Verwaltungsrecht

Bewertungsrüge betreffend eine Prüfungsaufgabe der Großen Forstlichen Staatsprüfung

Aktenzeichen  W 2 K 17.1106

Datum:
21.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9924
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
APO § 21 Abs. 1, § 27
VwGO § 113 Abs. 5, § 154 Abs. 1, § 167

 

Leitsatz

1. Die Frage, welche Gewichtung einzelnen positiven Ausführungen in der Prüfungsarbeit im Hinblick auf die Gesamtbewertung zukommt, kann das Gericht nicht anstelle der Prüfer vornehmen, sondern es darf sie nur daraufhin überprüfen, ob die Grenzen des Bewertungsspielraums verletzt sind.  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren gebietet keine Festlegung aller Prüfer auf eine „Musterlösung“ oder ein formal einheitliches Bewertungsschema. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Leistungsbewertung ist nur dann sachfremd, wenn sie in keinerlei Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck der Leistungskontrolle in der betreffenden Prüfung steht, was bei einer Mitberücksichtigung der äußeren Form einer Prüfungsarbeit nicht der Fall ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 17. September 2015 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16. März 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die von der Klägerin angegriffene Bewertung der Prüfungsaufgabe 1 mit Note 6 ist rechtlich nicht zu beanstanden; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubewertung dieser Prüfungsaufgabe (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Die von ihr erhobenen Bewertungsrügen greifen nicht durch.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zur gerichtlichen Kontrolle von berufsbezogenen Prüfungsentscheidungen ist den Prüfern ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen, der nur der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auf Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prüfungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres nachvollziehen lassen und die daher mit rein objektiven Maßstäben kaum messbar sind. Der Bewertungsspielraum betrifft dabei vor allem die Punkte- und Notenvergabe, die Bewertung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Schwere einzelner Fehler und die Bestimmung von Stärken und Schwächen einer Prüfungsleistung. Das Gericht kann sich daher nicht an die Stelle der Prüfer setzen, sondern nur überprüfen, ob anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – juris; BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe haben die von der Klägerin erhobenen Bewertungsrügen keinen Erfolg.
1.1. Die Bewertung der Prüfungsaufgabe 1 ist formal ordnungsgemäß erfolgt.
Gemäß § 21 Abs. 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung (APO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 1984 (GVBl. S. 76, BayRS 2030-2-10-F), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. April 2013 (GVBl. S. 222), wurde die Arbeit gesondert von zwei Prüfern selbstständig unter Verwendung der in § 27 APO festgelegten Prüfungsnoten bewertet.
Die Bewertung wurde auch ausreichend begründet. Aus der Begründung einer Prüferbewertung müssen sich die für die Bewertung maßgeblichen Gesichtspunkte erkennbar und nachvollziehbar ergeben, um so den Prüfling in die Lage zu versetzen, Einwände gegen die Benotung wirksam vorzubringen und eine wirksame gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen. Anhand der Begründung der Bewertung muss es für den Prüfling und die Gerichte möglich sein, die grundlegenden Gedanken des Prüfers nachzuvollziehen. Es muss daraus zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, welcher Sachverhalt sowie welche allgemeinen und besonderen Bewertungsmaßstäbe der Prüfer zugrunde gelegt hat und auf welchen fachlichen Annahmen des Prüfers die Benotung beruht (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1992 – 6 C 3/92 – juris).
Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Sowohl der Erst- als auch der Zweitkorrektor haben in ihren Prüfer-Vermerken dargelegt, dass sie die maßgeblichen Mängel der Arbeit der Klägerin darin sehen, dass die Klägerin bei allen drei Teilaufgaben die entscheidenden Probleme nur in Bruchstücken oder überhaupt nicht erkannt habe und vorhandene positive Ansätze viel zu oberflächlich blieben. In ihren Stellungnahmen im Rahmen des Widerspruchsverfahren haben beide Prüfer sodann nochmals ausführlich erläutert, was bei den einzelnen Teilaufgaben jeweils erwartet worden sei, was davon in der Arbeit der Klägerin fehle und wie die drei Teilaufgaben gewichtet worden seien. Aus der Vielzahl der Kritikpunkte ergibt sich dabei hinreichend deutlich und nachvollziehbar, dass die Prüfer den vorhandenen positiven Ansätzen der Arbeit vor dem Hintergrund der zentralen Mängel kein nennenswertes Gewicht bei der Bildung der Gesamtnote beigemessen haben. Die tragenden Gründe für die Notenbildung sind damit erkennbar.
1.2 Es ist auch kein Bewertungsfehler bei der Endbewertung zu erkennen.
Insbesondere gibt es keinen allgemeinen Bewertungsgrundsatz des Inhalts, dass bei Erwähnung positiver Ansätze einer Arbeit automatisch die Vergabe der schlechtesten Note gleichsam gesperrt wäre oder die Note ungenügend nicht vergeben werden darf, wenn nicht auch sämtliche Leistungsteile völlig unbrauchbar sind (OVG Lüneburg, U.v. 24.5.2011 – 2 LB 158/10 – juris).
Einzelne positive Elemente in einer Prüfungsleistung stehen deren Bewertung mit der Note ungenügend nicht entgegen, wenn sie eine nur geringfügige Bedeutung aufweisen und hierdurch der Annahme nicht entgegenstehen, die Prüfungsleistung sei dem Gesamteindruck nach eine völlig unbrauchbare Leistung (BVerwG, B.v. 8.3.2012 – 6 B 36/11 – juris). Dabei ist zu beachten, dass die Frage, welche Gewichtung einzelnen positiven Ausführungen in der Prüfungsarbeit im Hinblick auf die Gesamtbewertung zukommt, in den Bereich der prüfungsspezifischen Wertungen fällt (BVerwG, B.v. 2.6.1998 – 6 B 78/97 – juris; BayVGH, U.v. 3.2.2014 – 7 ZB 13.2221 – juris). Diese Bewertung kann das Gericht nicht anstelle der Prüfer vornehmen, sondern es darf sie nur daraufhin überprüfen, ob die Grenzen des Bewertungsspielraums verletzt sind. Dies lässt sich hier nicht feststellen. Im Hinblick auf die zahlreichen herausgestellten Mängel ist die Bewertung der Arbeit mit Note 6 in sich schlüssig und nachvollziehbar und widerspricht nicht den Anforderungen rationaler Abwägung.
1.3. Ebenso wenig ist das seitens der Klägerin gerügte Fehlen einer „Musterlösung“ oder eines „Punkteschemas“ prüfungsrechtlich zu beanstanden.
Der Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren gebietet keine Festlegung aller Prüfer auf eine „Musterlösung“ oder ein formal einheitliches Bewertungsschema, etwa in der Form eines „Punkteschemas“. Sofern die Prüfungsordnung keine Vorgaben macht und nicht bedingt durch die Art der Aufgabenstellung (z.B. im Antwort-Wahl-Verfahren) ausnahmsweise eine formalisierte Bewertung geboten ist, besteht vielmehr auch diesbezüglich ein Entscheidungsspielraum der Prüfer (BayVGH, U.v. 11.2.1998 – 7 B 96.2162 – juris). Die Bewertung kann im Rahmen der durch die Prüfungsordnung vorzugebenden Bewertungsstufen weitgehend der persönlichen Einschätzung der Prüfer überlassen bleiben, die aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation und ihrer Erfahrung ein wertendes Urteil zu treffen haben. Eine der Chancengleichheit genügende, gleichmäßige Bewertung wird dabei im vorliegenden Fall in erster Linie durch die in § 21 Abs. 1 APO vorgeschriebene selbstständige und gesonderte Bewertung aller schriftlichen Prüfungsarbeiten von zwei Prüfern unter Verwendung der in § 27 APO festgelegten Prüfungsnoten sowie die aus Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG resultierende Pflicht zur Begründung der Bewertung gewährleistet.
1.4. Auch der Hinweis auf den Notendurchschnitt von 4,33 bei der Prüfungsaufgabe kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Ein allgemein schlechtes Prüfungsergebnis lässt für sich allein nicht den Schluss zu, dass die Prüfungsaufgabe falsch, irreführend oder ungeeignet sei oder die Prüfer die zulässigen Anforderungen überschritten hätten (BVerwG, B.v. 18.5.1982 – 1 WB 148/78 – juris).
1.5 Schließlich ist der Klägerin auch nicht darin zu folgen, dass der Erstkorrektor mit dem Hinweis auf die positive äußere Form der Arbeit gegen das Gebot der Sachlichkeit verstoßen habe.
Sachfremd ist eine Leistungsbewertung nur dann, wenn sie in keinerlei Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck der Leistungskontrolle in der betreffenden Prüfung steht, was bei einer Mitberücksichtigung der äußeren Form einer Prüfungsarbeit nicht der Fall ist. Diese muss auch in Fächern des geisteswissenschaftlichen Bereichs, in denen es nicht in besonderem Maße auf äußere Darstellungen ankommt, nicht völlig aus der Bewertung ausscheiden. Es gibt keinen allgemein gültigen Bewertungsgrundsatz, wonach die Einhaltung einer dem Inhalt der Prüfungsleistung angemessenen äußeren Form nicht in die Bewertung mit einfließen dürfte (BayVGH, B.v. 25.11.1987 – 7 C 87.03235 – juris). So ist die Berücksichtigung der äußeren Form in Ziffer 4.4. der durch die Vorsitzenden der Prüfungsausschüsse für forstliche Anstellungsprüfungen herausgegebenen „Hinweise für die Bewertung von Prüfungsaufgaben“ (Stand: Juni 2009) explizit vorgesehen. Die auf dieser Grundlage erfolgte Feststellung des Erstkorrektors ist bei objektiver Betrachtung auch nicht polemisch zu verstehen.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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