Verwaltungsrecht

Chronisch verlaufende Infektion mit dem Hepatitis B Virus begründet für den Senegal kein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis

Aktenzeichen  M 10 S 16.34298

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16 Abs. 4 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 29a Abs. 1, § 36 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Die durch § 29a AsylG normierte widerlegliche Nichtverfolgungsvermutung bezieht sich nicht nur auf die politische Verfolgung iSv § 3 Abs. 1 AsylG, sondern auch auf die subsidiäre Schutzberechtigung. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der ohne Ausweispapiere in das Bundesgebiet eingereiste Antragsteller ist nach eigenen Angaben 1981 geborener Staatsangehöriger der Republik Senegal vom Volk der Wolof und muslimischen Glaubens.
Am 22. Oktober 2015 stellte er einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 22. März 2016 gab der Antragsteller an, er habe sein Heimatland etwa im Oktober 2008 verlassen; er sei über Marokko in die Türkei geflogen und von dort aus nach Griechenland gereist, wo er etwa sechseinhalb Jahre verbracht habe. Schließlich sei er über Mazedonien, Serbien und Ungarn im August 2015 nach Deutschland eingereist.
Zu seinen Fluchtgründen trug der Antragsteller vor, den Senegal aus Angst vor seinem Stiefvater verlassen zu haben, der ihn zwangsweise mit seiner Stiefschwester habe verheiraten wollen.
Nach dem Tod seines leiblichen Vaters sei seine Mutter die Frau dessen älteren Bruders geworden, der der Imam des Dorfes gewesen sei. Der Antragsteller habe die Koranschule besucht und für seinen Stiefvater auf den Äckern gearbeitet. Dann habe der Stiefvater ihn zwingen wollen, seine Stiefschwester zu heiraten. Er habe sich geweigert, weil er eine andere Freundin gehabt habe, mit der er auch ein Kind bekommen habe. Daraufhin sei der Druck des Stiefvaters intensiver geworden. Er habe gedroht, ihn aus dem Haus zu werfen und ihn umzubringen, wenn er die Stiefschwester nicht heirate. Er sei schließlich zu einer Freundin seiner Mutter nach Dakar geflüchtet, aber von dort habe ihn sein Stiefvater mit der Zusage zurückgeholt, dass das Problem erledigt sei. Der Stiefvater habe aber doch nicht aufgehört und es sei zur Eskalation gekommen; er habe den Antragsteller geschlagen.
Der Antragsteller sei wegen des unehelichen Kindes auch von den Brüdern seiner Freundin verprügelt worden. Die Familien seien gegen eine Heirat gewesen. Schließlich habe ihm seine Mutter geraten, das Land zu verlassen. Der Senegal sei ja nicht so groß, das man sich verstecken könne. Er habe keine Hilfe bei der Polizei gesucht, weil man im Senegal ohnehin kein Recht bekomme. Seine Freundin lebe zwischenzeitlich mit einem anderen Mann zusammen. Im Fall seiner Rückkehr müsste er die Stiefschwester heiraten. Solche Zwangsehen seien üblich. Es gebe keine Widerrede.
Seine Familie lebe noch im Senegal. Mit seiner Mutter telefoniere er gelegentlich. Es gehe ihr gut.
Ferner machte der Antragsteller als schutzwürdigen Belang eine Erkrankung an Hepatitis B geltend. Hierzu legte er dem Bundesamt einen positiven Befund des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 10. August 2015 sowie die Ergebnisse einer weiteren Blutuntersuchung durch die Laborgemeinschaft Dr. … mit Arztbrief an den Hausarzt vom 3. Dezember 2015 vor.
Des Weiteren wurde dem Bundesamt im Nachgang zur Anhörung ein Schreiben des Leberzentrums Prof. Dr. … & Dr. …, …, vom 23. März 2016 vorgelegt, wonach in Bezug auf die chronische HBV-Virusinfektion beim Antragsteller die Notwendigkeit einer antiviralen Dauertherapie als sehr wahrscheinlich eingeschätzt wurde, jedenfalls nach den international gültigen Leitlinien aber in sechsmonatigen Abständen Kontrolluntersuchungen (Bestimmung der Viruslast und der Transaminasen, Ultraschalluntersuchung) stattfinden müssten.
Mit Bescheid vom 9. November 2016, laut Aktenvermerk am selben Tag zur Post gegeben (Bl. 99 der Asylakte), lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Asylantrag sowie den Antrag auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab (Ziff. 1, 2 und 3 des Bescheids). Zudem verneinte es Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziff. 4). Gleichzeitig forderte es den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 5). Außerdem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziff. 6); das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 7).
In den Gründen wird ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29 a Abs. 2 AsylG i.V.m. der Anlage II zum AsylG. Von der vom Gesetzgeber in § 29a Abs. 1 AsylG vorgegebenen Offensichtlichkeitsentscheidung könne lediglich in den Fällen abgewichen werden, in denen der Asylbewerber Tatsachen oder Beweismittel angebe, die die Annahme begründeten, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG drohe. Hier habe der Antragsteller nichts vorgetragen, das die Regelvermutung nach § 29a Abs. 2 AsylG entkräften würde. Aus dem Vorbringen des Antragstellers lasse sich keine flüchtlingsrelevante Verfolgung ersehen. Er gebe an, er sei von seinem Stiefvater wegen seiner Weigerung, eine Ehe mit seiner Stiefschwester einzugehen, bedroht worden. Jedoch mangle es den Übergriffen an einer schutzrelevanten Intensität. Der Antragsteller schildere, dass er sich nach seiner Übersiedlung nach Dakar von seinem Stiefvater habe überreden lassen, nach Hause zurückzukehren. Eine konkrete Bedrohung oder Übergriffe im Sinne von Verfolgungshandlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend seien, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellten, seien nicht erkennbar. Das Asylbegehren scheitere auch daran, dass der Antragsteller auf internen Schutz verwiesen werden könne. Ihm sei es nach wie vor möglich, sich den von ihm vorgetragenen bzw. befürchteten Übergriffen seitens der Familie durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil Senegals zu entziehen. Die Inanspruchnahme eines internen Schutzes sei dem Antragsteller auch zumutbar. Unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse sowie der aktuellen Erkenntnislage über die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in Senegal sei ihm eine angemessene Sicherung des Lebensunterhaltes in den verfolgungsfreien Landesteilen grundsätzlich möglich. Aus dem Vorbringen des Antragstellers seien auch keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dass ihm bei Rückkehr in den Senegal ein ernsthafter Schaden drohe. Die im Raum stehende befürchtete Bedrohung durch Dritte sei, wie bereits erläutert, durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil abwendbar.
Die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter lägen nach Ablehnung des internationalen Schutzes ebenfalls offensichtlich nicht vor.
Abschiebungsverbote seien auch nicht gegeben. Insbesondere führten die derzeitigen humanitären Bedingungen im Senegal nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge. Der Antragsteller sei jung und erwerbsfähig. Es sei davon auszugehen, dass er trotz seiner Erkrankung in der Lage sei, sich zumindest das Existenzminimum selbstständig zu erarbeiten. Es drohe dem Antragsteller auch unter Berücksichtigung der Erkrankung keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen würde. Eine erhebliche konkrete Gefahr i. S. von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Sie sei „erheblich“, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verändern würde und ”konkret”, wenn der Asylbewerber alsbald nach seiner Rückkehr in den Abschiebestaat in diese Lage käme, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten der Behandlung seines Leidens angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte. Das Gesundheitswesen Senegals umfasse staatliche, private und konfessionelle Einrichtungen und es existierten gesetzliche Regelungen im Falle von Krankheit, Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Bei der medizinischen Versorgung bestehe ein Gefälle zwischen Dakar und dem übrigen Land. Dem Antragsteller sei es grundsätzlich zumutbar, sich in einen bestimmten Teil des Herkunftslandes zu begeben, in dem für ihn eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet sei.
Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und nach entsprechender Ermessensausübung auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet; Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange seien weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Antragsteller verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären.
Die Wirkung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG trete mit der Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung kraft Gesetzes ein; seine Befristung auf 30 Monate sei im Fall des Antragstellers angemessen.
Am 16. November 2016 hat der Antragsteller persönlich Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2016 zum Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 16.34259); mit Schriftsatz vom 17. November 2016 hat sein nunmehr bestellter Verfahrensbevollmächtigter die Aufhebung des Bescheids sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Anerkennung des Antragstellers als Flüchtling beantragt. Hilfsweise wird die Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach §§ 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend gemacht.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
In seinem Schriftsatz vom 17. November 2016, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat der Bevollmächtigten des Antragstellers zudem nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in den Senegal anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Antrag führt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers aus, das Bundesamt habe entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht näher begründet, warum der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei. Es wäre näher zu belegen gewesen, dass und warum sich die Offensichtlichkeit geradezu aufgedrängt habe.
Im Übrigen werde auf den Sachvortrag des Antragstellers in der Anhörung Bezug genommen.
Die aufschiebende Wirkung sei auch deshalb anzuordnen, weil der Antragsteller an einer chronischen HBV-Infektion leide.
Dem anwaltlichen Schriftsatz lag ein Arztbrief des Leberzentrums Prof. Dr. … & Dr. …, …, vom 26. März 2016 bei. Darin wird beim Antragsteller eine chronische HBV-Infektion diagnostiziert (Viruslast: 2.400 lU/ml, HBe Ag negativ) und zusammenfassend festgestellt, die Transaminasen lägen innerhalb der Norm, der Ultraschallbefund sei unauffällig, die Viruslast sei im Vergleich zum Vorbefund etwas abgesunken. Leitliniengerecht bestehe eine Indikation zur antiviralen Therapie bei einer Viruslast von über 2.000 lU/ml und erhöhten Transaminasen; beim Antragsteller liege ein diskrepanter Befund mit höherer Viruslast, aber normwertigen Transaminasen vor. Es werde zunächst zu einer Kontrolle in sechs Monaten geraten; sollte der aktuelle Befund fortbestehen, wäre zur endgültigen Therapieentscheidung eine Leberbiopsie indiziert, um dem Patienten eine nötige Therapie nicht vorzuenthalten. Sollte die Viruslast weiter absinken unter 2.000 lU/ml, seien zukünftig regelmäßige Kontrollen im Abstand von sechs bis zwölf Monaten erforderlich, um eine mögliche Dynamik der Erkrankung nicht zu übersehen.
Die Antragsgegnerin hat die Asylakten vorgelegt, ohne sich in der Sache zu äußern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch im Verfahren Az. M 10 K 16.34259) sowie der übermittelten Bundesamtsakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag, die gemäß § 75 AsylG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des angegriffenen Bescheids des Bundesamts vom 9. November 2016 nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig; insbesondere wurde er innerhalb der Frist von einer Woche (§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) gestellt.
2. In der Sache bleibt der Antrag jedoch ohne Erfolg.
Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. §§ 29a Abs. 1, 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen vorliegend im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Das Bundesamt hat die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf subsidiären Schutz jeweils zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt; auch die Entscheidung, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, wurde mit der Klage nicht weiter verfolgt.
Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamtes im angegriffenen Bescheid vom 9. November 2016 und nimmt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG hierauf Bezug.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in der Klage- und Antragsbegründung mit Schriftsatz vom 17. November 2016 wird hierzu ergänzend ausgeführt:
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzes jeweils als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29a Abs. 1 AsylG in der Fassung des Art. 6 Nr. 8 Integrationsgesetz – IntG – vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), in Kraft seit 6. August 2016.
Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i.S.d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht.
Der Senegal ist als sicherer Herkunftsstaat eingestuft (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG und Anlage II zu § 29a AsylG). Die Gerichte sind an diese gesetzgeberische Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – juris Rn. 65). Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen die Einstufung des Senegals als sicherer Herkunftsstaat sind nicht ersichtlich.
Der Antragsteller hat die durch § 29a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können.
Den schlüssigen Argumenten des streitgegenständlichen Bescheids hat der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nichts Substanzielles entgegengesetzt. Das Bundesamt geht zu Recht davon aus, dass es der vom Antragsteller vorgetragenen Bedrohung durch seinen Stiefvater bzw. durch die Brüder seiner Freundin einer Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale fehlt. Jedenfalls konnte und kann der Antragsteller innerhalb Senegals internen Schutz gemäß § 3e AsylG erlangen, indem er sich in einem anderen Landesteil, etwa in einer der großen Städte, niederlässt („inländische Fluchtalternative“; vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 14.10.2016 – Stand: August 2016 – Ziff. II.3). Dass er dort aufgespürt werden könnte, erscheint äußerst unwahrscheinlich, zumal es in Senegal kein funktionierendes Melde- und Registrierwesen gibt (vgl. VG Augsburg, B.v. 24.3.2016 – Au 7 S. 16.30245 – juris Rn. 35) und der Antragsteller nach eigenen Angaben schon 2008 sein Herkunftsland verlassen hat (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 – Au 7 K 13.30241 – juris Rn. 30).
Das Bundesamt hat auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Seit der Änderung des § 29a AsylG durch Art. 6 Nr. 8 IntG mit Wirkung ab 6. August 2016 durch die Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 AsylG bezieht sich die widerlegliche Vermutung nicht mehr nur auf die politische Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG, sondern auch auf die subsidiäre Schutzberechtigung. Diese „breitere“ Sicherheitsvermutung entspricht Art. 36 und 37 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, wo ausdrücklich auf die „Anerkennung als Person mit internationalem Schutz“ Bezug genommen wird (vgl. auch Hailbronner, AuslR, Stand April 2016, § 29a AsylG Rn. 20, 21).
Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt nicht die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht. Im Hinblick auf die vorgetragene Befürchtung weiterer Übergriffe durch den Stiefvater sowie die Brüder der Freundin ist der Antragsteller wiederum auf die Möglichkeit des internen Schutzes (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG) zu verweisen.
Schließlich kann auch im Hinblick auf die chronisch verlaufende Infektion des Antragstellers mit dem Hepatitis B Virus nicht von einem krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG ausgegangen werden.
Eine vorhandene Erkrankung kann nach ständiger Rechtsprechung ein Abschiebungshindernis begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sie sich aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen, z.B. auch aus finanziellen Gründen, tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 a.a.O. juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 3.7.2012 a.a.O juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56 m.w.N.).
Diese ständige Rechtsprechung hat nunmehr in der Neufassung des § 60 Abs. 7 AufenthG durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) ausdrücklichen normativen Niederschlag gefunden.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Außerdem liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
Nach diesen Maßgaben ist im Fall des Antragstellers auch unter Berücksichtigung des im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Arztbriefes des Leberzentrums Prof. Dr. … & Dr. …, …, vom 26. März 2026 kein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses gegeben.
Nach aktueller Erkenntnislage (vgl. Lagebericht vom 14.10.2016 Ziff. IV.1) ist das staatliche Gesundheitssystem im Senegal trotz gut ausgebildeter Ärzte insofern unzureichend, als Patienten ihre Medikamente, Operationen und Krankenhausaufenthalte selbst finanzieren müssen. Das Angebot an meist aus Frankreich importierten Medikamenten ist umfassend; allerdings sind die Medikamente, obwohl wesentlich preiswerter als in Europa, für die große Bevölkerungsmehrheit kaum erschwinglich bzw. nicht über einen längeren Zeitraum finanzierbar.
In dem fachärztlichen Bericht vom 26. März 2016 wird im Hinblick auf die chronische HBV-Infektion beim Antragsteller keine konkrete – insbesondere medikamentöse antivirale – (Dauer-) Therapie angeordnet oder vorgeschlagen; vielmehr wird zunächst zu einer Kontrolle vor allem der Viruslast und der Transaminasen in sechs Monaten geraten, von deren Ergebnis weitere Schritte (weitere Kontrollen in 6-12 monatigen Abständen oder ggf. Therapieentscheidungen) abhängig gemacht werden.
Vor diesem Hintergrund scheidet ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis hinsichtlich der chronischen Hepatitis B aus, weil es sich insoweit nicht um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung handelt, die sich im Falle einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
Dem Gericht ist bekannt, dass eine unbehandelte chronische Hepatitis bei 15 bis 30% der Betroffenen im Laufe der Jahre zu einer fortschreitenden Zerstörung der Leber (Leberzirrhose) führt und außerdem ein erhöhtes Risiko besteht, dass sich eine Krebserkrankung der Leber (Leberzellkarzinom) entwickelt (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut – Hrsg.-, Stand November 2015, S. 87 m.w.N., abrufbar unter www.gbe-bund.de). Hierbei handelt es sich aber gerade nicht um Folgen, die alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung eintreten. Es ist auch überhaupt nicht abzusehen, ob im Einzelfall des Antragstellers später einmal derart schwerwiegende Folgen auftreten werden oder ob es langfristig bei einer rein präventiven Beobachtung des chronischen Krankheitsbildes bleibt.
Die von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorausgesetzte erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben liegt daher schon nicht vor (vgl. auch VG München, B.v. 24.3.2016 – M 2 S. 16.30477; B. v. 19.7.2016 – M 2 S7 16.31692 – juris Rn. 12; B.v. 3.11.2016 – M 16 S. 16.33342 – juris Rn. 31). Auf die Frage, ob dem Antragsteller insoweit in Senegal eine hinreichende Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung stünde, kommt es hier mithin nicht an (VG München, B.v. 3.11.2016 a.a.O).
4. Nach alledem sind die nach Maßgabe von §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.v.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung und die gesetzte Ausreisefrist nicht zu beanstanden. Die weiteren Entscheidungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid zu den Einreise- und Aufenthaltsverboten sind im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf die nach § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung nicht zu prüfen.
5. Der Antrag ist daher insgesamt mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
6. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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