Aktenzeichen 1 ZB 13.760
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 5
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 173 S. 1
ZPO § 278 Abs. 1
Leitsatz
1. Der Bestandsschutz einer baulichen Anlage erlischt, unabhängig von der Kenntnis des Bauherrn, wenn Änderungen zum Verlust der Identität einer Anlage führen, weil etwa bei Gebäuden aufgrund der Änderungen eine erneute statische Prüfung erforderlich wird oder weil der Austausch der Bausubstanz einer Neuerrichtung der Anlage gleichkommt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die im Verwaltungsprozess entsprechend (§ 173 S. 1 VwGO) anwendbare Vorschrift des § 278 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll, begründet keine einklagbare Verpflichtung des Gerichts, auf einen Vergleich hinzuwirken, sondern eröffnet den Spielraum, in geeigneten Fällen von den Möglichkeiten einer unstreitigen Erledigung Gebrauch zu machen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
11 K 12.3959 2013-01-31 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Zulassungsantrag, der sich nur insoweit gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet, als es die Anordnung des Landratsamts bestätigte, den Zaun zu beseitigen, hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO liegen vor; insbesondere widerspricht die Errichtung der Zaunanlage § 35 BauGB. Soweit sich der Kläger auf den Bestandsschutz des Zaunes und des Zufahrtstores beruft, verkennt er, dass der Bestandsschutz einer baulichen Anlage – unabhängig von der Kenntnis des Bauherrn – erlischt, wenn die Änderungen zum Verlust der Identität der Anlage führen, weil etwa bei Gebäuden aufgrund der Änderungen eine erneute statische Prüfung erforderlich wird oder weil der Austausch der Bausubstanz einer Neuerrichtung der Anlage gleichkommt (vgl. BVerwG, U. v. 14.4.2000 – 4 C 5.99 – NVwZ 2000, 1048). Das ist vorliegend der Fall, weil – wie auch der Kläger einräumt – der alte Zaun in Teilen zusammengebrochen war und nahezu die Hälfte des Maschendrahtes einschließlich aller Pfosten erneuert wurde. Insoweit kann von Reparaturen oder Instandhaltungsmaßnahmen nicht mehr die Rede sein. Die Frage, ob der Rechtsvorgänger des Klägers den Zaun mit Genehmigung der zuständigen Behörde errichtet hatte, ist daher nicht entscheidungserheblich.
Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Errichtung der Zaunanlage nach § 35 Abs. 1 BauGB nicht zulässig ist. Der Kläger, der eine Garten- und Landschaftsbaufirma betreibt, ist – ungeachtet seiner Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft der Landwirte – kein (Nebenerwerbs-)Landwirt. Die Fischzucht in einem 280 m² großen Weiher sowie die Haltung von 20 Schafen überschreiten den Umfang einer Liebhaberei nicht, die nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob eine berufsmäßige Fischzucht die Einzäunung aller oder einzelner Anlagen erfordert.
Ebenso wenig sind der Fischweiher und die dazu gehörende Hütte des Klägers, deren Bestand die Bauaufsichtsbehörde nicht in Frage stellt, sowie der nach Auffassung des Klägers dazu gehörende Zaun wegen ihrer besonderen Anforderungen oder Zweckbestimmung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Darunter fallen nur Anlagen, deren Errichtung im Außenbereich im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt (vgl. BVerwG, B. v. 12.4.2011 – 4 B 6.11 – BauR 2011, 1299), was bei dem privaten Fischteich des Klägers nicht der Fall ist. Auch Gründe der Gefahrenabwehr rechtfertigen nicht die Einzäunung des Fischweihers. Es erscheint fern liegend, dass, zumal nach der Herstellung eines Badeweihers in etwa 300 m Entfernung, der nach eigenem Vortrag des Klägers verschlammte Weiher sich als Spiel- oder Badeplatz anbietet, vor dessen Gefahren die Allgemeinheit nur durch die Errichtung eines Zaunes geschützt werden könnte.
Dass die Einzäunung eines privaten, im Naturschutzgebiet gelegenen Fischweihers Belange des Naturschutzes beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), und dass daher die Zaunanlage nicht genehmigt werden kann, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Der Entscheidung über den vom Kläger nachträglich gestellten Bauantrag für die Zaunanlage bedarf es zur Feststellung der planungsrechtlichen Zulässigkeit nicht (vgl. BayVGH, B. v. 23.11.2015 – 1 ZB 15.1978 – juris). Soweit der Kläger behauptet, die Ausweitung des Naturschutzgebiets sei „völlig sachfremd“, bleibt er dafür eine nachvollziehbare Begründung schuldig.
Auch die Behauptung des Klägers, die Beseitigungsanordnung leide an einem Ermessensfehler, weil die Bauaufsichtsbehörde gegen die Einzäunung eines in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücks, das dem Bund Naturschutz gehöre, nichts unternehme, genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, da Angaben zur Vergleichbarkeit der beiden Einzäunungen fehlen.
2. Die Sache hat auch nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Da das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, dass es bereits an einem landwirtschaftlichen Betrieb fehlt, stellt sich die Frage nicht, ob der Kläger als Inhaber eines Gartenbaubetriebs Landwirt sein kann. Die Frage, ob Fischweiher aus Gründen der Gefahrenabwehr eingezäunt werden müssen, lässt sich nicht allgemein gültig beantworten, sondern hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
Durch die Verwendung von Aktenvermerken aus den Behördenakten hat das Verwaltungsgericht dem Kläger nicht das rechtliche Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verwehrt. Das Verwaltungsgericht konnte sich aus den vom Beklagten vorgelegten Akten, die, wie sich aus dem Tatbestand der angegriffenen Entscheidung ergibt, zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahren gemacht worden sind, seine Überzeugung bilden (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei musste das Verwaltungsgericht zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung die Beteiligten nicht auf seine Rechtsauffassung (vgl. BVerwG, U. v. 16.4.1997 – 6 C 9.95 – NJW 1998, 323) oder auf relevante Unterlagen hinweisen, von denen sich der Kläger durch Akteneinsicht hätte Kenntnis verschaffen können, zumal der Beklagte in seiner Klageerwiderung auf die gemeinsame Ortsbesichtigung vom 10. November 2011 Bezug genommen hatte.
Auch die vom Kläger erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greift nicht durch. Weder war das Verwaltungsgericht gehalten, die vom Kläger benannten Zeugen zu vernehmen, noch musste es einen Ortstermin durchführen. Eine Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht ist nur veranlasst, wenn sich die Beweiserhebung aufdrängt oder einer der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag stellt (vgl. BVerwG, B. v. 13.9.1988 – 1 B 22.88 – NVwZ 1989, 67). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Zum einen hat der Kläger ausweislich der Niederschrift in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt. Zum andern bestand für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung, den in den Schriftsätzen des Klägers angekündigten Zeugenangeboten nachzugehen, weil die schriftlichen Aktenvermerke des Landratsamts ebenso wie die Aufzählung der bestandsgeschützten Anlagen in § 5 Abs. 1 Nr. 5 der Verordnung über das Naturschutzgebiet den Schluss nahe legten, dass der Kläger nicht davon ausgehen durfte, die Zaunanlage rechtmäßig errichten zu können. Auch einen Ortstermin musste das Verwaltungsgericht angesichts der vom Zaun des Klägers gefertigten Fotos sowie des Luftbilds und des Lageplans, die die Lage des Fischweihers und des Badesees deutlich erkennen lassen, nicht durchführen (vgl. BVerwG, U. v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – NVwZ-RR 1992, 227).
Auch die weiteren Verfahrensrügen rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht. Das Verwaltungsgericht hat nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO von Amts wegen über die Zulassung der Berufung in den Fällen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zu entscheiden, ist aber wegen § 124a Abs. 1 Satz 3 VwGO nicht zu einer ablehnenden Entscheidung über Zulassungsanträge befugt. Unterbleibt die Zulassung der Berufung zu Unrecht, so steht den Beteiligten das Rechtsmittel des § 124 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Da die Beiladung dem Schutz der Gemeinde, nicht aber den Interessen des Klägers dient, kann sich der Kläger auf einen Verstoß gegen § 65 VwGO nicht berufen. Die im Verwaltungsprozess entsprechend (§ 173 Satz 1 VwGO) anwendbare Vorschrift des § 278 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll, begründet keine einklagbare Verpflichtung des Gerichts, auf einen Vergleich hinzuwirken, sondern eröffnet den Spielraum, in geeigneten Fällen von den Möglichkeiten einer unstreitigen Erledigung Gebrauch zu machen; im Übrigen ist nicht erkennbar, wie ein Urteil auf einem Verstoß gegen § 278 Abs. 1 ZPO beruhen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 3 § 52 Abs. 1 GKG.
Mit diesem Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).