Aktenzeichen RO 5 K 19.816
VwGO § 84 Abs. 1
ZPO § 177
GG Art. 2 Abs. 1
Leitsatz
1. Eine mögliche fehlende Zustellung nach Art. 36 Abs. 7 S. 2 VwZVG steht der Wirksamkeit des Grundbescheids nicht entgegen, da sich das zwingende Zustellungserfordernis der Zwangsgeldandrohung nicht auf diese Handlungsanordnungen erstreckt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die erneute Androhung eines Zwangsgeldes ist zulässig, wenn die erste Androhung erfolglos geblieben ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Entscheidung mittels Gerichtsbescheid ist gem. § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Das Verfahren weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Mit Schreiben vom 24.10.2019 hat das Gericht die Parteien zu der beabsichtigten Entscheidung mittels Gerichtsbescheid angehört.
II.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Als Adressat des streitgegenständlichen, belastenden Bescheides ist der Kläger wegen einer möglichen Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.
2. Die isolierte Zwangsgeldandrohung ist allerdings formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Der Bescheid vom 15.03.2019 kann nur insoweit angefochten werden, als durch ihn selbst eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, Art. 38 Abs. 1 S. 3 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Der Kläger wendet sich in seinem Klageantrag ausdrücklich gegen den Bescheid vom 15.03.2019. Der Grundbescheid vom 06.09.2018 ist – jedenfalls bezüglich der Handlungsanordnung in Ziffer 1.1 bis 1.3 – bereits bestandskräftig. Eine Anfechtung mit ordentlichen Rechtsmitteln ist nicht länger möglich.
Der Grundbescheid ist insbesondere bezüglich der Handlungsanordnung in Ziffer 1.1 bis 1.3 wirksam geworden. Mit Bezug auf die Ziffern 1.1 bis 1.3 steht eine mögliche fehlende Zustellung nach Art. 36 Abs. 7 S. 2 VwZVG der Wirksamkeit nicht entgegen, da sich das zwingende Zustellungserfordernis der Zwangsgeldandrohung nicht auf diese Handlungsanordnungen erstreckt. Unabhängig von einem Formerfordernis wäre der Zustellungsmangel ferner nach Art. 9 VwZVG geheilt. Zustellungswille des Gewerbeaufsichtsamtes sowie die tatsächliche Kenntnisnahme des Klägers von dem Bescheid sind gegeben. Auch wenn keine Zustellurkunde in der Behördenakte enthalten ist, so geht aus der Angabe der Postzustellungsurkunde in den Auslagen der Kostenrechnung hervor, dass das Gewerbeaufsichtsamt jedenfalls über einen Zustellungswillen verfügte und nicht beabsichtigte, den Bescheid formlos bekanntzugeben (vgl. VG München, Urteil vom 19.05.2016 – M 12 K 16.299 Beck RS 2016, 48591). Der Grundbescheid ist dem Kläger auch tatsächlich zugegangen, die entsprechende Kostenrechnung wurde jedenfalls laut Aktenvermerk bezahlt.
a) Rechtsgrundlagen des Zwangsgeldbescheides sind die Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr.1, 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr.1, 30 Abs. 1 S.1, 31, 36 VwZVG.
b) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Als anordnende Behörde ist das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung der Oberpfalz für die Vollstreckung des Grundbescheides vom 06.09.2018 gem. Art.30 Abs. 1 S.1 VwZVG zuständig. Eine Anhörung vor Erlass der Zwangsgeldandrohung war gem. Art.28 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) entbehrlich. Der Bescheid wurde gem. Art. 36 Abs. 7 S.1, Art.2 Abs. 1, Art.3 VwZVG i.V.m. § 177 Zivilprozessordnung (ZPO) dem Kläger am 26.03.2019 zugestellt.
c) Daneben ist der Bescheid auch materiell rechtmäßig.
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben. Der Bescheid ordnet die Vornahme einer Handlung an, ferner ist er wirksam und vollstreckbar. Vollstreckungshindernisse sind nicht ersichtlich.
(1) Bei dem Grundbescheid vom 06.09.2018 handelt es sich in den Ziffern 1.1 bis 1.3 um einen Verwaltungsakt, der ein Handeln des Klägers anordnet, Art. 18, 29 Abs. 1 VwZVG. Er verpflichtet ihn dazu, die in diesem Bescheid angeordneten Wartungs- und Reparaturarbeiten an dem Aufzug in dem Anwesen …, … durchzuführen. Der Grundbescheid vom 06.09.2018 ist ferner vollstreckbar, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG. Er ist bestandskräftig und kann nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden.
(2) Die Verpflichtung des Grundbescheides ist erfüllbar. Der Kläger ist objektiv in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Bescheid zu erfüllen. An dieser Beurteilung ändert auch der Vortrag des Klägers, dass der von ihm beauftragte Techniker aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, sich mit der Reparatur zu befassen, nichts. Es fällt in den Verantwortungsbereich des Klägers als Betreiber des Aufzuges, dessen Reparatur zu veranlassen. Die krankheitsbedingte fehlende Verfügbarkeit des favorisierten Mechanikers ändert nichts an der grundsätzlichen objektiven Möglichkeit der Reparatur.
(3) Der Kläger hat die ihm auferlegte Verhaltenspflicht bisher nicht erfüllt. Der Kläger hat die ihm im Grundbescheid vom 06.09.2018 gesetzten Fristen bis 15.10.2018 zur Behebung der Mängel, bis 01.11.2018 zur Prüfung durch die Überwachungsstelle und bis 15.11.2018 für die Übersendung der Bescheinigung jedenfalls nicht vollständig erfüllt, Art.19 Abs. 2 VwZVG. Laut Schreiben des TÜV Süd vom 06.02.2019 wurde die Nachprüfung bzgl. des klägerischen Anwesens …, … nicht durchgeführt. Auch ist bis Bescheidserlass bei dem Gewerbeaufsichtsamt keine Bescheinigung über die Durchführung der Arbeiten eingegangen.
bb) Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 29 ff. VwZVG sind ebenfalls gegeben.
Die erneute Androhung eines Zwangsgeldes war zulässig, Art. 36 Abs. 6 S. 2 VwZVG. Die Androhung des Zwangsgeldes durch den Grundbescheid vom 06.09.2018 ist erfolglos geblieben. Es ist nicht notwendig, dass das Zwangsmittel angewendet wird, also das Zwangsgeld beigetrieben wird (VG München, Urteil vom 20.01.2010 – M 7 K 9.4927, BeckRS 2010, 143944, Rn. 17). Der Kläger hat die Reparaturarbeiten nicht innerhalb der ihm in diesem Bescheid gesetzten Frist durchgeführt.
Gem. Art. 37 Abs. 1 S. 2 VwZVG kann ein Zwangsgeld so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (VG München, Urteil vom 20.01.2010 – M 7 K 9.4927, BeckRS 2010, 143944, Rn. 18). Auch im Hinblick darauf, dass es sich erst um das zweite Zwangsgeld gegen den Kläger handelt, ist die erneute Festsetzung zulässig.
cc) Ermessensfehler bezüglich der Höhe des Zwangsgeldes von 500,00 EUR sind nicht ersichtlich. Der zulässige Rahmen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes beträgt mindestens 15,00 und maximal 15.000,00 EUR, Art. 31 Abs. 2 S. 1 VwZVG. Auch die erneute Fristsetzung von zwei Monaten lässt keine Ermessensfehler erkennen.
3. Die Kostenentscheidung in Ziffer 2 des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlagen sind die Art. 1, 2 Abs. 1 S. 1, 6 und 10 des Bayerischen Kostengesetztes (KG).
Als Veranlasser des Zwangsgeldbescheides ist der Kläger der richtige Kostenschuldner, Art. 2 Abs. 1 S. 1 KG. Die Gebührenhöhe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 KG in Verbindung mit Tarif-Nr. 1.I.8/1 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetzes beträgt der Gebührenrahmen für die Androhung von Zwangsmitteln nach Art. 36 VwZVG, die nicht mit dem Verwaltungsakt verbunden ist und durch die eine Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird, 12,50 bis 150,00 EUR. Mit 66,00 EUR befindet sich diese noch im unteren Bereich des Kostenrahmens. Die Auslagenhöhe von 2,76 EUR begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.