Verwaltungsrecht

Darlegungsanforderungen an die Verletzung rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 20.31242

Datum:
18.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14746
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
AufenthG§ 60 Abs. 7
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Hat der Kläger ein auf der Erkenntnisliste des Gerichts befindliches Erkenntnismittel selbst zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, kann er sich nicht darauf berufen, das Verwaltungsgericht habe eine Liste der von ihm eingeführten Erkenntnismittel zwar benannt, jedoch nicht der Ladung beigefügt (Rn. 7). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (Rn. 8). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 19.31450 2020-04-24 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 18.30670 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Für die aufgeworfene Frage, „ob es sierra-leonischen Staatsangehörigen, die an einer Hepatitis B-Erkrankung leiden, sich zumindest halbjährlichen Laborkontrollen zur Bestimmung der Viruslast unterwerfen müssen, eine Rückkehr nach S. L. ohne Gefahr einer lebensbedrohlichen Verschlechterung ihrer Erkrankung zugemutet werden kann, da sich eine Viruslastbestimmung auf Grund Fehlens der hierfür notwendigen PZR-Diagnostik in S. L. nicht durchführen lässt und die regelmäßige Kontrolle der Leberfunktion mittels Ultraschall und Labordiagnostik nicht ausreicht, um eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Hepatitis B-Patienten auszuschließen bzw. zu verhindern“, ist schon nicht ausreichend dargelegt, weshalb sie klärungsfähig sein sollte. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wege der Bezugnahme gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. Oktober 2019 als unbegründet abgewiesen. Insbesondere sei der Beklagten darin zuzustimmen, dass der Kläger im Hinblick auf seine Hepatitis B-Erkrankung keine Veränderung im Vergleich zum Erstverfahren vorgetragen oder belegt habe (§ 71 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 VwVfG).
Soweit das Verwaltungsgericht im Urteil noch ausgeführt hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG auch unabhängig davon nicht gegeben seien, weil nach den Auskünften der Botschaft für D. in A. vom 26. September 2017 und 23. Februar 2015 Hepatitis B in S. L. behandelbar sei und Leberwerte zu wahrscheinlich nicht hohen Kosten kontrolliert werden könnten, zudem nach den vorgelegten Attesten unter Berücksichtigung der Anforderungen nach § 60a Abs. 2c AufenthG keine belastbaren Hinweise auf eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung des Klägers gegeben seien oder die Erforderlichkeit einer PCR-Diagnostik belegt sei, tritt der Kläger dem im Übrigen nicht substantiiert entgegen, legt keine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung dar und setzt sich nicht mit den eingeführten Erkenntnismitteln auseinander (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 31.10.2018 – 9 ZB 18.32733 – juris Rn. 13 m.w.N.).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
a) Indem der Kläger dazu ausführt, dass das Verwaltungsgericht eine Liste der von ihm eingeführten Erkenntnismittel im Ladungsschreiben vom 12. März 2020 zwar benannt, jedoch nicht beigefügt habe, wird schon nicht nachvollziehbar dargetan, dass dem geltend gemachten Versäumnis überhaupt Entscheidungserheblichkeit zukommt, nachdem das Verwaltungsgericht sein Urteil auf die Gründe des angefochtenen Bescheids gestützt hat. Darüber hinaus ist das gerügte Versäumnis nicht nachvollziehbar dargelegt. Denn der Kläger hat unmittelbar nach der Ladung mit Schriftsatz vom 16. März 2020 auf die in der Erkenntnismittelliste enthaltene Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik D. in A. an das Bundesamt vom 26. September 2017, die das Verwaltungsgericht zur Frage der Behandelbarkeit von Hepatitis B in S. L. in seinem Urteil anführte, im Zusammenhang mit einem schriftlichen Beweisangebot Bezug genommen. Somit hat er dieses Erkenntnismittel sogar selbst zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Er räumt außerdem ein, dass die weitere Auskunft der Botschaft vom 23. Februar 2015, die der Einschätzung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Möglichkeit von Leberwertkontrollen in S. L. zugrunde lag, vom Verwaltungsgericht nach der Ladung noch gesondert übermittelt wurde.
b) Ein Gehörsverstoß kann auch nicht erfolgreich mit dem Zulassungsvorbringen begründet werden, Ausführungen im Schriftsatz vom 20. April 2020 betreffend einen Bescheid des Bundesamts vom 6. Mai 2013, wonach in S. L. keine Behandlung von Hepatitis B, allein eine regelmäßige Kontrolle der Leberfunktion mittels Ultraschall und Labordiagnostik, aber keine Viruslastbestimmung möglich sei, hätten dem Verwaltungsgericht Anlass geboten, in eine weitere Aufklärung der Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung in S. L. einzutreten und sich nicht auf eine fünf Jahre alte, noch dazu knapp gehaltene Auskunft der deutschen Botschaft in A. zu verlassen. Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht schon keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung oder die Erforderlichkeit von PCR-Diagnostik gesehen hat, vermag die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 8.4.2020 – 9 ZB 20.30821 – juris Rn. 10). Im Hinblick auf das im Schriftsatz vom 16. März 2020 enthaltene Beweisangebot ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nur um die Ankündigung eines Beweisantrages bzw. um eine Beweisanregung handelt, die die Folgen des § 86 Abs. 2 VwGO nicht auszulösen vermag (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 9 ZB 18.33146 – juris Rn. 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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