Aktenzeichen Au 3 K 16.255
BayVwVfG BayVwVfG Art. 36 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Art. 42 S. 1
Leitsatz
Die Beurlaubung für ein Auslandssemester ist nach bayerischem Hochschulrecht eine staatliche Angelegenheit. Richtiger Beklagter in einer Angelegenheit, die die Beurlaubung eines Studierenden betrifft, ist demgemäß der Freistaat Bayern, vertreten durch die Universität. (redaktioneller Leitsatz)
Ein vorläufiger Bescheid über die Beurlaubung in einem Semester, der an die Bedingung geknüpft wird, dass innerhalb einer bestimmten Frist ein Nachweis über den rechtfertigenden Abwesenheitsgrund geführt wird, ist mit erfolglosem Ablauf der Frist unwirksam. Der Anfechtungsklage gegen die Aufhebung dieses Bescheids fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger durch die Aufhebung des Aufhebungsbescheids nicht besser gestellt würde; er ist durch den Aufhebungsbescheid nicht beschwert. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, konnte das Verwaltungsgericht verhandeln und entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen wurde und die Ladung den Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO enthielt.
Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Universität A. vom 21. Januar 2016, mit dem diese ihren Bescheid vom 4. Mai 2015 über die „vorläufige Beurlaubung“ des Klägers im Sommersemester 2015 aufgehoben hat. Entgegen der Angabe in der Rechtsmittelbelehrung des streitgegenständlichen Bescheids ist richtiger Beklagter nicht die Universität als Körperschaft (Art. 11 As. 1 Satz 1 BayHSchG), sondern der Freistaat Bayern, vertreten durch die Universität. Da die Beurlaubung im Bayerischen Hochschulgesetz zwar nicht ausdrücklich als staatliche Angelegenheit bezeichnet wird, aber im Kontext mit Immatrikulation und Exmatrikulation, die nach Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG staatliche Angelegenheiten sind, zu sehen ist (vgl. dazu auch § 51 Satz 1 BayHSchG), muss auch die Beurlaubung den staatlichen Angelegenheiten zugerechnet werden (vgl. Reich, BayHSchG, 5. Aufl. 2007, Art. 48 Rn. 2; so auch VG München, U.v. 29.7.2010 – M 3 K 08.3408 – und VG Würzburg, U.v.19.12.2015 – W 2 K 14.519 – beide juris). Das Verwaltungsgericht hat deshalb das Rubrum der ausdrücklich gegen die Universität A. gerichteten Klage von Amts wegen entsprechend geändert.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der vom Kläger schriftsätzlich gestellte Klageantrag ist bereits unzulässig (1.).
Unabhängig davon ist die Klage jedenfalls unbegründet (2.).
1. Einem isolierten Anfechtungsantrag, gerichtet auf Aufhebung des Bescheids vom 21. Januar 2016, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn bei Klagestattgabe hätte der Kläger keinen rechtlichen oder sonstwie gearteten Vorteil.
Der „Vorläufige Bescheid über die Beurlaubung im Sommersemester 2015“ vom 4. Mai 2015 hat nicht erst durch seine (mit dem streitgegenständlichen Bescheid verfügte) „Aufhebung“ seine Wirksamkeit verloren, sondern wurde bereits mit Ablauf des Sommersemesters 2015, d. h. des 30. September 2015, unwirksam. Denn nach der ausdrücklichen Regelung im Bescheid vom 4. Mai 2015 sollte die Beurlaubung als nicht genehmigt gelten, wenn nicht bis spätestens zum Ende des betreffenden Semesters ein Nachweis des „rechtfertigenden Abwesenheitsgrundes“ in Form einer Immatrikulationsbescheinigung der im Ausland besuchten Hochschule erbracht wurde. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dieser Regelung um eine auflösende Bedingung (Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 BayVwVfG) oder eventuell um eine (mit einer Befristung des vorläufigen Bescheids verbundene) aufschiebende Bedingung (Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 BayVwVfG) handelte, denn jedenfalls wurde der „vorläufige Bescheid“ vom Kläger nicht angefochten und war, da bezüglich der „Bedingung“ Nichtigkeitsgründe nach Art. 44 Abs. 1 oder 2 BayVwVfG nicht ersichtlich sind und klägerseits auch nicht geltend gemacht werden, mit seinem gesamten Inhalt bestandskräftig und wirksam. Da der Kläger bis zum Ende des Sommersemesters 2015 keinerlei Nachweis erbrachte, erwuchs der „Vorläufige Bescheid“ vom 4. Mai 2015 nicht in eine endgültige Beurlaubungsgenehmigung, sondern verlor mit Ablauf des Semesters seine Wirksamkeit. Einer Aufhebung des „Vorläufigen Bescheids“ bedurfte es daher nicht mehr. Die Aufhebung des streitgegenständlichen „Aufhebungsbescheids“ vom 21. Januar 2016 würde somit nicht dazu führen, dass der „Vorläufige Bescheid“ vom 4. Mai 2015 wieder auflebt.
Soweit im angefochtenen Bescheid ausgeführt wird, dass sich der Kläger „im Sommersemester 2015 wieder im 7. Fachsemester“ seines Studiengangs befinde, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit aufgrund eines Schreib- oder Rechenfehlers i. S. d. Art. 42 Satz 1 BayVwVfG, die von der Universität auch mit Schriftsatz vom 9. Juni 2016 berichtigt wurde.
Da der streitgegenständliche Bescheid den Kläger auch kostenmäßig nicht belastet – er enthält weder eine Grundentscheidung über die Tragung von Verwaltungskosten noch die Festsetzung von Verwaltungsgebühren oder Auslagen – ist der Kläger insgesamt nicht beschwert.
Eine (isolierte) Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, von dem keine Beschwer ausgeht, ist jedoch unzulässig.
2. Selbst wenn der Kläger nicht (nur) die Aufhebung des Bescheids vom 21. Januar 2016, sondern auch die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigung des Urlaubsemesters oder zur Neuverbescheidung beantragt hätte, hätte die Klage keinen Erfolg. Sie wäre dann unbegründet, weil er keinen Anspruch darauf hat, dass er für das Sommersemester 2015 beurlaubt oder der Beklagte zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet wird (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG können Studierende von der Hochschule auf Antrag aus wichtigem Grund von der Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen Studium befreit werden (Beurlaubung). Die Universität hat auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Art. 51 Satz 1 BayHSchG in ihrer Immatrikulations-, Rückmelde- und Exmatrikulationssatzung (Immatrikulationssatzung) vom 4. Juli 2012 die erforderlichen Bestimmungen erlassen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 dieser Satzung in der hier einschlägigen Fassung vom 26. November 2014 stellt ein freiwilliges studiengangbezogenes Studium an einer Hochschule im Ausland einen wichtigen Beurlaubungsgrund dar, wenn das Auslandsstudium durch eine Immatrikulationsbescheinigung der ausländischen Hochschule mit Angabe der verbrachten Zeit nachgewiesen wird und ein ordnungsgemäßes Studium über einen längeren Zeitraum, welcher zeitlich mehr als die Hälfte der Vorlesungszeit beträgt, verhindert. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 der Immatrikulationssatzung werden Beurlaubungen jeweils für ein Semester und für die Dauer des gesamten Semesters ausgesprochen.
Der Kläger war jedoch im maßgeblichen Sommersemester 2015 nicht für einen Zeitraum, der mehr als die Hälfte der Vorlesungszeit ausmachte, am Studium an der Universität verhindert. An der Universität A. begann die Vorlesungszeit im Sommersemester 2015 am 10. April 2015 und endete am 18. Juli 2015, sie erstreckte sich damit über mehr als 14 Kalenderwochen. Davon war der Kläger nicht einmal drei Wochen (bis zum 30. April 2015) noch an der Université Michel de Montaigne immatrikuliert. Ab Anfang Mai 2015 war er daher nicht mehr aufgrund des Auslandsstudiums an der Fortsetzung seines Inlandsstudiums gehindert und hätte dieses fortsetzen können. Ein „wichtiger Grund“ i. S. d. Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG lag damit nicht vor. Unerheblich ist es, aus welchem Grund sich das Auslandsstudium kürzer gestaltete als ursprünglich angenommen. Die Voraussetzungen für eine Beurlaubung im Sommersemester 2015 wegen des Auslandsstudiums sind somit offensichtlich nicht erfüllt.
Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Ihm waren die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beurlaubung bekannt; hierauf wurde im Antragsformular, das er eigenhändig unterzeichnet hat, in hervorgehobener Weise (durch Fettdruck) hingewiesen. Darüber hinaus muss von einem Studierenden an einer Hochschule auch erwartet werden, dass er die einschlägigen Satzungsbestimmungen über eine Beurlaubung kennt, wenn er eine solche in Anspruch nehmen will. Wenn sich der Kläger weiter darauf beruft, dass es ihm nach einem im „Vorläufigen Bescheid“ vom 4. Mai 2015 enthaltenen „Hinweis“ nicht möglich gewesen sei, im Sommersemester 2015 an Prüfungen teilzunehmen, muss dies als rechtsmissbräuchliches Verhalten zurückgewiesen werden. Es wäre gerade am Kläger gewesen, das Ende des Auslandsstudiums zeitnah der Universität mitzuteilen. Das wäre auch geboten und möglich gewesen, zumal der „Vorläufige Bescheid“ erst am 4. Mai 2015 und damit erst nach Abschluss des Auslandsstudiums erlassen wurde. Die Hochschule hätte dann jedenfalls die Möglichkeit gehabt, den Kläger darüber aufzuklären, dass die Voraussetzungen einer Beurlaubung für das Sommersemester 2015 nicht erfüllt sind und eine Prüfungsteilnahme möglich ist.
3. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).