Verwaltungsrecht

Die allgemein schwierigen Lebensbedingungen der Roma in Serbien begründen kein Abschiebungsverbot

Aktenzeichen  M 17 S 17.30167

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4, § 29a, § 36
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Gegen die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein schwierigen Lebensbedingungen der Roma in Serbien begründen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind serbische Staatsangehörige vom Volke der Roma. Ihre Asylanträge wurden am 16. September 2014 beziehungsweise am 16. Mai 2015 unanfechtbar abgelehnt und die Abschiebung nach Serbien angedroht. Nach eigenen Angaben reisten sie am …. November 2016 erneut über den Landweg über Kroatien, Slowenien und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 7. Dezember 2016 persönlich Anträge auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeverfahren). Zur Begründung trugen die Antragsteller im Rahmen der informatorischen Anhörung am …. Dezember 2016 vor, sie seien aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation aus Serbien ausgereist. Sie hätten ca. 50,– EUR staatliche Hilfen im Monat erhalten. Ihren Lebensunterhalt hätten sie als Müllsammler von Schrott, Altpapier und Pfandflaschen bestritten. 2012 sei eines ihrer Kinder im Alter von sechs Monaten, im September 2016 ein weiteres Kind im Alter von neun Monaten verstorben. Als Frühgeburt habe das zuletzt verstorbene Kind Probleme mit dem Kopf und dem Herzen gehabt. Das serbische Jugend-/Sozialamt habe ihnen die Vernachlässigung ihrer Kinder vorgeworfen und angedroht, ihre zwei weiteren Kinder zu entziehen. Deswegen habe man das Haus aus Erdziegeln, in dem sie gelebt hätten, für 200,– EUR verkauft und sei vor Ablauf der vom Sozialamt gestellten Frist ausgereist.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2016, der laut Empfangsbekenntnis am 30. Dezember 2016 den Antragstellern ausgehändigt wurde, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) (Nr. 4). Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen Staat angedroht, in den die Antragsteller einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorliegend gegeben seien, da es sich um einen neuen Sachvortrag handele, soweit die Antragsteller vortragen, dass ihnen die Kinder vom Sozialamt entzogen werden sollen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen jedoch offensichtlich nicht vor. Die Antragsteller stammten aus Serbien, einem sicheren Herkunftsstaat, so dass vermutet werde, dass sie nicht verfolgt werden, solange sie nicht Tatsachen vortragen, die die Annahme begründen, dass sie entgegen dieser Vermutung verfolgt werden. Die Antragsteller haben nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass, entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat, in ihrem Fall die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Die angedrohte Entziehung der Kinder der Antragsteller durch das serbische Sozialamt sei keine Verfolgungshandlung, sondern erfolge in Wahrnehmung der berechtigten Interessen der Kinder. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, den Antragstellern drohe kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG. Anhaltspunkte dafür, dass die Situation in Serbien derart bedrohend sei, dass alle Angehörigen der Volksgruppe der Roma keine Lebensgrundlage hätten, lägen nicht vor. Die Antragsteller hätten nach eigenem Vortrag staatliche Unterstützung im Heimatland erfahren. Zudem habe der Antragsteller zu 1) auch durch eigene Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt beigetragen. Dabei werde nicht verkannt, dass sich die Antragsteller mutmaßlich in einer schwierigen Situation befänden, es ihnen jedoch frei stehe, Hilfe bei den Sozialbehörden zu suchen, die ja bereits das Angebot der Inobhutnahme für die Kinder gemacht hätten. Wenn sich die Familie dieser Hilfestellung durch Ausreise entziehe, so könne dies nicht dazu führen, dass vorliegend ein Abschiebungsverbot zuerkannt werden könne. Insgesamt sei aus dem Schicksal der Familie nicht ersichtlich, dass diese härtere Umstände zu erdulden hätten, als dies bei anderen Bewohnern des Landes der Fall sei, die in einer vergleichbaren Situation leben. Soweit die Antragstellerin zu 2) vortrage, schwanger zu sein, begründe dies kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise sei im vorliegenden Fall angemessen. Die Antragsteller verfügten im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. In Ausübung des Ermessens werde die Frist entsprechend der üblichen Dauer festgelegt. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall ebenfalls angemessen.
Am 5. Januar 2017 erhoben die Antragsteller zur Niederschrift bei der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München Klage mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes vom 28. Dezember 2016 in Ziffer 1 und in Ziffer 3 bis 6 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Gleichzeitig wurde beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen. In Serbien hätten die Antragsteller kein Haus zum Wohnen. Da die Antragstellerin zu 2) schwanger sei und wegen des Todes ihres anderen Kindes große Probleme habe, benötige sie ärztliche Versorgung. Sie hofften, dass ihr Kind gesund zur Welt komme und keine Krankheit auftrete. Sie hätten bereits zwei Kinder verloren. Eines sei mit einem Herzfehler geboren worden und daran verstorben. Es werde gebeten, den Winter mit ihren zwei Kindern hier verbringen zu können und die Schwangerschaft gesund durchzustehen, da sie in Serbien kein Haus hätten.
Am 3. Januar 2017 übersandte die Antragsgegnerin die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen, insbesondere auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – anzuordnen, ist zulässig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Entsprechend der Gesetzeslage des Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Die Androhung der Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (§ 34 Abs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 1 AsylG). Das Gericht hat daher die Einschätzung des Bundesamts, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Maßgeblich ist dabei, ob sich diese Einschätzung im Ergebnis als tragfähig und rechtmäßig erweist. Darüber hinaus hat das Gericht gemessen am Maßstab der ernstlichen Zweifel auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint hat (vgl. zum Ganzen: Marx, Kommentar zum AsylVfG, 8. Auflage, § 36 Rdnr. 43, 56 f. jew. m. w. N.).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 28. Dezember 2016. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt hat. Den Antragstellern drohen offensichtlich weder im Hinblick auf die allgemeine Situation in Serbien noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 28. Dezember 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland der Antragsteller, Serbien, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG in Anlage II zu § 29 a AsylG). Die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat erfolgte aufgrund des Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31. Oktober 2014, BGBl. I S. 1649 mit Wirkung vom 6. November 2014. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, Rn. 65).
Gegen die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung der deutschen Verwaltungsgerichte, der sich das zu entscheidende Gericht anschließt (vgl. VG Regensburg, B.v. 24.2.2015 – RN 6 S 15.30120 – juris Rn. 18; VG Bayreuth, B.v. 13.2.2015 – B 3 S 15.30041 – juris Rn. 17; VG Berlin U.v. 28.01.2015 – 7 K 546.15 A – juris Rn. 19-32; B. v. 9.12.2014, 7 L 603.14 A – juris; VG Hamburg B.v. 6.3.2015 – 5 AE 270/15 – juris Rn. 4; VG Gelsenkirchen, B.v. 29.1.2015 – 19a L 94/15.A; VG Oldenburg B.v. 9.4.2015 – 7 B 1548/15 – juris Rn. 22; VG Aachen, B.v. 3.2.2015 – 9 L 680/14.A- juris Rn. 9; a. A. VG Münster, Beschl. v. 27.11.2014, 4 L 867/14.A – juris sowie Bader in InfAuslR, 2015, 69 ff.).
Die Antragsteller haben die durch § 29 a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal der Antragsteller gründet. Dabei können sie ihre Furcht vor politischer Verfolgung auch dann auf ein persönliches Verfolgungsschicksal stützen, wenn dieses seine Wurzel in allgemeinen Verhältnissen hat. Die Vermutung ist erst ausgeräumt, wenn die Asylbewerber die Umstände ihrer politischen Verfolgung schlüssig und substantiiert vortragen. Dieser Vortrag muss vor dem Hintergrund der Feststellung des Gesetzgebers, dass in dem jeweiligen Staat im Allgemeinen keine politische Verfolgung stattfindet, der Erkenntnisse der Behörden und Gerichte zu den allgemeinen Verhältnissen des Staates und der Glaubwürdigkeit der Antragsteller glaubhaft sein. Zur Substantiierung trägt insoweit bei, wenn die Asylbewerber die Beweismittel vorlegen oder benennen, die nach den Umständen von ihnen erwartet werden können. Diesen Voraussetzungen wird ein Antragsteller umso schwerer genügen können, je mehr er seine individuelle Verfolgungsfurcht auf allgemeine Verhältnisse gründet, die schon der gesetzlichen Kennzeichnung des Staates als sicherer Herkunftsstaat oder der Aufrechterhaltung dieser Qualifizierung entgegensteht (BVerfG, U.v. 14.05.1996, – 2 BvR 1507/93 und 2 BvR 1508/93 -, BVerfGE 94, 115 ff, juris Rn. 97-99).
Soweit die Antragsteller vortragen, das serbische Sozialamt habe versucht, den Antragstellern zu 1) und 2) ihre Kinder zu entziehen, lässt dies bereits keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Zudem handelt es sich bei der vermeintlich beabsichtigten Inobhutnahme der Kinder der Antragsteller unter Betrachtung der von ihnen selbst geschilderten Umstände nicht um eine Verfolgungshandlung, sondern um die Wahrnehmung deren berechtigter Interessen, um sie vor Verelendung und möglicherweise auch Gefahren für Leib und Leben aufgrund der Umstände in der Familie zu schützen. Bedenkt man, dass bereits zwei Kinder der Familie unter nicht näher nachzuvollziehenden Gründen gestorben sind, ist ein Eingreifen des Sozial- und Jugendamtes nicht nur nachvollziehbar, sondern geradezu geboten. Bei einem behördlichen Verdacht einer Kindeswohlgefährdung aufgrund des Versterbens zweier Kinder haben die Antragsteller als Eltern die Pflicht und Möglichkeit, sich an die staatlichen Behörden zu wenden und zur Aufklärung der Todesumstände beizutragen. Bei der behördlichen Maßnahme der Inobhutnahme der Kinder kann von einem ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren in Serbien ausgegangen werden. Im Übrigen wären die Antragsteller darauf zu verweisen, bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsschutz insoweit nicht gewährt werden würde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt daher auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Den Antragstellern ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 AsylG subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 3c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Aus den oben genannten Gründen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern bei ihrer Rückkehr nach Serbien durch die möglicherweise im Raum stehende Inobhutnahme ihrer Kinder durch das serbische Sozial-/Jugendamt wegen vermeintlicher Kindeswohlgefährdung ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Sie haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, denn die tatbestandliche Voraussetzung eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ist in Serbien nicht gegeben.
Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergäbe, ist nicht ersichtlich.
Die allgemein schwierigen Lebensbedingungen der Roma in Serbien begründen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist dies bei allgemeinen Gefahren grundsätzlich ausgeschlossen. Etwas anderes gilt bei diesen allgemeinen Gefahren im Hinblick auf die wegen Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotene verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift nur bei Vorliegen einer extremen Gefahrenlage, d. h. der Ausländer müsste im Falle der Aufenthaltsbeendigung gleichsam sehenden Auges den sicheren Tod oder schwerste Verletzungen gewärtigen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 12.07.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 ff. – juris). Einer Gefährdung in diesem Sinne wären die Antragsteller in Serbien nicht wegen der allgemeinen Gefahren ausgesetzt. Das Gericht verkennt dabei nicht die noch immer prekäre wirtschaftliche Situation und die schwierigen sozialen Verhältnisse in Serbien. Die Bevölkerungsgruppe der Roma ist in Serbien von einem höheren Armuts- und Arbeitslosigkeitsrisiko betroffen als der übrige Teil der serbischen Bevölkerung. Der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt ist oft aufgrund von sozialen Vorurteilen versperrt, so dass sich viele in der Schwarzarbeit oder aufgrund mangelnder Qualifikation als ungelernte Arbeitskräfte in Fabriken oder als Wertstoffsammler verdingen (vgl. Lagebericht, Seite 13 f.). Auch wenn dies vielfach ein Leben unter schwierigsten Umständen bedeutet, so lässt sich hieraus noch keine extreme Gefahrenlage ableiten. Außerdem hat der Antragsteller zu 1) ausdrücklich bekundet, in Serbien monatliche staatliche Hilfen erhalten zu haben.
Eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG haben die Antragsteller für sich selbst nicht dargetan. Die Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2) (errechneter Entbindungstermin 17. April 2017) stellt kein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Bei einer Schwangerschaft handelt es sich allenfalls um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das die Ausländerbehörde gegebenenfalls bei der Vollstreckung der Abschiebung zu berücksichtigen hat (§ 60 a Abs. 2 AufenthG; vgl. z. B. VG München, U.v. 22.08.2016 – M 17 K 16.31559 – juris; GB v. 12.5.2016 – M 17 K 16.30717; B.v. 22.09.2015 – M 15 S 15.31117 – juris Rn. 17; VG München, B.v. 23.10.2013 – M 24 S 13.31033; VG München, U.v. 15.01.2015 – M 12 K 14.31140 – juris Rn. 45; VG Berlin, B.v. 30.10.2015 – 33 L 305.15 A – juris Rn. 18; hinsichtlich der Luftabschiebung von Schwangeren vgl. BayVGH, B.v. 10.08.2015 – 10 CE 15.1341, 10 C 15.1343 – juris Rn. 8).
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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