Aktenzeichen M 5 K 16.3010
LlbG Art. 16 Abs. 1 S. 4
VwGO § 113 Abs. 5
BV Art. 94 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
Die für eine Beförderung erforderliche Eignungseinschätzung kann grundsätzlich nur aufgrund aktueller dienstlicher Beurteilungen erfolgen; Leistungseinschätzungen sind keine ausreichende Grundlage, sie erfüllen weder formell noch materiell die Anforderungen, die an eine dienstliche Beurteilung gestellt werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 7. Januar 2016 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 31. August 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Ablehnung des klägerischen Beförderungsbegehrens mit Bescheid vom 7. Januar 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
1. Einen Rechtsanspruch auf Beförderung hat der Kläger nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das von dem Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Der Kläger hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den höherwertigen Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 16 Abs. 1 LlbG normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Beförderungsentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194). Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Beförderungsbewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung des Leistungsgrundsatzes (BVerwG, U.v. 25.8.1988 – a.a.O.; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung. Der abgelehnte Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Beförderung möglich erscheint (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – a.a.O.). Diese Grundsätze gelten nicht nur bei der Konkurrenz mehrerer Beamter um eine Beförderungsstelle, sondern auch bei (konkurrenzlosen) Beförderungen im Zusammenhang mit einer (allgemeinen) Stellenhebung (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2012 – 3 CE 11.1690 – juris 27 ff.; B.v. 25.8.2017 – 6 CE 17.1550 – juris Rn. 11 ff.).
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind – ebenso wie bei der Beförderungskonkurrenz mehrerer Beamter – in erster Linie auf aktuelle dienstlichen Beurteilungen (ggf. Zwischen- oder Anlassbeurteilungen) zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, ob der Beamte die Anforderungen der Beförderungsstelle voraussichtlich erfüllen wird (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LlbG; siehe auch BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris). Darüber hinaus bieten nur dienstliche Beurteilungen aufgrund der formalisierten Beteiligung weiterer Stellen – bspw. der Schwerbehindertenvertretung gem. Nr. 3.3 der Beurteilungsrichtlinien der Beklagten (Stand Januar 2016) – die Gewähr einer hinreichenden Berücksichtigung der individuellen Situation des Beurteilten und aufgrund der Beurteilungszuständigkeit des Behördenleiters gem. Art. 60 Abs. 1 LlbG die Gewähr eines behördenweit einheitlichen Beurteilungsmaßstabs.
3. Diesen Anforderungen wird der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid nicht gerecht. Denn er basiert (lediglich) auf den Leistungseinschätzungen der unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, die weder formell noch materiell die Qualität einer dienstlichen Beurteilung aufweisen. Die für eine Beförderung erforderliche Eignungseinschätzung kann aber grundsätzlich nur aufgrund (aktueller) dienstlicher Beurteilungen erfolgen, vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LlbG. Die hier als Grundlage der Entscheidung über die Beförderung herangezogenen Leistungseinschätzungen sind weder im Leistungslaufbahngesetz noch in den Beurteilungs- oder Beförderungsrichtlinien der Beklagten als Erkenntnismittel vorgesehen.
Die zugrunde gelegten Leistungseinschätzungen entsprechen schon formell nicht den Anforderungen an eine dienstliche Beurteilung. Sie bewerten die Leistung des Klägers nicht über einen längeren, vorab definierten Zeitraum in einem formalisierten Verfahren, sondern werden ad hoc über einen unbekannten Zeitraum nach dem Dafürhalten des unmittelbaren Vorgesetzten ohne Beteiligung sonstiger Stellen – beim Kläger wäre ggf. die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen gewesen – erstellt.
Auch in materieller Hinsicht bleiben die herangezogenen Leistungseinschätzungen hinter einer dienstlichen Beurteilung zurück. Zum einen bilden sie lediglich einen ungewissen, (wohl) relativ kurzen Leistungszeitraum ab, der – anders als eine im Vierjahres-Turnus zu erstellende dienstliche Beurteilung – keine taugliche Grundlage für eine aussagekräftige Leistungseinschätzung darstellt. Zum anderen konnte der hier tätig gewordene unmittelbare Vorgesetzte den zur Leistungsbeurteilung erforderlichen Leistungsvergleich mehrerer Beamter nur im Hinblick auf die ihm nachgeordneten Beamten vornehmen, wohingegen Art. 60 Abs. 1 LlbG einen behördenweit einheitlichen Bewertungsmaßstab sichert und einfordert.
4. Der Beklagten waren als unterlegenem Beteiligten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung.