Aktenzeichen M 4 E 16.4408
Leitsatz
Die Versagung einer Beschäftigungserlaubnis bzw einer Erlaubnis zur Aufnahme einer Berufsausbildung kann ermessensfehlerfrei sowohl auf die ungeklärte Identität des Asylbewerbers als auch auf migrationspolitische Erwägungen gestützt werden, um Fehlanreize zu vermeiden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1996 geborene Antragsteller begehrt eine Beschäftigungserlaubnis für die Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung als Anlagenmechaniker.
Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger und reiste am … Juni 2015 erstmalig in das Bundesgebiet ein. Papiere konnte er nicht vorlegen. Er stellte am 4. September 2015 einen Asylantrag und ist im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 Asylgesetz -AsylG-. Eine Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fand am … Oktober 2016 statt, die Entscheidung im Asylverfahren steht noch aus.
Am … September 2016 rief eine Mitarbeiterin des Helferkreises bei dem Antragsgegner an und teilte mit, dass der Antragsteller am … September 2016 eine Ausbildung als Anlagenmechaniker aufgenommen habe. Er hätte einen Ausbildungsvertrag geschickt, um die Ausbildung genehmigt zu bekommen. Dieser sei wohl bei der Ausländerbehörde nicht angekommen. Sie übermittelte in der Folge den Ausbildungsvertrag des Antragstellers.
Mit Bescheid vom 20. September 2016 lehnte der Antragsgegner die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für die Aufnahme der Berufsausbildung durch den Antragsteller ab. Er begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass die Erteilung der Erlaubnis gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG im Ermessen der Ausländerbehörde stünde. Bei der Ausübung des Ermessens dürften nur ausländer- und asylrechtliche Belange verfolgt werden. Keine sachfremde Erwägung sei es, bei Asylbewerbern eine Aufenthaltsverfestigung durch Versagung einer Erwerbstätigkeit verhindern zu wollen. Beim Antragsteller solle genau dies erreicht werden. Gegen die Erteilung spreche vor allem die niedrige Anerkennungswahrscheinlichkeit des Herkunftslandes des Antragstellers. Es sei daher damit zu rechnen, dass der Asylantrag als unbegründet abgelehnt werde. Mit Stellen eines aussichtslosen Asylantrages dürfe nicht das Ziel der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder qualifizierten Berufsausbildung in Deutschland verfolgt werden. Durch die Versagung sollten Fehlanreize zum Missbrauch des Asylsystems vermieden werden. Im Übrigen sei die Identität des Antragstellers nicht zweifelsfrei geklärt, da er keinerlei offizielle Dokumente über seine tatsächliche Identität vorlegen könne, was ebenfalls gegen eine Genehmigung spreche. Die Versagung der Erwerbstätigkeit erfolge daher im überwiegenden öffentlichen Interesse, welches dem individuellen Interesse des Antragstellers an einer Beschäftigung vorgehe.
Mit Schriftsatz vom 28. September 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller die Erlaubnis zu einer qualifizierten Berufsausbildung zu erteilen (Az. M 4 K 16.4406). Gleichzeitig beantrage der Bevollmächtigte des Antragsstellers,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller die qualifizierte Berufsausbildung unverzüglich – zumindest bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren – zu ermöglichen.
Der Bevollmächtigte begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch gegeben seien. Der Antragsteller habe einen Ausbildungsvertrag über dreieinhalb Jahre geschlossen. Die Antragsgegnerin habe den Antrag auf Genehmigung unter völliger Verkennung der Rechtslage abgelehnt. § 60a Aufenthaltsgesetz -AufenthG- beinhalte einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung; für eine Ermessensentscheidung sei insofern kein Raum.
Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzuweisen.
Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass die zugrundeliegende Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei. Der Antragsteller habe die Berufsausbildung ohne Zustimmung der Ausländerbehörde begonnen. Der später eingegangene Antrag auf Genehmigung sei abgelehnt worden. Bei der Zustimmung handle es sich um eine Ermessensentscheidung der zuständigen Ausländerbehörde. Bei der Ausübung des Ermessens seien die ausländer- und asylrechtlichen Belange, die Bleibeperspektive des Antragstellers und die Klärung der Identität des Asylbewerbers im Hinblick auf das IMS vom … September 2016 (Az. IA2.2081-1-8-19) geprüft worden. Die Identität des Antragstellers sei weitgehend ungeklärt, da er keinerlei Dokumente über seine tatsächliche Identität vorlegen könne. Darüber hinaus spreche der Antragsteller kaum Deutsch. Die Anerkennungswahrscheinlichkeit für alleinstehende afghanische Männer sei sehr gering, weshalb der Asylantrag mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden würde. In Folge dessen würden ausländerrechtliche Maßnahmen zur Abschiebung eingeleitet, die vorrangig gegenüber einer Erteilung einer Beschäftigung wären. Deshalb sei auch die Planungssicherheit für den Ausbildungsbetrieb nur gering. Diese Gesichtspunkte sprächen gegen die Genehmigung einer Ausbildung. Der Antragsteller werde nicht in seinen Rechten verletzt. Im Übrigen werde auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder wenn andere Gründe vorliegen. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-.
1. Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller – nach der gebotenen Auslegung seines Rechtsschutzbegehrens, § 88 VwGO – die Erteilung einer vorläufigen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren geltenden, Beschäftigungserlaubnis.
Es spricht schon vieles dafür, dass dieser Antrag unzulässig ist, weil er auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist. Der Antragsteller begehrt in der Hauptsache die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine Genehmigung zur Aufnahme einer Berufsausbildung zu erteilen. Das gleiche Ziel verfolgt der Antragsteller letztlich auch mit seinem Eilantrag, da aufgrund der bekannten Belastung der Verwaltungsgerichte nicht mit einer zeitnahen Entscheidung zu rechnen ist. Hieran ändert nichts, dass die im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrebte Rechtsstellung unter der auflösenden Bedingung des Ergebnisses des Klageverfahrens stünde. Denn auch die vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache vermittelt dem Antragsteller die im Klageverfahren erstrebte Rechtsposition und stellt ihn vorweg so, als wenn er im Klageverfahren bereits obsiegt hätte (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 29.7.2015 – 8 ME 33/15 – juris Rn. 11, VG München, B. v. 25. August 2015 – M 4 E 15.3554 – juris). Ein solches Rechtsschutzziel kommt deshalb nur ausnahmsweise aus Gründen des Gebots effektiven Rechtsschutzes in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre, dass dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B. v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – BVerfGE 79, 69). Dass solche schweren und unzumutbaren Nachteile entstünden, ist vorliegend jedoch schon zweifelhaft. Zwar könnte der Antragsteller – wenn er im Klageverfahren gewinnt – die Ausbildung erst später beginnen. Eine gewisse Zeitverzögerung ist aus Sicht des Gerichts jedoch zumutbar; insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Anhörung des Antragstellers vor dem Bundesamt bereits stattgefunden hat und daher in absehbarer Zeit mit einem Bescheid des Bundesamts zu rechnen ist. Der Antragsteller hat auch nicht vorgetragen, dass ihm eine spätere Aufnahme der Berufsausbildung unmöglich wäre.
2. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet, denn der Antragsteller konnte keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
Der Antragteller hat nach der gebotenen summarischen Prüfung im Hauptsacheverfahren keinen Anspruch auf Erteilung der Beschäftigungserlaubnis, der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Für Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG ist § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis. Danach ist die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis jedoch keine gebundene Entscheidung, sondern steht im Ermessen der Behörde. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist vorliegend nicht ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die Neuregelungen des am 6. August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetzes, die an der Rechtsstellung von Asylbewerbern, die sich noch im Asylverfahren befinden, in Bezug auf die Beschäftigungserlaubnis nichts ändert.
Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers aufgeführte Norm des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist nicht einschlägig, da sie nur Fälle von bereits bestandskräftig abgelehnten Asylbewerbern erfasst und darüber hinaus nicht die Beschäftigungserlaubnis, sondern die Duldung regelt.
Die vom Antragsgegner im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Ermessensentscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden (§ 114 VwGO). Die Ermessensentscheidung hat fehlerfrei die privaten Belange des Antragstellers und die öffentlichen Interessen an einer Versagung der Beschäftigungserlaubnis abgewogen. Der Antragsgegner hat sich bei seiner Entscheidung zu Recht auf die Weisung im IMS vom 1. September 2016 (Az. IA2-2081-1-8-19) gestützt. Danach kann die ablehnende Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde auch auf grundsätzliche migrationspolitische Erwägungen gestützt werden, um Fehlanreize zu vermeiden. Dem wird die streitgegenständliche Entscheidung angesichts der geringen Erfolgsaussichten von Asylantragstellern aus Afghanistan gerecht. Ebenfalls durfte der Antragsgegner die ungeklärte Identität des Antragstellers als Argument heranziehen.
3. Nach alledem war der Antrag mit der Rechtsfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog.