Verwaltungsrecht

Besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse wegen strafrechtlichem in Erscheinung treten

Aktenzeichen  10 C 20.170

Datum:
24.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4496
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 53 Abs. 1, § 53 Abs. 3b
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 1
AsylG § 4

 

Leitsatz

Die Begehung von Delikten wie Raub, gefährliche Körperverletzung sowie der Angriff auf Vollstreckungsbeamte stellen schwere Straftaten i.S.d. § 53 Abs. 3b AufenthG dar, die ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen. (Rn. 2 – 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 19.4307 2019-12-04 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Kläger den in erster Instanz abgelehnten Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen die mit Bescheid der Beklagten vom 2. August 2019 verfügte Ausweisung, die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels und das auf acht bzw. sechs Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot weiterverfolgt, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs, die regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme eintritt (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 27.5.2019 – 10 C 19.315 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten verfügte Ausweisung voraussichtlich rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1, Abs. 3b AufenthG. Danach darf der Kläger, der die Rechtsstellung eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG genießt, nur ausgewiesen werden, wenn er eine schwere Straftat begangen hat oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger, der unter anderem wegen gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, Diebstahl, unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln und Hausfriedensbruch zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist, schwere Straftaten im Sinne des § 53 Abs. 3b AufenthG (s. auch § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG) begangen und damit ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verwirklicht hat. Ebenso zutreffend ist das Verwaltungsgericht bei seiner Gefährdungsprognose von einer erheblichen Wiederholungsgefahr schwerer Straftaten ausgegangen. Diese ergibt sich nicht nur aus der Vielzahl vom Kläger bereits bisher begangener Straftaten (49 bis zu seiner Inhaftierung), sondern – worauf die Beklagte in ihrer Erwiderung vom 10. Februar 2020 zu Recht hinweist – auch aufgrund seines Vollzugsverhaltens mit wiederholten disziplinarischen Ahndungen und weiteren Strafanzeigen insbesondere wegen Gewaltdelikten sowie einer therapiebedürftigen Gewalt- und Suchtmittelproblematik. Generalpräventive Erwägungen dürften in diesem Zusammenhang mit Blick auf den besonderen Schutz subsidiär Schutzberechtigter in § 53 Abs. 3b AufenthG allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Rolle spielen (vgl. Tanneberger/Fleuß in BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.11.2019, AufenthG § 53 Rn. 121i). Die unter Berücksichtigung dieser Umstände und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durchzuführende Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses mit den Bleibeinteressen des Klägers gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG hat das Verwaltungsgericht durchgeführt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass das Ausweisungsinteresse im Ergebnis überwiegt.
Das Beschwerdevorbringen, die Ausweisungsentscheidung habe für den Kläger gravierende Bedeutung, da er mit seiner Abschiebung nach Eritrea und damit verbundenen Gefahren für sein Leben rechnen müsse bzw. auch ohne Aufenthaltsbeendigung sein Leben in Deutschland (Ausbildung, Arbeit, eigene Wohnung und selbstbestimmtes Leben) massiv beeinträchtigt wäre, was ihn als Ausländer gegenüber jungen deutschen Männern diskriminiere, greift demgegenüber nicht durch. Die Beklagte hat zutreffend erkannt, dass aufgrund des subsidiären Schutzstatus des Klägers ein Abschiebungsverbot besteht und die Ausweisungsverfügung daher (noch) nicht durch Abschiebung vollzogen werden kann. Der Vorwurf der Ausländerdiskriminierung liegt schon mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG neben der Sache.
Durchgreifende Einwendungen gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot und die durch die Beklagte bestimmte Sperrfrist (§ 11 AufenthG) sowie die Ablehnung der beantragten Verlängerung des Aufenthaltstitels des Klägers wurden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben und sind für den Senat auch sonst nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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