sein Herkunftsland nicht durchgeführt werden, sein es dass es die dortigen Verhältnisse nicht erlauben, sei es dass das Herkunftsland bei Rückführungen nicht oder nur sehr langsam mitwirkt. Dies ist allerdings nicht schon dann der Fall, wenn einzelne Bundesländer oder alle Bundesländer abgestimmt darauf verzichten, auch ohne förmliche Aussetzung der Abschiebungen die Ausreisepflicht dorthin durchzusetzen. Denn ein solcher zeitlich unbestimmter Vollzugsverzicht eröffnet keine ausreichend begründete Erwartung, im Bundesgebiet bleiben zu dürfen (BayVGH, a.a.O. Rn.20).
Bei ihrer Prüfung nicht zu berücksichtigen hat die Ausländerbehörde arbeitsmarktpolitische Belange. Denn mit der Regelung in § 61 AsylG setzt der deutsche Gesetzgeber zwar die sich aus Art. 15 Abs. 2 Richtlinie (RL) 2013/33 EU (Aufnahmerichtlinie) ergebende unionsrechtliche Verpflichtungen um, einzelstaatlich zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Antragstellern auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird und dafür zu sorgen, dass ihnen ein effektiver Arbeitsmarktzugang eröffnet wird. Um diese Vorgaben zu erfüllen, hat der deutsche Gesetzgeber festgelegt, dass die Ausländerbehörde insgesamt im Ermessenswege über die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis entscheidet (one-stop-government) und dabei behördenintern die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholt, sofern die Beschäftigung nicht in § 32 Abs. 2 BeschV für zustimmungsfrei erklärt ist. (Allein) die Bundesagentur für Arbeit hat deshalb arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte zu prüfen (Schröder in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 61 AsylG Rn. 9).
Was die privaten Belange des Antragstellers betrifft, hat die Behörde insbesondere zu berücksichtigen, ob er die Sprachkenntnisse, mindestens Stufe B1, am besten die Stufen B 2 oder C1 nachweist, die jedenfalls für eine erfolgreiche schulische Ausbildung in der Berufsschule unerlässlich sind (VG München, B. v. 09.08.2017 – M 9 E 17.3293 – juris Rn 40).
Legt man diese Maßstäbe zu Grunde, hat der Antragsgegner seine Ermessensentscheidung, ausreichend begründet.
Offen lassen kann das Gericht, ob die Entscheidung darauf gestützt werden kann, mit der Ablehnung solle verdeutlicht werden, dass mit Stellen aussichtsloser Anträge das Ziel einer Beschäftigung in Deutschland nicht verfolgt werden könne. Es spricht allerdings viel dafür, dass bei der Ausübung des Ermessens die Argumentation mit migrationspolitischen Überlegungen zwar nicht von vornherein ausgeschlossen ist, (so aber Hailbronner, Ausländerecht, Stand Mai 2017, § 61 AsylG Rn. 21), sie jedoch hauptsächlich dann zum Tragen kommt, wenn das Bundesamt den Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat (vgl. VG München, a.a.O. Rn. 34).
Denn der Antragsgegner hat die Ablehnung (auch) darauf gestützt, dass das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers mit Bescheid vom 21.12.2016 nicht offensichtlich rechtswidrig als unbegründet abgelehnt hat und auch keine Abschiebungsverbote bejaht hat.
Die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG scheitert bereits daran, dass der Antragsteller nie in Afghanistan gelebt und deshalb nicht vorverfolgt ausgereist sein kann. Subsidiärer Schutz kommt nicht in Betracht, weil in Afghanistan weder Leben oder Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bedroht wären (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Außerdem würde eine Abschiebung nicht Art. 3 EMRK verletzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), so dass aus diesem Grund subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre. Weiter ist für aus dem europäischen Ausland dauerhaft einreisende afghanische Staatsangehörige derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen, die zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog führen würde (BayVGH, B. v. 21.08.2017 – 13a ZB 17.30529 – juris Rn. 13). Schließlich scheitert eine Abschiebung nach Afghanistan nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt in Afghanistan, weil der Antragsteller, ein gesunder, arbeitsfähiger junger Mann ist und die Landessprache Dari spricht (BayVGH, B. v. 12.04.2017 – 13 a ZB 17.30230 – juris Rn. 7).
Die für den Antragsteller sprechenden Argumente hat die Behörde bei der Abwägung demgegenüber zurücktreten lassen. Der Antragsgegner ist insbesondere in diesem Zusammenhang zu Recht davon ausgegangen, dass die Zulassung zu einer EQ durch das Landratsamt … den kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründet, dass dem Antragsteller auch, wenn er sie erfolgreich absolviert, eine entsprechende Ausbildung erlaubt werden wird (a. A. VG München, B. v. 09.08.2017 – M 9 E 17.3293 – juris Rn. 36). Denn im Vergleich mit dem Zeitpunkt, als dem Antragsteller die EQ aufenthaltsrechtlich ermöglicht wurde, hat sich die Rechtslage durch die Ablehnung des Asylantrages in einer Art und Weise geändert, dass der Antragsgegner den Antragsteller nunmehr nicht mehr zur EQ zulassen würde.
Ihre Rechtfertigung findet die Entscheidung des Antragsgegners weiter auch darin, dass der Antragsteller derzeit nicht nachweislich über die für die anspruchsvolle Ausbildung zum Elektroniker Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik erforderlichen vertieften Sprachkenntnisse verfügt. Er hat bislang nachweislich nur ein Sprachzertifikat A 1 erworben und auch die Berufsschule hat im Zeugnis über die EQ auf seine mangelnden Sprachkenntnisse hingewiesen, die es ihm schwer gemacht hätten, dem Unterricht zu folgen.
Schließlich ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist – anders als bei einem deutschverheirateten Asylbewerber (Schröder in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016 § 61 AsylG Rn.11) – bei einem lediglich verlobten Asylbewerber auch nicht zu erwarten, dass der Antragsteller seine Ausbildung, die er während des Asylverfahrens beginnen will, nach Abschluss des Verfahrens fortführen können wird. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, die gemäß § 27 Abs. 5 AufenthG auch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, setzt u.a. voraus, dass der Ausländer verheiratet, nicht lediglich verlobt ist, er einen Pass besitzt und ein Visumverfahren durchgeführt hat bzw. dass die Voraussetzungen des § 39 Nr. 4 AufenthV vorliegen.
bb) Der Antragsgegner hat sich auch nicht durch seine bisherige Verwaltungspraxis gebunden, auch dem Antragsteller eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen.
Der Ausübung des Ermessens bei der Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen folgt in der landesweiten behördlichen Praxis den IMS v. 01.09.2016, v. 19.12.2016, v. 27.01.2017, v. 18.05.2017 und vom 07.08.2017, Az. IA2-2081-1-8-19, sowie der Verständigung im Ministerrat vom 23.05.2017. Diese Vorgaben und ihre Umsetzung in der Praxis lassen nicht erkennen, dass der Antragsgegner durch seine bisherige ständige Ermessensausübung gebunden wäre, im vorliegenden Fall eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen. Die genannte „Verständigung“ macht im Gegenteil deutlich, dass ein entscheidendes Gewicht dem Umstand beigemessen wird, ob das Bundesamt den Asylantrag bereits abgelehnt hat oder nicht, während das neueste IMS vom 07.08.2017 (S.4 a. E.) ausdrücklich auf das Kriterium des Niveaus der Deutschsprachkenntnisse hinweist.
b) Darüber hinaus steht dem Anordnungserlass auch das Vorwegnahmeverbot entgegen.
aa) Die Vorwegnahme der Hauptsache wird angestrebt,, wenn der Antragsteller bereits im Anordnungsverfahren auf Dauer oder wenigstens bis zum Abschluss des – gedachten – Hauptsacheverfahrens so gestellt werden will, als ob er in der Hauptsache obsiegt hat. Stimmen Anordnungs- und (ggf. nur gedachter) Klageantrag überein und steht die erlassene Regelung nicht unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Klageverfahrens, wird die Hauptsache endgültig vorgenommen (Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017 Rn. 175f.).
Da der Antragsteller bereits im Anordnungsverfahren die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für die gesamte Dauer seiner Ausbildung, die laut Vertrag am 01.09.2017 beginnen sollte, begehrt, verlangt er im Verfahren gemäß § 123 VwGO eine Rechtsposition, die dem Rechtsschutzziel einer möglichen Klage entspricht. Damit würde die Hauptsache endgültig vorweggenommen.
bb) Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist bei einer Ermessensentscheidung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass bei ermessensfehlerfreier Entscheidung eine Entscheidung zu seinen Gunsten überwiegend wahrscheinlich ist und er unzumutbar schweren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf das Hauptsacheverfahrens verwiesen werden würde (Dombert, a.a.O. Rn. 190,193).
Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
Ein Erfolg in einem möglichen Klageverfahren ist insbesondere wegen der Ablehnung des Antrages durch das Bundesamt nicht überwiegend wahrscheinlich. Außerdem drohen dem Antragsteller keine unzumutbaren Nachteile, wenn der Antragsgegner nicht im Verfahren nach § 123 VwGO zur Erlaubniserteilung verpflichtet wird. Er kann, zumal nach der Ablehnung durch das Bundesamt, nicht verlangen, bereits jetzt wie ein anerkannter Asylbewerber gestellt zu werden und damit nicht beanspruchen, seinen Unterhalt durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Auch wenn sein Unterhalt im Bundesgebiet lediglich durch Sozialleistungen gesichert wird, ist der ihm während des Asylverfahrens gebührende Schutz nicht in Frage gestellt (Neudorf in Kluth/Heusch, Beck-OK AuslR, Stand 01.05.2017, § 61 AsylG Rn. 2).
Der Verpflichtung zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis steht deshalb, wie das regelmäßig der Fall ist, auch hier das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen (vgl. dazu Hailbronner, Ausländerrecht, § 61 AsylG, Stand Mai 2017, § 61 AsylG Rn. 26)
Damit war der Antrag abzulehnen.
2. Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).