Aktenzeichen M 25 K 17.4066
Leitsatz
1. Ein besonders schweres Ausweisungsinteresse iSd § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liegt vor bei der Mitgliedschaft oder der Unterstützung terroristischer Vereinigungen wie der PKK und deren Nachfolgeorganisationen. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Abstandnehmen von sicherheitsgefährdendem Handeln erfordert eindeutige Erklärungen und Verhaltensweisen, dass der Betroffene sich nunmehr von zurückliegenden Aktivitäten eindeutig nach außen erkennbar und aus innerer Überzeugung distanziert. (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Der beantragten Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG entgegen.
Für die nach Rücknahme des Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit Schreiben vom 21. April 2017 beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung, § 8 Abs. 1 AufenthG. Die Beklagte hat die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Recht versagt, da beim Kläger ein Ausweisungsinteresse i.S.v. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht (§ 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) und der Kläger nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdendem Handeln Abstand genommen hat.
Beim Kläger liegt ein besonders schweres Ausweisungsinteresse i.S. des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, da der Kläger die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat.
Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen handelt es sich um eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (VGH Mannheim, U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris; U.v. 2.3.2016 – 11 S 1389/15 mit ausführlicher Begründung, auf die Bezug genommen wird; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16; U.v. 25.7.2017 – 1 C 12/16 – juris). Der Kläger hat durch seine vielfältigen Tätigkeiten bis zum April 2013 die PKK unterstützt. Diesbezüglich wird auf den Bericht des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 11. Dezember 2012 (Bl. 170 ff. der Behördenakte) sowie die Belehrung vom 4. April 2013 (Bl. 187 der Behördenakte) sowie den Schlussvermerk des Polizeipräsidiums München, Kriminalfachdezernat 4 vom 24. August 2008 (Bl. 417 ff. der Behördenakte) Bezug genommen. Insbesondere hat der Kläger unter Einbindung in die Strukturen der PKK für diese Spenden gesammelt und erhielt hierfür eine Auszeichnung Öcalans für besondere Leistungen bei der Spendenaktion. Das Tätigwerden des Klägers stellt auch eine Unterstützungshandlung dar, da dadurch die innere Organisation und der Zusammenhalt der PKK sowie die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele gefördert wurden und damit ihre potentielle Gefährlichkeit gefestigt wurde. Die bezweckte Zielrichtung des Handels war dem Kläger auch erkennbar und ihm zurechenbar.
Der Kläger hat diese Unterstützungshandlungen für die PKK (sowie deren Nachfolgeorganisationen) zumindest bis zur Belehrung durch die Beklagte am 4. April 2013 in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt.
Der Kläger hat nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Ein Abstandnehmen in diesem Sinne setzt einen individuellen Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig ein sicherheitsgefährdendes Handeln des Klägers auszuschließen ist. Hierzu bedarf es eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die zeigen, dass der Kläger sich nunmehr von zurückliegenden Aktivitäten erkennbar und aus innerer Überzeugung distanziert. Ein bloßes Untätig sein reicht nicht aus. Eine derartige Erklärung bzw. ein kritisches Auseinandersetzen mit den Zielen der PKK war beim Kläger auch nicht ansatzweise in der mündlichen Verhandlung erkennbar. Auf entsprechende Fragen des Gerichts hinsichtlich der Ziele der PKK und wie er zu diesen steht, antwortet der Kläger ausweichend und nichtssagend.
Ein Abstandnehmen von sicherheitsgefährdendem Handeln erfordert des Weiteren, dass der Ausländer die Distanzierung eindeutig, d.h. nach außen erkennbar, zum Ausdruck bringt. Auch dies ist beim Kläger nicht der Fall. Der Kläger hatte auch nach der Belehrung am 4. April 2013 weiterhin Kontakt zu vielen Aktivisten der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen und hat auch weiterhin Veranstaltungen dieser Organisationen besucht. Diese Kontakte stellen, entgegen dem Vorbringen des Klägers, keine zufälligen Treffen mit Bekannten dar.
So hat der Kläger an dem Infostand zur Wahl in der Türkei am 3. August 2014 mitgeholfen. Dieser Infostand wurde von der Münchner PKK-Aktivistin … … initiiert. Der Kläger hat sich dabei zusammen mit Frau … und dem bekannten PKK-Aktivisten … … fotografieren lassen. Damit bringt er zum Ausdruck, dass er weiterhin der PKK nahe steht sowie deren Ziele billigt. Der Kläger nahm des Weiteren an mehreren Veranstaltungen teil, auf denen zahlreiche Fahnen mit Abbildungen Abdullah Öcalans sowie eindeutige PKK-Symbolik aufgehängt waren (Solidaritätsveranstaltung für Kubani am 3. Oktober 2015; Gedenkveranstaltung für die „Mai-Märtyrer bzw. Kurdistan-Märtyrer“ im Eine-Welt-Haus München am 26. Mai 2016; Veranstaltung am 22. September 2016 in München, auf der die Gesundheit des kurdischen Volksführers Abdullah Öcalan sowie seine Botschaft das Hauptthema der Diskussionsveranstaltung bildeten). Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen ist nicht mit dem politischen Interesse des Klägers erklärbar. Vielmehr zeigt sie weiterhin die besondere Beziehung zur PKK sowie deren Gedankengut.
Zwar hat der Kläger den nachträglich vorgehaltenen Vorwurf des Werbens für eine Veranstaltung im Kurdischen Kulturzentrum München am 29. März 2017 in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar mit dem Hinweis auf das Erfordernis, einen größeren Raum für die Begräbnisfeier seines Schwagers kurzfristig finden zu müssen, erklärt. Aus der Gesamtschau der Handlungen des Klägers ab April 2013 lässt sich jedoch nicht erkennen, dass der Kläger glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat. Es zeigt sich damit, dass auch der nach außen erkennbare Gesinnungswandel beim Kläger nicht vorliegt. Dieser bewegt sich vielmehr weiterhin im Umfeld der PKK-Sympathisantenszene.
Aufgrund des zwingenden Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 AufenthG hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach anderen Rechtsnormen.
Ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB hat der Kläger nicht erlangt. Aufgrund der am 1. Oktober 2015 aufgenommenen Tätigkeit (zehn Stunden pro Monat Arbeitszeit, Entlohnung 100,00 Euro pro Monat) ist der Kläger kein Arbeitnehmer, da es sich hierbei bei Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses (es fehlen Regelungen zum Urlaub bzw. zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) um eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit handelt. Die Beschäftigung bei einem weiteren Arbeitgeber ab 22. August 2016 ist unbeachtlich, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über einen ordnungsgemäßen Aufenthalt verfügte (die Aufenthaltserlaubnis galt nur bis 21. Juli 2016) und die erteilte Fiktionsbescheinigung hierfür nicht ausreichend ist.
Die Beklagte hat zur Recht ausgeführt, dass der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auch die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entgegensteht. Die Ermessensentscheidung ist im Rahmen der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten nicht zu beanstanden, § 114 VwGO.
Diesbezüglich und im Übrigen wird auf die ausführliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.
Nach Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis verliert die ausgestellte Fiktionsbescheinigung ihre Gültigkeit und ist daher zurückzunehmen.
Die erteilte Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG berücksichtigt die besondere familiäre Situation des Klägers und ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.