Aktenzeichen M 17 S 16.32015
GG GG Art. 16a Abs. 3
AsylG AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 5, § 36 Abs. 4
Leitsatz
Legt ein Asylbewerber trotz Aufforderung kein ärztliches Attest über die Behandlungsnotwendigkeit seines an Parkinson erkrankten Vaters vor, so rechtfertigt die fehlende Mitwirkung die Qualifizierung der Asylabweisung als offensichtlich unbegründet. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Vietnam. Er reiste am … 2014 mit einem Touristenvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … 2015 Asylantrag.
Zur Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … 2016 erschien der Antragsteller unentschuldigt nicht. Das Bundesamt forderte daher seine Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom gleichen Tag auf, die Asylgründe darzulegen, woraufhin angegeben wurde, dass sich der Antragsteller um seinen Vater kümmern müsse, so dass der Termin nicht habe wahrgenommen werden können. Das Bundesamt bat daraufhin bis 1. Juni 2016 um ein ärztliches Attest, in dem die Notwendigkeit vermerkt sei, dass nur der Antragsteller sich um seinen Vater habe kümmern können bzw. um ausführliche Begründung, weshalb er den Termin nicht wahrgenommen habe. Andernfalls wurde eine Entscheidung nach Aktenlage angekündigt. Eine Antwort erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 29. Juli 2016, per Einschreiben am 2. August 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab. Der Antrag auf subsidiären Schutz wurde ebenfalls abgelehnt (Nr. 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Vietnam bzw. in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, so dass aus seinem Verhalten der Schluss zu ziehen sei, dass er offenbar kein Interesse an der Fortführung des Asylverfahrens habe. Sein Asylantrag sei daher nach § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen. Dem Antragsteller drohe auch kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor, insbesondere drohe dem Antragsteller in Vietnam keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigender Behandlung und auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Vietnam führten nicht zu der Annahme, dass bei seiner Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG.
Hiergegen erhob die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 5. August 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, Klage (M 17 K 16.32014) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamts vom 29. Juli 2015 anzuordnen.
Eine Begründung erfolgte bisher nicht.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 29. Juli 2016 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
2.1 Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Antragstellers nicht erkennbar. Vielmehr hat dieser weder dem Bundesamt gegenüber (vgl. §§ 15, 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG) noch in diesem Verfahren bzw. im Verfahren M 17 K 16.32014 seinen Asylantrag begründet. Lediglich der Kriminalpolizei gegenüber gab er an, dass er seinen Vater, der an Parkinson leide und seit 30 Jahren in Deutschland sei, bis zu seinem Tod pflegen möchte. Abgesehen davon, dass nicht belegt wurde, dass der Vater auf die Hilfe des Antragstellers angewiesen ist, begründet dieser Umstand keine Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG oder § 3 AsylG. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2.2 Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Eine weitere Begründung erübrigt sich, da weder der Asylantrag noch die Klage oder der Eilantrag bisher begründet wurden.
2.3 Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.