Verwaltungsrecht

Bestandskräftig gewordener Feuerstättenbescheid – Verfahrenseinstellung

Aktenzeichen  M 32 K 18.6321

Datum:
15.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55938
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO analog § 92 Abs. 3
VwGO § 155 Abs. 1, § 173 S. 1
ZPO § 264 Nr. 3
SchfHwG § 25 Abs. 2
VwGO § 155 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren der Klägerin zu 1) wird eingestellt.
II. Das Verfahren hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids des Landratsamts vom 4. Dezember 2018 wird eingestellt. Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 2) abgewiesen.
III. Der Beklagte und der Kläger zu 2) tragen die Gerichtskosten je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte die der Klägerin zu 1) voll und ½ der eigenen, der Kläger zu 2) die eigenen und ½ der dem Beklagten erwachsenen Kosten.
IV. Die Kostentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Einverständnis der Parteien konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
1) Soweit die Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurden, waren die Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
2) Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Klage des Klägers zu 2) bezüglich den Nrn. 1, 3 und 4 des Zweitbescheids vom 4. Dezember 2018 war die Klage z.T. unzulässig und im Übrigen unbegründet.
a) Soweit der Kläger zu 2) die Aufhebung von Nr. 1 des Zweitbescheids vom 4. Dezember 2018 begehrt, ist die Klage bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, weil die in Nr. 1 des Zweitbescheids angeordneten Arbeiten am 8. Januar 2019 durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger ausgeführt worden sind und eine Rückgängigmachung von Kehr-, Überprüfungs- und Messarbeiten ausgeschlossen ist.
b) Soweit hilfsweise die Feststellung begehrt wird, dass Nr. 1 des Zweitbescheids vom 4. Dezember 2018 rechtswidrig war, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) zulässig.
Beim Übergang vom ursprünglich angekündigten Anfechtungsantrag zu dem nunmehr gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag handelt es sich nicht um eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO, sondern um einen nach § 173 Satz 1 VwGO i.V. m. § 264 Nr. 3 ZPO zulässigen Wechsel. Demnach ist über den zuletzt hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungantrag zu entscheiden.
Für das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wird insbesondere bejaht bei Wiederholungsgefahr. Insofern muss die konkrete Gefahr bestehen, dass künftig unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Umständen erneut ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 4 C 12/04 – juris Rn. 8; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – juris Rn. 21; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 26.10.2010 – OVG 10 B 2.10 – juris Rn. 53). Dies setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer vergleichbaren Belastung bei einem vergleichbaren und absehbaren Sachverhalt vorgetragen werden. Nicht ausreichend ist dagegen die vage oder abstrakte Möglichkeit einer Wiederholung (vgl. VGH Mannheim, U.v. 12.2.1990 – 1 S 1646/89 – juris Rn. 20).
Im vorliegenden Fall kann von einer derartigen Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Der Kläger ist laut seiner Klagebegründung vom 30. Januar 2019 der Meinung, dass er keine Veranlassung für den Erlass eines Zweitbescheids gegeben habe. Seinem Vorbringen ist zu entnehmen, dass er auch in Zukunft nicht die Absicht habe, einen anderen Kaminkehrer mit der Durchführung der ihm im Feuerstättenbescheid auferlegten Verpflichtungen zu beauftragen. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger sei entgegen dessen Auffassung verpflichtet, die in den Nrn. 1, 2 und 5 bis 10 des Feuerstättenbescheids vom 3. November 2015 angeordneten laufenden Arbeiten jeweils fristgerecht durchzuführen. Da der Kaminkehrer die Arbeiten am 8. Januar 2019 nur auf Veranlassung des Landratsamts durchgeführt habe, bestehe die Gefahr, dass er sich auch in Zukunft ohne Anordnung des Beklagten weigern werde, die Arbeiten beim Kläger auszuführen. Infolgedessen müsse der Kläger auch in Zukunft mit dem Erlass von Zweitbescheiden und der Androhung von Zwangsmaßnahmen rechnen. Diese Begründung rechtfertigt die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr.
Diese Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Nr. 1 des Zweitbescheides vom 4. Dezember 2018, weil Nr. 1 des Zweitbescheids gem. § 25 Abs. 2 SchfHwG formell und materiell rechtmäßig erlassen wurde.
Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG setzt die zuständige Behörde in einem Zweitbescheid gegenüber dem Eigentümer fest, welche Reinigungen oder Überprüfungen nach den Rechtsverordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 oder wiederkehrende Messungen nach § 15 der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen innerhalb welchen Zeitraums durchzuführen sind. Ein solcher Zweitbescheid muss dann ergehen, wenn dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger bis zum Ablauf der in § 4 Abs. 2 SchfHwG bezeichneten Frist das in § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 SchfHwG erwähnte, vollständig ausgefüllte Formblatt nicht zugegangen ist und innerhalb dieses Zeitraums die Durchführung der im Feuerstättenbescheid festgesetzten Arbeiten auch nicht auf andere Weise nachgewiesen wurde (§ 25 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 SchfHwG). Für den Fall der Nichtvornahme ist die Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen anzudrohen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG).
Diese Voraussetzungen für den Erlass des Zweitbescheids vom 4. Dezember 2018 waren erfüllt. Gemäß dem bestandskräftig gewordenen Feuerstättenbescheid vom 3. November 2015 ist der Kläger verpflichtet, in genau bezeichneten Zeitabständen u.a. die in den Nrn. 1, 2 und 5-10 des Feuerstättenbescheids aufgeführten Arbeiten ausführen zu lassen und die Ausführung innerhalb von 14 Tagen nach dem Tag, bis zu dem die Schornsteinfegerarbeiten gemäß der Festsetzung im Feuerstättenbescheid spätestens durchzuführen waren, nachzuweisen. Diese festgesetzten Arbeiten sind nicht der hoheitlichen Tätigkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers zuzurechnen. Infolgedessen kann ein gesetzlicher Anspruch des Klägers gegenüber dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger auf Durchführung dieser nicht hoheitlichen Arbeiten nicht bestehen. Vielmehr steht es dem Kläger frei, den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger oder einen anderen beliebigen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SchfHwG zulässigen Schornsteinfegerbetrieb mit der Durchführung dieser Arbeiten zu beauftragen. Diese Auftragsvergabe kann mangels hoheitlicher Tätigkeit nur auf rein zivilrechtlicher Basis ohne Kontrahierungszwang seitens des Auftragnehmers erfolgen.
Laut Feststellung des für den Bezirk des klägerischen Anwesens zuständigen Bezirksschornsteinfegers kam der Kläger seinen in den Nrn. 1, 2 und 5-10 des Feuerstättenbescheids festgesetzten Verpflichtungen nicht nach; erst recht wurde die Durchführung der im Feuerstättenbescheid festgesetzten – nicht hoheitlichen – Arbeiten vom Kläger nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 4 Abs. 3 Satz 3 SchfHwG nachgewiesen. Darüber informierte der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger den Beklagten (§ 25 Abs. 1 SchfHwG). Dem Kläger wurde daraufhin vom Beklagten mit Schreiben vom 31. Oktober 2018 nochmals Gelegenheit gegeben, die Arbeiten von einem zugelassenen Schornsteinfegerbetrieb oder dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger durchführen zu lassen. Auch hierauf blieb der Kläger untätig. Damit lagen die Voraussetzungen für den Erlass des Zweitbescheids vor.
c) Ebenso rechtmäßig ist der Kostenlastausspruch in Nr. 3 des Zweitbescheids vom 4. Dezember 2018.
Rechtsgrundlage für die Kostenerhebung ist. Art. 1 Abs. 1 Satz 1, 3, Art. 2, Art. 6 Kostengesetz – KG. Für die Auslagenerhebung gilt Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Kostenerhebung bestehen nicht. Die Kostenerhebung ist auch materiell rechtmäßig.
Kosten können nur für rechtmäßiges Verwaltungshandeln erhoben werden. Dies folgt aus Art. 16 Abs. 5 KG und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG. Wie oben ausgeführt begegnet der Erlass eines Zweitbescheids keinen rechtlichen Bedenken. Die Androhung der Ersatzvornahme für den 8. Januar 2019 in Nr. 2 des Zweitbescheids findet ihre Rechtsgrundlage in § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG. Da § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG ausdrücklich die Ersatzvornahme als zulässiges Zwangsmittel für den Fall der nicht fristgerechten Pflichterfüllung aus dem Feuerstättenbescheid bestimmt, bedarf es hier auch nicht des in Art. 32 VwZVG für die Androhung einer Ersatzvornahme geregelten weitergehenden Erfordernisses, dass eine solche nur zulässig ist, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Art. 36 Abs. 4 VwZVG, der neben § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG Geltung beansprucht, wurde seitens der Behörde beachtet. Nach dieser Bestimmung ist in Fällen, in denen die Handlung durch Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen ausgeführt werden soll, in der Androhung der Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen. § 26 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG und Art. 36 Abs. 4 Satz 2 VwZVG eröffnen der Behörde darüber hinausgehend die Möglichkeit, in der Androhung zu bestimmen, dass dieser Betrag bereits vor der Durchführung der Ersatzvornahme fällig wird. Diesen gesetzlichen Bestimmungen wurde in Nr. 2 des Zweitbescheids des Beklagten vom 4. Dezember 2018 ausreichend Rechnung getragen. Der mit der gesetzlichen Bestimmung in Art. 36 Abs. 4 VwZVG verbundenen Warnfunktion für den Betroffenen ist in ausreichender Weise Genüge getan worden.
Wie ausgeführt hat der Kläger zu 2) den Erlass des Zweitbescheids vom 4. Dezember 2018 selbst durch seine Untätigkeit veranlasst. Er ist deshalb gem. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG verpflichtet, die Kosten des Verwaltungsverfahrens zu tragen. Der Ausspruch zur Kostenpflicht in Nr. 3 des Zweitbescheids erfolgt damit zu Recht.
d) Auch der konkrete Kostenansatz gem. Art. 6 KG i.V.m. Tarifnr. 2.IV.8 Tarifstelle 8 i.V.m. Tarifnr. 1.I.8 Tarifstelle 1 des Kostenverzeichnisses zum KG – BayKVzKG – bleibt nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO unbeanstandet. Die Auslagenerhebung in Höhe von Euro 3,68 begegnet ebenfalls keinen Bedenken.
e) Aus den o.g. Gründen kann die Klage auch hinsichtlich der hilfsweise begehrten Feststellung, dass der Bescheid in Nr. 3 und 4 rechtswidrig gewesen ist, keinen Erfolg haben.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung des Gerichts beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass hinsichtlich des in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO eingestellten Verfahrens über die Kosten gem. § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden war. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten des Verfahrens der Klägerin zu 1) dem Beklagten aufzuerlegen, da diese Klage voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens des Klägers zu 2) bezüglich Nr. 2 des Bescheids vom 4. Dezember 2018 entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger zu 2) aufzuerlegen, da die Klage insoweit unbegründet gewesen wäre. Soweit die Klage im Übrigen abgewiesen wurde, ist der Kläger zu 2) für die Kosten des Verfahrens kostentragungspflichtig. Die sog. „Baumbachsche Formel“ fand Anwendung, siehe hierzu Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 155 Rn. 2)
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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