Verwaltungsrecht

Beseitigungsanordnung für ein als Lager genutztes Zelt

Aktenzeichen  9 ZB 18.1044

Datum:
12.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21907
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 30 Abs. 7, Art. 76 S.1
BayBO Art. 12

 

Leitsatz

Anbau iSd Art. 30 Abs. 7 BayBO sind alle niedrigeren Gebäude oder Gebäudeteile, deren Dächer an die Außenwand eines höheren Gebäudes oder Gebäudeteils anschließen. Ob der Anbau selbständig ist oder niedrigerer Teil eines einheitlichen Gebäudes, ist unerheblich. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 16.721 2018-02-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten mit Bescheid vom 11. April 2016 erlassene Anordnung zur Beseitigung eines Lagerzelts auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung … Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2018 in der Sache ab. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, beurteilt sich im Wesentlichen anhand dessen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Das Vorbringen des Klägers, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts finde Art. 30 Abs. 7 BayBO keine Anwendung, weil das Zelt kein „Anbau“ im Sinne dieser Vorschrift sei, führt nicht zur Zulassung der Berufung.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es weder nach dem Wortlaut des Art. 30 Abs. 7 BayBO noch nach dessen Sinn und Zweck darauf ankommt, ob das Zelt mit dem Gebäude eine technische Verbindung aufweist (vgl. UA S. 6 f.). Es hat seine Rechtsauffassung umfänglich begründet.
aa) Das Zulassungsvorbringen setzt sich schon mit der Auslegung des Begriffs „Anbau“ nach Sinn und Zweck des Art. 30 Abs. 7 BayBO durch das Verwaltungsgericht nicht substanziiert auseinander. Aber auch das Vorbringen zum Wortlaut des Begriffs „Anbau“ kann nicht zur Zulassung der Begründung führen.
Der mit der Zulassungsbegründung in Bezug genommene Satz aus dem Wikipedia-Artikel „Anbau (Gebäude)“, „ein Anbau ist direkt an das bestehende Gebäude angebunden“, besagt nichts zu einer technischen bzw. baulich-konstruktiven Verbindung von Gebäude und Anbau. Der Verweis auf die Bestimmung Art. 30 Abs. 3 BayBO, woraus sich ergeben soll, dass zwischen Anbauten und Nichtanbauten zu differenzieren sei, geht fehl. Art. 30 Abs. 3 BayBO nimmt bestimmte Gebäude und Bauteile von den brandschutztechnischen Anforderungen des Art. 30 Abs. 1 und 2 BayBO aus. Eine irgendwie geartete Differenzierung von „Anbauten und Nichtanbauten“ ergibt sich daraus nicht. Die klägerische Annahme, das Zelt könne allenfalls ein „Vorbau“ sein, lässt eine Auseinandersetzung mit dem bauordnungsrechtlichen Begriff des „Vorbaus“ vermissen. „Vorbauten“ sind insbesondere Balkone und Erker, also – anders als das Lagerzelt des Klägers – unselbständige und integrierte Teile der Außenwand (vgl. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO; vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand März 2018, Art. 6 Rn. 428 m.w.N.). Auch der Vergleich mit einem „Pavillon in der Nähe zum Haus“, „um dort eine Geburtstagsfeier auszurichten“, geht ins Leere. Das Lagerzelt ist – anders als ein Pavillon für eine Geburtstagsfeier – nicht nur für einen ganz unbedeutsamen Zeitraum aufgestellt (vgl. Dirnberger in Simon/Busse a.a.O. Art. 2 Rn. 41 m.w.N.).
bb) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ein Anbau an ein Gebäude auch dann anzunehmen ist, wenn keine technische Verbindung besteht, sondern eine räumliche Nähe i.S.v. „an etwas bauend anfügen“ vorliegt, ist aus der vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung im Übrigen nicht ernstlich zweifelhaft. Durch eine baulich-konstruktiv untrennbare Gebäudeverbindung entsteht ein einheitliches Gebäude (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2003 – 25 CS 03.2403 – juris Rn. 2 m.w.N.). Ein Anbau kann aber auch ein in konstruktiver Hinsicht selbständiges Gebäude sein (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2010 – 1 ZB 08.2661 – juris Rn. 15; vgl. auch Dhom/Franz/ Rauscher in Simon/Busse a.a.O Art. 6 Rn. 25). Anbau im Sinn des Art. 30 Abs. 7 BayBO sind danach alle niedrigeren Gebäude oder Gebäudeteile, deren Dächer an die Außenwand eines höheren Gebäudes oder Gebäudeteils anschließen. Ob der Anbau selbständig ist oder niedrigerer Teil eines einheitlichen Gebäudes, ist unerheblich (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 30 Rn. 14).
b) Eine fehlerhafte Ermessensausübung ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte die Beseitigung des Lagerzelts angeordnet hat und nicht die Beseitigung eines „Anbaus“. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Lagerzelt unmittelbar im Anschluss an das Hauptgebäude errichtet wurde und die konstruktionsbedingte Entfernung zwischen Anbau und Außenwand des Hauptgebäudes allenfalls wenige Zentimeter beträgt (UA S. 7).
c) Dass auch Art. 12 BayBO die Beseitigung rechtfertigt (vgl. auch die Begründung zur Beseitigungsanordnung vom 11. April 2016), hat das Verwaltungsgericht richtig erkannt.
aa) Das Vorbringen des Klägers, auf Art. 12 BayBO könne das Urteil nicht gestützt werden, „weil es sich bei Art. 30 Abs. 7 BayBO im konkreten Fall um ein lex specialis zu Art. 12 BayBO handelt“, verfängt nicht. Das Verwaltungsgericht führt zutreffend aus, dass Art. 12 BayBO die an die Feuersicherheit baulicher Anlagen zu stellenden allgemeinen Anforderungen enthält und (unter anderem) durch die Art. 24 ff. BayBO lediglich konkretisiert wird (UA S. 8). Die an jede bauliche Anlage und mithin auch an das Lagerzelt zu stellenden allgemeinen Anforderungen an den Brandschutz nach Art. 12 BayBO erschöpfen sich nicht in Brandschutzanforderungen an Dächer von Anbauten i.S.v. Art. 30 Abs. 7 BayBO, wie die einzelfallbezogene Begründung der angefochtenen Beseitigungsanordnung zu Art. 12 BayBO, auf die das Verwaltungsgericht Bezug nimmt, augenfällig zeigt, und wonach u.a. „auch die Fluchtwege eingeschränkt“ werden. Art. 12 BayBO greift deshalb vorliegend – anders als der Kläger meint – nicht nur, „um dem Kläger zu untersagen, brennbares Material zu lagern“, sondern auch hinsichtlich der Beseitigung des Zelts.
bb) Die Annahme des Klägers, das „Rechtsamt der Beklagten“ habe mit dem Verweis auf Art. 12 BayBO entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht das Zelt als solches angesprochen, sondern das darin liegende Material, geht fehl.
Die Beklagte bezieht ihre Ausführungen in der Beseitigungsanordnung vom 11. April 2016 in Satz 1 zu Art. 12 BayBO ausdrücklich auf die brandschutzrechtlichen Anforderungen an „bauliche Anlagen“. Auch in Satz 2 zu Art. 12 BayBO stellt die Beklagte auf „das Zelt als Lager“ ab. Soweit sie die darin gelagerten Materialien „Holz, Kartonagen und andere, leicht entflammbare Materialien“ bezeichnet, begründet sie ihre Anordnung zur Beseitigung des Zelts weiterhin mit der infolge der gelagerten Materialien entstehenden großen Brandlast (Satz 3 der Begründung zu Art. 12 BayBO).
2. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage, „ob ein Anbau vorliegt und damit die Anwendbarkeit des Art. 30 Abs. 7 BayBO gegeben ist, ohne dass eine physische Verbindung zwischen dem Anbau und der Außenwand des Hauptgebäudes gegeben ist“, ist nicht klärungsbedürftig.
Soweit Rechtsfragen betroffen sind, ist § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ebenso auszulegen wie die ebenso gefasste Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO für die Revision. Danach besteht kein Klärungsbedarf, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2017 – 9 ZB 15.2234 – juris Rn. 29). So liegt es hier. Auf die Gründe dieses Beschlusses zu den behaupteten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils unter Nr. 1.a.bb) wird verwiesen.
Davon abgesehen ist die aufgeworfene Frage angesichts der alternativ auf Art. 12 BayBO gestützten Urteilsbegründung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsfähig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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