Aktenzeichen Au 3 S 17.50239
GRCh GRCh Art. 3, Art. 4
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
Leitsatz
In sogenannten Dublin-Verfahren hat keine Prüfung der für den Fall einer Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus zu erwartenden Lebensumstände zu erfolgen (entgegen VGH BW, B.v. 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris Rn. 25). (Rn. 12)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 13. Juni 2017 bei der Außenstelle … des Bundesamts einen Asylantrag. Nachdem eine Eurodac-Abfrage ergeben hatte, dass der Antragsteller bereits am 8. Mai 2017 in Italien erkennungsdienstlich erfasst worden war, richtete das Bundesamt am 11. Juli 2017 ein Aufnahmegesuch an Italien. Eine Antwort erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 13. September 2017, zugestellt am 15. September 2017, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Italiens, ordnete die Abschiebung nach Italien an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Am 20. September 2017 erhob der Antragsteller Klage und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid seien in dem italienischen Asyl- und Aufnahmesystem sehr wohl systemische Mängel gegeben. Es bestünden weiterhin erhebliche Mängel des Aufnahmeverfahrens, insbesondere im Hinblick auf die extrem hohe Zahl der über das Mittelmeer in Italien ankommenden Flüchtlinge. Selbst wenn man die Bedingungen während des Asylverfahrens für junge gesunde Männer in Italien grundsätzlich als menschenrechtlich noch akzeptabel ansehe, bestünden auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg Anhaltspunkte dafür, dass die in Italien herrschenden Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte noch schlechter seien als für Asylbewerber. Sollten die Bedingungen im Anschluss an ein positives Asylverfahren nicht den menschen- und grundrechtlichen Standards von Art. 3 EMRK bzw. Art. 3 GRCh entsprechen, stehe diese absehbare Rechtsverletzung bereits der Überstellung eines Asylsuchenden entgegen, die der Durchführung eben jenes Asylverfahrens diene. Deshalb habe der VGH Baden-Württemberg dem Europäischen Gerichtshof einige Fragen zur Zulässigkeit von Dublin-Überstellungen nach Italien vorgelegt. Auch dies begründe den Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet. Da die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Interesse an der alsbaldigen Überstellung des Antragstellers nach Italien sein gegenläufiges Interesse an einem weiteren Verbleib in Deutschland.
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung nach Italien rechtmäßig. Nach dieser Bestimmung ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, wenn der Ausländer in diesen Staat abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Da Italien das Aufnahmegesuch des Bundesamts vom 11. Juli 2017 nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten beantwortet hat, ist es verpflichtet, den Antragsteller aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für seine Ankunft zu treffen (vgl. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO). Die kraft der Verordnung fingierte Zustimmung Italiens zur Aufnahme des Antragstellers entfaltet konstitutive Wirkung (vgl. BayVGH, U.v. 21.5.2015 – 14 B 12.30323 – BayVBl 2015, 682 zur Dublin II-VO).
Systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen, die für Asylbewerber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn des Art. 4 EU-Grundrechte-Charta mit sich bringen würden, gibt es in Italien nicht (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 5 f.; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris Rn. 65 ff. m.w.N.; U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris Rn. 72 ff.; VG München, B.v. 6.7.2017 – M 9 S. 16.51285 – juris Rn. 27 ff.). Da in den letzten Monaten deutlich weniger Flüchtlinge und Migranten über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, dürften sich die dortigen Aufnahmebedingungen zuletzt sogar verbessert haben.
Das Gericht teilt nicht die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof vertretene Auffassung, dass in sogenannten Dublin-Verfahren auch eine Prüfung der für den Fall einer Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus zu erwartenden Lebensumstände zu erfolgen hat (vgl. VGH BW, B.v. 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris Rn. 25). Dies sieht die Dublin III-Verordnung nicht vor (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Auch der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gebietet einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz nicht. Vielmehr ist es einem Asylbewerber zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens in dem für ihn zuständigen Mitgliedstaat abzuwarten und gegebenenfalls den dort garantierten Rechtsschutz durch die zuständigen Gerichte in Anspruch zu nehmen, falls nach Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus die Lebensbedingungen menschenrechtlichen Mindeststandards nicht genügen sollten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Sinn und Zweck des Dublin-Verfahrens widersprechen würde, von dem für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens an sich nicht zuständigen Mitgliedstaat eine wenn auch nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten zu verlangen. Eine Prognose der Erfolgsaussichten des in einem anderen Mitgliedstaat durchzuführenden Asylverfahrens wird zudem in der Regel mit großen Unsicherheiten belastet sein und einen zusätzlichen Ermittlungsaufwand erfordern, der für die angestrebte beschleunigte Bearbeitung der Asylanträge kontraproduktiv ist. In Dublin-Verfahren auf die Lebensumstände im Fall der Gewährung eines internationalen Schutzstatus abzustellen, ist zudem deshalb nicht sachgerecht, weil auch ungewiss ist, ob und wie sich die allgemeinen Lebensbedingungen für diesen Personenkreis im Lauf des sich unter Umständen jahrelang hinziehenden Asylverfahrens des Antragstellers verändern. Eine Prognose über die Lebensumstände, die der Antragsteller für den Fall einer Zuerkennung internationalen Schutzes in Italien zu erwarten hätte, wäre folglich mit zahlreichen Unwägbarkeiten befrachtet und weitgehend spekulativ.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind hinsichtlich Italiens nicht ersichtlich. Die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote bezieht sich in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat. Eine Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf das Herkunftsland ergäbe im Fall der beabsichtigten Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat keinen Sinn. Die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote kann in diesen Fällen nicht das Herkunftsland, sondern nur den sonstigen Drittstaat betreffen, in den die Rückführung allein in Betracht kommt (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9.16 – m.w.N.). Das Bundesamt hat daher zu Recht darauf abgestellt, ob zugunsten des Antragstellers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Italiens besteht. Dies wurde zutreffend verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).