Verwaltungsrecht

Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde

Aktenzeichen  M 10 S 16.33635

Datum:
11.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36 Abs. 2
PostG PostG § 5, § 33 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 182 Abs. 2 S. 2, § 418

 

Leitsatz

Die Beweiskraft eine Postzustellungsurkunde über eine Ersatzzustellung erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern auch darauf, dass der Postzusteller unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (BVerfG BeckRS 9998, 48264). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Oktober 2016, denen es folgt, § 77 Abs. 2 AsylG. Der Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung:und Verfahrensakte wurde dem Kläger mit PZU am 14. Oktober 2016 zugestellt.
Der Antragsteller hat am 20. Oktober 2016 Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Oktober 2016 zum Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 16.33634). Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, die Entscheidung sei ohne Rechtsmittelbelehrungübermittelt worden. Es werde Akteneinsicht zur weiteren Begründung beantragt. Bei der Anhörung des Ast. seien Übersetzungsfehler aufgetreten. Der Ast. habe ausgeführt, er sei selbst homosexuell, was im Bescheid nicht berücksichtigt worden sei. Er müsse aber auch Verfolgung befürchten, wenn er nur Bekannter von Homosexuellen wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 10. Oktober 2016 folgt, § 77 Abs. 2 AsylG. Ergänzend wird ausgeführt:
1. Der Ast. hat ausweislich der Postzustellungsurkunde den Bescheid, die Rechtsbehelfsbelehrung:und gem. § 36 Abs. 2 AsylG die Akte erhalten. Gemäß dem – im Verwaltungsprozess anwendbaren (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 30. EL Februar 2016, § 98, Rn. 205) – § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 S. 2 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern auch darauf, dass der Postzusteller unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1991 – 2 BvR 511/89, NJW 1992, 224, 225). Dies gilt nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost auch für Zustellungen der Deutschen Post AG ebenso wie auch privater Lizenznehmer gemäß § 5 des Postgesetzes (PostG), die gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 PostG zur Beurkundung verpflichtet und zu diesem Zweck gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 PostG mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind (vgl. VG Cottbus, Urteil v. 19. Januar 2012 – 6 K 588/11 BeckRS 2012, 48516 m.w.N.; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 30. EL Februar 2016, § 98, Rn. 206). Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Dieser Gegenbeweis erfordert den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt. Gefordert wird dabei der volle Gegenbeweis, d. h. der Beweis der Unrichtigkeit der PZU in der Weise, dass ihre Beweiswirkung vollständig entkräftet wird (vgl. BFH, Beschluss v. 4. Juli 2008 – IV R 78/05 (NV), BeckRS 2008, 25013940 m.w.N.).
Letztlich kann aber dahinstehen, ob der Ast. die Rechtsbehelfsbelehrung:und eine Kopie des Inhalts der Asylakte erhalten hat. Der Eilantrag wurde innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 AsylG gestellt, er wurde auch sachlich begründet.
2. Der Antragsteller hat im Eilverfahren keine maßgeblichen Gründe vorgetragen, die die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Bescheid in Frage stellen könnten. Nicht nachvollziehbar ist der neue Vortrag, der Ast. sei selbst homosexuell. Er hat bei seiner Anhörung beim BAMF am 27. April 2016, die mit einem Dolmetscher für Wolof erfolgte, auf Rückfrage eindeutig erklärt, er sei nicht homosexuell, er habe aber homosexuelle Freunde. Er hat ausgeführt, er sei schon als Homosexueller bezeichnet worden, wohl auch weil er als Friseur gearbeitet habe. Er hat aber keinerlei konkrete Bedrohung oder Verfolgung vorgetragen, lediglich seine Befürchtung, dass ihm etwas geschehen könne.
Die aufgenommene Niederschrift wurde dem Ast. rückübersetzt. Der Ast. hatte auf Rückfrage nichts mehr zu dem Vorgetragenen hinzuzufügen, Verständigungsschwierigkeiten habe es nicht gegeben.
Das Gericht geht deshalb davon aus, dass bei dem Ast. aufgrund seines Vortrags bei seiner Anhörung keine relevanten Asyl-, Flucht- oder Abschiebungsschutzgründe vorliegen. Der neue Vortrag entbehrt der Glaubwürdigkeit.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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