Verwaltungsrecht

Dienstliche Beurteilung von Lehrkräften – Verwendungseignung für die Schulaufsicht

Aktenzeichen  B 5 K 15.401

Datum:
13.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 54

 

Leitsatz

1 Die Nichtzuerkennung einer Verwendungseignung für die Schulaufsicht in einer dienstlichen Beurteilung ist rechtmäßig, wenn sie unter Beachtung der Beurteilungsrichtlinien ergeht, hinreichend begründet ist und auf eine ausreichende Erkenntnisgrundlage gestützt wird, zu der auch Unterrichtsbesuche gehören. (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist sachgerecht, wenn für eine Verwendungseignung in der Schulaufsicht besonders die Einzelmerkmale „Führungsverhalten“, „Verantwortungsbewusstsein“ und „Zusammenarbeit“ herangezogen werden. Aus der Tätigkeit als Leiterin eines Studienseminars folgt nicht zwingende die Eignung für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht auf einer höheren Verwaltungsebene mit vielfältigeren Anforderungen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die dienstliche Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 in der Gestalt des Einwendungsschreibens der Regierung von Oberfranken vom 26. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Beurteilung und erneute Beurteilung durch den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO analog).
a) Dienstliche Beurteilungen sind – ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend – von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar. Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist aufgrund der dem Beurteilungsverfahren immanenten Beurteilungsermächtigung darauf beschränkt, zu überprüfen, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zudem zu prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten sind und ob die Richtlinien mit den normativen Regelungen über die dienstliche Beurteilung im Einklang stehen (vgl. BVerfG, B.v. 5.9.2007 – 2 BvR 1855/07; BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8.78 – BVerwGE 60, 245; U.v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – juris Rn. 7).
b) Rechtsgrundlage für die dienstliche Beurteilung der Klägerin waren die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern in der Fassung der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2011, KWMBl. 2011, S. 306 ff. (Beurteilungsrichtlinien), sowie die allgemein für die dienstliche Beurteilung von Beamten des Freistaats Bayern geltenden Bestimmungen der Art. 54 ff. des Leistungslaufbahngesetzes (LlbG) und des Abschnitts 3 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR), soweit sie nicht von den spezielleren Vorschriften für die dienstliche Beurteilung von Lehrkräften verdrängt werden. Gemessen an diesen Grundlagen sowie an den oben dargelegten Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfbarkeit dienstlicher Beurteilungen erweist sich die periodische Beurteilung der Klägerin als rechtmäßig.
c) Die Klägerin begehrt im Hinblick auf die streitgegenständliche Beurteilung die Feststellung der Verwendungseignung für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht. Hinsichtlich einer Rechtswidrigkeit der Beurteilung im Übrigen hat die Klägerseite nichts vorgetragen, es sind insoweit auch keine Anhaltpunkte hierfür ersichtlich. Auch die Nichtzuerkennung einer Verwendungseignung für die Schulaufsicht erweist sich nach den dargestellten Kriterien nicht als rechtswidrig.
aa) Bedenken an der Vereinbarkeit der maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien bestehen nicht, insbesondere auch nicht hinsichtlich des Verzichts auf eine verbale Beschreibung bzw. Begründung der einzelnen Beurteilungsmerkmale (VG Bayreuth, U.v. 6.10.2015 – B 5 K 14.836 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.).
bb) Die Beurteilungsrichtlinien wurden im Streitfall auch eingehalten und korrekt angewandt. Einschlägig ist hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Verwendungseignung der Klägerin Nr. 3 des Abschnitts A der Beurteilungsrichtlinien. Die sich hieraus ergebenden formellen Vorgaben wurden eingehalten. Der Zeuge K. hat außerdem unwidersprochen klargestellt, dass die Formulierung „Übereinkunft der oberfränkischen Schulaufsicht mit der Regierung von Oberfranken“ nicht so zu verstehen ist, dass es – über die Beurteilungsrichtlinien hinaus oder entgegen der Führungskräftestandards in der bayerischen Staatsverwaltung – für Oberfranken verbindliche Vorgaben für die Feststellung der Verwendungseignung für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht gebe (Sitzungsniederschrift vom 11.10.2016, S. 4).
Die Nichtzuerkennung der Verwendungseignung für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht wurde vom Dienstherrn jedenfalls im Einwendungsschreiben der Regierung von Oberfranken vom 26. Mai 2015, das auf die beigefügte ausführliche Stellungnahme vom 18. März 2015 Bezug nahm, ausreichend begründet. Die dienstliche Beurteilung und die Überprüfungsentscheidung bilden insoweit eine Einheit (BVerwG, U.v. 7.6.1984 – 2 C 52/82 – ZBR 1985, 53 ff.). Im Übrigen bestehen grundsätzlich keine Bedenken, dass der Dienstherr, der im Verwaltungsverfahren allgemein gehaltene Werturteile nicht oder nicht ausreichend erläutert, dies noch im Verwaltungsstreitverfahren nachholt. Die Beurteilung selbst bzw. das einzelne vom Beamten angegriffene Werturteil wird durch die nachträgliche Darlegung und Erläuterung der maßgeblichen Erwägungen des Dienstherrn nicht inhaltlich geändert und der Beamte in aller Regel in der Wahrung seiner Rechte nicht beeinträchtigt (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245; U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – BVerwGE 153, 48).
cc) Der Dienstherr konnte sich bei der Beurteilung der Klägerin auf geeignete und hinreichende Erkenntnisgrundlagen stützen, zu denen nach den Beurteilungsrichtlinien in erster Linie die Unterrichtsbesuche zählen (Nr. A 4.1.1). Die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Unterrichtsbesuchs im Jahr 2014 hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erläutert (Sitzungsniederschrift vom 11.10.2016, S. 2). Darüber hinaus hat der Zeuge K. dargelegt, dass ihm im Hinblick auf die Beurteilung der Klägerin eine Mitschrift seines Amtsvorgängers über einen Beratungsbesuch aus dem Jahr 2012, die standardisierte Rückmeldung des Staatlichen Schulamtes … vom 12. September 2014, die Mitteilungen der Leiterin des Sachgebiets 40.1 der Regierung von Oberfranken, die durch die Anwesenheit bei Prüfungen Erkenntnisse über das Potenzial der Seminarrektoren gewinnen konnte, sowie die Rückmeldung des Staatsinstitutes für die Ausbildung von Fachlehrern vom 7. Mai 2014 zur Verfügung standen (Sitzungsniederschrift vom 11.10.2016, S. 4). Damit lag nach Überzeugung des Gerichts eine umfassende und geeignete Grundlage für die Bewertung der Klägerin vor.
dd) Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass bei der Beurteilung allgemein gültige Wertmaßstäbe missachtet worden wären oder dass sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt hätten. Der Zeuge Dr. B. hat nachvollziehbar deutlich gemacht, dass für eine Verwendungseignung für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht besonders die Einzelmerkmale „Führungsverhalten“, „Verantwortungsbewusstsein“ und „Zusammenarbeit“ relevant sind (Sitzungsniederschrift vom 13.12.2016, S. 3). Auch unter Berücksichtigung des Beurteilungsbeitrages des Staatlichen Schulamtes … ergibt sich im Rahmen der Überprüfungsbefugnis des Gerichts nicht, dass danach eine Zuerkennung einer Verwendungseignung für die Schulaufsicht bei der Klägerin zwingend gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als es sich insoweit nur um einen Beurteilungsbeitrag i.S.d. Nr. A 4.6.2 lit. c) der Beurteilungsrichtlinien handelt, der die für die Beurteilung zuständige Regierung nicht bindet. Das Staatliche Schulamt hat in seinem Beitrag außerdem im Ergebnis ebenso keine Verwendungseignung für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht festgestellt. Auch tragen die Beurteilungsaussagen die Feststellung über die dienstliche Verwendungseignung i.S.d. Nr. A 3.1 Satz 2 der Beurteilungsrichtlinien. Denn auch wenn die Klägerin bei ihrer bisherigen Tätigkeit als Leiterin eines Studienseminars im Gesamturteil mit „BG“, also der zweitbesten Stufe bewertet wurde, bedeutet dies angesichts der unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Verwendungen nicht eine zwingende Eignung auch für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht. Dies haben beide Zeugen überzeugend dargelegt (Sitzungsniederschrift vom 11.10.2016, S. 4 und Sitzungsniederschrift vom 13.12.2016, S. 3). Ebenso ergibt sich aus der Tätigkeit als Leiterin eines Studienseminars keine zwingende Eignung für eine Tätigkeit in der Schulaufsicht auf einer höheren Verwaltungsebene mit vielfältigeren Anforderungen. Hierauf hat auch das StMBW im Schreiben vom 23. April 2015 zu Recht hingewiesen.
Der Zeuge Dr. B. hat außerdem glaubhaft dargestellt, dass er als Beurteilender zwar selbst keinen unmittelbaren Eindruck von der Klägerin hatte, aber den Beurteilungsentwurf des Sachgebietes 40.1 der Regierung von Oberfranken auf seine Plausibilität hin überprüft hat und den Einzelfall mit seinen Mitarbeitern besprochen hat (Sitzungsniederschrift vom 13.12.2016, S. 3). Dies deckt sich mit der Schilderung des Beurteilungsverfahrens durch den Zeugen K. (Sitzungsniederschrift vom 11.10.2016, S. 5). Es ist grundsätzlich dem Beurteiler überlassen, in welcher Weise er sich die erforderlichen Kenntnisse über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des zu beurteilenden Beamten verschafft. Diese müssen nicht notwendigerweise auf persönlichen Eindrücken beruhen. Er kann sich die erforderlichen Kenntnisse neben eigener, unmittelbarer Beobachtung auch durch Vorlage schriftlicher Arbeiten des Beamten, mündlicher oder schriftlicher Auskünfte des Vorgesetzten des jeweiligen Beamten, Arbeitsplatzbeschreibungen usw. verschaffen (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245; BayVGH, U.v. 21.7.1982 – 3 B 81 A.2694 – ZBR 1982, 375). In den Beurteilungsrichtlinien kann näheres zu den Beurteilungsbeiträgen geregelt werden. Abschnitt 3, Nr. 11.1 Satz 3 VV-BeamtR sieht insoweit vor, dass unmittelbare Vorgesetzte des zu beurteilenden Beamten mit der Erstellung eines Beurteilungsentwurfs beauftragt werden sollen. Dem entspricht das hier gewählte Vorgehen des Dienstherrn. Bei der von den Zeugen übereinstimmend geschilderten Vorgehensweise ist auch gewährleistet, dass der für die Beurteilung Zuständige nicht lediglich den vorgelegten Beurteilungsentwurf übernimmt und unterzeichnet, sondern eine eigene Entscheidung trifft.
ee) Auch im Übrigen sind keine Verstöße gegen Verfahrensvorschriften oder sonstige Vorgaben bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung ersichtlich. Die Beurteilung wurde gemäß Nr. A. 4.6.2 lit. c) der Beurteilungsrichtlinien von der Regierung unter Einholung eines Beitrags des Staatlichen Schulamtes erstellt. Gegen die Beurteilung ließ die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 5. März 2015 Einwendungen erheben. Die Einwendungen wurden dem nach Art. 60 Abs. 2 Satz 1 LlbG zuständigen StMBW mit einer Stellungnahme der Regierung von Oberfranken nach Nr. A 4.9 der Beurteilungsrichtlinien zur Überprüfung vorgelegt. Die Einwendungen der Klägerin wurden mit Schreiben des StMBW vom 23. April 2015 zurückgewiesen, dies hat die Regierung von Oberfranken der Klägerin mit Schreiben vom 26. Mai 2016 mitgeteilt.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

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