Aktenzeichen 10 C 18.1179
Leitsatz
1 Eine auf § 31 Abs. 1 iVm Abs. 2 AufenthG gestützte Aufenthaltserlaubnis kommt nur als Verlängerung einer bereits erteilten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis in Betracht und entsteht erst mit deren Ablauf. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ist grundsätzlich möglich, wenn der Antragsteller hieran ein schutzwürdiges Interesse hat; ein solches liegt vor, wenn es für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung erheblich sein kann, von welchem Zeitpunkt an er den begehrten Aufenthaltstitel besitzt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 1 K 18.113 2018-05-15 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, ihm für seine beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg anhängige Klage Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm seinen Rechtsanwalt beizuordnen. Die Klage richtet sich auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife hatte die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass eine isoliert auf § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG gestützte Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nicht mehr erteilt werden kann. Denn eine solche auf ein Jahr begrenzte Aufenthaltserlaubnis kommt nur als Verlängerung einer bereits erteilten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis in Betracht und entsteht erst mit deren Ablauf (BVerwG, U.v. 10.12.2013 – 1 C 1.13 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 1 C 5.10 – juris Rn. 13 f.). Im vorliegenden Fall war die Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG am 17. Juni 2014 mit einer Gültigkeitsdauer bis 16. Juni 2015 erteilt worden. Da der Bescheid vom 25. August 2014, mit dem die Gültigkeitsdauer auf den Tag der Bescheidszustellung (27. August 2014) verkürzt worden war, am 21. November 2017 (insoweit ersatzlos) aufgehoben worden ist, verbleibt es bei der ursprünglichen Gültigkeitsdauer. Eine auf § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG gestützte Aufenthaltserlaubnis könnte daher nur mit einer Gültigkeitsdauer vom 17. Juni 2015 bis zum 16. Juni 2016 erteilt werden.
Allerdings ist die (rückwirkende) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum grundsätzlich möglich, wenn der Antragsteller hieran ein schutzwürdiges Interesse hat; ein solches liegt vor, wenn es für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung erheblich sein kann, von welchem Zeitpunkt an er den begehrten Aufenthaltstitel besitzt (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 22.17 – juris Rn. 10 f.; BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 7.08 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 29.9.1998 – 1 C 14.97 – juris Rn. 15 ff.). Insoweit kann das vom Kläger erstrebte Klageziel aufgrund der Darlegungen in der Klagebegründung – trotz des Wortlauts des Klageantrags – sachgerecht auch dahin ausgelegt werden, dass er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG für den Zeitraum vom 17. Juni 2015 bis zum 16. Juni 2016 nur als „Anknüpfungspunkt“ für weitere Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG – bis zum jetzigen Zeitpunkt – anstrebt; dies hat er so auch in der Beschwerdebegründung dargelegt.
Aber auch im Fall eines im dargelegten Sinn schutzwürdigen Interesses auf Seiten des Klägers ist derzeit und war auch bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger damit seine gegenwärtige aufenthaltsrechtliche Situation verbessern könnte.
a) Zum einen ist schon nicht erkennbar, ob bei Ablauf der ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis am 16. Juni 2015 eine sich aus dem Wohl eines mit dem Kläger in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes ergebende besondere Härte im Sinn von § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 AufenthG vorgelegen hat. Denn es ist weder substantiiert vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, dass der Kläger seinerzeit mit einem oder mehreren seiner Kinder in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt hat.
Insoweit stellt sich die Sachlage mittlerweile anders dar als zum Zeitpunkt des Beschlusses des Senats vom 12. Oktober 2017 (10 C 16.1584) im vorangegangenen Verfahren. Damals war wegen des erst später – am 21. November 2017 – aufgehobenen bestandskräftigen Bescheids vom 25. August 2014 vom einem Ablauf des ehebezogenen Aufenthaltstitels am 27. August 2014 auszugehen, als die häusliche Gemeinschaft des Klägers mit seiner Familie erst kurz zuvor beendet worden war und glaubhaft eine trotzdem fortdauernde enge Beziehung des Klägers zu seinen Kindern vorgetragen wurde.
Wie sich aus den Behördenakten ergibt, war die Ehefrau des Klägers mit den beiden jüngeren Kindern jedenfalls im Januar 2015 bereits in Bochum wohnhaft; eine enge familiäre Beziehung zu den Kindern kann für diese Zeit nicht nachvollzogen werden. Erst in dem Schreiben vom 2. Februar 2016 ließ der Kläger vortragen, er besuche die Kinder einmal im Monat, zuletzt am 23. Januar 2016, ohne dies jedoch zu belegen. Auch im späteren Verfahren hat er – trotz Aufforderung der Ausländerbehörde im Schreiben vom 24. November 2017 – keine Belege zur Glaubhaftmachung seines Vortrags beigebracht. Die vorgelegten Fahrkarten stammen vom Dezember 2017, die Fotos, die ihn mit seinen Kindern zeigen, nach seinen Angaben vom Sommer und Herbst 2017. Die auf die Situation im Jahr 2017 bezogenen Schilderungen geben nichts dafür her, ob für Juni 2015 eine familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern anzunehmen ist. Damit fehlt es bereits an einem Anknüpfungspunkt für eine sich aus dem Wohl der Kinder ergebende besondere Härte.
b) Unabhängig hiervon kann außerdem nicht davon ausgegangen werden, dass eine ab dem 17. Juni 2015 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG nach ihrem Ablauf am 16. Juni 2016 gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG verlängert worden wäre.
Denn die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht nur der erstmaligen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG nicht entgegen (§ 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Bei jeder weiteren Verlängerung nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gelten jedoch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG (BayVGH, B.v. 7.8.2019 – 10 C 19.1351 – Rn. 4). Daher muss gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel der Lebensunterhalt gesichert sein (§ 2 Abs. 3 AufenthG).
Soweit aus den Akten hervorgeht, war der Kläger noch nie erwerbstätig, sondern bezieht seit mehreren Jahren Leistungen nach SBG II. Es ist auch nicht ausnahmsweise von der Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts abzusehen, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass in der Person des Klägers ein atypischer Fall vorliegt, der so weit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder den grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar wäre (siehe Maor in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand 1.5.2019, § 5 Rn. 20). Der Kläger wäre hierfür auch darlegungspflichtig (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Ferner steht die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde. Derzeit ist jedenfalls kein Überwiegen von zugunsten des Klägers sprechenden Ermessensgesichtspunkten ersichtlich.
Kann derzeit nicht festgestellt werden, dass der Kläger durch die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG für den Zeitraum vom 17. Juni 2015 bis zum 16. Juni 2016 seine gegenwärtige aufenthaltsrechtliche Situation verbessern kann, besteht auch kein schutzwürdiges Interesse für die rückwirkende Erteilung. Die Klage hat keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).